Wenn das Lastenfahrrad Berge mobilisiert

Was das Bewegen von Gütern und Personen in der Stadt betrifft, ist unschwer ein Trend hin zum Einsatz von Lastenfahrrädern in Linz zu erkennen. Immer öfter darf der Transport von beispielsweise Kindern und auch Lasten von bis zu 200 kg in der Stadt beobachtet werden. Eine Bestandsaufnahme von Johannes Staudinger.

Fahrradfahren im urbanen Raum gewinnt an immer größerer Bedeutung. Sich mit dem Radl von A nach B zu bewegen, um Besorgungen, Behördengänge, Arbeits- und Freizeitwege zu erledigen oder sich einfach mit Freunden gemütlich auf einen Drink zu treffen, ist wieder Bestandteil des alltäglichen Stadtbildes.

Seit ein paar Jahren trifft man in Linz auf Menschen, welche mit ihren Rädern Güter oder Kinder transportieren. So werden Kids frühmorgens von den Eltern zum Kindergarten gefahren, Drucksorten von der Druckerei zum Kunden geliefert, Getränke fahrend an dürstende Donaubadende verkauft, Radioübertragungsstudios zum Außeneinsatz gezaubert, Caterings zur Firmenfeier zugestellt, Infostände zu ihren neuen Einsatzorten bewegt, ganze Wohneinrichtungen umgesiedelt und Soundanlagen zur spätabendlichen Party verfrachtet. Zum Einsatz kommen dabei neben Lastenfahrrädern auch vielfach Fahrradanhänger, welche mit ein paar wenig geschickten Handgriffen montiert sind.

Pioniere der ersten Stunde in Linz waren die Bike Kitchen und die Fahrradbotendienste Green Pedals und Veloteam, die Anfang der 2010er Jahre mit selbstgebauten und angekauften Transporträdern für Aufsehen in der Stadt sorgten und auch gegenwärtig verstärkt auf den Einsatz dieser Räder vertrauen. Das Bewusstsein, so die Fahrradboten, sei mittlerweile sogar dahingehend gesteigert, dass die Kundschaft teilweise im vorhinein beim Ordern einer Güterüberstellung darauf hinweist, dass es aufgrund des Gewichts und der Sperrigkeit des Gutes besser sei, gleich mit dem Lastenrad den Transport in Angriff zu nehmen. Der Einsatz von Lastenfahrrädern erlebt einen Boom und wird in den nächsten Jahren wesentlichen Zuwachs erleben, so die Veloboten.

Und trotz dieser erfreulichen Entwicklung und Bereicherung in Sachen Lastenradmobilität hinkt Linz dem europäischen Trend, an vorderster Stelle sei hier natürlich Kopenhagen erwähnt, hinterher. Langsam, langsam mahlen die Mühlen hier, um dieses enorme Potential hinsichtlich Lebensqualität, Verkehrspolitik, Umweltschutz und Wirtschaftsimpuls zu erkennen. Liegen die Vorteile dieser Art von Mobilität doch auf der Hand, wirkt sie doch verkehrsentlastend, dadurch staumindernd, lärmfrei, umweltschonend und ist dabei noch anregend für den Kreislauf. Die CO2-Reduktion liegt sogar bei nahezu 100%! Eine im Zuge des EU-Projektes cyclelogistics erstellte Studie des Grazer Forschungsinstituts FGM Amor kommt bei ihren Untersuchungen soweit, dass 51% des gesamten innerstädtischen Gütertransportverkehrs mittels Lastenfahrrädern erledigt werden können! Das bedeutet, dass die erwähnten 51% in Linz bisher noch immer von umweltbelastenden und schadstoffausstoßenden Lastenfahrzeugen absolviert werden.

Aber wo liegt der Hemmschuh für eine Stadt wie Linz, sich hier aktiv in Szene zu setzen und endlich aufzuschließen, um in Sachen Fahrrad- und insbesondere an Lastenfahrradmobilität europäisches Niveau zu erreichen? Linz und dessen Politik wirkt wie eine tief in Lethargie versunkene Stadt, welche trunken und mit seichtem Blick alle Angebote, Innovationen und Hilfestellungen rundum sich umstößt oder gleich im Vorfeld abweist. Gedanken an Nibelungenbrücke, verhunzte Lückenschlüsse im Radwegenetz, Donausteg, Eisenbahnbrücke, autofreier Hauptplatz und vieles mehr kommen auf, wenn die letzen Jahre an missglückter Verkehrspolitik betrachtet werden. Um Umsetzungsideen und aktuelle Best Practice Projekte zu entdecken, bräuchte es dazu eigentlich nur einen Blick in die jüngere Vergangenheit von Linz, oder einen Blick in europäische Projekt-Datenbanken.
Bereits 2009, im Jahr, wo Linz europäische Kulturhauptstadt war, veröffentlichte die Initiative Hörstadt Linz eine Grundsatzstudie „Urban Vision Linz. Ganze Stadt, halber Lärm“, in welcher, ausgehend vom Bedürfnis, grundlegend die Lärmkulisse der Stadt Linz auf ein verträgliches Maß zu senken, ein Plan vorgelegt wurde, wie man den lärmenden Verkehr auch unter Zuhilfenahme von Transporträdern reduzieren könnte. Und die Studie ging darüber hinaus, denn es wurde vorgeschlagen, den inneren urbanen Stadtkern größtenteils und unter restriktiven Maßnahmen, nur mit wenigen Ausnahmen vom fossilen Automobilverkehr zu trennen, indem Park- und Fahrangebot für PKWs und LKWs auf ein Minimum reduziert werden, das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln erhöht wird, breitere und für Radtransporten aller Art allein zu nutzende Wege zur Verfügung gestellt werden, ein dezentraler Logistikring rundum das Zentrum entstehen soll, von welchen aus das Stadtinnere mit Mitteln sanfter Mobilität beschickt wird. Das klang und klingt in den Ohren der Linzer Politik utopisch. Nichts hat sich seither wesentlich in dieser Angelegenheit verändert.
Im Vergleich dazu gibt es europaweit hervorragende Projekte, welche durch Selbstbewusstsein in Sachen Fahrrad- und Lastenradmobilität strotzen. München, London, Paris, Bozen, Danzig, Piräus, Athen, Lissabon, Genua, Brighton, Mannheim, Hamburg, Strasbourg, Vitoria-Gasteiz, Groningen, Ljubljana sind Städte, die durch ihr Engagement, was das Investment in Fahrradförderungen, die allgemeinen Zielsetzungen in alternative Mobilität und generell den Willen betrifft, bestehende Verkehrskonzepte umzukrempeln, in letzter Zeit für Aufsehen sorgten und internationale Anerkennung ernteten.

