Direkt adressierte Ab­gesänge an die Autorität

Formsubversive Pointen, eine 45-seitige Fußnote und ein Stimmungsverlauf, „als würde eindringlichst etwas gesagt werden, dessen Sinn aber nicht als Vorstellung verdeutlicht werden kann.“ Thomas Raab über Christian Steinbachers Texte anhand seines neuen Buchs Scheibenwischer mit Fransen.

Im Buch nicht abgedruckt: Die Zeichnungen des Künstlerfreundes Miel Delahaij. Bild und Scan Miel Delahaij

Den stärksten Eindruck entfalten Christian Steinbachers Prosa und Lyrik seit jeher in der Live-Performance. Einem schalkhaften Derwisch gleich deklamiert der Autor mit geschickt eingesetzten Akzenten und Pausen seine para- oder besser pata-logischen Texte so, als würde dem Publikum eine Autorität seine Urteilsbegründung verlesen. Verlegen und etwas eingeschüchtert muss es sich eingestehen, dass es zwar diese Autorität körperlich als Gefühl anerkennen muss, das Urteil hingegen nicht als kohärenter Gedanke fassbar wird. Man ahnt etwas. Doch was? Es handelt sich um ein reines, weil leeres Autoritätserlebnis mit zwischen hinein „rosinierten“, formsubversiven Pointen und Witzen.

Bereits an dieser Kurzfassung des Wirkmechanismus zeigt sich das Formvorgabe und Ironisierung kontrastierende Verfahren, das Steinbacher (*1960 in Ried) auf der Satz-, Absatz-, Kapitel- und Werkebene verfolgt. So beginnt auch ein – es sei gesagt: – wildes Buch wie der neue Scheibenwischer mit Fransen mit einem, Orientierungshoffnung erweckenden Inhaltsverzeichnis, dem wir freilich kaum Ordnung entnehmen.

Aber doch: „Für den Truthahn ein Turban“, der erste in vier Kapitel gegliederte Abschnitt, verspricht etwas wie eine Ouvertüre („Quartett, voraus“), auf die im längsten Abschnitt „Jahreszeiten in Schwarzweiß“ vier idiosynkratisch ausfransende Bildbeschreibungen von vier Zeichnungen des Künstlerfreundes Miel Delahaij folgen, die von einer 45-seitigen Fußnote (!) mit der elektronisch unterstützten Übersetzung eines Langgedichts Raymond Roussels unterbrochen werden. Die Bilder sind nicht gedruckt, man kann sie indes auf des Autors Homepage einsehen. Das Buch endet mit einer elfseitigen Sammlung vermutlich zu den Bildern assoziierten Textfragmenten. Titel: „Guckloch, spring!“, wobei man sich an Duchamp letztes Voyeurwerk Etant donnés (1946–66) erinnert fühlt.

Um einen Eindruck in die Steinbachersche Gehirnwerkstatt zu geben, zitiere ich eine Passage aus diesem Schlussstück, weil ich meine, dass der Autor hier einerseits jenes Material „parkte“, das sich nicht gut unter dem Titel „Bildbeschreibung“ in den Hauptteil des Buches einfügen ließ, dies andererseits aber deswegen, weil es typisch für seine spielerische Formmethode ist, die ich im Anschluss würdigen möchte:

„Was kennen wir denn groß aus der Ferne von einer Gegend, wo man gelbe Windjacken trägt! Eine Meerjungfer ist dann um nichts weniger blamabel winzig als das Wahrzeichen der Stadt Klagenfurt. Klitzekleine Kantate mit K gefällig? Kinkerlitzchen sind es, die die Ungeheuer aus Kärnten und die dänische Hauptstadt in einen kooperierenden Kontext bringen.“ (S. 234)

Auffallend ist, und das durchzieht alle Schriften Steinbachers, die ich kenne, der appellhafte, das Publikum scheinbar direkt ansprechende und damit auffordernde Gestus. Der offen rhetorische Duktus wird indes gebrochen, weil die beschriebenen Denkgegenstände nicht deutlich werden oder der Text bisweilen in Alliterationen oder Reime abschweift. Das erklärt wohl die genannte Wirkung bei der Live-Performance, die die Hörenden direkt adressiert, als würde ihnen eindringlichst etwas gesagt werden, dessen Sinn aber immer nur zipfelweise erhascht und nicht als Vorstellung verdeutlicht werden kann.

Der Autor spricht in diesem Sinn sehr interessant von den „kleinen Wörtern“ wie „aber“, „und“, „auch“, „denn“, „oder“ usw., die den Vorstellungsverlauf wie „Scharniere“ auch ohne Inhalt steuern. Wie in ein Gefäß könne in dieses Gerüst aus Scharnieren relativ vielfältig befüllt werden, ohne dass das Sinngefühl abreißt. Bereits der Aufklärer Karl Philipp Moritz im 18. Jahrhundert oder große amerikanische Psychologe und Lehrer der gewiss mit Steinbacher geistesverwandten Gertrude Stein, William James (1842– 1910) erkannte die Wichtigkeit dieser „nichtreferentiellen“ Worte, die gedankliche Operationen an Gegenständen, nicht jedoch Gegenstände selbst bezeichnen. Eine Parallele zur Musik drängt sich auf: Auch dort steuern harmonische Übergänge und/oder deren Variation oder Leerlassung den Stimmungsverlauf der Hörenden, bloß dass der fehlende klare „Inhalt“ dort unauffällig bleibt, weil der Stimmungsverlauf als (neben den strukturellen Merkmalen, die man aber nur mit entsprechendem musiktheoretischen Wissen erkennen kann) ein oder das Hauptmerkmal des „Inhalts“ akzeptiert ist.

