Traun ist auch schön

Das Community-Theater-Projekt „Perspektiven des Alltags. Neues Oberösterreich“ dokumentiert einen heterogenen Alltag in Oberösterreich. Erzählt von Rassismus, fragt nach Heimat und stellt den Begriff „Leitkultur“ zur Debatte.

Theater und Alltagsperspektiven von Pangea/Werkstatt der Kulturen der Welt. Foto Bettina Gangl / PANGEA

Theater und Alltagsperspektiven von Pangea/Werkstatt der Kulturen der Welt. Foto Bettina Gangl / PANGEA

N athalie Nyti-Bota redet sich in Rage. Auf der Bühne der Tribüne Linz sitzend, listet sie auf, was Oberösterreich für sie persönlich an angenehmen Alltagserfahrungen bereithält und was Leben in Oberösterreich allgemein an Alltagsrassismus, Leistungsdruck und Leben in Armut bedeutet. Kommt von den schönen Landschaften zu den Obdachlosen, zur Verständnislosigkeit und zum Individualismus. „Jetzt hab ich irgendwie den Faden verloren. Was war das Thema?“. Und die Premiere des Community-Theater-Projektes zum Thema „Alltag und Oberösterreich“ unter dem Titel „Perspektiven des Alltags. Neues Oberösterreich“ windet sich weiter. Durch Erzählsequenzen, Spielanleitungen und Streitgespräche zwischen zwei „Bio-Oberösterreicherinnen“ hindurch. Gefördert durch die spartenübergreifende Ausschreibung „zusammen:wachsen“ des Bundeskanzleramtes sowie durch Mittel der Stadt Linz konnte das Projekt „Perspektiven des Alltags. Neues Oberösterreich“ vom Verein „Pangea. Werkstatt der Kulturen der Welt“ realisiert werden.

Neben Nyti-Bota stehen außerdem Lia Chuguashvili, Juliana Hartig, Abdul Yousefi, Aziz Yusofi und Eric Zachhuber auf der zurückhaltend gestalteten Bühne. Mehrere Stühle, ein Fahrrad, viele Bodenkacheln und eine Gitarre; der inhaltlich reichhaltige Theaterabend hat ein sparsames Erscheinungsbild. Gemeinsam mit 15 anderen Menschen mit den unterschiedlichsten Migrationsbiographien und bisher wenig bis keiner Theatererfahrung haben die sechs Darstellenden in der Zeit zwischen April und Juni 2017 an Schreibworkshops unter der Leitung von Clara Gallistl teilgenommen. Die beiden professionellen Schauspielerinnen Cosima Lehninger und Zuzana Cuker kamen erst während des Probenprozesses mit der Regisseurin Bérénice Hebenstreit zur Gruppe dazu. Seit der Premiere am 29. Juni gastierte die knapp einstündige dokumentarische Theaterarbeit beim Franck-Kistl-Fest, im Wissensturm und im Nordico Museum Linz. Weitere Spieltermine sind während der HelferInnenkonferenz von „ZusammenHelfen in Oberösterreich“ auf dem Ars Electronica Festival und dem Carneval Of Fear in Schärding vorgesehen.

Die in Oberösterreich aufgewachsene und nunmehr für die Liste Pilz kandidierende Autorin, Dramaturgin und Kulturmanagerin Gallistl konzipierte das Projekt „Perspektiven des Alltags. Neues Oberösterreich“. Und leitete den Schreibprozess. Und fungierte während der Probenzeit als Dramaturgin. Von „passiver Aktivierung“ der Teilnehmenden hält sie nichts. Umso mehr von Nachhaltigkeit. Aus der Projektgruppe ist eine neue Initiative entstanden: „Neues Oberösterreich. Verein für integrative Theaterarbeit“ will jährlich eine Produktion fertigen.

Begonnen hat aber alles in Waxenberg. Da wurden während eines dreitägigen Workshops im April erste Diskussionen geführt. Über Theater und andere soziale Räume, über Barrieren und darüber, wie auf einer Bühne ein selbstbestimmtes äußeres Bild entwickelt werden kann, beziehungsweise wie ein Theater beschaffen sein müsste, mit dem sich die Teilnehmenden gemeint fühlen würden. Und über Grenzen. Und über Rassismus. Theoretische Anstöße kamen von der Mit-Konzipierenden und ehemaligen Geschäftsführerin von „Pangea“ Stephanie Abena Twumasi, unter anderem Vorstandsmitglied von „JAAPO. Unterstützungsstruktur für und von Schwarzen Frauen zur Verbesserung der Lebenssituation in Oberösterreich“.

„Wann fühle ich mich ausgeschlossen? Wann schließe ich mich selbst aus? Und wann schließe ich andere aus?“ – aus diesen Fragen ergab sich ein erster Themenkatalog. Für die weitere Schreibarbeit fanden etwa 25 Termine in Kleingruppen statt. Dergestalt wurde versucht, auf die unterschiedlichsten Lebensrealitäten der Teilnehmenden zwischen 16 und 64 Jahren aus insgesamt 16 Ländern einzugehen. Es entstanden circa 50 Seiten Text, hauptsächlich Transkriptionen von Diskussionsverläufen, teils von den einzelnen Teilnehmenden eigenständig verfasste Passagen. Gemeinsam mit der Regisseurin Hebenstreit, die zuletzt zum Beispiel für das Volkstheater Wien „Superheldinnen“ von Barbi Markovic inszeniert hatte, erarbeitete Gallistl eine Spielfassung und ergänzte so das diskursive wie spielerische Material um eine rein fiktive Streitebene. Die beiden Schauspielerinnen Lehninger und Cuker begeben sich für diese Szenen als „Bio-Oberösterreicherinnen“ in Konfliktdialoge. Da geht es um das rassistische Potential der Frage „Woher kommst du wirklich?“, um Unsicherheit und um politisch korrektes Sprechen.