Nun ist es ja nicht so, dass Linzerinnen und Linzer dem Nutzen von Lastenfahrrädern und grundlegend dem urbanen Fahrradfahren abgetan wären, aber es fehlt an der Zurverfügungstellung der notwendigen Infrastruktur und den dafür notwendigen Förderungen. Nicht nur für die Radfahrenden selbst, sondern auch etwa für innerstädtische Einrichtungen und Wirtschaftstreibende.

So bleibt es vorerst den LinzerInnen überlassen, aus eigener Kraft Berge zu versetzen und von sich aus, beharrlich der hiesigen Politik gegenüber ihren Willen zur Veränderung zu äußern, indem sie sooft und soviel wie möglich auf das Fahrrad steigen und dadurch einen Paradigmenwechsel einläuten.

Förderungen für Transportfahrräder werden vorerst von Land OÖ und Stadt Linz nicht angeboten. Die Städte Graz, Hartberg und Lustenau sind in dieser Angelegenheit österreichweit Vorreiter.
Das Lebensministerium mit dem Masterplan Fahrrad 2015–2025 bietet eine Transportrad-Förderung für Vereine und Kommunen an.

 

Info- & LinkBox

Clean Air – EU Projekt
Cargo bikes in commercial transport
www.cleanair-europe.org/en/projects/vcd/ebc/cargo-bikes-in-commercial-transport

Cycle Cities – EU Projekt
INTERREG IVC Program zur Förderung des Fahrradverkehrs
www.cyclecities.eu

Zum rostigen Esel
Erstes Linzer Fahrradmechanikerinnenkollektiv
Lastenfahrradverkauf in Linz
www.rostigeresel.at

GerRad
Stadt. Rad. Liebe.
Lastenfahrradverkauf in Linz
www.gerrad.at

cyclelogistics
Europäisches Lastenfahrrad-Forschungsprojekt
www.cyclelogistics.eu

Bike Kitchen Linz
Offene-non-profit Selbsthilfewerkstatt
bikekitchenlinz.nil-fisk.org

Veloteam Linz
Fahrradbotendienst
veloteam.at

Greenpedals Linz
Fahrradbotendienst
www.greenpedals.at

Steelcity Cycle Messengers
Verband der Linzer Fahrradbotinnen
steelcitycyclemessengers.blogspot.co.at

Imagine Cargo
Rad – Bahn – Rad Frachtservice
www.sustainablecourier.com

Stadt Linz
Einkaufsräder- und Fahrradanhängerverleih
www.linz.at/verkehr/3424.asp

Radlobby OÖ
ooe.radlobby.at

VCÖ – Mobilität mit Zukunft
www.vcoe.at

Klimaaktiv – BMLFUW
Förderung für Transporträder
www.klimaaktiv.at/foerderungen

Hörstadt
Menschengerechte Gestaltung der akustischen Umwelt
www.hoerstadt.at/ueberuns/veroeffentlichungen.html

Bicycle Happening
Jährlich stattfindendes Fest der Fahrradkultur in Linz
www.bicyclehappening.at

Kulinarische Scharmützel eines professionellen Dilettanten

DON’T DISS THE COOK
by The Slow Dude

Zum Einstand: Linz als kulinarische Wüste zu bezeichnen ist etwas übertrieben, aber dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen – sinnbildliche Illustration dieser trockenen Geschichte ist die weltberühmte Linzer Torte. Während in vielen vergleichbaren europäischen Städten regional produzierte, intelligente Küche auf dem Vormarsch ist, begnügt sich Linz wie so oft (und nicht nur kulinarisch) mit der Zweitverwertung von pseudo-zeitgeistigen Trends. Donut-Buden dort und da, Pulled-Pork-Trucks vor dem Architekturjuwel Brucknerhaus und Fast-Food-Ketten, die rund ums Schmidttor mit Italo-Kulisse die Massen abspeisen. Und die paar Wirtshäuser, die sich ein Make-over gönnen können, kommen über die kreative Neubenennung oder die Verballhornung des Wortes Wirtshaus oft nicht hinaus. Wia’zHaus. Wo sind die KöchInnen mit weißer Schürze und Kochhaube? Oder gibt es nur noch unterarmtätowierte Gastro-Hipster, die mit schwarzen Latexhandschuhen in Fleischfasern wühlen? So sitzen wir deprimiert im Gastgarten des Fischerhäusls vor einer Schiffsattrappe an der Urfahraner Donaulände und trinken Heineken-Bier. Das ist es. Oder? Nein. Es gibt viele hervorragende GastronomInnen, die mit Einsatz, Wissen und Engagement ihre neuen Stätten betreiben und in den letzten Jahren durchaus das Niveau der Stadt in gastronomischer Sicht deutlich heben konnten; oder deren traditionelles Wirken weiterhin Bestand hat und auch für die Zukunft gesichert werden konnte: So verfügt Linz – auch ohne geifernd eventisierte Streetfood-Inszenierung – über eine stattliche Auswahl an Wüstelständen, Imbissbuden und Essen-für-Unterwegs-Institutionen, die es nirgends anders in dieser Form gibt und die nur in Linz authentisch funktionieren. „Der Leberkäs-Peppi“, der „Warme Hans“, Jindraks belegte Brötchen und Steckerl-Fisch beim Hollaberer sind nur einige Orte der autochtonen Linzer Gastlichkeit. Nicht alles Bio, nicht alles High-End, aber alles „im Original“.

