Ach, Helene … Du und deine pessimistischen Cardinalsätze!

„18. Der Mann führt höchst unbescheidenerweise überall das große Wort und ist das schnatterhafteste aller Lebewesen. (…) Es fehlt sogar sehr auffallend an der Partizipierung der Frauen in den täglichen Geschäften und in den öffentlichen Dingen, weshalb die Welt- und Tagesgeschichte, weil hauptsächlich von Männern ausgefüllt, den bekannten öden Eindruck macht.“1

1905 veröffentlichte die österreichische Philosophin, Literatur- und Musikkritikerin Helene von Druskowitz (1856–1918) ihre „Pessimistischen Cardinalsätze“, die 1988 unter dem Titel Der Mann als logische und sittliche Unmöglichkeit und als Fluch der Welt von Traute Hensch neu herausgegeben wurden. In sechs Kapiteln analysiert und beschreibt die Philosophin darin präzise und umfassend den Zustand der Welt unter der Diskurs-Vorherrschaft von Männern („weiß“ wurde damals natürlich als Selbstverständnis vorausgesetzt), gibt etwa in Kapitel 5 (Normalsätze für das männliche Geschlecht) Verbesserungsvorschläge, widmet sich aber vor allem in Kapitel 4 (Der Mann als logische …) hingebungsvoll, ausufernd und grausam der Demontage dieser Vorherrschaft. Und verzichtet dabei völlig auf den Entwurf einer „feministischen Utopie“, will – daraus macht sie keinen Hehl – einfach darlegen, in welch beschissenem Zustand die Welt sich befindet und wer daran schuld ist. Helene und ich – wir hätten uns ganz gut verstanden, soferne sich zwei überzeugte Misanthropinnen gut verstehen können. Ich hätte zwar – nicht meiner Überzeugung aber meiner Sozialisierung folgend – hin und wieder versucht, kalmierend und relativierend auf sie einzuwirken und gemeint, es solle doch niemandem sein Geschlecht zum Vorwurf gemacht werden. Sie hätte mir ein paar mehr radikale Sätze um die Ohren gehauen und gemeint: Warts ab! Und tatsächlich – mehr als 150 Jahre nach Helenes Geburt hat sich, tja …, was nochmal geändert …? (In diesem Moment kommt wie aufs Stichwort und ungefragt ein Magazin als Beilage meiner Tageszeitung ins Haus. Es widmet sich in edler Aufmachung österreichischen Manufakturen. Frauen kommen in dem Heftchen auch vor, bis auf zwei Ausnahmen allerdings als Models, die die schönen Dinge, die Männer herstellen, anziehen oder ehrfurchtsvoll begutachten. „Außerdem lässt das Magazin Persönlichkeiten aus Österreich zu Wort kommen, die nationale und internationale Erfolge feiern. Helmut Lang etwa verrät, woran er erkennt, dass eines seiner Kunstwerke vollendet ist. Ebenfalls im Interview: Josef Hader, Toto Wolff, Max Hollein und viele weitere. Und: Journalist Michael Fleischhacker bittet Wirtschaftsgrößen wie Matthias Hartmann und Andreas Treichl zu Wort.“2 Meint der Chefredakteur selbst noch ganz ergriffen von den wunderbaren 130 Seiten, die soeben durch seine, uuuh, Hände gegangen sind. Dass er Wert darauf legt, auf jeden Fall gegen den Mainstream der „Meinungselite“ zu schwimmen, erkennt man vor allem daran, dass er mit Michael Fleischhacker (Talk im Hangar-7, Servus.tv) die österreichische Antwort auf Alexander Kissler (Cicero) im Team hat. Einen Vertreter jener aufregungsunterversorgten Liberal-Konservativen, die sich aus lauter Fadesse verstärkt den Rechts-Rechten anbiedern.)