„folgerichtigkeit, die den kontakt zur wirklichkeit verliert, erzielt bekanntlich eine starke poetische wirkung“, schrieb Oswald Wiener 1987 in dem Aufsatz „Wittgensteins Einfluß auf die Wiener Gruppe“. Wiewohl stark poetisiert, steht als Grundstruktur von Steinbachers Texten ein formales Argument, das aber bei aller Suggestivkraft witziger Weise nichts suggeriert. Ich denke, hierin liegt das Geheimnis dieser Poetik, wiewohl man spekulieren könnte, warum dem eigentlich so ist. Warum wirkt die Folgerichtigkeit, die solche Texte suggerieren, jedoch im Denken allenfalls einen vage zu erahnenden Gegenstand finden, ästhetisch so stark?

Eine Ursache ist gewiss der vom Autor über die Jahre immer weiter perfektionierte Wechsel der „Größendimension“ oft innerhalb eines einzigen Satzes. Im Vorstellungsverlauf „zoomt“ man freilich nicht wie mit dem Auge, sondern muss das Objektdetail neu aufbauen, was zur Folge hat, dass der Leser oder die Leserin den Faden nur halb verliert, weil er das Objekt als Prototyp ja noch hat. Auch umgekehrt „vom Kleinen zum Großen“ funktioniert der Effekt gleich. Dieser Fokuswechsel auf winzigste Details oder größte Allgemeinheiten wird bei dem im Scheibenwischer variierten Thema der Bildbeschreibung endgültig grotesk, da es wirkt, als würde man plötzlich und überraschend ein Fernrohr auf volle Vergrößerung und wieder zurückstellen.

Die Taktik, angewandt auf die zu je drei Segmenten senkrecht gedrittelten Zeichnungen Delahaijs, zeitigt überraschende Pointen, weil ja eben untypischerweise keine Vorstellungen, sondern Bilder beschrieben werden. Anders als bei Vorstellungen, die letztlich durch die aktuelle Orientierung – eben „das, was man schreiben will“ – zusammengehalten werden, wird der Text dadurch scheinbar paradox noch assoziativer: „Vier kleine Tupfer als die kleinste Ausgabe einer Tanzaufführung. Ballett wird das aber keines mit diesen Tierchen! Denn das möchten wir ihnen bestimmt nicht zugestehen hier, die zwar nicht wie manch andere Begleiter der heißen Jahreszeit [Anm.: das Bild heißt „Sommer I“] nur an Stechen und Zapfen und Beißen interessiert sind, aber doch an mangelhaften Duftnoten“ (S. 121).

Und so komme ich zum vertrackten Merkmal, das meiner Ansicht nach die Hauptursache der poetischen Wirksamkeit der Steinbacherschen Texte ist. Die auffordernde und an den Scharnierwörtern paralogisch bewegliche Argumentstruktur suggeriert eine Autorität des Autors, die dieser durch Abschweifungen, „Splittern“ (CS), offensichtlich nebensächlichen Assoziationen und lyrischen Mitteln permanent konterkariert. Der Politiker reimt gewöhnlich nicht, und der Dichter spricht gewöhnlich nicht mit autoritärem Argument. Dieser Konflikt zwischen antiautoritär-idiosynkratischer Form und autoritär-verallgemeinerndem Sprechgestus unterliegt dem gesamten Lese- oder Hörerlebnis und erzeugt eine Art Funkenflug durch Reibung, der mit gewöhnlichen poetologisch literaturhistorischen Mitteln schwer zu fassen ist. Geste reibt auf Inhalt; die Geste wird aber meist als werkimmanent ebenfalls dem Inhalt zugeschlagen. Wie ist das aber hier, wo was scheinbar gesagt werden will, aber man weiß nicht was. Jedenfalls spricht hier weder Dada noch Breton.

Wer spricht sonst? Ich kenne diese Art des „wilden“ Leseerlebnisses weder aus der Moderne, noch, wie gesagt, den klassischen Avantgarden. Auch an die Nachkriegsavantgarden ist der, für diese viel zu assoziative, den „schmutzigen“ Verlauf des realen Denkens mit all seiner Fahrig- und Unachtsamkeit nachzeichnende Stil nicht gut anzuschließen.

So finde ich Vorläufer der Steinbacherschen Schriften eher in älteren politischen Umbruchszeiten, besonders bei den wilden und um eine neue Form ringenden der späten Renaissance. Auch dort sprechen „leere Autoritäten“, die ihrem eigenen Wissen und ihren Ideologien nicht mehr vertrauen können, wiewohl sie deren Schlüssigkeit noch goutieren. Der auf Provokation ausgelegte Rabelais mit seiner, von Michail Bachtin so schön analysierten Groteske Gargantua und Pantagruel (1532/34) oder der auf die veraltende Moral spöttelnde Cervantes (Don Quijote, 1605) wären hier wohl die „rosinante“ Wahl des Literaturgeschichtlers.

Da ich ein solcher nicht bin, fühle ich mich eher zum wilden Dialog eines Béroalde de Verville im Der Weg zum Erfolge (1617) verwiesen. Auch dort sucht ein poeta doctus, dessen Wissensbegriff durch den Zeitenwandel fragwürdig geworden ist, ironisch nach einer Form, das alte Wissen neu zu fassen, um zu einem neuen Wissen mit alter Autorität zu gelangen. Dabei kommen bei Verville freilich die „großen Erzählungen“ der griechischen Philosophie unter Beschuss, wie sie später von Descartes oder Leibniz tatsächlich „dekonstruiert“ wurden.