Die kleine Reihe „DON’T DISS THE COOK“ widmet sich in den nächsten Kolumnen speziellen Linzer-Gastronomie-Besonderheiten oder Skandalen und beurteilt diese möglichst subjektiv. Also, der Slow Dude kommt langsam in die Gänge und meint: „Pulled Pork“ für’n Arsch, her mit dem Leberkäs!

Kommentare, Hinweise und Tipps via E-Mail an slowdude@gmx.at.

Euer
Slow Dude

Stadtbild

Du musst dein Ändern leben

Du musst dein Ändern leben. Foto: Die Referentin

Das kluge Schreib-Bot kiki

IT für E.T. – oder doch nur außerirdischer Journalismus

IT für E.T. – oder doch nur außerirdischer Journalismus

Von Textambitionen zur Ars Electronica und anderen Schreib-Bot-Automatismen: Der Maschinenblick auf Linz und die Medien. Plus Kommentar zur lokalen Berichterstattung über maiz.

Die Vorgeschichte: Ein Medienskandal ereilte 2012 die „Chicago Tribune“ – hinsichtlich ausgelagerter schreiberischer Dienstleistungen. Kurzfassung: So genannte hyperregionale Nachrichten, also Nachrichten aus Chicago und der unmittelbaren Umgebung, wurden von einer Firma abgefasst, die unter anderem Schreibkräfte auf den Philippinen beauftragt hatte. Die Presse schrieb dazu: „(…) Reporter hatten herausgefunden, dass die Firma Journatic jene ‚hyperlokalen‘ Nachrichten mit denen sie seit 2007 überregionale Zeitungen wie ‚Chicago Tribune‘ oder ‚San Francisco Chronicle‘ beliefert, unter anderem von Billiglohnschreibern von den Philippinen erstellen lässt. Möglich macht das die offene Verwaltungsstruktur, die Behörden dazu anhält, sämtliche Verwaltungsabläufe online zu dokumentieren. Die Schreibkräfte von Journatic in den USA oder eben auf den Philippinen machen aus diesen Daten Texte wie am Fließband. Zuletzt wurden falsche Autorennamen für manche Texte verwendet, einige Zeitungen stellten ihre Zusammenarbeit mit dem Content Provider ein.“1 Was sagt uns das? Zum einen: Die Entfernung Chicago – Philippinen lässt hyperregionale Berichterstattung absurd erscheinen. Zum anderen: Es braucht anscheinend keinerlei direkten Kontakt, weder hinsichtlich Schauplatz noch Recherche, um journalistisch erscheinende Texte abzufassen. Automatisierte Verarbeitung zu Textoberflächen genügt. So gesehen könnte es, und damit wechseln wir ins hyperregionale Oberösterreich, eigentlich auch möglich sein, dass Journalisten der OÖN von den Philippinen weg (wahrscheinlich dann eher in Urlaub) das Sommer-OÖN-Aufregerthema „Förderunwesen“ hochgepitcht haben. Indem sie etwa den Verein maiz diskreditieren, der seit Jahren in Theorie und Praxis Empowerment für Frauen und Migrantinnen betreibt (dies durchaus bereits mit vielen Anerkennungen und Preisen bedacht). Denn: Auch hier wurde keinerlei Kontakt mit dem Linzer Verein aufgenommen, bevor man polemisch verbratene Zahlen und Inhalte in die Druckerpressen schickte. Der Verein maiz, der völlig legitim und legal Fördergelder von verschiedenen Stellen bekommt, verwaltet und durch die üblichen Abschlussberichte rechtfertigen muss, hat hierzu eine Stellungnahme verfasst, eben mit dem Hinweis, dass keinerlei direkte Recherche beim Verein vorangegangen sei. Besonders ungustiös ist, dass sich hier die OÖN Mechanismen bedienen, die so daherkommen, als ob man sich mit den Mächtigen anlegt (den Förderern); aber damit gezielt einen Verein diskreditiert haben, der für diejenigen einsteht, die, ohnehin nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen, dem Grusel des Endes der Gemütlichkeit frönen können. Die Stellungnahme des Vereins ist wärmstens zu empfehlen.2 Bleiben die Fragen: Schreiben wie es mir gefällt? Oder: Automatischer Hass auf Minderheiten?