Anneliese Rohrer fragte kürzlich auf twitter, was denn bitte schön daran links sei, wenn man sich gegen frauenverachtende Politiker stelle? Was außer anständig sei das denn, fragte sie weiter? Und bekam ernsthaft Antworten wie: wenn es von oben verordnet wird, dann ist es links! Übersetzt bedeutet das wohl, dass unsere gesamtgesellschaftliche Wertehaltung und der Konsens, auf den wir uns geeinigt haben – Menschenrechte, gegen Diskriminierung und Frauenfeindlichkeit etc. – verhandelbar seien oder Haltungen, für oder gegen man sich entscheiden kann. Und das meinen diese Erklärbären offenbar tatsächlich, und es ist ihnen dabei völlig wurscht, dass ihre persönliche Meinung nicht das ist, worauf die Welt gewartet hat. Männer mit Meinungen gibt es mittlerweile in ausreichendem Maß, partei- und ideologieübergreifend. Was die Welt bräuchte, wären ein paar Menschen mit dem Talent Fragen zu stellen. Und keinesfalls noch mehr von jenen, die auf Social-Media-Plattformen darum eifern, wer die meisten Posts pro Tag absetzt (lesen die eigentlich auch mal oder produzieren sie nur ständig ungefragt content?). Sie posten dreist irgendeinen unzusammenhängenden Schwafel auf die Timelines anderer und löschen ihn ebenso dreist, sobald sie dann doch (gähn! endlich) erkannt haben, mit welchem Müll sie die eh schon sehr bedacht und selten genug verfassten Anmerkungen manch kluger Frauen zum Zustand der Welt beglücken. Sie organisieren Konferenzen, Filmfestivals und Diskussionsveranstaltungen, geben Magazine heraus und moderieren Talkrunden, mit rein oder fast ausschließlich männlicher Beteiligung und verstehen all die Aufregung gar nicht. Sie haben zu allem, wirklich allem etwas zu sagen, erblöden sich nicht, sich selbst zu zitieren und es ist ihnen fürchterlich egal, wieviel Ödnis sie dabei hinterlassen. Und das von der großen Welt bis in die Niederungen der Provinz hinein. Wir Frauen haben uns irgendwann mal einreden lassen, dass uns eine Quote doch vielmehr schadet als hilft und befeuern diesen männlich dominierten Diskurs auch noch damit, ein schlechtes Gewissen zu entwickeln, wenn wir uns in den Vordergrund drängen. Derweil werfen sich die Schnatterhaften die Stichwörter zu, auf dass der Strom an geglaubtem Wissen niemals ende. Ach, Helene … deine Sätze blieben leider ungehört:

3. Laßt an Stelle eurer Eigenliebe und Selbstbehauptung ein pessimistisches Urteil treten, prüfet und untersucht euch schonungslos und ihr werdet von Haß gegen euch und eure Existenz überfließen.3

 

1/3 Traute Hensch (Hg.) Helene von Duskowitz, Der Mann als logische und sittliche Unmöglichkeit und als Fluch der Welt. Pessimistische Cardinalsätze. Freiburg 1988

2 www.austrian-limited.at/preview-auf-das-erste-austrian-limited-magazin

Fluegge sein

B-Girling, Breakdance, Popkultur, zeitgenössischer Kontext: Junge Kunstformen der Bewegung betreibt Silke Grabinger mit Formaten wie SILK Fluegge Art Performance, Youth Audience und Youth Interventions. Franz Michael Woels hat sie getroffen.