So arbeitet auch Steinbacher an einer literarischen Form, die für die neue Zeit passen könnte, die durch demokratisierten Informationszugang bei gleichzeitigem Verfall des Spezialwissens, mit dem man diesen Zugang noch produktiv nützen könnte, und dem damit einhergehenden ADHS gekennzeichnet ist. Jetzt ist gekommen, was wir wollten: Es gibt keine Autoritäten mehr, und wenn sich dennoch jemand als eine betitelt, so wird er belächelt und schwups vergessen. Google bemisst nunmehr Qualität anhand Quantität. Das allerdings wollten wir nicht! Mit seinem Gestus steht Steinbacher damit jüngeren Dichtern wie Ann Cotten oder dem, ebenso die Ruinen der Kunst- und Philosophiegeschichte durchstöbernden Sänger und Dichter Clemens Denk (Der Zahnstocher ist auch nur ein Dreieck, 2022) nahe.

Christian Steinbacher
Scheibenwischer mit Fransen. Sichtvermerke
Czernin Verlag, Wien, 2022
Die Prosastücke der Textserie „Jahreszeiten in Schwarzweiß“ im Buch beruhen auf Zeichnungen aus der Mappe 31 urbane haikus. gedichte und zeichnungen (2019) von Miel Delahaij.

christiansteinbacher.at

Am Theater rütteln

Art Brutal: Das Musiktheater-Performancestück Hades 2.0 war im November im Phönix zu Gast. Christian Wellmann hat es sich angesehen – und den No-Name-Hero-Gott-der-Unterwelt Patrik Huber getroffen.

Hades = Unterwelt 2.0. Foto Roland von der Aist

„Motten um mein Hirn sitz ich vor Spiegeln und die Stille flüstert mir zu come as you are – come as you are blas ich zum Sturm“

Ein aus der Zeit gezerrter, archaischer Monolith baut sich auf der Phönix-Bühne auf, das Publikum zur anstrengenden Selbstreflexions-Reise drängend. Hades 2.0 ist kein konventioneller Theaterabend, viel mehr eine Oper Light, im reduzierten Ziegel-Bühnenbild. Performativ an den Abgründen kratzend, mental Entrücktes in eine trübe Nebelsuppe reingeschnitten. Eine zentrale Rolle darin nimmt die (oft repetitive) Sprache ein. Dazu in Musik gebettetes Wehklagen, Schreie, laute Laute, Flüsterbeton. Der Abstieg in Hubers Inferno ist düster, makaber, grotesk, aber poetisch. In anrüchige Experimentaltexte wie blutiges Fleisch gewickelt. Abstrakte Sprache, die Mystik in sich birgt. Ist es Ausdruck des Desasters, in dem wir leben? Gibt es gar Antworten auf diese „Stürmischen Zeiten“? Wohl eher ist es eine dringend benötigte Hirnspülung. Der König der Toten trifft den Teufel der Lebenden, im River Full Of Bones. Art Brutal.

Das aktuelle „Musiktheater-Performancestück“ des zwischen den Kunstdisziplinen am Stacheldraht tanzenden Linzer Künstlers Patrik Huber ist ein Fiebertraum, in dessen Zentrum ein in mehrere Wesen gesplitteter, namenloser (Anti-)Held steht, der zwischen Fiktion und Realität wie ein Flipperball der Mythologie in der Zwi­schenwelt herumgeschleudert wird. Soll er bleiben oder gehen? Zeus ist zuständig für die Oberwelt, Hades für die Unterwelt. „Es ist eine Figur, die sich den Göttern entziehen möchte, weder im Leben noch im Tod ist, im Styx dahintreibt und dort Zerwürfnisse und Erkenntnisse zwischen den Parallelitäten hat“, so Patrik Huber, der Hauptdarsteller, der auch die Texte geschrieben hat, im Gespräch mit der Referentin. Worauf sein Dahintreiben abzielt, bleibt nebulös. „Es sind abstrakte Texte. Die Sprache, die ich verwende, ist nicht unbedingt etwas Erklärendes. Was für mich generell interessant ist am Theater: Wenn es nicht unbedingt etwas vorkaut oder vorgibt, sondern wenn es auch um etwas Geheimnisvolles oder Mystisches geht.“ Seine Stücke passieren assoziativ, eine Idee führt zu einer anderen. „Ich mache auch viele improvisatorische Stücke, wo ich aus dem Blauen heraus rezitiere.“ Beim Hades-2.0-Stück hält sich Huber aber akribisch an seinen selbstverfassten Text: „Ich wollte wieder einmal einen geschriebenen Text haben, ihn sozusagen nicht loslösen, endlich wieder einmal ein fertiges Stück haben.“
Die Herausforderung ist, den Text straff umzusetzen und etwas zu schaffen, das mehr oder weniger überall gespielt werden kann. „Es sind verschiedene Figuren, die im Protagonisten vorkommen und natürlich geht es um etwas Psychotisches oder sich mehrfach Wiederholendes“, so der gelernte Grafiker und Reproduktionstechniker, der in unterschiedlichen Kunstgefilden autodidaktisch unterwegs ist. Es gibt weiters sich wiederholende Mantras, wie beispielsweise „Fleisch, totes Fleisch, rohes Fleisch“, die Selbstreflexion fürs Publikum sind. „Ich glaube, dass gerade diese rezitativen Stellen, die sich immer wieder wiederholen, dazu dienen, dass man in diese Schleife hineinkommt, da kann man abschalten. Man muss nicht immer nachdenken, wenn sich das wiederholt. Wenn man sich fallen lässt, dann entsteht irgendwann ein anderer Zugang oder Verständnis. Dieser Zustand des Typen, der dort schwimmt oder treibt, ist ja etwas Transzendentes. Aus dem Totenreich oder aus Einsichten ins Leben, aus dem heraus fügt sich das zusammen.“
Alles in einer intuitiven Erzählweise und Sprachwelt, durchtränkt von mehrdeutigen englischen Phrasen und 80er-Jahre-Songs. „Die Popmusik-Zitate kommen von der Thematik des Schreibens. Ein stakkatoartiger Fluss, das hat dann alles gut zusammengepasst. „Sweet Dreams ist ein surrealer Traum, mehr oder weniger, da passt der Refrain gut“, ergänzt er. „Oder wie bei Road To Nowhere der Talking Heads: Ich weiß nicht, wohin es geht.“
Dazu verwendet er Schlüsselsätze wie: „In Katzenmägen brütet sich die Zukunft aus“. „Das ist auch so ein kryptischer Satz, der sehr bildhaft, emotional ist und gleichzeitig sehr abstrakt. Es baut sich ein Textkonvolut auf. Wenn das schön dasteht, fällt es aber im nächsten Moment wieder durch eine Phrase zusammen oder es festigt sich, man weiß das nicht so genau“, so Huber zu Sätzen, die etwas auf die Spitze treiben und es verdichten. „Wenn die Sprache körperlich wird, das heißt, wenn man sich bewegt und die Sprache verzerrt, an ihr herumreißt, dann bekommt die Sprache einen Körper. Das durchbricht dann vielleicht auch die Wand zum Publikum, weil man sich nicht zurücklehnen kann und das Stück einfach anschauen kann, sondern gefordert wird. Ich glaube, ich brauche das Körperliche in der Sprache.“ Die ein Sog und nicht einfach zu durchblicken ist. Das Paradies offenbart Abgründiges.
Sein erstes selbst inszeniertes Theaterstück am Phönixtheater hieß Aida (Opus Trash nach Verdi) von 2004. Das Libretto wurde zurecht gekürzt und die Lieder von Aida durch Popsongs, wie Born To Be Alive, ersetzt. Beim Tanzhafenfestival 2018 war es hingegen ein größeres Format mit 20 Leuten, das sich für nur eine Aufführung als sehr aufwändig herausgestellt hat. Jetzt ist er zum bewährten Minimalformat zurückgekehrt.