Die knackig konzentrierte Inszenierung findet über lose ineinander übergehende Szenen zu einer Darstellung von heterogenen Perspektiven. Widersprüchlich und voller starker Behauptungen, erzählt sich so ein Nebeneinander, ein Alltag in Oberösterreich. „Ich liebe meine Heimat. Also, das Land, woher ich komme. Aber Traun ist auch schön“. Da werden Wünsche an ein neues Oberösterreich formuliert, die Landes-Hymne intoniert, wieder abgebrochen und im Hinblick auf die Leitkultur-Debatte die Frage „Seid ihr euch unsicher mit eurer Kultur?“ ans Publikum gewendet. Anhand eines Spiels, das Nachahmung als körperlichen Vorgang präsentiert und bei dem alle Macarena tanzen können, aber nur manche mehrere Liegestütze schaffen, lässt die Inszenierung den Begriff „Leitkultur“ in die lächerliche Leere laufen. „Ich wünsche mir, dass es in Österreich keine Leitkultur gibt“.

Hebenstreit formuliert Folgendes über die zweiwöchige Probenarbeit an der Inszenierung: „Wichtig war mir, Formen zu finden, die die Auseinandersetzungen aus den Workshops und die dort verhandelten Fragestellungen sichtbar werden lassen. Auf den Proben haben wir Ideen ausprobiert, dabei auch neues Textmaterial generiert. Die Arbeit war eine tolle Erfahrung. Die Gruppe hat sich durch ein großes gegenseitiges Vertrauen ausgezeichnet, wodurch sich jeder und jede sehr persönlich einbringen konnte. Theater braucht eine hohe Disziplin und Konzentration beim Arbeiten, was neben dem normalen Alltag eine Herausforderung darstellt. Umso wichtiger ist das gemeinsame Anliegen, das eine Arbeit trägt, um beides aufzubringen. Es war für mich besonders überraschend, in wie kurzer Zeit wir einen Theaterabend erarbeiten konnten, von dem sich sowohl Teilnehmende als auch Zuschauende bereichert und berührt fühlten“.

Gallistl versteht das Projekt „Perspektiven des Alltags. Neues Oberösterreich“ als eine Überschneidung von Kunst- und Sozialarbeit. Deshalb sei die Frage nach der gemeinsamen Arbeitssituation auch so ernst genommen worden. „Wer will und kann für eine Aufführung auf der Bühne stehen?“, das ist eine Frage, die für alle 21 am Projekt beteiligten, in ganz Oberösterreich lebenden Menschen mit Migrationsbiographie individuell beantwortet worden sei. Ob Kinderbetreuung oder Auto-Transfer, Gallistl betont: „Es wurde versucht, alles zu ermöglichen“. Die Etablierung einer gemeinsamen Arbeitssituation ist auch Thema der Aufführung geworden. „Check mal, in was für einer Welt wir leben!“, heißt es irgendwann. Wie wir gemeinsam leben und arbeiten wollen, das schwingt beständig mit. Am Ende steht die Frage: „Können wir das in Ruhe besprechen?“. Ein Ausblick auf viele weitere diskursive Auseinandersetzungen.

Weitere Spieltermine sind während der HelferInnenkonferenz von „ZusammenHelfen in Oberösterreich“ auf dem Ars Electronica Festival und dem Carneval Of Fear in Schärding (siehe Tipp Die Referentin).

Searching for a Fata Morgana

Was mit dem Salzamt passiert, ist noch immer nicht entschieden – wird Zeit, meint die Referentin. Wir berichten einstweilen aus dem Salzamt: Unter dem Titel „Searching for A Fata Morgana“ haben zuletzt Clemens Bauder und Rachel Leah Cohn im Sommer ausgestellt. Clemens Bauder im Interview.

Ihr seid in Katar in die Wüste gegangen und habt euch auf die Suche nach einer Fata Morgana gemacht. Dann sind kinetische Holzobjeke entstanden, die einen Bewegungsaspekt forciert haben, eine Sand- und Soundmaschine mit dem Titel „Disco Fata Morgana“ und ein sechseckiger Leuchtturm. War das quasi die selbstgebaute Fata Morgana?

Ja genau, wir haben die Frage, wie denn eine Fata Morgana aussehen könnte, auf poetische Weise beantwortet und in zwei verschiedene Objekte umgesetzt. Durch die vorangegangene Recherche war Rachel vor allem von den farbenfrohen arabischen Glaslaternen und Narrationen im Schattentheater inspiriert. Die Bilder im Leuchtturm erzählten von einer persönlichen Entdeckung einer künstlich angelegten Oase in der Wüste, die mittlerweile abgerissen wurde und komplett verschwunden ist. Mit Malereien auf Acrylglas und Silhouetten aus Holz versuchte sie einen Ort, an dem die Natur und das Artifizielle für einige Zeit miteinander verflochten waren, wieder ins Gedächtnis zu holen und fatamorganesk wie ein Leuchtfeuer am Horizont auftauchen zu lassen. Ich habe mich über Sound und Licht an die Idee einer Fata Morgana angenähert. Die Stille und absolute Dunkelheit der nächtlichen Wüste waren für mich von Anfang an sehr beeindruckend. In dieser Atmosphäre wollte ich eine kinetische Figur, die Disco Fata Morgana, auftauchen lassen. Eine Maschine, die mit dem Wüstensand einen rhythmischen, repetitiven Sound als auch bewegtes Licht generiert. Diese beiden Ansätze haben wir dann für die Installation im Salzamt zusammengeführt.