Die Breakdance-Szene in Österreich ist laut Silke Grabinger überschaubar. Deshalb kümmert sie sich mit ihrem KünstlerInnen-Kollektiv SILK Fluegge speziell um die Jugendförderung. Angesiedelt ist SILK Fluegge zur Zeit noch in der Tabakfabrik Linz, hier wird an Aufführungen in Theatern, Interventionen in musealen und öffentlichen Räumen geprobt. Wie in der Akrobatik schätzt auch hier Silke Grabinger die Herausforderung: „Ich produziere mit SILK Fluegge Youth Audience für junges Publikum. Ab diesem Jahr nun auch bewusst für +16. Man denkt immer, dass Produktionen für Jugendliche einfacher durchzuführen sind als Produktionen für Erwachsene, aber das stimmt meiner persönlichen Erfahrung nach nicht. Ich finde, es ist genau umgekehrt, der hohe Anspruch ist für junges Publikum zu produzieren. Das ist ein hartes, schwer zu fassendes Publikum.“ Pionierarbeit zu leisten scheint für Silke Grabinger selbstverständlich zu sein: „Ich war als B-Girl eine der ersten Frauen aus Linz, die international bei Battles getanzt hat und ich habe es nicht leicht gehabt. Du musst dir überhaupt erst mal eine Position schaffen. Die Breakdance-Szene ist immer noch stark männerdominiert, aber ich stelle gerade mit dem B-Girl Circle 35 B-Girls aus Linz auf, das ist weltweit einzigartig.“ Und weiters zu ihrer Verortung in der Tanzszene ergänzt sie: „Breakdance hat sich orientiert an Stepptanz, an Capoeira, tänzerisch wie kämpferisch, an afrikanischen Tänzen und traditionellen Tänzen. Alles funktioniert im Kreis. Breakdance ist ja extrem extrovertiert, in your face. Das ist ja auch ein Spannungsmoment zwischen zeitgenössisch performtem Tanz und Breakdance. Introvertierte Performances als Gegenpart zu Breakdance oder Urban-Styles – für mich ein großes Thema. Ich fühle mich ja manchmal wie ein Alien in der Tanzszene, ich habe ja nie Tanz, sondern Grafikdesign und Raum- und Designstrategien studiert, beziehungsweise studiere zur Zeit Film, und habe die Bewegungen autodidaktisch kennengelernt.“

Da Silke Grabinger also keine klassische Tanzausbildung hat, kann es zu folgenden Situationen kommen: „Ich habe ja nicht gelernt, wie man sich als Tänzerin zu verhalten hat. Für Produzenten ist das manchmal irritierend, wenn ich ganz klar sage, was ich möchte. Das ist auch der Grund, warum ich gerne in der Freien Szene bin.“ Selbstbestimmung ist der künstlerischen Leiterin somit von großer Bedeutung: „Ich will in einer Position sein, in der ich entscheiden kann, welches künstlerisches Risiko ich eingehe. Das ist doch schließlich auch ein Grund, warum ich Kunst mache: der Wunsch Risiken einzugehen, ein Arbeiten ohne „Sicherheitsnetz“, ein Entwickeln und Adaptieren von neuen Theorien und Systemen.“ Sie sieht ihre B-girling/B-boying/Breakdance Stücke nicht bloß als reine Unterhaltung mit Wow-Effekten, sondern als „ein weiteres Bewegungsmaterial um eine Bildhaftigkeit auf der Bühne umzusetzen. Es bleibt nicht in der Akrobatik verhaftet, in der Kunstform der Bewegung, sondern es wird als Erzählform verwendet.“

Durch ihre Auseinandersetzung mit dem Medium Film erkannte sie unter anderem, dass „du ja bei Film den Vorteil hast, die Perspektive des Zuschauers lenken zu können. Bei einer Aufführung haben wir meist die normale 4. Ebene Sitzposition, eine frontale Sicht. Wie geht man damit um? Ich bin da sehr penibel und teste Sitzpositionen um zu sehen, wer was sieht.“

Schwerpunkte bei SILK Fluegge sind neben SILK Fluegge Art Performance und SILK Fluegge Youth Audience auch Kunst- und Kulturvermittlung im Rahmen von SILK Fluegge Youth Interventions. Sie beinhalten sowohl Kurse als auch Workshops für Anfänger bis zur Masterclass: „Die ganzen Jugendlichen, die über die Schiene der Breakdance-Battles Queen & King of Styles von Elements of Style zu uns kommen, haben die Möglichkeit, in den Performance und Theaterbereich zu wechseln oder Kunstprojekte auszuprobieren. Sie können sich im Rahmen von Praktika ansehen, wie wir so arbeiten. Wir gehen auch mit diversen Projekten in Schulen und finden so auch neues Publikum, das sich von dieser Kunstform einen Begriff machen kann.“ SILK Fluegge kooperiert auch mit Gästen im Studio in der Tabakfabrik Linz, dazu gehören auch die Uncurated Encounters. Junge KünstlerInnen haben nach Einsendung eines kurzen Konzeptes die Möglichkeit, an einem Abend kurze oder längere unfertige Arbeiten, ohne Kuratierung oder Auswahlverfahren, einem interessierten Publikum zu präsentieren. Im direkten Anschluss daran gibt es dann Publikumsgespräche, um über die jeweiligen Stücke zu reflektieren.

