Das Land der Möglichkeiten ist meine kleine Welt.

Viele fragen es sich schon länger. Und kaum wer weiß, was mit dem „Land der Möglichkeiten“ genau gemeint ist, ein Werbesujet, das seit längerer Zeit in Oberösterreich seitens der Landeshauptmann-Partei lanciert wird. Der Claim soll vielleicht den amerikanischen Traum der unbegrenzten Möglichkeiten mit im Klang führen, aber die PR bleibt die Art der Möglichkeiten letztlich schuldig: Geht es um gute, schlechte, große, kleine, viele, wenige, keine oder doch einfach nur auf ewig undefinierbar bleiben wollende Möglichkeiten? Möglicherweise mögliche Möglichkeiten also? Besonders in Kombination mit dem vielsagend wie geheimnisvoll in sich hineinlächelnden Gesicht des Landeshauptmanns auf den Werbeflächen, entsteht ein leichtes Gefühl von abgehängten Karotten vor den Nasen. Ich bin mit meiner Freundin unterwegs, wir reden über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten im Land. „Aber immerhin wissen wir“, sagt sie, als wir zusammen spazieren gehen, „seit der Verleihung der letzten Kulturpreise zumindest, WIE VIELE Möglichkeiten es in der Kunst und Kultur sind – NÄMLICH 21!“. Und liest aus einem mitgebrachten Zeitungsausschnitt vor, OÖ Volksblatt, Ende September 2018: „Waterloo geehrt. Im Rahmen einer Feierstunde im Steinernen Saal des Linzer Landhauses ehrte Landeshauptmann Thomas Stelzer gestern 21 Oberösterreicher, die sich im Bereich von Kunst und Kultur verdient gemacht haben. ‚21 Personen, 21 Möglichkeiten, sich zu engagieren, 21 verschiedene Wege, Kunst und Kultur in OÖ mitzugestalten: Das vermittelt einen Eindruck davon, was in Oberösterreich alles möglich ist‘, so Stelzer. Zu den Geehrten zählte Sänger-Legende Waterloo (‚Hollywood‘), der die Kulturmedaille des Landes verliehen erhielt.“ Meine Freundin und ich sehen uns 21 Mal an und wundern uns, was alles möglich ist … … … „Sie werden sich noch wundern …“, sagt meine Freundin und der Rest ist eh klar … … … Aber wie das mit dem Hirn und den spontanen Wegen der Erinnerung so ist: Der Gedanke an good old Hollywood bringt mich über den zweiten 70er-Jahre-Heile-Welt-Homeland-Song von Waterloo&Robinson, „Meine kleine Welt“, zu einer ganz anderen Begebenheit, die ich einmal vor vielen Jahren, irgendwann in den 90ern, im Gasthaus Alte Welt erlebt hatte. Ein etwa 40jähriger Mann hatte sich die ganze Nacht ziemlich betrunken. Aus unternehmerischem Frust. Er hatte eine landwirtschaftliche Erfindung gemacht, die sich ökologisch-technisch visionär anhörte, und die es aus heutiger Sicht wahrscheinlich umso mehr wäre. „Aber weder Bauernverband noch Vertreter der Industrie noch Banken oder Politiker haben sich die Sache überhaupt angesehen“, sagte er, damals im Gasthaus Alte Welt, die ganze Nacht über, immer wieder zu mir und in die Runde. Und sagte dann immer wieder, mit Nachdruck und die ganze Nacht: „Nicht, wer es in New York schafft, der schafft es auf der ganzen Welt, sondern wer‘s in Oberösterreich schafft, der schafft es überall!“. Und er sang sowohl die New York-Nummer immer wieder an als auch zwischendurch ebenfalls wiederholt und immer wieder, auf recht schrille Weise, man glaubt es kaum und darum kenne ich die Nummer überhaupt: „Das ist meiiiiiiiine kleine Welt“. Und nahm dann immer noch kräftigere Schlucke. Er dürfte dann, nachdem er schon in der Früh, „Danke fürs Verhindern! Ich bin eh bald weg! Ab in die USA!“ gerufen hatte und irgendwann, als es dämmerte, aus dem Lokal gestolpert war, laut seiner eigenen Aussagen zuvor, mehr oder weniger direkt in den Flieger gestiegen sein. In welchen genau, weiß ich aber nicht.

„Hm“, sage ich, nach längerem Schweigen. Meine Freundin sagt, nach weiterem, ebenfalls längerem Schweigen: „Gehen wir in die Alte Welt?“. Die Geschichte habe ich ihr früher schon mal erzählt. Wir spazieren in Richtung Lokal.

 

Lokale Lokale, die fortlaufende Fortgeh-Kolumne des hiesigen Lokalkolorits, der unglaublichen Begebenheiten und der unerwarteten Wendungen, ist in dieser Referentin #14 an Stelle eines Editorials abgedruckt.

REVOLUTION! Die Forderung nach dem Unmöglichen.

Das Lentos Kunstmuseum, das Nordico Stadtmuseum und die Landesgalerie Linz zeigen derzeit eine häuserübergreifende Schau zu unterschiedlichen Teilaspekten der künstlerischen und kulturellen Avantgarde der 68er-Bewegung. Elisabeth Lacher orientiert und wendet sich dann den räumlichen und gesellschaftlichen Utopien eines erweiterten Verständnisses von Architektur zu.

Missing Link, Gorillas greifen ein, 1971 Collage, Typografie, Fotoausschnitte auf Papier, 27,2 x 27,3 cm. MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst © Missing Link

Missing Link, Gorillas greifen ein, 1971 Collage, Typografie, Fotoausschnitte auf Papier, 27,2 x 27,3 cm. MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst © Missing Link

Zu den Ausstellungen erschien auch das Buch 68, herausgegeben von den KuratorInnen Johannes Porsch, Hedwig Saxenhuber und Georg Schöllhammer. Wer um 1968 in Erscheinung trat, inwiefern die AkteurInnen der Wirklichkeit den Schluss erklärten und welche Rolle Linz hierbei gespielt hat, wird in den Ausstellungen wie in der Publikation ausführlich, informativ und anregend aufbereitet.

Im Lentos werden künstlerische Positionen der lokalen Szenen aus Linz und Oberösterreich mit KünstlerInnen aus den Nachbarregionen in Beziehung gestellt, um die Ausbrüche, Aufbrüche und Umbrüche im Kontext der Stahlstadt Linz zu zeigen, etwa die Gruppe rund um den Schriftsteller und Herausgeber Heimrad Bäcker. Die Arbeiten von Josef Bauer, Gerhard Knogler und Fritz Lichtenauer verweisen auf eine künstlerische Praxis, die zwischen bildender Kunst und dem bildnerischen Aspekt von Text angesiedelt ist. Hervorzuheben sind diesbezüglich auch die ausgestellten Verknüpfungen der Linzer Gruppe mit KünstlerInnen aus der CSSR, wie Bela Kolárová und Jirì Valoch. Johann Jascha rekonstruiert für die Ausstellung im Lentos erstmals seit 40 Jahren die Arbeit Schöner Wohnen, die in Zusammenarbeit mit der Gruppe Salz der Erde entstanden ist. Der Künstler sammelte im Zeitraum 1969 bis 1975 die Überreste seines Lebens in getrockneter Form in seinem damaligen Atelier. Bei der Ausstellungseröffnung war Jascha mit einer seiner Schreiaktionen zu erleben.