Die Arbeiten im Salzamt waren surreal, leuchtend, schienen wie Holzgebilde mit anderer Logik und verborgenem Zweck. Die Fotos ließen vermuten, dass alles insgesamt in der Wüste vermutlich nochmal eine ganz andere Magie hatte. Ins Nachhinein gefragt: Was war diese Arbeit?

Ortsspezifische Arbeiten 1:1 in den Ausstellungskontext zu überführen finde ich schwierig. Wir haben deshalb versucht, mit unseren Erfahrungen in der Wüste eine eigenständige Arbeit, die mit den atmosphärischen Potentialen und Versatzstücken der vorangegangen Objekte spielt, zu entwickeln. So sind drei fata­morganeske Bilder entstanden, die durch einen Leuchtturm immer wieder für kurze Zeit aufflackern. Verknüpft mit dem bei der Eröffnungsperformance gemeinsam mit Andre Zogholy entstandenen Sound. Für mich war die Disco Fata Morgana ein skizzenhafter Prototyp, ein prozesshaftes Experimentieren in einer bis dahin noch unbekannten Umgebung. Etwas, das in der Wüste für kurze Zeit auftaucht und dann wieder verschwindet. Deshalb auch keine Vorankündigung oder Publikum. Im Endeffekt war es also wirklich für uns und die Wüste. Der Wunsch, mit der Disco Fata Morgana in einem größeren Maßstab für ein Publikum zu performen, ist aber da.

Man kennt dich in Linz als Architekt, als Artist, der immer wieder mit Holz zu tun hat, und im Zusammenhang mit urbanen Thematiken. Vielleicht kannst du Arbeitsschwerpunkte ergänzen. Und erzähl bitte auch über deine Kollegin Rachel Leah Cohn, warum und wie ihr zusammengekommen seid und gearbeitet habt.

Rachel und ich haben uns im Dezember 2015 auf der Bi-City Biennale of Urbanism and Architecture in Shenzhen, China, bei der wir beide im Rahmen der Aformal Academy eingeladen waren eine Arbeit zu realisieren, kennengelernt. Nach ein paar Tagen Recherche vor Ort – wir waren beide vom informellen urbanen Erfindergeist im Urban Village Baushizhou, wie zum Beispiel von mobilen Grillstationen, inspiriert – und überschneidenden Interessen wie etwa am traditionellen chinesischen Teeritual hat sich dann eine Kollaboration ergeben. Angelehnt an die klassischen Schubkarren, die das Stadtbild noch immer prägen, haben wir eine mobile Sauna samt Ritual für sechs Personen entwickelt und mit einfachsten Werkzeugen – Hammer und Fuchsschwanz – gebaut. Für den Saunaofen wurde ein Hot Pot, der normalerweise zum Brühen von Suppen verwendet wird, umfunktioniert. Vor jedem Saunagang wurde bei einer Teezeremonie jenes Teewasser, das für das Reinigen der Gefäße abfällt, gesammelt und als Aufgusswasser verwendet. Mit dem Wasserdampf breitete sich auch der Geruch von grünem Tee in der kleinen Sauna aus. Besonders gefallen hat mir, dass die Wände der Sauna aus durchsichtigem Vinyl waren. Mit Fortdauer des Saunagangs ist durch den Dampf der Blick auf die Stadt verschwunden, ebenso für die Passanten der Blick ins Innere. Bei mir hat sich in den letzten Jahren ein Arbeitsschwerpunkt hin zu experimentellen, temporären Architekturen und Installationen, meist im öffentlichen Raum entwickelt. Temporär vielleicht deshalb, weil bei solchen Projekten verschiedene Grenzen etwas weiter ausgelotet werden können. Aber auch, weil man bei diesen Projekten sehr nah dran sein und selbst Hand anlegen kann, von der Idee bis zur Fertigstellung. In der letzten Zeit verknüpfen sich meine Arbeiten immer mehr um eine Soundkomponente und kinetische Momente.

In der Arbeit Disco Fata Morgana wird ein Holzobjekt von Sand angetrieben und bewegt zum Beispiel eine goldene Teekanne, die dann bedeutsam immer wieder verschiedene Richtungen anzeigt. Ihr beiden seid nicht nur im Salzamt in goldenen Kostümen, goldenen Jacken und Kniehosen aufgetreten, sondern auch in der Wüste – soweit ich weiß. Ich komme damit zu Alice. Ich hatte, wahrscheinlich wegen der Teekanne und der Kniehosen, gleich diese Assoziation zu Alice im Wunderland.

Die goldenen Kostüme sind aus der Idee heraus entstanden, in der Wüste selbst zu reflektieren, mittels Sonnenstrahlen oder künstlichem Licht zum Leuchtobjekt zu werden. Die Maßanfertigung an sich war schon ein Erlebnis. Mit dem Schneider haben wir nur kurz eine Skizze hin- und hergeschoben, das tatsächliche Kostüm war dann eine Überraschung. Herr Kamal hat aber einen guten Job gemacht. Und reflektiert hat der Vorhangstoff schlussendlich auch sehr gut. Mit unseren Kostümen waren wir in der Wüstenszenerie seltsame Fremdkörper und dann auch wieder nicht. Die Teekanne war mehr ein glücklicher Zufall als zu Beginn gewollt. Nachdem ich tagelang mit verschiedenen Discokugel-Varianten gespielt hatte, ist sie mir auf dem Basar in die Hände gefallen. Und dass der Schnabel der Kanne stetig in verschiedene Richtungen zeigt, passt natürlich noch viel besser zur Suche nach einer Fata Morgana.