Abschließend noch einmal Silke Grabinger zum Kontext ihrer Arbeiten: „Und ich komme ja vom B-Girling/Breakdance mit seiner Popkultur-Geschichte und arbeite mit popkulturellen Themen, stelle diese aber auch immer in einen zeitgenössischen Kontext. Man muss dabei manchmal haarscharf am Klischee vorbeigehen, um ein gewisses Publikum anzureizen – um sie dann zu ganz anderen Themen rüberzuziehen und dafür zu öffnen.“

 

Das Kollektiv SILK Fluegge besteht im Kern aus der Choreographin Silke Grabinger, der choreographischen Assistentin und Projektleiterin Olga Swietlicka, aus der Videokünstlerin und 3D-Animateurin Magdalena Schlesinger und der Dramaturgin Angela Vadori. Alle weiteren Mitwirkenden, Tänzerinnen und Tänzer des Fluegge-Teams sind auf www.silk.at zu finden.

Premiere „Disappear“ 6. 12., 20.00 h, Central Linz, Vom Verschwinden in der Welt des Anderen

www.gfk-ooe.at/event/957

In der Mitte der Nacht ein Eishockeymusical.

Finsternis macht sich seit längerem breit. Nicht nur in der Nacht, die den Tag verschlingt, sondern auch beim von Medien und Fans vormals hochgejubelten und nun niedergestampften Herren-Fußball-Nationalteam, nach der US-Wahl, vor der abermaligen Wahl des österreichischen Bundespräsidenten (falls wir wählen können), wahrscheinlich noch mehr nach der Wahl (falls sie nicht oder doch angefochten wird), in der Politik allgemein, in der Solidarität, in der Zivilcourage, im gesellschaftlichem Miteinander. Wenn die Nacht am dunkelsten ist, beginnt die Dämmerung. Und die Hoffnung stirbt zuletzt. „Hoffnung ist viel zu passiv. Wir brauchen Willen.“, sagte Leonard Cohen, der leider auch von uns gegangen ist. Noch mehr Finsternis. Aber er sang auch: „There is a crack, a crack in everything. That’s how the light gets in“.

Der Riss in der Gesellschaft ist da. Doch wo ist das Licht? Vitamin D hilft gegen die Sonnen- und Lichtarmut des Körpers und nebenbei unterstützend bei chronischen Krankheiten. Sauna lässt den Körper Gifte ausschwitzen und bei ausreichendem Hitze-Kälte-Unterschied das Herz-Kreislaufsystem auf Funktionstüchtigkeit prüfen. Ohne aktives Tun! Gleich neben der Sauna im Parkbad in der „Keine Hoffnung“-Arena (so wurde sie angekündigt!) lud das Theater in der Innenstadt zum Black Wings-Musical „Heaven and Hell“. Zwei Spieler der Black Wings landen nach einem Zusammenstoß, bei dem sie das Bewusstsein verlieren, im Limbus und geraten dort in den Kampf zwischen Himmel und Hölle. Ihre Begegnungen mit Frau Gott, Luzifer, Rasta-Jesus und sonstigen Kreaturen eröffneten ein dreieinhalbstündiges „Musical On Ice“-Spektakel, bei dem die Eishockeyfans stimmgewaltig mitmischen durften und Kader- und Jugendspieler mit ihren Show-Wettkämpfen die Dramaturgie mitbestimmten. Ausdrücklich gewünscht wurde keine Abendgarderobe, sondern das Erscheinen im „Black Wings Fan Outfit“. Zum Lachen verführt wurden die Besucher durch diverse interne „Black Wings“ Schmähs, Applaus zollten sie neben den zahlreichen Gesangseinlagen aus dem Rock- und Popbereich dem Maskottchen Gonzo, der verkleideten und umfunktionierten Eismaschine und dem Hallensprecher. Die lauteste Zustimmung erhielt dieser in der Szene, in der sich die KämpferInnen für Himmel und Hölle zum Angriff formierten, mit folgender Aussage: „Stop! Wir san doch kane Fußballfans!“