Patrik Huber arbeitet viel mit Musik, weil das ein guter Träger ist, der für ihn einfach passt. Mit dem ebenso dauerumtriebigen Ottensheimer Musiker Gigi Gratt hat er bei Hades 2.0 den perfekten Komplizen an seiner Seite. Gigi schafft es, nur mit Gitarre, Trompete und Loops ein ganzes Orchester in das oft in rotes, blutiges Licht gehüllte Ziegelambiente zu malen: eine Musikwand, kontrastiert von ruhigen Momenten, dazu die oft stark verhallte Stimme des No-Name-Heros. Beschwörungen wiederholen sich drone-doomig und können im Raum fast ertastet werden.
Mit Gigi hat er bereits 2005 beim Bonesmashery Man, dem Knochenzertrümmerer, ebenso eine mythologische Figur, zusammengearbeitet. Gefangen im Blut der Seelen, die er getötet hat, sucht er verzweifelt nach einem Ausweg. Auch das ist eher (düsteres) Musiktheater – ETA Hofmann oder Nick Cave sind die Kinder der Nacht.
Hades 2.0 wurde durchgehend mit Musik geplant, als Stück mit einem Musikanten. Vorher wurden von Huber Musikmotive gefertigt und der Text dazugefügt. „Dann haben Gigi und ich das gemeinsam noch einmal aufgearbeitet. Er ist fixer Bestandteil, aber das Stück war vorher schon da.“ Im Dezember wird es nochmals im Bauhof in Ottensheim gespielt und auch weitere Aufführungen im deutschsprachigen Raum sind geplant.

Mit genreübergreifenden, interdisziplinären Projekten bedient Huber mehrere Kunstsparten und Unterhaltungsebenen. Ein Freigeist mit unsinnigem Humor, der Groteske verpflichtet, zwischen Performance, Schauspiel, Musik, Malerei, Installationen etc. Meistens hat seine Multi-Kunst eben einen musikalischen Aspekt, am Rande der Unvorhersehbarkeit. „Performances müssen eine gewisse Spannung in sich bergen. Ich mache das nicht nur des Publikums wegen, sondern mich interessiert es, dem nachzugehen. Mir taugt das, ein bisschen am Sprachbaum zu rütteln. Für mich sind Theatersachen nicht so „Theater-Theater“, sondern sie mischen sich in Richtung Performance. Ein Mittel, um Texte zusammen mit der Performance zu etwas Eigenem zu machen.“
Sein großformatig gemalter Zyklus Paradies – Garten der Verfänglichkeit „ist auch so ein Stoff, wo es darum geht: was ist Paradies? Paradies ist oft auch ein Garten der Verfänglichkeit. Paradies kann relativ schnell kippen. Was mich interessiert, ist die subversive Ebene und Sprache, die es überall gibt, auch in der Natur.“

Seine wohl bekannteste Kunstfigur, Georgie Gold, ist ein abgehalfterter Entertainer der 1970er-Jahre, der aberwitzige Schoten rund um seine berühmten WeggefährtInnen auftischt – und bald ein Comeback feiert. „Demnächst werde ich den GG wieder aus seiner Hüttn holen. GG ist eigentlich ein gewiefter Typ, der auch so surreale Geschichten erzählt. Er tut ja so, als ob er für viele Leute aus dem Showbusiness, wie Mick Jagger oder Brigitte Bardot, Retter oder Triebfeder war. Er selbst stellt sich aber nicht so dar, der ganze Rummel interessiert ihn nicht, er erzählt einfach die Geschichten und singt ein bisschen. Und nutzt das Understatement für Geschichten, die es so nicht gibt. Trotzdem steht er im Mittelpunkt – und bringt sich selbst in eine Position, in der er selbst der Star ist. Mick Jagger hat er etwa den Mund paniert, mit einem Hammer, weil er nie Satisfaction gehabt hat. Ein Surrealist auf höchstem Niveau. Man liebt ihn für seine Geschichten, die man ihm fast auch noch glaubt – das hat einmal jemand darüber passenderweise geschrieben.“