Das Nordico vertieft die gesellschaftlichen Veränderungen in den 1970er-Jahren in den unterschiedlichen Bereichen wie der Frauen-, Friedens- und Umweltbewegung. Zahlreiche Bild-, Text- und Tondokumente entwerfen ein vielschichtiges Bild jener Jahre in Linz. Sie gewähren zudem Einblicke in verschiedene Gruppen und Räume der Linzer Linken, der Kunst und der Musik – wie die Galerie Maerz, die Berger Mami, die Stadtwerkstatt, das Café Landgraf, die Galerie Hofkabinett und ihre ProtagonistInnen erzählen.

Das Hauptaugenmerk der in der Landesgalerie Linz gezeigten Schau „Schluss mit der Wirklichkeit! Avantgarde, Architektur, Revolution, 1968.“ liegt vor allem auf experimenteller Architektur und der urbanen Revolte rund um 1968. Die ausgestellten Skizzen, Bilder und Dokumente bilden einen Einblick in die urbanen Wurzeln der 68-Bewegung. Bedeutend für die Resonanz ästhetischer Konzepte und politischer Aktion sind Kontext und Metapher des urbanen Raums: das massenmedial Imaginäre der Metropole, die Produktions-, Distributions-, Konsum- und Kommunikationsmaschine Stadt, die Lebens- und Verhaltensweisen codierende Urbanität, der flüchtige Alltag der Straße. Die architektonischen Projekte der 1960er und frühen 1970er platzieren sich im Maßstab und Modus von Objekt, körperbezogener Apparatur, objekthafter Minimalumwelt bis hin zur Megastruktur und interventionistischem Handlungsfeld bzw. performativer Infrastruktur. Das alles äußerte sich modernistisch-formbezogen, affirmativ-subversiv, aktionistisch-eruptiv, rituell-forschend im vielschichtigen Gewebe der Stadt.

Den architekturbezogenen Praxen und Theorien der urbanen Revolte der 68er-Bewegung mit ihrer Politisierung öffentlicher Räume, deren Aneignung, der Definition selbstbestimmter Lebensformen und der damit einhergehenden Auslotung unterschiedlicher Wohnformen wird in Retrospektiven zu künstlerischen Perspektiven der 68er Jahre oft zu wenig Beachtung geschenkt. Zu Unrecht, denn gerade aus dieser Zeit des Um- und Aufbruchs entstanden wichtige Theorien zu öffentlichem Raum, die nach wie vor richtungsweisend in der Auseinandersetzung mit Stadt, Urbanität und Kunst im öffentlichen Raum sind.

In welchem Verhältnis die Projekte der experimentellen Architektur zu Ideologiekritik, den Programmen und Forderungen der Student/innenprotest- und Bürger/innenrechtsbewegung von 1968 stehen, ob und wie ästhetische und politische Bewusstseins- und Repräsentationskritik sich zueinander verhalten, ist die offene Frage, in der sich die Ausstellungen „Wer war 1968?“ und „Schluss mit der Wirklichkeit! Avantgarde, Architektur, Revolution, 1968.“ reflektieren und in einen Dialog treten.

„Kunst ist eine in Form gebrachte Forderung nach Unmöglichem“, hat der französische Schriftsteller Albert Camus geschrieben. Kaum einem Zeitabschnitt entsprechen diese Worte so ausdrücklich wie den Jahren um 1968. Es waren Jahre der Utopie, der ästhetischen Experimente und der Grenzüberschreitungen. Zum ersten Mal gingen KünstlerInnen in den öffentlichen Raum, gingen auf die Straße und erklärten diese zur Galerie, zu einem Ort, an dem Kunst unmittelbar eingreifen und verändern kann, mit einem völlig anderen Publikum als in den Ausstellungshäusern oder den künstlerischen Zirkeln.

In den 68ern und danach begann auch von Seiten experimenteller Architekten und Architektinnen ein Fragen nach öffentlichem Raum, nach dessen Gestaltung und Nutzung wie dessen Politisierung. Der damalige Status Quo von Kunst am Bau als „Dekor“, welcher den fertigen Bauobjekten quasi aufgepfropft wird, wurde in rebellischen Gesten und einer avantgardistischen Kunstpraxis unterwandert. All dies führte, wenn auch die in den Raum gebrachten Forderungen nach Revolution und Utopie wohl als Forderung nach dem Unmöglichen eingeordnet werden müssen, dennoch zu weitläufigen Veränderungen im Verständnis von Kunst am Bau und einer beginnenden Kunst im öffentlichen Raum.

Die Ausstellung in der Landesgalerie mit Projekten von Zünd Up/Salz der Erde, Missing Link, Haus-Rucker-Co, Angela Hareiter und Valie Export zeigt die räumlichen und gesellschaftlichen Utopien eines erweiterten Verständnisses von Architektur, Stadt und öffentlichem Raum in all den fragilen Ideen, Entwürfen und Konzepten darüber. Sie führt die BesucherInnen nicht nur in die Denkweisen der avantgardistischen Architektur mit dem Schrei nach Revolution zurück, sondern lässt sie auch reflektieren und nachdenken über die (traurige) Unmöglichkeit von Revolution.

Die weibliche Seite der Avantgarde
Beim Gang durch die Ausstellung fällt auf, dass sehr wenige Positionen von Architektinnen gezeigt werden, der damalige Mangel an Frauen in der Architektur liegt dem wohl zugrunde. Lange Zeit war die Architektur Männern vorbehalten; noch im zwanzigsten Jahrhundert wurden Frauen an vielen Universitäten für Architektur nicht oder nur in bestimmten Bereichen der dekorativen Ausstattung zugelassen. Als ob die letzten beiden Silben der Berufsbezeichnung Architekt„innen“ ihnen auch gleich den Ort ihrer Kompetenzen zuweisen würden: Die Hülle bauten Männer, und allenfalls das, was „innen“ ist und für die Öffentlichkeit nicht sichtbar, wurde dem „Geschmack“ der Frauen überlassen. Auch Avantgarde-Schulen wie das Bauhaus entkamen dieser Rollenzuweisung kaum. Doch das ist eine andere Geschichte. Die sorgfältig in die Ausstellung eingebauten Projekte von Valie Export und Angela Hareiter, die auch Mitbegründerin von Missing Link ist, lassen dann ein kurzes feministisches Aufatmen zu.

Auf die generelle weibliche Unterbesetzung in den 68er Jahren verweisen Zeitdokumente im Nordico und das Kapitel „Sexuelle Revolution“ im Buch zu den Ausstellungen. Die Texte von Margit Knipp, Edith Friedl, Gabriele Müller und Barbara Seyerl beschreiben sehr lebendig und persönlich die Situation der Frauen in der Linzer Männerdomäne jener Zeit.
Besonders hervor sticht die Beschreibung Edith Friedls einer Diskussion am Küchentisch in ihrer Studenten-WG am Linzer Froschberg und lässt mich beim Lesen unwillkürlich schmunzeln. Sie schreibt über fünf angehende Soziologen, die angeregt über Wilhelm Reich und den klitoralen Orgasmus diskutierten. Als einzige Frau in der Diskussion stellte die Autorin eine Frage in die Runde und erhielt von einem männlichen Diskussionsteilnehmer den Hinweis „Pssst, das verstehst du nicht, das erklär ich dir später“. Genial, nicht wahr?