Ich geh allerdings lieber zum Fußballverein meines Herzens. Eishockey zuschauen ist mir schlichtweg zu brutal. Das Musical fand ich gelungen. Eine Theaterproduktion auf Eis ist schon eine gewisse Herausforderung, imponiert bin ich allerdings von der Flexibilität und dem Einsatz der Vereinsverantwortlichen für die Fans etwas Erstmaliges und Ungewöhnliches auf die Beine zu stellen. Diese Wertschätzung wünsche ich mir vom Verein meines Herzens auch. Doch davon sind wir genauso weit entfernt, wie von einem neuen Fußballstadion. Die grünste Sportarena der Welt plant derzeit der englische 5. Ligist „Forest Green Rovers“. Das von Zaha Hadid Architects entworfene Holzstadion wird Herz eines Businessparks für grüne Technologien. So kann Interessensdurchsetzung eines Vereinsvorsitzenden aussehen!

Kampfsport auf höchstem Niveau bot die Karate WM 2016 Ende Oktober in Linz. Zwei Frauen und ein Para-Sportler gewannen Gold, Silber und Bronze. Alisa Buchinger, Bettina Plank und Markus „Mendy“ Swoboda. Haben Sie das gewusst? Viele Linzer erfuhren von der Karate WM nur wegen dem vorausgegangenen Fußball Cup-Stadiondesaster des Linzer Stadtklubs. Die nicht vorhandenen freien Plakatflächen fehlen anscheinend nicht nur der Freien Szene, sondern auch den Sportveranstaltern. Schade! Denn gerade diese stimmige Großveranstaltung hätte sich mehr Beachtung und Besucher verdient, hat sie sich doch als „Green Event“ der Nachhaltigkeit verpflichtet und u. a. im Merchandise mit dem sozialökonomischen Betrieb „Fix & Fertig“ (gegründet von der Sozialhilfe Wien) kooperiert und gezeigt, wie ein respektvolles inklusives gesellschaftliches Miteinander gestaltet werden kann. Sehe ich da Licht?!

 

Andrea Winters Sendung SPORT IM DORF (vorraussichtliche) Sendetermine und Inhalte:

Mi 21. 12. 2016 live 18.00–19.00 h, Markus „Mendy“ Swoboda (2. Platz Kanu Paralympics 2016, 2. Platz Para-Karate WM 2016) mit seiner Karate-Trainerin Iris Kreuzer

Mi 25. 1. 2017 live 18.00–19.00 h, geplantes Thema Eishockey

Klingelingeling! – Ausfahrt mit Ottawa

Wer sich in der österreichischen Fahrradszene bewegt, wird früher oder später auf die Wienerin Barbara Ottawa treffen. Sie ist Journalistin, Vielfahrerin und begeisterte Langstreckenfahrerin. Sie war die erste Frau, die an einem Tag die 200 Kilometer-Strecke bei In Velo Veritas knackte. Dennoch, als Fahrradaktivistin würde sie sich nicht bezeichnen, da sie ihre Zeit lieber mit dem Radfahren verbringt. Ein Interview von Johannes Staudinger.

Was waren deine ersten Erinnerungen ans Radfahren und was hat in dir die Begeisterung dafür ausgelöst?