Und dann erzählst du im Vorgespräch, dass du derzeit an Projekten für die Alice-Ausstellung im OK arbeitest. Hat das miteinander zu tun? Oder anders gefragt, was sind deine nächsten Arbeiten?

Es gibt eigentlich keine direkte Verbindungslinie. Gemeinsam mit Kathi Lackner arbeite ich an einer künstlerischen Spiel- und Bewegungszone, dem Gaudimax und gleichzeitig an einer Transformationsschleuse, dem Eingang in die sinnliche Welt von Alice. Gemeinsam mit Markus Reindl und Julia Ransmayr kuratiere ich überdies das multidisziplinäre Format UNTEN. Das Programm bewegt sich zwischen Rauminstallation, Performance und Clubkultur. Wir forschen vielleicht auch ein bisschen nach der dunklen Seite von Alice. In diesem Rahmen ist dann auch die nächste Sound- und Lichtinstallation am Start, Markus und ich kreieren gerade eine Nachtmaschine.

Katar ist ein Emirat, eine absolut regierte Monarchie. Laut Wikipedia das reichste Land der Welt mit einem sogenannten „kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt“ von ca. 127.600 Dollar pro Kopf – und der Scharia als Hauptquelle der Gesetzgebung. Kannst du ein paar Eindrücke von Katar schildern? Und vielleicht auch vom Stellenwert von Kunst, Kunstuniversität und den KünstlerInnen. Wie ist es euch gegangen mit eurem Vorhaben?

Ich war zum ersten Mal im arabischen Raum unterwegs und mein Radius war wegen des straffen Zeitrahmens von nicht ganz drei Wochen ein sehr enger. Auch habe ich mich hauptsächlich im sehr internationalen Umfeld der VCU Qatar, der Zweigstelle einer amerikanischen Universität bewegt. Das heißt, ich habe eine sich sehr in Öffnung begriffene Gesellschaft erlebt, wenngleich Reglementierung und enormer Reichtum überall präsent sind. Bei jeder Rückfahrt aus der Wüste ist mir Doha, die Hauptstadt von Katar, wie eine gigantische, künstliche Fata Morgana an sich erschienen. Mit den Ressourcen der VCU Qatar im Rücken war die Realisierung der Installationen möglich, Materialien auf dem Basar aufzutreiben, ein Abenteuer.

Abschließend zurück zum Leuchtturm. Und wir versuchen damit auch eine inhaltlich verwegene Brücke zwischen Katar und Linz. Mir fällt auf, dass der Leuchtturm zurzeit von verschiedenen Initiativen künstlerisch thematisiert wird. Auf der Florentine gibt es seit etwa zwei Jahren einen Leuchtturm als kinetisches Objekt, Time’s Up werden, was ich weiß, in ihrer Ausstellung Turnton auch einen Leuchtturm dabeihaben. Und heuer wird die Stadtwerkstatt im September insgesamt drei Leuchttürme im Donauraum platzieren, die das neu ausgerufene Urfahraner Areal „Lower East Site“ bespielen. Ihr habt nun bei „Searching for a Fata Morgana“ einen Leuchtturm in der Wüste platziert. Warum diese Symbolik der Orientierung bei euch?

Durch die unglaubliche Weite der Wüstenlandschaft kann einem das Gefühl der Orientierungslosigkeit bereits untertags sehr schnell einholen. Ohne Führer oder GPS ist man tatsächlich verloren und ist über jede Erscheinung am Horizont froh. Nach der nächtlichen Performance haben wir uns in der Stockfinsternis mehrmals mit unserem Truck hoffnungslos verirrt. Da half nur Autospuren lesen. In diesem Moment hätte ich mir einen realen Leuchtturm irgendwo am Horizont gewünscht. Für mich persönlich strahlen Leuchttürme seit jeher eine magische Anziehungskraft aus. Beim Näherkommen an das Leuchtfeuer in weiter Ferne gibt der zuerst nur klein geheimnisvoll rotierende Punkt schlussendlich die Sicht auf die unmittelbare Umgebung immer mehr frei. Ein ähnliches Gefühl hatte ich beim Zuwandern auf unseren Leuchtturm, der mit assoziativen Bildern einen Ort markierte, der nicht mehr ist.

Stadtblick

Foto Die Referentin

Foto Die Referentin

Von der Phantasie beflügelt – ist das schon eine Spur von Alice? (Einstieg in die Linzer Welt nach unten)

Zeigen, was der Animationsfilm kann

Im Sommer lud FIFTITU% zu zwei Animationsfilmabenden ins Moviemento Kino. Michaela Schoissengeier hat sich das Animationsfilm­festival tricky women angesehen und berichtet über ein 2-Tage-Festival, mehrere Schwerpunkte – und fokussiert am Ende auf Arbeiten von Veronika Schubert.

Still aus dem Video „In erster Linie“ Foto Veronika Schubert

Still aus dem Video „In erster Linie“ Foto Veronika Schubert

„Getting Closer“ das Jahresmotto 2017 von FIFTITU% war die Überschrift der beiden Filmabende im Juni. Die Festivaldirektorinnen Birgit Wagner und Waltraud Grausgruber von tricky women Wien, die das Programm zusammengestellt haben, setzten bei der Auswahl der Beiträge noch die Schwerpunkte „Migration/Family“ und „Beziehungen/Gesellschaften“.

Insgesamt wurden 19 Beiträge von internationalen Filmschaffenden gezeigt und es wurde sichtbar, was der Animationsfilm alles kann. Wagner und Grausgruber, die auch am ersten Abend anwesend waren, war es wichtig, neben den Inhalten auch die Vielfalt von unterschiedlichen Techniken zu zeigen. Von sehr einfachen, wenigen Strichen bis zu aufwändigen Figuren aus Knetmasse wurde die Bandbreite der Möglichkeiten gut dargestellt.