Gehen wir weg von diesem journalistischen OÖNullpunkt und wenden wir uns den unschuldigen Maschinen zu. Wir nehmen den Faden der automatisierten Text- und Schreibabläufe auf. Eine Fortsetzung von oben angeführten „automatisiert“ erstellten Texten sind so genannte Schreib-Bots. Das sind maschinelle Textprogramme, die bereits im Sport, in der Wirtschaft und anderswo real und tatsächlich schon automatisiert zum Verfassen von Texten angewendet werden – ganz ohne Menschen. That‘s reality. Das heißt: Vielleicht können inzwischen so manch oben angeführte hyperregionale Daten, z.B. aus Chicago oder jeder anderen Stadt, bereits jetzt automatisch in Texte umgewandelt werden – auch ganz ohne philippinische Billiglohnschreiber. In einigen Artikeln in der aktuellen Versorgerin und über die angegebenen Links unten ist bezüglich Schreib-Bots zum Stand der Dinge zu lesen. Die Referetin wollte dazu nun aber gleich in Medias res der Kulturberichterstattung gehen und hat eine deutsche Firma angeschrieben, die derlei Dienste anbietet. Die Idee war ein Schreibbot-generierter Artikel über die Ars Electronica. O-Ton Die Referentin-Anfrage an den Firmenchef: „Ich habe Ihnen bereits vor einiger Zeit eine Anfrage geschickt – mit dem sinnigen Betreff ‚bots on festivals?‘, und der Frage, ob es möglich ist, dass Bots auch im Kunst- und Kulturfeld das Schreiben für uns zu erledigen imstande sind; entsprechend Ihres Slogans ‚Let us do the Writing for you‘. Ich habe in einem Printmagazin von ihrem Ratespiel ‚bot or not?‘ gelesen, das Sie laut Beitrag am Tag des Online-Journalismus im April in Frankfurt vorgeführt haben. Ein Beitrag zum Thema Schreibbots ist in unserer neuen Kunst- und Kulturzeitung nach wie vor geplant. Am liebsten wäre uns, gleich anschaulich zu werden und die Ars Electronica, ein großes Festival für Kunst, Medien und Technologie hier in Linz/OÖ durch einen Schreibbot zu besprechen, sprich mit bestehenden Daten zu füttern, um einen Preview oder gar eine Kritik vorneweg zu bekommen. Ist das grundsätzlich überhaupt möglich? Das Festival findet Anfang September statt und wir wären an einem Textbeitrag von etwa 5000 Zeichen interessiert. Bzw. auch, falls das nicht möglich ist, an anschaulichen Textfragmenten, die sozusagen die Maschine generiert hat. Gibt es überhaupt Beispiele aus ‚bot or not?‘, die im Kunst- und Kulturbereich angesiedelt sind? Ich bin nicht sicher, wie gewagt diese Anfrage hinsichtlich einer Umsetzung einer solchen Festivalbesprechung ist, überhaupt das Feld der Kunst und Kultur. Unser Interesse begründet sich natürlich allgemein aus Überlegungen zur Zukunft der schreibenden Zunft. Die konkrete Idee, ein Schreibbot auf das Zukunfts-Festival Ars Electronica anzusetzen, erscheint uns deshalb verfolgenswert, weil das anschaulich vorführt, auf welchem Stand der Dinge sich hier die Technologie befindet, und weil sozusagen hier mit dieser konkreten Festivalbesprechung Technologie auf Technologie trifft. Wir würden selbstverständlich einen derartigen Schreibbot-Beitrag, der sicherlich in unserem Fall nicht kommerziell ist (freies Medium in Linz/OÖ, Auflage 10.000, Erscheinungstag 4. Sept), mit einem Kommentar von Ihrer Seite versehen, der auf die Potentiale dieses Bereichs verweist– selbstredend in der journalistisch angebrachten Transparenz. Bitte um kurze Rückmeldung, ob dies grundsätzlich möglich ist, und unter welchen Bedingungen. Beste Grüße“.3 Leider haben wir keine Antwort auf diese An­frage bekommen, bzw. kam nach der ersten, vorangegangenen Anfrage mit ähn­li­chem Inhalt ein an uns cc-adressiertes Ant­wortmail des Firmenchefs an seine Mit­ar­bei­terin, das dachten wir zumindest zuerst, mit dem einzigen Inhalt: „kiki, kannst du bitte eine telko vereinbaren?“. Eine telko ist übrigens eine Telefonkonferenz.

Allerdings ist kiki nicht tätig geworden. Und auch sonst haben wir nichts mehr gehört. Wir dachten zuerst, dass unser beabsichtigtes Vorhaben einfach nicht möglich ist. Und Schreib-Bots nun doch zu so gar nichts zu gebrauchen sind. Mittlerweile glauben wir aber, dass kiki in Wahrheit selbst ein Schreib-Bot ist, das klug genug ist, erkannt zu haben, dass mit uns nicht gerade viel Aufmerksamkeit und Geld zu machen ist. Die aufklärerische Idee, wie eine Maschine ein Festival der elektronischen Kunst übersetzt, das uns jedes Jahr wieder das Staunen vor der Technologie lehrt, sozusagen der Maschinenblick auf Linz, ist damit erstmal gescheitert. Wir schließen deshalb vorerst mit einem Zitat zum Thema, das wahrscheinlich so oder so die Quintessenz der Sache beschreibt: „Im Grunde besteht die Gefahr nicht darin, dass die Maschine den Menschen ersetzt, sondern dass der Mensch auf dem Weg dahin, die Maschine menschlich zu machen, selbst immer maschineller wird (…)“.4 Dies trifft wahrscheinlich auf sämtliche automatisierte Abläufe zu, oder auch auf den Journalismus. Dieser Text wurde übrigens automatisch erstellt vom klugen Schreib-Bot kiki.