Viele Frauen erinnern sich an die „supergescheiten“ und intellektuell reflektierten 68er-Jungs als Chauvinisten, Sexisten oder schlichtweg als linke Machos. Es galt, ihnen die weibliche Stirn zu bieten. Und das taten die Linzerinnen dann auch. Es war die Gründerzeit von Frauengruppen, dem Autonomen Frauenzentrum – das bis heute besteht, von alternativen Kindergärten und der Etablierung „wilder Frauen“ und Feministinnen in der Linzer Öffentlichkeit. Hingewiesen sei hier auch auf die Tampon-Aktion während der Wahl zur Miss Oberösterreich 1978 im Linzer Vereinshaus, die Edith Friedl beschreibt. Drei AkteurInnen – sie selbst, ein gewisser Thomas und eine Karin sprengten den sexistischen Zirkus und die Fleischbeschau, indem sie Damenspenden verteilten: sie bewarfen die Juroren mit rot eingefärbten Tampons.

Da ich selbst in den frühen 80er Jahren geboren wurde, passierte dies alles lange vor meiner eigenen Auseinandersetzung mit Kunst, Gesellschaft und Feminismus. Dennoch würde ich für mich die Zeit der 68er bis Ende 70er Jahre als persönlich wegweisend beschreiben. Zumal ich in einer kleinen, oberösterreichischen Marktgemeinde aufwuchs, in der patriarchalische Gesellschaftsstrukturen auch in den 80er und 90er Jahren fest verankert waren. Ich erinnere mich, das Wort Feministin oder Revoluzzerin doch öfter als einmal gehört zu haben: als verächtliches Schimpfwort für sinnlos aufbegehrende oder gar „perverse“ Frauen. Später dann, in der Oberstufe des Gymnasiums mitten im Hausruckviertel mit dem Wiener Aktionismus, feministischer Literatur, Kunst und Politik konfrontiert zu sein, glich einer jugendlichen Erleuchtung: Plötzlich hatte Kunst etwas mit mir und meinem Leben zu tun. Das erste Mal Fotos von Valie Exports Tapp- und Tastkino zu sehen, auch wenn die Aktion da schon vor 30 Jahren passierte, war eindrücklich und intuitiv verständlich. Und ließ mich dann weiter über Kunst und Avantgarde forschen: und das war in meinem damaligen, ländlichen Umfeld doch sehr selten. Selbst meine Freundinnen und Freunde waren schwer von meiner Begeisterung und der Bedeutung von Kunst und Literatur zu überzeugen. Aber auch das ist eine andere Geschichte.
Um in die Dynamik dieser Zeit einzutauchen, sich zu erinnern und vertiefendes Wissen anzueignen, besonders auch im Bezug zu Linz in den 68er und 70er Jahren, seien die Ausstellungen und das dazu erschienene Buch 68 jedenfalls jedem und jeder wärmstens empfohlen.

 

WER WAR 1968? Kunst, Architektur, Gesellschaft
LENTOS Kunstmuseum Linz, noch bis 13. Jänner 2019

www.lentos.at

NORDICO Stadtmuseum Linz, noch bis 24. Februar 2019
www.nordico.at

SCHLUSS MIT DER WIRKLICHKEIT! Avantgarde, Architektur, Revolution, 1968.
Landesgalerie Linz, noch bis 20. Jänner 2019

www.landesmuseum.at

Die Publikation „Wer war 1968? Kunst, Architektur, Gesellschaft“ ist im Verlag Anton Pustet erschienen, mit Texten von Johannes Porsch, Hedwig Saxenhuber und Georg Schöllhammer, Essays von Helmut Draxler, Thomas Eder, Peter Huemer, Gabriele Kaiser, Christa Kamleithner, Helmut Lethen, Klaus Ronneberger und Greta Skau sowie mit mehr als 100 Textbeiträgen in deutscher Sprache.
464 Seiten, Preis: € 29,–

PreisträgerInnen: Marianne.von.Willemer-Preis: starsky

Julia Zdarsky aka starsky, geboren 1967 in Wien, hat den diesjährigen Marianne-von-Willemer-Preis für digitale Medien verliehen bekommen. Die Preisverleihung fand im November im Ars Electronica Center statt. Starskys Arbeiten waren dieses Jahr etwa am 8. März am Linzer Hauptplatz zu sehen – am Internationalen Weltfrauentag und im Rahmen von Feminismus und Krawall.

Foto Sascha Osaka

Foto Sascha Osaka

Wir gratulieren – und zitieren von starskys Homepage:
starsky überschreitet ungeniert die grenzen zwischen sub-, pop- und hochkultur.
egal ob bewegte lichtbild-installationen, bühnenprojektionen, imposante live-visuals oder
gigantische großbild-projektionen: die arbeiten von starsky sind an räumlicher wirkung
und inhalt kaum zu übertreffen. nichts, was nicht von ihr in farbe, form, wort und licht
getaucht werden könnte: architektur, struktur, environment, public spaces!
starsky arbeitet mit sprache, phrasen, grafik, interaktion, bewegten bildern oder film.
von plakativ bis subtil ist alles, meist sogar in ein und derselben arbeit zu finden.
die projektionsdimensionen von starsky heben raumprojektionen und projektionsinstallationen
auf eine inhaltliche ebene, die zu einem gesamtkunstwerk aus bild, sprache, kommunikation
und raum verschmelzen und als plötzliche erleuchtungen von kurzer dauer im emotionalen
gedächtnis der betrachterIn erhalten bleiben. visualisierte gefühle – flüchtig, aber unvergesslich.

 

starsky.at

Zum Willemer-Preis:
www.linz.at/frauen/5021.asp

neue texte, heute gelesen

1968 gründete der Linzer Schriftsteller Heimrad Bäcker (1925–2003) in seinem Heimatort die Literaturzeitschrift neue texte, die sich in den Folgejahren zu einem Leitmedium der experimentellen Dichtung entwickeln konnte. Florian Huber über Heimrad Bäcker, die Gegenwartsliteratur nach 1968, einen multimedialen Literaturbegriff und die guten, die fetten Texte.