Mit Jens Vetter gibt es außerdem musikalische Auftritte als Vetter_Huber-Duo – Sound Art als eskalierender Industrial-Techno. Oder die Performance-Gruppe The Living Dead Clowns, in der Nachbarschaft der Tiger Lillies. Das Buch Poems For Anarchy (2018) ist ein lyrisch-prosaisch-experimentelles Textbuch mit Fotos und CD, wo die Texte mit Musik vertont werden. Er überlegt, es nochmals herauszubringen.

Ebenfalls im November fand die Produktion der Fabrikanten, Meeting Wittgenstein statt, zu dem Huber eine musikalische Sprachperformance beisteuerte: „Mit einer Zerpflückung der Sprache, weil beim Wittgenstein geht’s auch oft darum, dass er die Sprache sisyphusartig zerpflückt. Ich habe das einfach als Spiegel benutzt und sozusagen meinen Geist durch dieses Gitter gepresst.“
Seine Lebensgefährtin Crystn Hunt Akron hat dazu experimentelle Musik gemacht. Mit der Musikerin und Künstlerin hat er bereits etliche Projekte umgesetzt. So hat sie zum Beispiel die Kostüme für Hades beigesteuert, bei der Regie mitgearbeitet oder vor zwei Jahren in Rijeka beim Kulturhauptstadt-Projekt EBRIPHON aus Geräuschen eines Frachtschiffs eine Komposition gemacht.
Zum Abrunden des gargantuesken Huberschen Werks sei auf seinen eigenen Kanal auf dorf.tv hingewiesen, wo regelmäßig neue Arbeiten zu finden sind, so auch in Bälde Hades 2.0.

Hades 2.0
Bauhof Ottensheim
16. Dezember, KV KomA

vetterhuber.net
dorftv.at/channel/patrik-huber

Stadtblick

Foto Die Referentin

Milena in Prag

Im Dezember sind noch zwei Stücke in der Tribüne Linz zu sehen: Vor dem Fenster liegt das Leben und Das ist das Leben. Die beiden Stücke handeln von Milena Jesenská: Zuerst in Wien spielend und in intensiver Beziehung zu Kafka, danach nach Prag zurückgekehrt und erfolgreiche Journalistin geworden, nach Ravensbrück deportiert, immer Widerstandskämpferin und moralisch Irrsinnige. Hier ein bearbeiteter Auszug aus einem Essay von Cornelia Metschitzer, von der auch die Stücke und Inszenierungen stammen.

In der Tribüne spielt das Leben von Milena Jesenská – alias Simone Neumayr mit Schauspielpartner Rudi Müllehner. Foto Reinhard Winkler

Ich gehe und verspreche mir keinen Sieg. Ich wüsste nicht, worüber ich siegen könnte. Mut wird belohnt und Mut wird bestraft. Alles ist zweischneidig, für alles muss man zahlen. Und an beiden Ufern wird man stets das Geschehene bereuen. Das alles weiß ich. Aber vor allem müssen wir uns über etwas anderes im Klaren sein: […] Wir müssen wissen, was wir gerade auf dem Stück Erde, auf dem wir leben, und an dem Platz, an dem wir arbeiten, tun werden. Milena Jesenská

Das Leben mit ihrem liebenden und strafenden Vater gestaltete sich von Beginn an schwierig, Milenas Freigeist und Widerspruchskraft wurden im Mädchengymnasium Minerva mitgeformt. Nach dem frühen Tod der Mutter, die sie fürsorglich pflegte, wurde Milena ein „Bürgerschreck“. Ein abgebrochenes Medizinstudium, sie warf sich in die Künstlerszene, wo sie unter anderem Papas Geld verteilte. Ganz Prag zerriss sich über Milena das Maul. Und sie ging mit ihrem ersten Mann nach Wien. Im ersten Stück Vor dem Fenster liegt die Welt haben wir Milena in ihren ganz jungen Jahren bis 1924 gezeigt, in ihrer intensiven Beziehung zum noch unbekannten Franz Kafka, im seelischen Überflug, und eine Ahnung davon gegeben, wie sie die menschenzugetane und impulsive Persönlichkeit wurde, die danach unerschrocken und mit großem Mitgefühl ihr Schreiben und Handeln in den Dienst der Gesellschaft stellte. Nun, im zweiten Stück, widmen wir uns Milenas zwei Lebensjahrzehnten zwischen 1924 und 1944: Das ist das Leben handelt von der Journalistin und Widerstandskämpferin Milena Jesenská, die 1896 als großbürgerliche Tochter in Prag geboren wurde, nun aus Wien wieder in ihre Geburtsstadt zurückkehrte und 1944 im KZ Ravensbrück starb.