1    DiePresse, Anna-Maria Wallner, Subtext, 13. Juli 2012
2    Stellungnahme maiz: maiz.at/sites/default/files/stellungnahme_zur_berichterstattung_ueber_maiz_06082015.pdf
3    Zur angefragten Firma und zu „bot or not“, konkret, Juni 2015, Leo Fischer, Share the Snack­ability, www.konkret-magazin.de/hefte/heftarchiv/id-2015/heft-62015/articles/share-the-snackability.html
4    Dieser Satz stammt auch aus einem Bericht zum Thema Roboterjournalismus, Cicero Magazin, Mai 2015, Timo Stein, Automatisierte Wirklichkeit,  www.cicero.de/salon/roboter­journalismus-automatisierte-wirklichkeit/59295

 

Leerstand

Derfflingerstraße 2

Derfflingerstraße 2. Foto: Die Referentin

 

Derfflingerstraße 2, 4020 Linz
Das Gebäude unweit der Polizeiinspektion Nietz­schestraße ist im Eigentum der ARE, einem hun­­dertprozentigen Tochterunternehmen der BIG (Bundesimmobiliengesellschaft). Zuletzt war u. a. die Post darin beherbergt. Seit geraumer Zeit steht es leer und wird von einem Sicherheitsdienst bewacht. Jüngst stand zur Diskussion, es für Asylsuchende zu öffnen; so wie es scheint, bleibt es aber leider nur vom Sicherheitsdienst bewohnt.

Ab nächster Ausgabe präsentiert an dieser Stelle der Verein für Leerstandsangelegenheiten, Frucht­genuss, leerstehende Immobilien, die für eine Zwischennutzung bestens geeignet WÄREN.

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Das Professionelle Publikum

Anstatt eines regulären Veranstaltungskalenders holt die Redaktion das Professionelle Publikum ins Blatt. Das Professionelle Publikum ist eine pro Ausgabe wechselnde Gruppe an Personen, die eingeladen wird, für den jeweiligen Geltungszeitraum jeweils zwei Veranstaltungen zu empfehlen. Die Regel für diese beiden Empfehlungen lauten so: Es geht um eine „eigene“ Veranstaltung, also eine aus dem eigenen Haus oder dem eigenen Arbeitsumfeld, sowie um eine Empfehlung von „außerhalb“. Immer geht es um Tipps, die man sozusagen aus ganzem Herzen persönlich empfehlen kann.
Die Redaktion freut sich über die ausgewählten Veranstaltungstipps und druckt, dem aufmerksamen Leser fällt es auf, auch den einen oder anderen Veranstaltungstipp mehr. Auch sonst gibt es kleinere Ausnahmen im Regelwerk, die wir als charmante Erweiterung unserer Anfrage verstehen. Ein Tipp wurde doppelt ausgewählt; über einen weiteren ist in diesem Heft zu lesen. Wir sehen diese Tipps deshalb als besondere Empfehlung!
Die Referentin bedankt sich beim Professionellen Publikum der ersten Ausgabe und lädt ein, sich bei den genannten Veranstaltungen unters Publikum zu mischen!

Veranstaltungen

© FRAUKOEPPL

© FRAUKOEPPL

Silvia Gschwandtner,
betreibt den Veranstaltungsblog Linzlife, ist im Verein „Altstadt Neu“ im Vorstand aktiv und hat außerdem einen Shop für Skandinavisches Design namens NØRD in der Linzer Altstadt.

Tipps:
Wein & Kunst
We will fail & Zavolka

 

Ursula GuttmannUrsula Guttmann
ist freischaffende Künstlerin und Kuratorin.
Zuletzt hat sie die Ausstellung LOVE & LOSS Mode und Vergänglichkeit im LENTOS Kunstmuseum kuratiert.

Tipps:
WearFair
linzer notate 3/15
keep it all inside

 

© Pamela Neuwirth

© Pamela Neuwirth

Franz Koppelstätter
ist Leiter des afo architekturforum oberösterreich und unterrichtet Architektur an der Kunstuniversität Linz.

Tipps:
RAND – Eröffnung
RAND
THE CITY AND ME – CreArt European Exhibition 2015 – Eröffnung
THE CITY AND ME – CreArt European Exhibition 2015

 

Clemens MairhoferClemens Mairhofer
lebt und arbeitet in Linz, ist Mitglied der Künstlergruppe FAXEN, sowie Kurator und Organisator des Kunstraums bb15.

Tipps:
Wavering Worlds #4 Phill Niblock
Pretty Straightforward – Eröffnung
Pretty Straightforward

 

© Linda Wallner

© Linda Wallner

Dominika Meindl
Schriftstellerin und Präsidentin der Lesebühne „Original Linzer Worte“.

Tipps:
Wrestling against Westring: Die Verkehrslesebühne
Töpfern auf Kreta, Buchpräsentation von Manfred Rebhandl

 

Simone NeumayrSimone Neumayr,
Schauspielerin, fix im Ensemble des theater-des-kindes. Zusätzlich als freie Schauspielerin tätig u. a. bei theater@work, Kulturfabrik Helfenberg, Posthof Linz („Brief einer Unbekannten“).

Tipps:
Die Sommernachtsträumer
Die Sommernachtsträumer
Leonce und Lena

 

© Gregor Schernhuber

© Gregor Schernhuber

Laura-Lee Röckendorfer
leitet seit 2015 gemeinsam mit Boris Schuld das Internationale Jugend Medien Festival YOUKI.

Tipps:
YOUKI – Internationales Jugend Medien Festival
YOUKI Ki.Ki.Ki. – Kino für Kinder von Kindern
Music Unlimited

 

© Otto Saxinger

© Otto Saxinger

Christian Steinbacher
lebt als Autor, Herausgeber und Kurator in Linz und betreut die Literatursparte innerhalb der Künstler- und Künstlerinnenvereinigung MAERZ.

Tipps:
linzer notate 3/15
IGNM/OÖ im Pavillon: Matija Schellander/Kontrabass und Pierre Yves-Martel/Gambe

 

Sabine StullerSabine Stuller
ist im Vorstand der Vereine IFEK – Institut für erweiterte Kunst und Fruchtgenuss – Verein für Leerstandsangelegenheiten.