Visuelle Arbeiten von Heimrad Bäcker sind derzeit auch in der Ausstellung „Wer war 68?“ im Lentos zu sehen: Heimrad Bäcker. Bearbeitungsspuren im Steinbruch Wienergraben des Konzentrationslagers Mauthausen, 1968–95 Bild © Landesmuseum Linz

Visuelle Arbeiten von Heimrad Bäcker sind derzeit auch in der Ausstellung „Wer war 68?“ im Lentos zu sehen: Heimrad Bäcker. Bearbeitungsspuren im Steinbruch Wienergraben des Konzentrationslagers Mauthausen, 1968–95 Bild © Landesmuseum Linz

Für die Einschätzung eines Leitmediums der experimentellen Dichtung spricht nicht nur das langjährige Bestehen der bis ins Jahr 1991 in insgesamt 45 Ausgaben erscheinenden Zeitschrift, sondern auch der gleichnamige, 1975 aus ihr hervorgegangene Verlag, dessen publizistische Aktivitäten 2005 endgültig eingestellt und bereits 1992 vom Grazer Droschl Verlag übernommen wurden.
Trotz ihrer literarhistorischen Bedeutung ist Bäckers verlegerische Arbeit heute aber weitgehend vergessen, obwohl seine Tätigkeit als Autor in den letzten Jahren auch international große Beachtung erfuhr. Neben einer wachsenden Zahl von Ausstellungen seiner Fotografien im In- und Ausland verdienen in diesem Zusammenhang etwa die Übersetzungen von Bäckers 1986 im eigenen Verlag publizierten literarischen Hauptwerk nachschrift ins Amerikanische (transcript; 2010) sowie Türkische (tutanak; 2004) besondere Erwähnung. Aber auch die Literatur- und Kulturwissenschaften widmeten nachschrift und dem 1992 erschienenen Folgeband nachschrift 2 als Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Shoah mithilfe dokumentarischer Dichtung ausführliche Analysen.
Mit dem Erwerb von Bäckers Verlagsarchiv durch das Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek wurde freilich bereits im Jahr 2000 vom Autor selbst der Grundstein für Untersuchungen zur Programmatik und Genese der neuen texte gelegt. Mit dem Ankaufserlös wurde zudem ein Literaturpreis eingerichtet, der seit 2003 als Heimrad-Bäcker-Preis und als Förderpreis im Andenken an seinen Namensgeber verliehen wird. So werden jährlich Dichterinnen und Dichter prämiert, „deren Werk im Zusammenhang mit der Literatur zu sehen ist, wie sie Heimrad Bäcker in seiner edition neue texte verlegt hat“, wie das Linzer Stifterhaus auf seiner Homepage informiert. Zu den Ausgezeichneten zählen dabei auch in den 1970er- und 1980er-Jahren geborene Dichterinnen und Dichter wie Monika Rinck, Anja Utler, Steffen Popp, Mara Genschel, oder Kevin Vennemann. Das ist insofern konsequent, da Verlag und Zeitschrift seit Beginn ihren Schwerpunkt auf die Präsentation möglichst eigenständiger, aber wenig bekannter künstlerischer Positionen legten, wie auch die Übersetzungen und Erstdrucke fremdsprachiger Dichtung in den neuen texten bestätigen. Die besondere programmatische Ausrichtung trug dabei entscheidend zur Wiederentdeckung einer Avantgarde bei, deren künstlerische Errungenschaften im Nationalsozialismus verfolgt und nach 1945 weitgehend aus dem kulturellen Gedächtnis getilgt worden waren. Neben Arbeiten des heute als Klassiker geltenden Dada-Pioniers Raoul Hausmann (1886–1971) publizierte Bäcker etwa den Briefwechsel zwischen Alfred Kubin und dem, unter dem Pseudonym Mynona bekannt gewordenen, Dichterphilosophen Salomo Friedlaender (1871–1946) in seinem Buchverlag. Hausmanns Fotocollagen unterlaufen wie die Bild-Dichtungen Kubins und die expressionistisch grundierten Grotesken von Mynona Genregrenzen und stehen somit für einen multimedialen Literaturbegriff, der auch die ästhetische Ausrichtung der neuen texte maßgeblich prägte. Zu den zentralen zeitgenössischen Figuren für Bäckers verlegerische Arbeit zählten neben Ernst Jandl (1925–2000) die Vertreter der so genannten Wiener Gruppe, die mit Gerhard Rühm (*1930) und Friedrich Achleitner (*1930) von Anfang an in der Zeitschrift präsent war. Darüber hinaus ist vor allem der schweizerisch-bolivianische Schriftsteller Eugen Gomringer (*1925) zu nennen, der mit seinem Konzept einer „Konkreten Poesie“ für eine Fokussierung der Dichtkunst auf die visuelle und lautliche Dimension der Sprache optierte. Dementsprechend erschienen in den neuen texten von Anfang an auch Hörspieltexte, Beispiele zeitgenössischer Lautpoesie sowie fotografische, an der Schriftbildlichkeit oder am Dokumentarischen orientierte Arbeiten, etwa von Fritz Lichtenauer (*1946), Josef Bauer (*1934) und Jochen Gerz (*1940). Die Drei Jahresportraits von Friedl vom Gröller (*1946) und der Band Körpersplitter von Valie Export (*1940) führten nachdrücklich die überragende Bedeutung von Künstlerinnen für das Gelingen der neuen texte vor Augen, deren intellektueller und ästhetischer Ertrag zu wesentlichen Teilen auch dem Engagement und der Sachkenntnis von Bäckers Ehefrau Margret zuzuschreiben ist. Mit ASCHENBAHN von Friederike Mayröcker (*1924) zeigt bereits das Cover der ersten Nummer der Zeitschrift die Arbeit einer Dichterin, die neben Liesl Ujvary (*1939), Ilse Garnier (*1927), Elfriede Czurda (*1946) und Waltraud Seidlhofer (*1939) und im Umfeld der neuen texte zu einer herausragenden Stimme der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur nach 1968 avancierte. Seidlhofers fassadentexte eröffneten 1976 auch das Prosaprogramm des 1975 aus der Zeitschrift hervorgegangenen Verlags edition neue texte, dem neben Friedrich Achleitner, Reinhard Priessnitz und Gerhard Rühm wiederum Elfriede Czurda als Lektorin verbunden war. In einem kurzen autobiografischen Text spricht Heimrad Bäcker von seinem damaligen Wunsch, „Bücher aufzulegen, die wegen der Eigenart ihres Stils sonst kaum eine Chance gehabt hätten.“ Insbesondere der vom Verleger besonders geschätzte Priessnitz (1945–1985) und seine 1978 publizierten vierundvierzig gedichte erwies sich in diesem Zusammenhang als beispielgebend für eine jüngere Generation von Schreibenden, zu der etwa Ferdinand Schmatz (*1953), Franz Josef Czernin (*1952) und Christian Steinbacher (*1960) zählen, der mit seinem von 1994 bis 2000 bestehenden Verlag Blattwerk auch editorisch auf den Spuren der neuen texte wandelte. In ihren Werken trifft die formale Strenge Konkreter Poesie auf eine von literarischer Tradition wie Gegenwart gleichermaßen inspirierte Neuerfindung poetischer Formen. Nicht zuletzt wird dabei deutlich, „wie sehr die Konkrete Poesie das Leben, die Erfahrungen des Lesers als Material verwendet. Zumindest die gute, die fette Art“, wie die Schriftstellerin Ann Cotten 2012 anlässlich von Liesl Ujvarys Dichtung der 1970er-Jahre bemerkte.
Dementsprechend verspricht auch das Verlagsprogramm der edition neue texte und der gleichnamigen Zeitschrift Einblick in ein historisches Lebensgefühl. Seine Lektüre macht auch für heutige Leserinnen und Leser einsichtig, wie unterschiedlich es um die ästhetischen Ansprüche, Arbeitsstile und Lebensverhältnisse der mit Bäckers publizistischem Tun Verbündeten bestellt gewesen sein muss. Wohl auch aus diesem Grund wurde der literaturkritischen Debatte und der Interpretation des eigenen Tuns innerhalb der neuen texte von Anfang an ein prominenter Platz zugewiesen. Bibliografien, Rezensionen und ausführliche Textanalysen bildeten einen integralen Bestandteil von Zeitschrift und Buchreihe, deren ästhetische Weiterentwicklung im Lauf der Jahre zudem bei eigens ausgerichteten Kolloquien und im Rahmen von Lesungen intensiv erörtert wurde. Mehr als ein Jahrzehnt sind seit dem Ableben von Heimrad und Margret Bäcker vergangen, viele Titel der Edition und Zeitschrift sind nicht mehr lieferbar. Dabei zeugt ihre Lektüre immer noch von einer im heutigen Kulturbetrieb selten gewordenen Konfliktkultur. Es wäre vielleicht an der Zeit, ihrem historischen Beispiel zu folgen und die gesellschaftliche Relevanz von Kunst einmal mehr zur Disposition zu stellen. Indem man das Gespräch mit ihren erklärten Feinden und Kritikerinnen sucht, stärkt man nicht nur der Kunst den Rücken.