Zum Inhalt des Stücks
Nach Kafkas Tod und ihrer Scheidung von Polak ist sie aus dem dumpfen Wien in ihre geliebte Geburtsstadt Prag zurückgekehrt. Diese erblüht gerade neu und ist nun das Zentrum der ersten tschechoslowakischen Republik nach 300 Jahren Habsburgerherrschaft. Eine große Aufbruchsstimmung hängt in der Luft. Und auch Milena versucht, sich von alten Mustern und Abhängigkeiten zu befreien und in dieser neuen Zeit neu zu leben beginnen.
Als Idealistin möchte sie auch mitbauen am Traum der europäischen Avantgarde, den technischen Fortschritt mit Humanität zu versöhnen und die Emanzipation der Frauen voranzutreiben. Schon als beliebte Modejournalistin der konservativen Tageszeitung Národní Listy richtet sie daher ihren Blick unter alle Oberflächen, wird aber fallengelassen, als sich empörte Leserbriefe häufen. Auch privat hat sich ihr unheimliches Glück bald verflüchtigt. Sie bekommt zwar mit Honza (eigentlich Jana) das Kind, das sie sich immer gewünscht hat, aber gleichzeitig erkrankt sie schwer und wird von Morphium abhängig. Jaromir Krejcar, ihr zweiter Ehemann, fühlt sich der familiären Situation nicht gewachsen und geht in die Sowjetunion, von wo er mit einer anderen Frau wieder zurückkommt.
Um in dieser großen privaten Krise Halt und Zugehörigkeit zu finden und dabei auch etwas Nützliches für die Welt zu tun, schließt sich Milena der Kommunistischen Partei ihres Landes an. Diese hat sich zwar auf den harten Moskauer Kurs eingeschwenkt, aber Milena glaubt weiter an die romantische Idee des Sozialismus und an sein großes Versprechen einer menschenwürdigen, gerechten Gesellschaft ohne Herrschaft und Ausbeutung. Aus Solidarität will sie sich nun verstärkt um die drängenden sozialen Anliegen der Arbeiterschaft kümmern, und in den Parteiblättern hat sie dazu die Gelegenheit. Dass sich ihr öffentliches Schreiben dabei immer mehr in ideologischen Phrasen verliert, nimmt Milena zunächst noch in Kauf. Als die Parteidisziplin aber von ihr verlangt, sich von ihrem neuen Lebensgefährten Evžen Klinger zu trennen, will sie sich nicht länger unterwerfen. Sie ohrfeigt ihren Chefredakteur und ist damit bei allen Parteiblättern untendurch. Bittere Armut und soziale Isolation zwingen sie daraufhin, Bettelbriefe an lose Bekannte zu schreiben, doch ihren reichen, aber strengen Vater möchte sie auch nicht um Hilfe bitten. 1937 wendet sich Milenas Leben dann unerwartet wieder zum Besseren. Nachdem 1933 mit Hitler das Unheil erneut über Europa hereingebrochen ist, wird sie von ihrem früheren journalistischen Weggefährten Ferdinand Peroutka in dessen renommiertes demokratisch-liberales Wochenblatt Prítomnost geholt. Dort bekommt sie Gelegenheit, ihr großes Talent in der politischen Analyse unter Beweis zu stellen. Als Reporterin reist Milena mehrmals in die brodelnden Sudetengebiete und berichtet über die tiefe Kluft zwischen den einzelnen Volksgruppen, das Schicksal deutscher Emigranten und Henleins Produktion von „Kindernazis“, die ihre Eltern bespitzeln. Dabei schafft sie es, die verängstigten Menschen zum Reden zu bringen, ohne ihre Erzählungen auszubeuten. Sie gewinnt neue Anerkennung bei ihrem Lesepublikum und wieder festen Boden unter den Füßen, auch wenn das ganze Schiff arg zu schwanken begonnen hat.
1938/39 nämlich haben zwei einschneidende Ereignisse die Tschechoslowakei in tiefste Verzweiflung gestürzt: das Münchner Abkommen, das die Abtretung der Sudetengebiete erzwingt sowie die sechs Monate später folgende Invasion von Nazi-Deutschland in die „Rest-Tschechei“. Die Stimmungsbilder, die Milena auf den Straßen und Plätzen auffängt, als die Westmächte ihr Land einem faulen Frieden in Europa opfern, sind bis heute ein unsagbar berührendes Dokument der Geschichte.
Und auch Milenas eigene Geschichte verstrickt sich mit dem Unheil ihrer Zeit immer mehr, denn ihr journalistisches und zivilgesellschaftliches Engagement wird für sie immer gefährlicher. Als sie es dem deutschen Zensor zu weit treibt, erhält sie Schreibverbot, geht in den Widerstand, verteilt weiterhin Hoffnung und Zuversicht an die Verzweifelten sowie illegale Zeitungen, an denen sie persönlich mitschreibt. Sie versteckt und verpflegt unzählige verfolgte Menschen in ihrer kleinen Wohnung und hilft den Flüchtenden, der „Mausefalle“ Prag zu entkommen. Gleichzeitig warnt sie davor, alle Deutschen als Feinde zu verteufeln.

Über Milena
Milena, die keine Moralistin war, sondern immer den ganzen Menschen in all seiner Widersprüchlichkeit sah, half bedingungslos allen, die ihre Hilfe brauchten. Über alle unterschiedlichen Ideologien oder persönliche Kränkungen hinweg. Extreme und dramatische Situationen hatten in ihr immer schon Kräfte aktiviert, mit denen sie sich selbst und andere Menschen retten konnte. Ihr Bemühen um eine gerechtere Welt, ihre Menschenliebe, ihren Lebensmut, ihren Wunsch nach sinnvoller Tätigkeit, das alles lebte sie tatsächlich bis zum letzten Augenblick. Ihre besondere Eigenschaft, gewisse äußere Regeln einfach nicht zu akzeptieren, wenn sie ihrem innersten Wesen widersprachen, wurde ihr in ihrer Jugend in der Psychiatrie als „moralischer Irrsinn“ ausgelegt. Diese Unerschrockenheit des Herzens hatte ihr später unter dem Fremdregime der Nazis eine Anklage wegen Hochverrats eingebracht, von der man sie zwar mangels Beweisen freisprach, nicht aber freiließ. Sie wurde in „Schutzhaft“ genommen, musste sich von ihrer Familie verabschieden und wurde schließlich deportiert. Alle Versuche, sie doch noch freizubekommen, scheiterten und Milena starb mit 47 Jahren nach einer Nierenoperation im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Aber noch an diesem schrecklichsten aller Orte konnte sie auf der Krankenstation, wo sie arbeitete, viel Gutes bewirken. Die Unerschrockenheit ihres Herzens blieb auch dort noch stärker als ihre Angst vor Bestrafung und Tod. Ein letztes Mal wuchs sie über sich hinaus und tat, was sie eben tun musste.