Tipps:
Kunsthalle Linz
Wehrgrabenfest

 

Felix VierlingerFelix Vierlinger
ist Veranstalter (future sound / turntabletennis) und seit 2008 in der Stadtwerkstatt. Liebt alles, was sich musikalisch an den Grenzen bewegt, mag die Berge und kocht gern orientalische Küche.

Tipps:
The Future Sound pres. Julian Sartorius (CH)
O wow Tanzabend mit dem Soul Lobster DJ Team
O wow Tanzabend mit dem Soul Lobster DJ Team

 

Die Referentin

Tipps:
Mehr Vielfalt braucht das Land!

 

Dokumentation Gehsteigschrift #1

 

„Wenn die ganze Welt lügt, wohin flüchte ich? If the whole world is a liar, where do I seek Asylum?“
13. November 2014, Traiskirchen, Österreich

Es ist Donnerstag, der 13. November 2014. Die Zeitungen berichten schon seit einiger Zeit über das Asyl-Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen, Niederösterreich. Es gab dort kürzlich den Fall einer ansteckenden Viruserkrankung, und seitdem schlachten, wie üblich, die rechtspopulistische Partei FPÖ sowie nutznießende lokale PolitikerInnen die Situation aus, um ihre Meinungen und Vorstellungen in der Öffentlichkeit kundzutun. Schnell wird die eigentliche Problematik, dass durch den aktuellen Flüchtlingsstrom innerhalb kurzer Zeit verhältnismäßig viele Asylsuchende in Österreich Schutz und Hilfe suchen, in den Hintergrund gedrängt. Denn die großen Mäuler der Populisten halten die öffentliche Diskussion in Schach. Die Aufmerksamkeit wird von den Bemühungen um konstruktive Problemlösung weggezogen, umgeleitet in einen politischen Schachzug.

Der Parteivorsitzende der FPÖ, Heinz Christian Strache, kündigt für den Abend des 13. Novembers eine Protestkundgebung am Hauptplatz von Traiskirchen an. Die Sozialistische Jugend und Netzwerke gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kündigen eine Gegendemonstration an. Um 18:30 Uhr erschallen am Hauptplatz, der etwa einen Kilometer vom Erstaufnahmezentrum Traiskirchen entfernt liegt, die Reden der freiheitlichen Politiker und die Proteste der Gegenveranstaltung. Zu diesem Zeitpunkt beginnt zwischen Hauptplatz und Erstaufnahmezentrum die Akteurin Elisabeth Lacher, ihren Beitrag auf den Gehsteig in der Johann-Foissner-Straße zu schreiben.

Zur Vorbereitung ist Elisabeth Lacher am Nachmittag nach Traiskirchen gefahren und zwischen Erstaufnahmezentrum und Hauptplatz hin- und zurückspaziert. Sie fühlte eine Betroffenheit während des Gehens. Sie war betroffen von den Kameras entlang der Zäune an jeder Ecke, von der Schleuse beim Eingang des Zentrums, bei der sich die Asylsuchenden an- und abmelden müssen. Sie hat sich überlegt, wie es ihr ergehen würde, wäre sie auf diesen Ort angewiesen. Sie hat nachgedacht, ob sich diese Frage PolitikerInnen und Bevölkerung wohl auch manchmal stellen. Ob diese dann auch die Betroffenheit spüren? Ob sie auch einen Schmerz spüren, wie ihn Elisabeth Lacher an diesem Tag spürte, als sie über die Situation nachdachte und durch Traiskirchen spazierte?

Und sie beginnt nachzudenken. Denkt an die Menschen, die hinter dem Zaun leben. Denkt darüber nach, was sie über Flucht und Migration bereits gelesen und erfahren hatte. Erinnert sich an ihre Reise nach Westafrika vor 10 Jahren. Denkt daran, was ihr die WestafrikanerInnen damals von Migration nach Europa erzählt hatten. Welche Möglichkeiten es in Europa für AfrikanerInnen gäbe. Welches gute Leben in Europa möglich sei. Sie denkt daran, wie ihr Postkarten gezeigt wurden von Verwandten und Bekannten, die auf unterschiedlichen Wegen nach Europa emigriert sind. Stolz zeigten diese ihr die Postkarten, erzählten vom guten Leben, das die Fortgegangenen in Europa haben. „Er hat es geschafft“, sagt eine stolze nigerianische Mutter über ihren ältesten Sohn, der mit 19 Jahren aus der Armut einer Lehmhütte ohne fließendes Wasser im Umkreis von fünf Kilometern, nach Europa geflüchtet ist. Regelmäßig berichtet er von einer guten Arbeit, von einer schönen Wohnung und schickt der Mutter Geld für die jüngeren Geschwister. Auch diese träumen davon, ein gutes Leben in Wohlstand in Europa zu haben, wenn sie alt genug sind um auszuwandern.