 

Florian Huber hat am 3. Dezember die Stifterhaus-Veranstaltung „Was bleibt von 1968. Ein Abend zur Erinnerung an Heimrad Bäcker und seine edition neue texte“ moderiert.

PreisträgerInnen: Outstanding Artist Award: Fiftitu%

Grafik Oona Valarie Serbest

Grafik Oona Valarie Serbest

Seit zwei Jahrzehnten setzt sich der Verein Fiftitu für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen im Kunst- und Kulturbereich ein. Die Aktivitäten umfassen neben kultur- und frauenpolitischer Arbeit, regionaler, nationaler und internationaler Vernetzung und mannigfachen künstlerischen Projekten auch Beratung und Unterstützung.

Fiftitu wurde im November mit dem Outstanding Artist Award 2018 – Kulturinitiativen des Bundes, ausgezeichnet! Die Preisverleihung fand im Bundeskanzleramt statt, der Kunst- und Kulturminister überreichte die Preisurkunde. Mit dem Outstanding Artist Award wird in verschiedenen Kunstsparten eine Auszeichnung für herausragende Leistungen an Künstlerinnen und Künstler der jüngeren und mittleren Generation vergeben.

fiftitu.at

Anschluss

Im Rahmen des Gedenkjahres 2018 präsentiert das Lentos Kunstmuseum im Untergeschoss die Schau „Anschluss“ von Tatiana Lecomte. Die österreichische Künstlerin mit französischem Pass dekonstruiert durch mehrere Kunstgriffe unseren Blick auf die Geschichte.

Tatiana Lecomte Fallschirmspringerwand 5, 2005. Foto Bildrecht, Wien 2018

Tatiana Lecomte Fallschirmspringerwand 5, 2005. Foto Bildrecht, Wien 2018

Das Untergeschoss des Lentos Kunstmuseums hat eine spezielle Architektur, durch eine in der Mitte des Raumes eingezogene Wand, die wie ein Paravent den Raum trennt; so gelangt man links und rechts jener Wand von der einen Seite des Raumes zur anderen. Eine der beiden Arbeiten von Tatiana Lecomte, die dort zu sehen sind, funktioniert analog zu dieser räumlichen Trennung. Für die Fotoarbeit, die neben dem Kurzfilm im Untergeschoss ausgestellt ist, recherchierte die Künstlerin in zahlreichen, lokalen Archiven Bildmaterial zur Zeit des Anschlusses. Linz ist bekannt für die historische Aufarbeitung seiner nationalsozialistischen Vergangenheit, die seit den 1990er Jahren fortlaufend angestrengt wird, von universitärer Seite, von Archiven, von Museen. Auch wenn die wissenschaftliche Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen ist, dürfte das bisher ermittelte und aufgearbeitete Material, die Dokumente, die Fotografien, gut fundiert sein. 1938 nahm Linz nicht nur als Wirtschaftsstandort, durch die im gleichen Jahr im Linzer Süden gegründeten „Hermann-Göring-Werke“ eine strategisch wichtige Rolle ein, sondern die Stadt war von der nationalsozialistischen Führung auch als „Kulturhauptstadt des Führers“ geplant und sollte damit von Anfang an auch eine mit Wien konkurrierende Position einnehmen. In der Bevölkerung, so haben es die zeitgenössischen Fotografen damals dokumentiert, war die Begeisterung für den Anschluss jedenfalls groß. Man begrüßte die Vision der künftig herausragenden Rolle der Stadt in Oberdonau im Deutschen Reich. Heute sind etliche historische Fotografien zum Anschluss, zumindest vielen der Linzerinnen und Linzer, gut bekannt: Adolf Hitler besucht im offenen Automobil seine Heimatstadt, Menschen stehen Spalier, der Aufmarsch, Jubel, Hakenkreuze in den Fenstern.

Unerwartete Projektionsflächen
Bei ihrer Arbeit in den Archiven entwickelte Tatiana Lecomte, wie sie im Interview erklärt, die Idee der Aufspaltung von Bild und Zuschreibung. Das mit der räumlichen Aufteilung im Untergeschoss des Lentos umgesetzte Auseinanderdividieren von Foto und Bildlegende erzeugt nun andere Gewichtungen, fordert bei den BetrachterInnen neue Assoziationen heraus. Denn durch die Trennung des Bildes von seinem ursprünglichen Begleittext, wie Beschriftungen und Informationen über Entstehungsjahr und FotografIn, die in einem Archiv systematisiert und betitelt sind, wirkt diese Trennung von Bild und Information nun in der Kunstausstellung wie nonverbale Kommunikation, zwischen den Zeilen, zwischen den Räumen, zwischen freiem Ermessen von Bedeutung und Einschätzung.

Neben dem recherchierten Fotomaterial hat Tatiana Lecomte auch selbst an unterschiedlichsten Schauplätzen fotografiert und kombiniert ihre Fotoserien mit dem historischen Material als eine Gesamtheit, die in neunundzwanzig Bildtafeln gehängt ist. In der Ausstellung sind dabei aber keine Originalbilder zu sehen, sondern Kopien davon. Diese künstlerische Entscheidung wirkt wie ein Layer und erzeugt Distanz vor dem eigenen wissenden Blick.