1998 ist das Gründungsjahr von FIFTITU%, tricky women flimmerte 2001 das erste Mal über die Leinwand. Seitdem fand das internationale Animationsfilmfestival in Wien 14 Mal statt, immer Anfang März, rund um den internationalen Frauen*tag, und legt dabei den Fokus auf die Arbeiten von Frauen*. Damit bekleidet tricky women eine herausragende Position in der internationalen Filmlandschaft. Neben dem Wettbewerb bietet das Festival in thematisch immer wieder neu ausgerichteten Spezialprogrammen und Retrospektiven einen Überblick über das Animationsfilmschaffen von Künstlerinnen aus aller Welt und insbesondere von österreichischen Filmemacherinnen. 2017 stand Japan, das Land mit einer langen und reichen Tradition an Animes und Mangas im Mittelpunkt des Geschehens.

FIFTITU%

„2016 haben wir mit dem Jahresfokus Break it down versucht, heteronormative Strukturen frontal anzugehen und aufzubrechen und eine Reinterpretation von Geschlecht, Sprache und Handeln zu forcieren.“1, heißt es im Programm von FIFTITU%. FIFTITU% wird kommendes Jahr 20 Jahre alt und solche Jubiläen lösen so manche Ambivalenzen aus. Ein Grund zum Feiern? Ja, sicher! Feste feiern ist schön. Andererseits zeigt es auch den Zustand der Gesellschaft, die sich in vielen Angelegenheiten verändert hat und sich weiter ändert, die Geschlechterfrage gehört nur bedingt dazu. FIFTITU% ist lästig, FIFTITU% bleibt dran, FIFTITU% reflektiert sich selber kritisch – Attribute, die nicht immer gern gesehen werden, noch weniger wertgeschätzt, was sich auch in der Verringerung von monetären Zuwendungen zeigt.

Veronika Schubert: In erster Linie

Veronika Schubert im weißen Schutzanzug, mit Atemmaske und Taucherbrille nähert sie sich ihrem Arbeitsplatz, den sie nur durch herunterhängende Plastikfolien erreicht. Der Laptop liegt verkehrt mit dem Bildschirm auf den Rücken. Über 3000 kleine Glasplättchen sollen es werden, die sie feinsäuberlich nacheinander auf den Bildschirm legt und auf denen sie dann mit einem Gravierstift Wolkenformationen nachzeichnet, besser gesagt nachgraviert. „Ein so GRAVIERENDES Thema wie die Art und Weise des Umgangs mit Flüchtlingen in Krisensituationen konnte nur in Glas graviert werden“, meint die Künstlerin auf ihrer Homepage. Die so entstandenen Linien lassen jedoch nicht mehr unbedingt an Wolken denken, sondern ähneln eher sich ständig verändernden Grenzlinien auf Landkarten. Daraus ist der 5’20 Minuten lange Animationsfilm „In erster Linie“ entstanden, der 2016 seine Premiere feierte und beim Vienna shorts festival 2017 zum besten österreichischen Film gekürt wurde – Herzliche Gratulation!

Veronika Schubert sammelt und archiviert Sätze und das schon seit ihrer Jugendzeit. Konsequent arbeitet sie mit dem Medium Sprache. Mittlerweile ist schon ein beachtlicher Fundus angewachsen, auf den sie für ihre Arbeiten immer wieder zurückgreifen kann. Vertont wurde der Kurzfilm „In erster Linie“ mit einzelnen Sätzen aus Nachrichtensendungen des österreichischen Fernsehens, die ab September 2015 aufgenommen wurden. Die daraus montierte Collage bildet die Hilflosigkeit und Unfähigkeit der österreichischen Politik ebenso ab wie die Uneinigkeit auf europäischer Ebene. „In erster Linie“ gehörte dem Programm „Beziehungen/Gesellschaftsstrukturen“ am zweiten Filmabend an. Der Film irritiert, verstört und macht neugierig.

Und was machst du so?

Veronika Schubert macht vieles, zum Beispiel strickt sie als Diplomarbeit 2005 ihren Film „Tele-Dialog“ und beschäftigt sich darin mit der Sprache „einfach gestrickter“ Fernsehsendungen. Davor, 2004, wurde zur Präsentation des Videos „Schildertausch“ auf die Fassade des architekturforums oberösterreich das Zitat „Und was machst du so? angebracht, das aus ihrer Zeitungsüberschriften-Sammlung stammt, noch immer die Hausmauer des afos ziert und zum kurzen Innehalten einlädt. 2010 entsteht die Arbeit „Säg gaad“ – dafür verwendet sie handschriftlich aufgezeichnete Lustenauer Dialektwörter. Hunderte überlagerte Einzelbilder von gestickten Umrisslinien reproduzieren sich immer wieder neu. Veronika Schubert ist in Vorarlberg geboren und zeigt vor dem Hintergrund ihrer eigenen Herkunft die Komplexität der Konstruktion von Persönlichkeit. Dazwischen und danach gibt es viele wunderbare Arbeiten, worin Sprache filetiert, wortwörtlich zerlegt und neu zusammengesetzt wird, verbunden mit präzisem Handwerk. Eine schöne umfangreiche Werkschau gibt es auf der Homepage der Künstlerin.