Acht Jahre nach Milenas Tod 1944, im Jahr 1952, gab Willy Haas Kafkas „Briefe an Milena“ heraus, eine literarische Sensation. Als innige Briefgefährtin des später weltberühmten Schriftstellers erlangte Milena damit zunächst in der Literaturwelt einige Bekanntheit. Ihr engagiertes und bewegtes Leben abseits von Kafka, den sie immer Frank nannte, findet aber bis heute nicht die Beachtung, die es verdient. Milena hatte Kafkas Briefe viele Jahre gehütet wie einen Schatz und sie dann Willy Haas persönlich übergeben, nachdem sie sich vor den Nazis nicht mehr sicher fühlen konnte. Ihre eigenen Briefe an Frank sind hingegen bis heute verschollen und so gibt die Beziehung von Milena und Kafka bis heute Rätsel auf. Der erste Teil unseres Bühnenzweiteilers über Milena „Vor dem Fenster liegt die Welt“ widmet sich intensiv der tiefen seelischen Beziehung der beiden und entwirft die These, wonach Kafka für Milena die Initialzündung dafür war, sich von seinen und ihren Ängsten und Sehnsüchten zu befreien und ein tätiges Leben in der Gemeinschaft zu riskieren.

Während Milena bei uns immer noch zu sehr in Kafkas Schatten steht, wurde sie in der Tschechoslowakei seit 1948 auch viele Jahre nach ihrem Tod noch zusätzlich totgeschwiegen, da sie eine Kritikerin der kommunistischen Einengung war. Erst 1966 brachte der Literaturwissenschaftler Eduard Goldstücker ihren Namen in ihrem Heimatland erneut ins Gespräch. Er begann, sie vom Stigma der Verräterin zu befreien und sie aus dem Schatten von Kafka zu lösen. Seither gibt es immer mehr – vor allem – Wissenschaftlerinnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Milena Jesenskás bewegtes Leben zu recherchieren, es der Welt weiterzuerzählen und ihr kostbares publizistisches Werk zu sammeln und zu sichern.
Denn Milena hat der Nachwelt ein umfangreiches journalistisches und essayistisches Werk hinterlassen, das nicht nur ein wichtiges faktisches und atmosphärisches Zeitzeugnis der Zwischenkriegszeit darstellt, sondern auch Aufschlüsse über unsere heutige Zeit geben kann. Da Milena durch ihren schreibenden Beruf sehr in ihrer Zeit und den Geschehnissen verhaftet war, sich als wacher Geist und mitfühlender Mensch selbst nicht aus ihrem Schreiben herausnahm und deshalb auch viel persönliche Haltung in ihre Beobachtungen, Reflexionen und Analysen legte, geben ihre Texte auch sehr viel Aufschluss über sie selbst. Es war immer Milenas große Stärke, sich mit ihren Themen ganz zu identifizieren und damit erlangte sie diese große Glaubwürdigkeit, für die sie einerseits von vielen geschätzt wurde, mit der sie sich aber auch immer wieder angreifbar machte. Milena sprach unbequeme Wahrheiten aus, auch wenn man sie nicht wissen wollte. Sie zettelte konstruktive Dialoge an, welche die ideelle Kluft zwischen den Menschen überbrücken konnten. Es ging ihr um Wahrheit, die sie trotz allem suchte, auch wenn sie wusste, dass sie schwer zu finden war, und wenn, dann meist im Plural. Ihr politisches und gesellschaftspolitisches Schreiben war geprägt von einem aufklärerischen und emanzipatorischen Anspruch. Sie versuchte, hinter den wechselnden Erscheinungen, unter den schlagenden Wellen der Ereignisse, auch das sichtbar zu machen und zu propagieren, was stets unverhandelbar bleiben sollte: den Humanismus und die Menschenwürde.

Im Mut haben und Mut machen ließe sich also auch heute noch ganz viel von dieser Frau lernen bzw. kann Milena auch uns Heutigen noch etwas von ihrem Lebensmut abgeben. Darum habe ich viele O-Töne aus ausgewählten Quellen ihres privaten und öffentlichen Schreibens in unseren Stückzweiteiler hineinmontiert und manchmal erscheint es jetzt fast so, als würde Milena darin wie eine Zeitgenossin zu uns sprechen. Speziell auf dem Theater lassen sich mit den verdichtenden Mitteln der Kunst und mit Menschendarstellung solche innigen Momente nachempfinden. Theater kann auch einen umfassenden Eindruck von einem ganzen Menschenleben geben, es durch die Montage des gewählten Materials in seiner geschichtlichen Gewordenheit lebendig nachzeichnen. Deshalb ist Das Ist Das Leben wie bereits das Vorgängerstück Vor Dem Fenster Liegt Die Welt wieder mit allen Mitteln der Kunst, aber auch mit vielen Doku-Quellen gestaltet. Denn unsere Welt, unsere Zeit, wir alle brauchen mutige Stimmen mit Geist und Seele, die unvoreingenommen sind und uns in klaren, aufrichtigen Worten die Widersprüche und Zusammenhänge des Lebens nahebringen können, und das, ohne zu belehren, zu moralisieren oder zu missionieren. Und Milena Jesenská war so ein Mensch.