Von der Not des Geräuschemachers
Auch der Kurzfilm „Ein mörderischer Lärm“, ein Zeitzeugengespräch von Tatiana Lecomte mit Jean-Jacques Boijentin, wird durch einen dekonstruktivistischen Eingriff ästhetisch eindringlich. Er ist damit kein Zeitdokument im wissenschaftlichen Sinn mehr, sondern wird zum Kunstprodukt. Lecomte, die sich selbst als österreichische Künstlerin bezeichnet, hat über ein anderes Projekt Kontakt zum Zeitzeugen Boijentin erhalten. Da Lecomte selbst nahe dem ursprünglichen Wohnort von Herrn Boijentin aufwuchs, war dies eine Zufälligkeit, die einen Einstieg in das schwierige Unterfangen erleichterte. Gemeinsam mit einem Kameramann und einem Geräuschemacher versuchten die Beteiligten des Filmdrehs, die Geschehnisse im Arbeitslager Gusen II zu rekonstruieren. Den Geräuschemacher beauftragte die Künstlerin, um mit dem Klang, der sich ähnlich unmittelbar auswirkt wie der Geruchssinn, das Erlebte von damals akustisch zu interpretieren. Jean-Jacques Boijentin musste, nachdem er von der Gestapo in Mussidan, einem kleinen Dorf im Südwesten Frankreichs am 16. Jänner 1944 verhaftet und zunächst nach Buchenwald, dann Mauthausen und schließlich nach Gusen verschleppt wurde, Zwangsarbeit beim Bau des unterirdischen Flugzeugwerks „B8 Bergkristall“ leisten. Die Elektrizität hat mir das Leben gerettet, sagt Boijentin, der Elektriker war, im Interview. Boijentin ist dabei ein professioneller Erzähler, der jahrzehntelang auch als Zeitzeuge in Schulen engagiert war, seine Geschichte an die junge Generation zu vermitteln. Tatiana Lecomte erklärt, sie hatte bei der Zusammenarbeit den Eindruck, Boijentin erzählte nicht seine Geschichte, sondern er erzählt seine Erzählung nach, was ihm zugleich eine Distanz erlaubte, über die schrecklichen Ereignisse sprechen zu können, ohne zu weinen. Es war Sommer, die Dreharbeiten fanden in Korsika statt, wo Boijentin, der kurz nach Erscheinen des Films verstarb, noch seinen Lebensabend bei seiner Tochter verbrachte. Ein Zeitzeugengespräch im Sonnenschein. Und ein Geräuschemacher, der zu leiden beginnt. Wie klingen Steine auf Körpern? Wie klingt ein tiefer Fall? Aus den längst stillgelegten Stollen dröhnt mit dem Film „Ein mörderischer Lärm“ in die Gegenwart hinein.

 

Ausstellungsdauer: bis 6. Jänner 2019

Die Publikation zur Ausstellung wird am 6. Jänner 2019 bei einer Matinee im Lentos präsentiert.

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PreisträgerInnen: Käthe Leichter-Staatspreis: Gitti Vasicek

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Die Künstlerin, Aktivistin, Professorin für Zeitbasierte Medien am Institut für Medien der Kunstuniversität Linz, Gitti Vasicek, wurde Anfang Oktober 2018 mit dem Käthe Leichter-Staatspreis geehrt. Der Käthe Leichter-Staatspreis wird für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Frauen- und Geschlechterforschung in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen verliehen.

Statt einer Rede hat Gitti Vasicek das Werk unbezahlte hausarbeit sprechen lassen: Diese 98 Gramm geschredderte Geldscheine entsprechen dem Wert eines mittleren Einkommens eines männlichen Erwerbstätigen in Österreich.
Das sind 3.068,– Euro.
Dies entspricht dem Betrag, den Menschen – zumeist Frauen – die Hausarbeit leisten, nicht bekommen.
Zulagen für Nacht- und Wochenenddienste bei Kinderbetreuung und der Mehraufwand an Hausarbeit bei Karriereaufstieg des Partners sind in dieser Summe nicht eingerechnet. Es leiten sich auch keine Pensionsansprüche ab. Dieses Objekt symbolisiert den Gegenwert monatlich geleisteter, unbezahlter Hausarbeit in Österreich.
Dieses Objekt steht für die Feminisierung von Armut, vor allem auch im Alter.

Ein paar Liebeserklärungen

Normalerweise rant’ ich ja hier herum, lästere, schimpfe und beklage, wie grausig und schlimm alles ist und ja, da gäbe es auch Ende 2018 genug zu schreiben. Und doch ist mir an diesem grauen Novembervormittag eher danach, zu loben und zu herzen und diese Kolumne all den großartigen Frauen zu widmen, die sich aktuell zu Wort melden, schreiben, sich solidarisieren und – an der Weltrevolution arbeiten. Das wird hier keine Liste mit Namen, weil das ohnehin Unfug wär und sie niemals vollständig sein könnte. Aber eine Liste mit Beispielen, wie es gehen kann und von denen sich jede hier bei Bedarf etwas abschneiden kann, die geht sich aus: Da wären als erstes die vielen Journalistinnen, die täglich oder wöchentlich um Zeichen und Zeilen kämpfen, und darum, Filme, Stücke oder Bücher von Frauen nicht mit Schlagwörtern wie „geballte Frauenpower“ oder ähnlichen Exotismen versehen zu müssen. Sie schaffen Bewusstsein, dass arbeitende, schaffende Frauen nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind – wenngleich sie das allzu oft selbst aus der Position einer Ausnahme tun, wenn es etwa um leitende Positionen innerhalb dieser Medien geht. Wer zählt die Witzchen, anstößigen Scherzchen und schiefen Blicke in all den Redaktionssitzungen vergangener Jahrzehnte, die sie ertragen mussten und müssen, wenn es um „Frauenthemen“ geht oder auch darum, die gleiche Länge und Sendezeit für Rezensionen oder Portraits über Künstlerinnen oder Autorinnen zu erhalten, wie sie männlichen Vertretern der Genres offenbar und unbegründet zustehen?
Da wären als nächste die Intendantinnen, die Regisseurinnen, die Dramaturginnen – die für Sichtbarkeiten und Hörbarkeiten sorgen, wenn es um Stücke von Dramatikerinnen geht. Denn, wie es erst kürzlich eine Journalistin in einer Podiumsdiskussion zum Thema und am Beispiel des niederösterreichischen Landestheaters und der dortigen Intendantin beschrieb: (…) „dann tauchen plötzlich – oh Wunder! – Stücke von Frauen im Spielplan auf, nach denen davor wohl niemand gesucht hat“. 8 von 15 Inszenierende sind dort übrigens weiblich. In Karlsruhe kündigt die dortige – seit Herbst 2018 – Intendantin an, überhaupt nur noch Regisseurinnen zu engagieren und erntet prompt Sexismusvorwürfe. Wie gut, dass wir alle die Jahrzehnte nicht darüber diskutieren mussten, ob es sexistisch ist, ausschließlich männliche Regisseure zu engagieren. Das war nämlich GOTTGEGEBEN. Da sind die vielen Galeristinnen, Veranstalterinnen, Buchhändlerinnen, die dafür sorgen, dass schreibende, performende, künstlerisch tätige Frauen sichtbar werden. Jene sind schließlich die ersten, die wieder nach Hause oder in genrefremde Teilzeitjobs geschickt werden, wenn es in Zeiten der Krise um Arbeitsplatzsicherung (für Männer natürlich, die verdienen schließlich mehr – finde das Paradoxon) geht und „die Frau dann halt ihr Hobby“ aufgeben wird müssen. Zugunsten der Kindererziehung, weil ja eh kein Verlag verlegt, was sie schreibt, weil ja eh keine*r die Performance sehen will, wenn nicht der viel berühmtere Partner auch noch auftritt etc. Das ist alles so dumm, dreist und derb. Und darum braucht es noch viel mehr Frauen, die Infrastrukturen zur Verfügungen stellen (können).
Als nächste herze und küsse ich all die unermüdlichen Bloggerinnen, die – zum allergrößten Teil unbezahlt – sich Tage und Nächte um die Ohren schlagen, um möglichst rasch und präzise all die Ungeheuerlichkeiten auf der Welt und in Österreich mit Texten und Kommentaren zu versehen, zu analysieren und zu erklären. Jene, die dafür sorgen und zeigen, dass unermüdliches Sich-zu-Wort-Melden nichts mit unreflektiertem und unqualifiziertem Rauskotzen zu tun haben muss, jene, die – eben weil sie so gut und genau recherchieren – zur Zielscheibe rechter, sexistischer, rassistischer Trolle werden. Abonniert ihre Blogs, lest ihre Blogs, folgt ihnen auf Twitter oder sonst wo! Und zahlt ein in Fonds, die gebraucht werden, um eben jene mutigen Frauen zu schützen, wenn wieder ein rechter Recke sich bedroht fühlt und sie mit abstrusen Klagen eindeckt!
Fette Umarmungen an all jene Frauen, die erkannt haben, dass solidarisch sein über Grenzen von Geschlechterkonstruktionen, Ideologien, Parteien oder anderen Zugehörigkeiten hinweg tausendmal wichtiger ist (und auch erfolgreicher macht) als kleingeistiges Getue. Dann, wenn Männer sich in ihre engen Grenzen und Räume zurückziehen, unter sich bleiben wollen oder den Drang verspüren, sich in unendlichen basisdemokratischen Bauchkrampfdiskussionen darzustellen, sind sie längst draußen, auf der Straße, demonstrieren, fordern und feiern. Vor allem letzteres und generell der nächtliche öffentliche Raum sind ja eher nichts für männliche Selbstdarsteller, wie wir wissen. Küsse an all jene Frauen, die immer schon gewusst haben, wie wichtig es ist, über Generationen hinweg solidarisch und feministisch zu sein: die Zeiten sind vorbei, in denen zu akzeptieren war, dass wir uns in jeder Generation von neuem Rechte erkämpfen müssen – keep them busy – dieses Spiel spielen sie längst nicht mehr mit. All die Lehrenden, Professorinnen, Chefinnen, die keine Angst vor jungen Mitarbeiterinnen haben, sondern sie ganz im Gegenteil an ihren Errungenschaften und Erfahrungen teilhaben lassen, um sie wachsen zu lassen, all jene, die zeigen, dass hierarchische Strukturen, die nur auf Abhängigkeit, nicht aber auf Eigenständigkeit zielen uns gesamtgesellschaftlich einfach nie weiterbrachten – seid geküsst.
Und schließlich die fettesten Liebeserklärungen an all jene Freundinnen, die dich nicht untergehen lassen, die dich auffangen, die dich füttern und mit Glück versorgen, wenn du es brauchst, die dich aufbauen, dir Komplimente machen, dir Lippenstift schenken und vor allem mit dir „marodierend durch die Straßen ziehen“ (© JP) – bleibt alle, was ihr seid: großartig.