 

1 www.fiftitu.at/de/node/405

Veronika Schubert, geboren in Vorarlberg, studierte experimentelle visuelle Gestaltung an der Kunstuniversität in Linz und lebt in Wien.

www.veronika-schubert.at

www.rohnerhaus.at

www.fiftitu.at

www.trickywomen.at

Im Rohnerhaus gibt es aktuell eine Überschriften-Arbeit zu sehen.
05.–07. 10. 2017: SELBST.BESTIMMT
Rohnerhaus, Lauterach (Vorarlberg)
„Archiv-Nr. 0749: Wo ist hier der Speisewagen“, Print auf Papier, Breite ca. 1,5 m.
www.veronika-schubert.at/galerie/2017.html

Öffentlicher Raum

Fotos, kleine Gegenstände aus Email, Haarbüschel, Briefkasten-Schild, Reflektorscheibe, weiß getünchte Planzenrestchen, ein Brieflos (LEIDER-KEIN-GEWINN), die schieferblaue Ziege, eine rätselhafte Maria und vor allem viele ausgestrichene Zeilen in bearbeiteten Büchern: Kleine, vermutlich gefundene, erinnerte oder anderweitig hergestellte Dinge sind im Schaufenster des Friseursalons in der Pfarrgasse zu sehen. Birgit Petris Arbeit „auf die Vernichtung vergesse ich immer“ ist noch im September zu sehen. Danach folgt Gregor Graf ab Oktober. Der Friseursalon ist eine Schaufenstergalerie als Leerstandsnutzung, besteht seit Ende 2016, mit drei bis vier Mal wechselnden Ausstellungen pro Jahr, betreut durch das Atelierhaus Salzamt. blog.salzamt-linz.at

Kunst sagt …

FEBRUAR NULL

Wenn es nicht passiert, dann passiert es bald. FEBRUAR NULL ist eine postapokalyptische Zustandsbeschreibung aus der first-person-Perspektive, in der das Hörstück der Linzer Formation Fang den Berg mit Machinima-Elementen zu einem beengenden, audiovisuellen Kosmos verschmilzt. Die Wüste wächst

Dieses großartige, bombastische Hörstück aus Musik, Text und Visuals ist hier nachzuhören und -sehen: vimeo.com/169929176

The Town and the City-Wohn- und Schlafzimmer.

Letztens lesen wir, dass sich der Autofahrer in Zukunft in seinem selbstfahrenden Auto „wohler fühlen wird als in seinem eigenen Wohnzimmer“, was uns ein wenig nachdenklich stimmt. Nicht wegen der ganzen künstlichen Intelligenz, die ins Auto reinverfrachtet werden muss. Auch nicht wegen des Deep Learnings und des „Weltverständnisses“, dass das Auto dann haben müsste, lesen wir (wir lachen). Sondern wegen des Wohnzimmers. Schon länger fällt auf, dass das Wohnzimmer irgendwie Thema geworden ist – und damit Szenenwechsel in die Kulturhäuser. Dort wird auch gerne davon gesprochen, dass sich die Besucher und Besucherinnen beim Besuch im Museum oder im Theater „wie im eigenen Wohnzimmer fühlen sollen“. Meine Freundin und ich sind uns einig, dass wir, wohlfühlen hin oder her, wenn wir im Museum sind, uns dort gerade NICHT wie in unserem eigenen Wohnzimmer fühlen wollen – denn dann würden wir doch lieber gleich daheimbleiben! Wir erwarten uns von der Kunst schon anderes. Merkwürdig ist das aber, dass das Wohnzimmer überhaupt als Bild für eine Kulturinstitution auftaucht oder jetzt sogar als Auto – und wir fragen uns scharfsinnig: Gibt’s leicht kein Wohnzimmer mehr daheim? Haben die Leute nichts mehr zum Wohnen? Oder, anders: Haben sie keine Zeit mehr zu leben oder keine Ahnung mehr davon, wie das geht? Müssen sie ihr Wohnen, ihr Leben irgendwie anders simulieren? Wir sitzen ja mit Vorliebe im traditionelleren Wohnzimmersubstitut, in einem Café. Dort sprechen wir dann, Stichwort „Weltverständnis“, tatsächlich über richtige Bücher, die wir grade lesen. Am liebsten keine Neuerscheinungen, geht aber auch. Ich habe meinen aktuellen Fast-Klassiker dabei, „The Town and the City“ von Kerouac. Ich intoniere begeistert den Titel The/Town/And/The/City, The/Town/And/The/City und beginne einen kleineren Vortrag darüber, dass das genau der Punkt sei, dass der Town leider oft die City fehlen würde, und sich die Town nur allzu gern gleich wieder mit der Town trifft, wenn man nicht aufpasst und wenn Sie verstehen, was ich meine. Die Stadt und die Stadt ist allerdings überhaupt gleich ein Problem der direkten Übersetzung, der Verdoppelung und Verstärkung oder der nicht eintretenden Transformation. Dann kommt es eben darauf an, sage ich. Die Stadt und die Großstadt vielleicht. Falls man halt überhaupt von etwas Großstädtischem sprechen könne. Und so weiter. Meine Freundin hat auch ein Buch mitgebracht. Wir blättern in Konrad Bayers gesammelten Werken, gerade entlehnt aus der Landesbibliothek. Sie war darauf gestoßen, als sie im Internet diverse Schlagworte in die Suchmaschine eingegeben hatte. Welche und warum weiß ich nicht mehr. Jedenfalls lesen wir jetzt in Bayers konkreten Texten: „franz goldenberg kam zur tür herein und gab mir die hand. ich gab dr. ertel die hand. dr. ertel gab marion bembe die hand. marion bembe gab dr. aust die hand. dr. aust gab dr. herbert krech die hand. dr. herbert krech gab fräulein gisela lietz die hand. fräulein gisela lietz gab ernst günther hansig die hand.“ … und es geht weiter und weiter. Wir hatten das beide früher auch schon mal gelesen. Ich erinnere mich an fra stefano, der in der etwa eine Seite langen Handgeben-Aufzählung auch wieder auftaucht: Ich freue mich über ihn wie über einen alten Bekannten! Was lustig klingt, sagt sie zu mir, hat Ernst Bloch damit kommentiert, dass in Bayers Händeschütteln Witz und Grauen eng zusammenhingen, was Bloch anscheinend als „Heimatlosigkeit“ und als „Sprengung des Verabredeten“ erkannt habe. Das Unheimliche trete so hervor. Übrigens betritt mit diesen Worten ein Bekannter das Lokal, kommt etwas irritiert auf unseren Tisch zu und schüttelt uns beiden die Hand. Wir sehen uns erschrocken an, denn weder wir, noch der Bekannte sind für gewöhnlich in diesem Lokal anzutreffen. Damit ist nun wirklich Schluss mit lustig und wir gehen ganz weg vom Wohlfühlwohnzimmer. Und wechseln abschließend ins Schlafzimmer. Es fällt auf, dass in den diversen Zeitungen neuerdings wieder mehr oder weniger geglückte Kolumnen und Rubriken zu Sex angeboten werden. Wenn sich das nur nicht allzu oft aufs Aussprechen des Direkten beschränken würde! Wie bieder und langweilig. Da hat meine liebe Freundin wieder einmal mehr zu bieten. Das liederliche Weib hat sich eine Zeit lang doch glatt per Internet mit Männern für Sex verabredet. Gerne hat sie mir dann von ihren Begegnungen erzählt bzw. von dem Gerede davor. Also davon, was ich dann „The 60 Minutes before Sex“ genannt habe. Und am Ort des Geschehens, also dort, wo sie sonst nie hingeht und sich mit den Männern getroffen hat, um das Minimum an Kennenlernen zu absolvieren, treffen wir uns heute für unseren privaten Literaturtalk. Ich bedaure fast, dass sie diese Geschichten nie aufgeschrieben hat und überhaupt jetzt auch wieder einen Freund hat, sage ich ihr, kannst du nicht trotzdem, es war immer so lustig? Sie versteht natürlich meine versuchte Sprengung des Verabredeten und antwortet nicht einmal. Und zum Spaß beschließen wir den Nachmittag im Café mit: franz goldenberg kam zur tür herein und fickte mich. ich fickte dr. ertel. dr. ertel fickte marion bembe. marion bembe fickte dr. aust. dr. aust fickte dr. herbert krech. dr. herbert krech fickte fräulein gisela lietz und so weiter. ernst günther hansig und fra stefano kamen natürlich auch noch dran und außerdem ein paar Bekannte. Wir müssen aufpassen, dass uns nach dem Wohnzimmer nicht auch noch das Schlafzimmer genommen wird.