Als Kind hat Radfahrenlernen einfach dazugehört, es war spannend, was Neues, gewisse Freiheit. Ich bin auch immer wieder die 10 km ins Gymnasium geradelt – aber damals nur bei Schönwetter. Allerdings habe ich dann, als ich nach Wien und kurzzeitig nach London gegangen bin, eigentlich für mehrere Jahre komplett mit dem Radfahren aufgehört. Erst vor nicht einmal 5 Jahren hat mich meine kleine Schwester einmal zu einer Radveranstaltung (das erste Tweed Ride Picknick in Wien in der Freudenau) mitgenommen. Seither bin ich eigentlich kaum mehr vom Rad gestiegen. Über einen neuen Bekannten aus der Tweed-Runde bin ich zum Langstreckenfahren gekommen. Bei der Critical Mass habe ich einen Boten kennengelernt, der mich mit dem „Transport-Fieber“ angesteckt hat.

Als Betreiberin des Blogs viennabeo.net schreibst du regelmäßig über Themen rund ums Radfahren. Wie gehst du bei der Auswahl deiner Themen vor? Fliegen dir die Inhalte einfach so zu?

Ich schreibe einfach sehr gerne. Das mach ich schon länger als Radfahren! Und mit dem Radln habe ich einfach eine völlig neue Themenwelt entdeckt. Einerseits, weil viele Leute (auch andere Radfahrer) z. B. meine Begeisterung für Langstrecken nicht verstehen, das muss ich ihnen erst erklären. Und andererseits habe ich auch ein völlig neues Publikum – für andere Radfahrer kann ich Texte über Dinge schreiben, die wir wahrscheinlich alle erleben oder sie über Radfahrerlebnisse im Ausland, bei Reisen etc. informieren.

Deinen Lebensunterhalt bestreitest du als professionelle Journalistin in der internationalen Finanzwelt. Daneben schreibst du aber auch für die Wiener Zeitung, dazu in der Geschichtsbeilage „Zeitreisen“ und den Drahtesel der Radlobby. Wie stark unterscheiden sich die einzelnen Herausforderungen, für dieses oder jenes Magazin zu schreiben?

Auf diese Weise bleibt es spannend. Ich mag es, für unterschiedliche Zielgruppen und über diverse Themen zu schreiben. Es passiert, finde ich, sehr leicht, dass man sich in einem Spezialgebiet „ausruht“ und dadurch aber die Fremdperspektive auf das Thema verliert. Aber ohne diese Sicht von außen kann man meiner Ansicht nach nicht gut schreiben. Und um zwischen unterschiedlichen Texten den Kopf frei zu bekommen, kann ich mich ja jederzeit aufs Rad setzen – und sei es nur für einen Ortswechsel vom Home-Office ins Kaffeehaus. So gesehen ist das Radfahren fast wie der eingelegte Ingwer beim Sushi – der Geschmacksneutralisierer.

Für das Drahtesel-Magazin hast du an einem Spezial zu Fahrradwirtschaft in Österreich mitgewirkt. Nun wurde auch in Wien die Wiener Fahrradschau, die Schwester der Berliner Fahrradschau, als neues Messeformat präsentiert. Wie siehst du die Bestrebungen, das Fahrrad in Österreich wieder stärker in ein wirtschaftliches Rampenlicht zu stellen?

Grundsätzlich eine wichtige wirtschaftliche Schiene und auch ein tolles Geschäftsfeld. Wie überall gibt es aber natürlich auch in der Fahrradwelt jene, die nur Profit machen wollen und das um jeden Preis. Und dann gibt es die, die schon lange in dieser Fahrradwelt leben, arbeiten und von vielen neuen „hippen“ Profitwegen ausgeschlossen bleiben. Oft wird das Fahrrad und fahrradbezogene Botendienste, etc. von Firmen noch immer eher als „netter Werbegag“ gesehen, denn als ernst zu nehmende Dienstleistung.

Du bist auf dem Rad eine Vielfahrerin, fährst Langstrecken alleine und bei Vintage Rides, bist bei Tweed Rides dabei, stellst nebenberuflich Pakete als Fahrradbotin zu und bewegst dich auch sonst mit dem Rad durch die Stadt. Was muss passieren, damit du einmal nicht mit dem Fahrrad unterwegs bist, und was macht den Reiz der unterschiedlichen Facetten aus?