Damals spürte Elisabeth Lacher dieselbe Betroffenheit wie an diesem Tag der FPÖ-Kundgebung in Traiskirchen. In den Briefen und Berichten an die in der Heimat Gebliebenen war kein Wort zu lesen über die Mühen, eine Arbeit zu finden. Über die Mühen des Alltags. Über das, was es noch heißt, in Europa zu leben. Kein Wort über Einsamkeit, Ausgeschlossen Sein, Angst, Fremde, Heimweh. Wahrscheinlich wollten sich die Gegangenen diese Blöße nicht geben, denkt Elisabeth Lacher. „Ich würde das bei meiner Mutter wahrscheinlich genauso machen“, gesteht sie sich ein. Oder die Flucht aus Armut und Bedrohung lässt Europa wirklich als Schlaraffenland erscheinen. Elisabeth Lacher konnte sich diese Frage nicht beantworten.
Während sie durch Traiskirchen spazierte dachte sie auch daran, wie es sein muss, nicht mal die Wahl zu haben ob man migriert oder nicht, weil man flüchten muss. Wie es sein muss, diese Entscheidung gar nicht treffen zu können. Weil man fort muss um Leib und Leben zu wahren.
Elisabeth Lacher wollte weg. Sie wollte eigentlich nicht hier sein. An diesem Nachmittag in Traiskirchen, vier Stunden bevor die Dummheit am Hauptplatz durchs Mikrofon erschallt und den akustischen Raum der Öffentlichkeit verschmutzt. Aber sie blieb, sie musste etwas entgegensetzen. Sie konnte es anders nicht ertragen.

„Wenn die ganze Welt lügt, wohin flüchte ich? If the whole world is a liar, where do I seek Asylum?“

Um 18:30 Uhr geht sie zu einem ausgewählten Gehsteig zwischen Hauptplatz und Asylzentrum und schreibt ihre Frage in deutscher und englischer Sprache zwei Stunden lang als Endlosschleife auf den Boden. Zu Beginn sind kaum PassantInnen unterwegs. Während des Schreibens spürt sie die wenigen Vorbeigehenden. Sie spürt die Irritation, die sie auslöst. Die meisten weichen umgehend aus. Sobald der erste Satz geschrieben ist, versuchen einige der Leute, mit der Schreiberin ins Gespräch zu kommen. Doch diese überhört das Gesagte und schreibt unbeirrt weiter. Neben der Irritation, die sie auslöst und wahrnimmt, kommen nun auch Rückmeldungen hinzu. Oft hört sie zustimmende Worte wie „Schön“ von den PassantInnen. „Toll, was Sie hier machen“. Manche Personen regen sich auf: „Was macht denn die für einen Blödsinn da?“ „Ist dir fad?“ „Hat wohl nix zu arbeiten“.

Da von Seiten der Schreibenden keine Reaktion kommt, gehen diese PassantInnen dann doch relativ schnell weiter. Es dürfte ihnen langweilig sein, sich über etwas aufzuregen, wenn sie dabei ignoriert werden.

Nach etwa eineinhalb Stunden sind die Reden am Hauptplatz vorbei. Nun kommen viele Personen an der am Gehsteig knienden Schreiberin vorbei. Der Satz ist nun schon einige Male wiederholt und wächst als Zierleiste am Gehsteig entlang. Die Akteurin wird von den vorbeikommenden FPÖ-SympathisantInnen heftig beschimpft. „Du grüne Umweltverschmutzerin!“ „Scheiß Alternative!“ „Depperte Künstler!“ Sie hört diese Beschimpfungen und spürt die aufgeheizte Stimmung nach der Rede der Populistenmäuler. Meist kommen die Schimpfenden in Gruppen vorbei, einer beginnt sie anzumaulen, manchmal steigen die anderen mit ein. Vom Trubel unbeirrt schreibt Elisabeth Lacher weiter. Die Schimpfenden müssen kurz ausweichen, schreien im Weitergehen noch ein paarmal zurück, sind aber schnell wieder weg. Hier gibt es für die Großmäuler nichts zu tun. Eine Frau zu beschimpfen, die am Boden kniet und wortlos ihre Gedanken niederschreibt, macht auf Dauer keinen Spaß.

So konnte die Gehsteigschrift in Ruhe fertiggestellt werden und zierte für einige Tage den Gehsteig in der Johann-Foissner-Straße in Traiskirchen. Bis der Regen kam und den Schriftzug wegschwemmte.

PROJEKTREIHE „GEHSTEIGSCHRIFTEN“, Schreibperformances
Das Projekt „Gehsteigschriften“ ist ein von der Akteurin Elisabeth Lacher selbstinitiiertes Performanceprojekt im öffentlichen Raum. Elisabeth Lacher wählt hierfür Orte aus, die entweder temporär oder permanent Schauplatz des öffentlichen Interesses sind. Sie nutzt dort stattfindende politische Veranstaltungen, Demonstrationen oder Kundgebungen, um ihre Ansichten zur Thematik am Gehsteig sichtbar zu machen.

PERSÖNLICHE ZIELSETZUNG DER AKTEURIN:
Kunst hat die Möglichkeit, bei Menschen eine andere Resonanz zu erzeugen, als sie das alltägliche Leben normalerweise bietet. Das ist für die Akteurin ein wesentlicher Bestandteil der Performance. Sie will vorbeikommenden Personen eine alternative Sichtweise zur Verfügung stellen, als Angebot zur persönlichen Reflexion.
Durch die Gehsteigschriften wird sichtbar, dass es neben der üblich geführten öffentlichen Diskussionen und medialen Berichterstattungen noch viele andere, der eigenen Persönlichkeit angepasste Möglichkeiten gibt, öffentlich Stellung zu nehmen. Für Elisabeth Lacher selbst ist sind die Schreibperformances auch ein Sensor. Durch die Geschehnisse während der Performance lässt sich unmittelbar erkennen, inwiefern es an einem öffentlichen Ort möglich ist, temporär die eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen.

PROJEKTKONZEPTION UND REALISIERUNG: ELISABETH LACHER

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Wir bremsen nicht für Babys, nicht?