Die Manuskripte des Ernst F. Brod

1901 geboren und im niederösterreichischen Erlauf lebend, verließ Ernst F. Brod bereits 1934 das Land. Die Künstlerin Heidi Schatzl hat aus einer Biographie, die noch vor dem ersten Weltkrieg in Erlauf beginnt und nach Stationen in Paris und der Türkei in die USA führt und weit bis in die Nachkriegsjahre des zweiten Weltkrieges reicht, ein Buch in Form einer Box gestaltet. Pamela Neuwirth hat sich die Geschichte angeschaut.

Einer von vielen Schauplätzen der Geschichte und als zeitgeschichtliches Moment zum Cover der Box geworden: Der junge Erlaufer, der dem Hund die Wehrmachtsuniform angezogen hat, ist noch kurz vor Kriegsende desertiert. Foto Anton Höller, Privatarchiv G. Harrauer, geb. Höller

Einer von vielen Schauplätzen der Geschichte und als zeitgeschichtliches Moment zum Cover der Box geworden: Der junge Erlaufer, der dem Hund die Wehrmachtsuniform angezogen hat, ist noch kurz vor Kriegsende desertiert. Foto Anton Höller, Privatarchiv G. Harrauer, geb. Höller

In den letzten zehn Jahren seines Lebens hat Ernst F. Brod in einer amerikanischen Universitätsbibliothek recherchiert und ein 2000-seitiges Manuskript als historisch-biographisches Zeitdokument hinterlassen. Brods Tochter Charlotte E. El-Shabrawy, die in Kairo lebt und dort einen Teil des Nachlasses ihres Vaters verwaltet, berichtet im Interview mit Heidi Schatzl über einen Schreibprozess, der eigentlich bereits nach dem Krieg begonnen hatte und zwar genau am zweiten Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Doch erst nachdem Ernst F. Brod pensioniert war, setzte sich im Exil sein disziplinierter und umfassender Recherche- und Schreibprozess in Gang: “He would get up in the morning; his schedule was: breakfast prepared from my mother, then up to the library – the University of California Library, fabulous – he researched all morning. Then he returned home, had lunch, took a little rest and was on the typewriter, writing one thing after another from the book to correspondence to journals. There were letters and inquiries of what happend there; he was in contact with numerous people, from Erlauf, from Vienna, and other locations (…) Next day the same thing.”

Das Original-Manuskript ist heute nicht mehr vorhanden. Die Kopien befinden sich jedoch bei Brods Kindern in den USA, in Australien und in Kairo. Für das unter anderem vom Zukunftsfonds der Republik Österreich geförderte Projekt „The Examined Life / Das geprüfte Leben“ nahm sich Heidi Schatzl, die ihre Arbeitsweise als an der Schnittstelle Raum, Kunst, Forschung beschreibt, des biographischen Materials an. Entstanden sind 15 Hefte sowie ein Band mit Essays zum Leben des Ernst F. Brod, die als Box im Wiener Mandelbaum Verlag publiziert worden sind. Der Fundus aus Kopien, die den Nachlass ausmachen, wurde von Schatzl unverstellt zu einem Kompendium aus den Erinnerungen des Ernst F. Brod, den zeitgeschichtlichen Tatbeständen und dem zahlreichen Fotomaterial zusammengefügt. Der Brod’sche Text blieb komplett ohne jeden redaktionellen Eingriff, nur die inhaltlichen Zusammenhänge wurden von Schatzl neu geordnet. Das gibt der ursprünglichen Fassung eine Metaebene, die den Zugang zu komplexen historischen Ereignissen und Zusammenhängen erleichtert. Dass dabei eine neue Chronologie entstanden ist, verraten die einst von Brod bezifferten Blätter, die nun, geordnet als Kapitel, in den Seitenzahlen „springen“. Schließt ein Kapitel, so passiert das unvermittelt. Manches Kapitel endet so mitunter mitten im Satz, einer im Laufe der 1960er und 70er Jahre von Brod an der Schreibmaschine verfassten Manuskript-Seite. Das hat den dramaturgischen Effekt, dass sich die Biografie von Brod, nun zwar aufgeteilt in Hefte, wie ein Gedankenstrom liest, der sich ja erfahrungsgemäß nur bedingt chronologisch verhält, sondern eigenen Sinn- und Bedeutungszusammenhängen folgt. Das von Heidi Schatzl verwendete Recherchematerial taucht jetzt also als Faksimile vor der LeserInnenschaft auf – als gedruckte Form der digitalen Kopien der Kopien: Spuren der Reprotechnik sind gelungen in die Publikation überführt worden und bleiben ersichtlich; die vorliegende Form klassifiziert Heidi Schatzl als dirty layout.

Sterben in Erlauf …
… wo man glauben sollte die Leute leben ewig, weil es dort so schön ist.