Letztes Jahr konnte ich nach einem Fahrradsturz ein Monat nicht radeln und dieses Jahr bin ich einmal mit der U-Bahn zu einem Treffpunkt gefahren, weil wir eine mehrtägige Wanderung gemacht haben. Ansonsten fällt mir nicht viel ein, das ich ohne Fahrrad mache. Ein Opernbesuch im Abendkleid gilt zum Beispiel nicht als Ausrede, weil man sich am Zielort fast immer umziehen kann! Auf Dienstreisen mit dem Zug kommt das Faltrad mit. Und wenn das Fahrrad mal in die Werkstatt muss, geht es mit dem City-Bike nach Hause. Die unterschiedlichen Facetten haben sich mehr oder weniger ergeben: Meine erste wirkliche Langstrecke bin ich gefahren, weil ich ohnehin von Wien nach Graz musste, Botenfahren ist einfach ein toller Ausgleich zum Sitzjob und man kann etwas Sinnvolles tun, während man Intervalltraining macht. Und gerade in Wien macht es sowohl zeit-technisch als auch wegen größerer Flexibilität für mich immer Sinn, mit dem Rad zu fahren.

Wie und wo findest du deine Räder? Welches Fahrrad fand zuletzt in deine Sammlung?

Am Anfang waren alles Second-Hand-Stahlrahmen, teilweise klassisch auf einem Vintage-Flohmarkt gekauft. Teilweise mit befreundeten Mechanikern neu zusammengestellte Single-Speeds oder Rennräder. Seit kurzem habe ich ein nagelneues Cross-Bike mit Scheibenbremsen und integrierter Schaltung – das macht auf Langstrecken schon Sinn. Die 320 km der Donau entlang hab ich zwar auch ohne geschafft, aber angenehmer wird die nächste Reisefahrt sicher.

Oft bist du auch in Linz auf dem Rad anzutreffen, aber auch viel in Wien, Graz und anderen Städten der Welt unterwegs. Welche Stadt gefällt dir bezüglich Fahrradkultur und -mobilität am besten, was sagst du zu Linz, und was sind deine Maßstäbe für eine fahrradfreundliche Stadt?

Hier eine Wertung vorzunehmen, ist wirklich schwierig. In jeder Stadt, in der ich bisher geradelt bin (eigentlich nur Mitteleuropa) gibt es Positives sowie Negatives. Oft gibt es tolle Ansätze, aber bei näherem Hinsehen manchmal nur Einzelprojekte. Sicher gefühlt habe ich mich überall ungefähr gleich. Natürlich sind kleinere Städte wie Linz „gemütlicher“, weil meiner Einschätzung nach der „Straßenkampf“ weit weniger aggressiv ausgetragen wird als in Wien. Das ist nämlich eines der größten Probleme in Ballungsräumen, dass es ein „jeder gegen jeden“ unter den Flächennutzern gibt, da muss man sich auch immer selbst an der Nase nehmen und z. B. bedenken, dass Autofahrer ein viel eingeschränkteres Sichtfeld haben und Fußgänger hinten keine Augen.

Eine radfreundliche Stadt ist es für mich dann, wenn sich jemand offensichtlich Gedanken darüber gemacht hat, wo für Radfahrer sinnvollerweise Platz ist – und nicht nur z. B. auf einer Brücke einen schmalen Streifen für Radler abgezwickt hat, oder Radfahrerüberfahrten hinter parkenden Autos versteckt.

Das kommende Jahr feiert das Fahrrad seinen 200. Geburtstag. Was wird bei dir im Fahrrad-Kalender 2017 fix eingeplant sein?