Literatur sagt …

Die Elite der Zukunft wird keine Gedichte mehr schreiben, sie wird intelligent, technisch hochbegabt und von einem pervertierten Triebleben sein, und kein Band wird Intellekt und Trieb verbinden.

Aus: Marlen Haushofers Tapetentür. Jüngst wieder gelesen von Pamela Neuwirth.

„Mit Eierstock und Herz gegen Kommerz“

Mit einem sensationellen Auftritt voller Leidenschaft und kraftvollem Einsatz begeisterte das österreichische Frauenfußball-Nationalteam bei der EM in den Niederlanden. Der Einzug ins Halbfinale mit einem abgebrühten, knallharten und dennoch mental lockeren (entspanntes Lachen im Gesicht!) Elfmeterschießen gegen Spanien ließ die österreichische Volksseele zu neuem Leben erblühen. Jubelschreie schallten durch die offenen Fenster in diesen heißen Sommertagen.

Die kritische Masse der VerfechterInnen der selbstverständlichen Nennung der „Töchter“ in der Bundeshymne scheint dennoch nicht erreicht worden zu sein. Wohl noch immer zu wenig Kampf. Denn entsprechend dem Vokabular der derzeitigen Frauenministerin und einer Wiener Stadträtin gibt es Dank an erfolgreiche Frauen v. a. für ihren Kampf. Aber, liebe Verantwortliche mit Außenwirkung, wir Frauen sind des Kämpfens müde. Müde. Ja, müde! Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um ständig für meinen Platz in der Welt und für meine Rechte kämpfen zu müssen. Zu viele Kämpfe.

Zu viele Kämpfe wurden auch im Fußball verloren. So gegen die übermächtigen Verbände des Männerfußballs im Jahr 1972. Nach nur dreijährigem Bestehen wurde die „FIEFF – Fédération Internationale et Européenne de Football Féminin“ in die Knie gezwungen. Oder eher auf den Boden geworfen. Die zweimalige sehr erfolgreiche Austragung einer jährlichen Weltmeisterschaft im Frauenfußball mit medialer Begleitung in den großen Zeitungen, Live-Übertragungen im Fernsehen und mit bis zu 110.000 StadionbesucherInnen (!!) in Mexiko wuchs zu einem unerträglich bittergroßen Dorn im Auge der kapitalistischen Gier und Eitelkeit der patriarchalen UEFA. Diese drohte den nationalen Fußballverbänden mit Sanktionen, sollten Frauenteams an der neuerlichen WM teilnehmen, was viele nationale Verbände veranlasste, diesen die Teilnahme zu verbieten. Es dauerte 12 Jahre, bis die UEFA einen ersten offiziellen, internationalen Bewerb im Frauenfußball ausrichtete.