Ernst F. Brod (1901–1978) erzählt Geschichten von „Liebe“, „Deportation“ und „Wiedergutmachung“ (Kapitel 10, 11 und 12), von „Raubmord“, „Emigration“ und „Ursache“ (Kapitel 13, 14 und 15). In seinen Erinnerungen tritt seine Kindheit und Jugend vor den politischen Umbrüchen und vor zwei Weltkriegen in den Hintergrund. Retrospektiv betrachtet hat Ernst F. Brod wohl seine fortwährende Skepsis vor dem Schlimmsten gerettet. Die Skepsis scheint vital und in ihm verwurzelt gewesen zu sein und war ganz sicher ein unangenehmes Lebensgefühl, das ihm auch die Familie nicht nehmen konnte, die angesichts der staatlichen Gewalt, als Rechtsstaatlichkeit und überhaupt jedweder Staatsvertrag längst abhandengekommen waren, realistisch betrachtet keinen Schutz aufbieten konnte. Auch nicht die Abgeschiedenheit von Erlauf und auch nicht die Versprechungen von Demagogen haben Brod jemals annehmen lassen, der Frieden wäre sicher. Vielmehr nahm Brod die Zerrüttungen im vertrauten Erlauf wie im nahen Wien seismographisch wahr. Die Studenten wurden in Wien bereits in der Zwischenkriegszeit nach politischer wie ethnischer Zugehörigkeit separiert. Bei Brod klingen solche Aufzeichnungen keineswegs nach einer absurden Anekdote, wenn er, obwohl er jüdischen Bekenntnisses war, den „Studenten-Baracken für Kommunisten“ zugeteilt wurde. Er konnte an den Ereignissen die Vorzeichen erkennen. Umwege, Fluchtrouten und Arbeitsreisen führten ihn schließlich an die unterschiedlichsten Orte. In ein Moskauer Mausoleum zu Lenins Leichnam. An die Baustelle des Parlaments in Ankara, wo Arbeiter und Ingenieure wie auch Brod selbst unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen die Pläne des Architekten Clemens Holzmeisters ausführten. Brod lebte eine Weile in der Kommune der pazifistischen Quäker in Paris, wo er 1937 bei der Weltausstellung als Übersetzer tätig war und seine spätere Frau kennenlernte. Kafkaesk liest es sich, dass ein einzelner Buchstabe auf die Bürokratie zwischen den zerkriegten Nationalstaaten und deren Bündnispolitik verweist: erst durch ein helfendes Scharmützel des Vikars Roncalli, der später zum Papst Johannes XXIII ernannt wurde, konnte mit dem beigefügten „F.“ in Brods Namen, die Heirat im türkischen Exil ermöglicht werden. Dass sich Ernst F. Brod bereits als junger Mensch nirgends sicher fühlte, sollte ihm zwar letztlich das Leben retten – als der Nazi-Terror ohne Verspätung längst auch über Erlauf hereingebrochen war. Doch das dominante Gefühl der Unsicherheit hatte ihn schon viel früher von seiner Familie getrennt, von seinem Bruder und der Mutter, die allgemeine destruktive Kräfte nicht erfassen und an die Zerstörung ihres Lebens in Erlauf nicht glauben konnten und seinen Warnungen misstrauten. Auch als das Textilgeschäft der Brods mit „Jude“ beschmiert wird, reagiert die Mutter zwar perplex, doch letztlich mit Unglauben. Bedauerlicherweise gelang es Ernst F. Brod nicht, seine Familie zu alarmieren und seinen Bruder und die Mutter zur Flucht vor der nationalsozialistischen Bedrohung zu bewegen. Ihre Spuren verlieren sich in einem Konzentrationslager bei Riga.

Lady Liberty in Dismaland
Kein politisches Zeitdokument steht je für sich allein, selbst wenn ihm ein offensichtlicher Kontext oder ein zeitgenössischer Anknüpfungspunkt fehlt, sondern es verweist als Zeugnis inhärent auf jene Ursachen und weiteren Zusammenhänge, die es erst notwendig gemacht haben. Was in Brods Biografie deutlich hervortritt, ist der appellative Charakter seiner Schrift. Dieser Appell geht auf zwei Bedingungen zurück: dem Benennen von Ungerechtigkeit und die Frage des Humanismus. Diese Bedingungen sind zeitlos, weil sie niemals als gesichert angesehen und sozusagen als ad acta behandelt werden, sondern es sind zivilisatorische Grundbedingungen, die in der Gemeinschaft bzw. fortlaufend durch gesellschaftliche Bestrebungen, erst Relevanz erhalten können. Was das Thema der Ungerechtigkeit betrifft, wie sie Brod anführt, ist es interessant, da Ungerechtigkeit nicht aus einer persönlichen Perspektive aufgezeigt wird, sondern in rechtlichen Rahmenbedingungen. Er zeigt auf, wie nach dem Zweiten Weltkrieg die versuchte, gesellschaftliche Wiedergutmachung misslingt, da per staatlicher Entscheidung, diese juristisch und sozusagen im Kern, verunmöglicht worden ist: Nationalsozialistische Richter waren nach dem Krieg selbstverständlich nicht imstande, gerechte Verhandlungen über Reparationszahlungen zu führen. Am Beispiel des arisierten Hauses seines Bruders wird deutlich, wie Gerechtigkeit durch diese Richter über Jahrzehnte hinweg vereitelt wurde. Neben dem fundamentalen Problem der Wiedergutmachung unter Nazi-Richtern stellt Ernst F. Brod den Humanismus grundsätzlich zur Disposition: Unterlassende Hilfeleistung wäre im Gesetzbuch ein Straftatbestand. Doch hatte und hat die Genfer Flüchtlingskonvention, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen wurde, im Verbund mit den einzelnen Nationalstaaten leider nie den Rechtsschutz aufbieten können, auf den die Menschen auch vertrauen könnten. Auch die später von Brod erinnerten Bilder an die Freiheitsstatue auf Liberty Island bei New York zeigen sich brüchig, sind mehr ein Abgesang auf den einmal gutgemeinten Koloss an der Küste: „Und an die Stelle von Prinzipien, wozu auch gehörte den Bedrängten und Verfolgten zu helfen, und für das Recht der Unterdrückten einzustehen, ist eine grosse Zweckmässigkeit getreten, damit nicht die Menschen in das Land kommen.“

 

Heidi Schatzl hat das Buch „Die Manuskripte des Ernst F. Brod“ in Form einer Box gestaltet. Diese enthält in einer Serie von 15 Heften eine Auswahl der getippten Manuskripte und gibt Einblick in private Fotoalben und Archive. Die bisher unveröffentlichten insgesamt 2.000 Seiten seiner Autobiographie erzählen vom Zusammenleben im Dorf, von Antisemitismus, Flucht, Ermordung und Restitution, im Besonderen aber von seiner Verbundenheit zu jenem Dorf Erlauf, in dem Brods Familie keinen Schutz fand. Beigelegt ist ein weiteres Heft mit wissenschaftlichen Beiträgen, darunter ein Gespräch mit Ernst F. Brods Tochter, sowie die musikalische Interpretation von Brods Lebensgeschichte durch das Roman Britschgi Quartett auf CD. (Auszug Verlagstext)

 

Heidi Schatzl – Die Manuskripte des Ernst F. Brod
368 Seiten, Box mit 16 Heften und 1 CD
Mandelbaum Verlag, 2018

Die kleine Referentin

RZreferentin#14