Auf jeden Fall die Piratislava – eine von BotInnen organisierte Schnitzeljagd nach Bratislava im Jänner, bei der man sich natürlich als Pirat verkleiden musst. Immer wieder werde ich auch bei der monatlichen Critical Mass teilnehmen. Dann natürlich die Tweed Rides in Wien und vielleicht auch mal andernorts. Die In Velo Veritas auf alten Stahlrahmen darf nicht fehlen. Eine Radreise wäre auch mal wieder fällig – vielleicht Kroatien. Und wahrscheinlich eine Charity-Fahrt entweder Passau-Wien oder Wien-Klagenfurt – an einem Tag natürlich. Und dazwischen mit Packerl am Rücken quer durch Wien.

Das Professionelle Publikum*

Danke an Anna Maria Brunnhofer, Harald Freudenthaler, Siegfried A. Fruhauf, Holger Jagersberger, Stella Rollig, Ines Schiller, Clemens Stöttinger und Katrin Weber, die für unsere LeserInnen ihre persönlichen Kunst- und Kultur Highlights übermittelt haben. Die Redaktion hat diesmal wieder die eine oder andere Ausnahme gemacht und selbst auch ein paar Tipps mehr abgegeben.

* Das Professionelle Publikum ist eine pro Ausgabe wechselnde Gruppe an Personen aus Kunst und Kultur, die von der Redaktion eingeladen wird, für den jeweiligen Geltungszeitraum Veranstaltungsempfehlungen für unsere Leserinnen und Leser zu geben.

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Das Professionelle Publikum

Foto: Marco Prenninger, Collage: Jennifer Nehrbass

Foto: Marco Prenninger, Collage: Jennifer Nehrbass

Anna Maria Brunnhofer
tätig für Kunst und Werbung.

Tipps:
photography@tomorrow
Elger Esser. Aeteas

 

 

Foto: Martin Lasinger

Foto: Martin Lasinger

Harald Freudenthaler
ist im Freien Radio Freistadt zuständig für Programmentwicklung und -koordination.

Tipps:
Im Blickpunkt – Soziales und Bildung
Wissenschaft und Blödsinn
Filipa Cardoso & Carlos Leitao Ensemble

 

 

Foto: Selfie mit Sohn Jonas Theo

Foto: Selfie mit Sohn Jonas Theo

Siegfried A. Fruhauf
lebt und arbeitet in Wien und Heiligenberg. Zahlreiche Ausstellungen im Bereich Film, Video und Fotografie.

Tipps:
Living Collection sixpackfilm
Der Österreichische Film. Edition der Standard #278: Außer Rand und Band

 

holger jagersbergerHolger Jagersberger
leitet seit 2009 das Atelierhaus Salzamt Linz.

Tipps:
Kristallin#39 Florian Voggeneder
Skandal Normal?

 

Foto: maschekS.

Foto: maschekS.

Stella Rollig
Direktorin Museen der Stadt Linz (LENTOS Kunstmuseum und NORDICO Stadtmuseum Linz) bis Ende 2016. Ab Mitte Jänner 2017 Direktorin des Belvedere Wien.

Tipps:
Nevin Aladag
Jägerstätter von Felix Mitterer

 

Ines_SchillerInes Schiller
ist Schauspielerin und Cutterin und vor allem Rückkehrerin aus Berlin um in Linz Krawall zu machen.

Tipps:
Jägerstätter von Felix Mitterer
Alles Walzer, alles brennt

 

Clemens StöttingerClemens Stöttinger
spielt in der Band POSTMAN, veranstaltet gemeinsam mit Dominik Leitner das Crossing Urlaub Urlaubsfilm-Festival, Kassettenklub und die Konzertreihe Voyage Voyage.

Tipps:
Kassettenklub Linz
Goldafter mit Konzerten von Vague, Tents und Fudkanista, DIY-nachten
Eröffnung der Sturm & Drang Galerie WIRR WARR WIRR WARR

 

Foto: Michaela Bruckmüller

Foto: Michaela Bruckmüller

Katrin Weber
Gesang, Klavier, Komposition, arbeitet in Wien und OÖ als Sängerin, Gesangslehrerin am Landesmusikschulwerk OÖ, Pianistin und Komponistin.
Infos: www.katrinweber.net

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Tipps von Die Referentin

 

 

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Die kleine Referentin

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