Den so lobenswert kämpfenden österreichischen Fußballfrauen widmete der Hip-Hop-Musiker Kid Pex einen eigenen Song, dessen Text erwähnenswert ist. Meine Lieblingszeile: „Ohne billige Schwalbe, ohne vorgespielten Schmerz – Eierstöcke und Herz gegen Kommerz“.

Apropos Eierstöcke, auch wir Frauen haben Eier, ja wir produzieren sie sogar selbst, natürlich unbezahlt und kontinuierlich, fast ein Leben lang. Ein spezieller Dank all den Töchtern, die die Mütter dieser starken Frauen sind. Diese Frauen haben mit ihrer freudvollen Kompromisslosigkeit, ihrer taktischen Disziplin und Antizipationsfähigkeit, einem laufstarken körperlichen Einsatz, und bis auf das Elfmeter-Verhalten im entscheidenden Halbfinale, durch mentale Stärke und einem unbedingten Willen überzeugt. Dies bescherte dem ÖFB das höchste eingespielte Preisgeld mit der berechtigten (und hoffentlich erfolgten) Forderung, diese 700.000 € ausschließlich in den Frauen- und Mädchenfußball zu investieren, v. a. in die Breite, so der Fachjargon.

Lobenswert die ORF-Studiosendungen mit mehrheitlich weiblichen JournalistInnen und ExpertInnen. Auf eine weibliche Stimmbesetzung der KommentatorInnen bei der Spielübertragung bleibt zu hoffen. Aber ob das die männliche österreichische Fußballseele verträgt … oder überwiegt schon der weibliche Anteil an Fußballfans bei der Höchstquote von 1,2 Millionen ZuseherInnen (Marktanteil von 44 %), die das Elfmeterschießen auf ORF eins sahen? Da fangen die Köpfe der MarketingstrategInnen angesichts der möglichen Absatzmärkte zum Rauchen an. Der Kommerz rollt an. Ob der Frauenfußball davon profitieren kann, ist fraglich.

Profitieren werden auf alle Fälle die vielen Mädchen, die sich nun für den aktiven Fußballsport begeistern. Das Ergebnis einer Studie im Rahmen der Aktion „Together #WePlayStrong“ zur Stärkung des Frauenfußballs besagt, dass Fußball selbstbewusst macht und den Zusammenhalt fördert. Sehenswert das Video der Imagekampagne.

PS: Ab diesen Sommer lautet die Hymne: Heimat bist du großer Töchter!!

 

„Oh Burger Burger Burger – oh Nina Nina Nina ich häng zum Bild vom Krankl – dein Poster in mein Zimmer“

Liedtext-Tipp: Rot-Weiß-Rote Schwestern, Kid Pex

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Gastrojammern.

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Google sagt zum Würstelstand „Warmer Hans“: Dauerhaft geschlossen. Die Bewertung gibt 3,7 von 5 Sterne an – es gibt Abschiedsartikel in diversen Tageszeitungen, Beiträge im Lokalfernsehen zum Farewell und das stadteigene Wiki (1) widmet einen Eintrag.

ExillinzerInnen lechzten nach dem Ausgehen nach der Institution „Warmer Hans“ und BesucherInnen der Stadt wurden zu später Stunde zu einem Stelldichein genötigt.

Horden von japanischen Gästen verschlangen biergelenkt die fleischigen Produkte, Hooligans mit selbstgebrachtem Dosenbier sauten mit Käsekrainern herum und blasse, schlaksige Jünglinge und feiste Mädels holten sich nach der Tanzschule – noch in Verkleidung – die verlorenen Kalorien zurück. Die Rede ist von „Legende“, Kult und Institution. Ja, sogar die große Elisabeth T. Spira, die Indie-Regietante des deftigen (Amateur)-Sozialpornos, hatte auch ihren Dreh und menschelte, was das Zeug hielt, herum. Es wird gejammert. Der Untergang einer Kultstätte wird beweint und einhergehend auch gleich der Untergang von Österreich und der Verlust der großen, stolzen Leitkultur. Für den Slowdude war die versiffte Nische eigentlich immer ein abstoßender Ort: Räudiges Ambiente, aber eben nicht kultig genug, um cool zu sein. Oft schlechte – ja sehr schlechte Stimmung bis hin zu gelebter Aggression. Unfreundliches und abgestumpftes Personal – der Slowdude hat Berliner Ansprüche. Pro und Kontra des sozialen Faktors Würstelstand wurde eben am Beispiel „Warmer Hans“ genügend durchexerziert. Das viel wichtigere Element der Auseinandersetzung sollte natürlich der gastronomische Verlust von Pusztalaibchen, des „Bosnadings“ und der restlichen angebotenen Fleischausformungen sein.

Zuallererst, um es abzukürzen: Gott, dem gnädigen Herrn im Himmel sei es gedankt, dass diese grausige Fleischschwemme weg ist und nur mehr in Wort und Bild existiert. Die Erinnerung verklärt. Hoffentlich.

Der Slowdude hat einen Test, der die Qualität von Fastfood schonungslos ermittelt, entwickelt: Das zu testende Produkt kaufen, mit heim nehmen, kalt werden lassen und am nächsten Tag zuerst kalt und dann aufgewärmt verkosten. Beim Pusztalaibchen war dies aber nicht möglich. Hier war es sogar die Intention des Entwicklers: das Pusztalaibchen kann nur heiß und ab 2 Promille problemlos verzehrt werden – so glaubt der Slowdude. Genauso verhält es sich mit dem schrecklichen „Bosnadings“ in Schneckenform. Was da genau drinnen war, wollte und will Mensch nicht wissen. Besser so.

1 www.linzwiki.at/wiki/Warmer_Hans

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