 

Mit dem Baby Success Club hat eine Handvoll Linzer Eltern begonnen, Fragen nach Kunst, Leben und Produktion neu zu mixen. Oder: Betreuungs-Selbsthilfezweck und künstlerischer Sinn.
Der Baby Success Club präsentierte schon zu Sommerbeginn mit der Ausstellung „Wir bremsen nicht für Babys“ die künstlerischen Werke seiner Mitglieder zum Thema Elternschaft – „als Ergebnis eines durch das Mitbetreuungs-Rotationsprinzip des Clubs erfolgreich weitergeführten Schaffensprozesses“. Soll heißen: Ab Anfang 2014 übernahmen die selbstorganisierten Club-Eltern jeweils Betreuungszeiten für ein Grüppchen Kinder, die freigestellten Eltern konnten in Zeitfenstern von mehreren Stunden pro Woche der Kunst nachgehen. Dass Kunst und Kind sich immer noch ein wenig spießen, mag einerseits einer eindimensionalen Vorstellungswelt des produktiven Seins  geschuldet sein.  Vielleicht ist es für Künstlerinnen und Künstler sogar besonders irritierend, das erwartete Kaminfeuer der familiären Gefühle zu entfachen, während der tatsächlich existenzielle Vorgang der Geburt arbeitstechnisch kalt lassen sollte: Vor allem künstlerisch arbeitende Mütter stehen (und standen immer schon) unter Rechtfertigungsdruck, wenn sie nicht ohne Bruch im produktiven Getriebe der Kunst bleiben – vor allem, um nicht gnadenlos aus dem System Kunst hinauszufallen. Kommen dann noch andere „Kleinigkeiten“ dazu, dass laut Terri Frühling, eine der Baby-Sucess-Clubmütter, Kinderbetreuung in regulären Krabbelstuben daran scheitert, dass Mütter ein Anstellungsverhältnis nachweisen müssen – was für freie Kunstschaffende einigermaßen schwierig sein dürfte. So gesehen sei laut Frühling „Betreuung fast wichtiger als die Ausstellung“.  Wenngleich ganz bewusst die durch die Elternschaft veränderten Umstände künstlerisch ins Visier genommen wurden. Elke Punkt Fleisch, ebenfalls Ausstellende, fasst diese Auseinandersetzung als „wichtige künstlerische  Beschäftigung mit aktuellen persönlichen Ereignissen“ zusammen.

Ein Auszug der im Salzamt gezeigten Werke: Elke Punkt Fleisch hat ihre Technik der „Abformungen“ auf Körperabformungen zwischen Mutter und Kind ausgeweitet. Zwischen weich und hart entstehen  bei den Objekten „Stillereien“ sehr materielle Abdrucke von Beziehung und körperlicher Funktion. Wenn man so will, entfaltet sich zwischen den weichen Berührungen von Mutter und Kind, sozusagen innerhalb von Liebe und Sorge, die einfordernde Geometrie der Bedürfnisse. Terri Frühling rechnet in ihrem kleinteiligen Tafelbild „Ankunft“ sowohl mit dem Krankenhaus ab, sowie mit ihrer eigenen Unwissenheit darüber, „was da kommt“. Wahrscheinlich könne zwar „niemand darüber wirklich vorbereiten“, aber besonders wenig tun das die tausend medialen Bilder der fröhlichen Ankunft. Ganz im Gegenteil, grausig und real  habe sich ihr bei jedem Aufblicken während der Geburt ein anderes Schreckensbild der Normalität präsentiert, Babypech, Schleim, Schmerzen, Blut, nach Rauch stinkende Ärzte, Peinlichkeiten im doppelten Wortsinn, vorher, nachher und mittendrin. Geburt also  als Trauma, das es zu bewältigen gilt – gegen die Schönfärberei der Ereignisse, gegen die fälschlich kolportierte Tatsache, dass Leben harmlos und zu jeder Zeit in geregelten Bahnen abläuft. Dass Eltern durchaus zu einer gefährdeten Spezies mutieren, lässt sich vielleicht auch mit einer Arbeit von Rebecca Paterno erahnen. Das Objekt „doppelbett“, ein Doppelbett als Gitterbett, ist mit dem Ausstellungstext gesprochen, „der Ambivalenz der Gefühle zwischen Freud und Leid, Freiheit und Abhängigkeit, Hoffnung und Sorge, Geborgenheit und Einsamkeit gewidmet“.  Die Verfangenheit in dieser wachschlafenen Ambivalenz ist eine Möglichkeit der Betrachtung.  Die andere, eventuell etwas subjektivere Interpretation, vor allem in der Zusammenschau der ebenso kinderleichtfüßig wie abgründig daherkommenden Ausstellung, ist die etwas hintersinnige Umkehrung, die Kinder als kleine Wesen erahnen lässt, die rücksichtslos expandieren und wachsen, aus ebendiesen Bedürfnissen einfordern, und die eventuell, wenn sie könnten wie sie wollten, ihre Eltern auch mal  ins Gitterbett stecken würden. Also, die unheimliche Erkenntnis, dass Babys sowieso nicht für ihre Eltern bremsen: Der Mensch fordert ein, das Kleinste ist seinem Wesen nach anarchistisch, der erwachsene Mensch erlebt sich dysfunktional, alle sind in ihren mehr oder weniger lustvollen Bedürfnissen gefangen.
Am Ende noch die aktuellen Bezüge: Rebecca Paternos Doppelbett wandert in die Lentos-Ausstellung „Rabenmütter“, die im Oktober eröffnet. Das Salzamt startet, so der Leiter des Atelierhauses Holger Jagersberger, eine längerfristig mitzudenkende Auseinandersetzung über die „zeitlichen Rändern des Lebens“. Der Baby Success Club selbst setzt seine Aktivitäten fort. Diesbezüglich last but not least: In diesem Heft gibt es eine Seite, die von Terri Frühling und Elke Punkt Fleisch gestaltet wurde.

Alle Teilnehmenden und Infos: www.babysuccess.club