Milena in Prag wurde in dieser hier abgedruckten Fassung von der Redaktion der Referentin bearbeitet, vor allem im ersten und letzten Absatz.

Die vollständigen Essays von Cornelia Metschitzer: Milena in Wien, Milena in Prag tribuene-linz.at/medienseite

VOR DEM FENSTER LIEGT DIE WELT
Milena Jesenská in Wien
In Revolte und auf der Flucht vor ihrem Vater landet die frisch verheiratete Milena 1918 im hungernden Nachkriegs-Wien. Die Fürsorge, die sie von ihrem Mann nicht bekommt, holt sie sich vom damals noch fast unbekannten Franz Kafka, den sie als erste in eine andere Sprache übersetzt und mit dem sich eine innige Briefliebe entspinnt. Als sich die beiden daraufhin für viereinhalb glückliche Tage in Wien persönlich treffen, ist dies der Anfang vom Ende einer faszinierenden und rätselhaften Verbindung.

Letzter Termin: 9. Dezember, 19:30 h

DAS IST DAS LEBEN
Milena Jesenská in Prag
Mitte der 1920er-Jahre kehrt Milena von Wien wieder nach Prag zurück, wo sie in einer neuen Zeit wieder zu leben beginnt. Sie wird eine erfolgreiche Journalistin, heiratet ein zweites Mal und bekommt das ersehnte Kind. Doch unerwartet zerbricht ihr Glück und sie verliert alles, nur nicht ihre Tatkraft und ihren Lebensmut. Als mit den Nazis das Unglück auch über Europa wieder hereinbricht, verwandelt Milena ihr persönliches Leid in eine große innere Stärke und rettet mit der Unerschrockenheit ihres Herzens vielen Menschen das Leben.

Letzte Termine im Dezember: Mi, 07. Dezember, 19:30 h Sa, 17. Dezember, 19:30 h

Anmerkung: Die beiden Stücke sind so aufgebaut, dass sie getrennt und zusammen angesehen werden können.

tribuene-linz.at

Nonchalant, chère Croissant!

Das Croissant ist für den Dude mehr als nur schnödes Gebäck. Es ist wohliger Morgenschmeichler, schneller Hungerstiller und ein mondförmiger Geniestreich.
Die Rufnamen des Gebäcks sind neben dem französischen Croissant natürlich mannigfaltig. Das wunderbare österreichische – auf das in der Betonung auf das L fokussierte – Kipferl. Das italienische Cornetto (dessen Begrifflichkeit und gekonnte Anwendung in italienischen Gefilden die echte Kennerin und den echten Kenner auszeichnet). Oder das dröge, den EinwohnerInnen gerecht werdende deutsche „Hörnchen“.
Nun geht es aber um die Beschaffung des wohlschmeckenden Teigteils. Der Dude hat weder Kosten noch Mühen gescheut und hat für die geneigten Leserinnen und Leser eine wissenschaftsbasierte Analyse des lokalen Angebots gemacht. Mit in den Testsamples waren ausschließlich Bäckereien, die eigene Ladengeschäfte betreiben. Und es wurde eine repräsentative, aber auch eine sehr, sehr subjektive und den Verkehrswegen des Dude entsprechende Auswahl getroffen. Dabei ist Supermärkten und anderen Vendoren kein ordentliches Croissant zuzutrauen. Mit dabei sind diesmal: Honeder, Brandl, Eichler, Gragger und Joseph.

Bäckerei Honeder
ist mittlerweile schon als Kette zu bezeichnen und hat deshalb wohl auch schon sein Storedesign angepasst. Das beauftragte Designbüro dürf­te auch für Hofer arbeiten und diverse Flug­hafen-Fresszonen gestaltet haben. Aber immer noch bemüht und in der Basis gute Qualität. Das Croissant mit Biobutter ist preislich gut gehalten und schmeckt recht neutral. Ist kein Überflieger, aber doch ganz gut. La médiocrité.
(7/10 Punkten; EUR 1,80)

Bäckerei Brandl
ist ja so etwas wie die Edelboutique der lokalen Bäckereien. Mit der vielgerühmten und schon als Gattungsbegriff eingeführten Brandlsemmel als USP steht diese Bäckerei immer etwas außen vor und gilt immer als etwas Besonderes. Was der Dude noch nie verstanden hat. Nicht missverstehen: Köstliches Gebäck, gutes Brot und Burberry-Jacken-Klientel sind schon fein – aber eben nicht völlig „outstanding“. Das Croissant ist sehr lecker! Gute Textur und feiner Buttertaste. Preislich im oberen Segment, aber fair.
(8/10 Punkten; EUR 2,10)

Bäckerei Eichler
ist das Schweizer Taschenmesser unter den Bäckereien. Gutes Brot, gutes Gebäck, Überraschungen zu Festtagen und immer zur Hand (zumindest in Urfahr). Die Filialen, die sich durch Urfahr von Norden nach Süden wie eine Perlenkette reihen, bieten eine gute, übersichtliche Auswahl. Manches formidabel, manches so lala. Das Croissant in der Variante Butterkipferl: Ein echtes Must-Have! Super Krume und ausgewogener buttriger Geschmack.
(9/10 Punkten; EUR 1,20)

Bäckerei Joseph Brot – Brot vom pheinsten
ist der neue Player am Brotmarkt. Und wenn Brandl die Edelboutique ist, ist das Joseph Brot – zumindest preismäßig – der Couturier. Aber wirklich nur nach €. Die Preise sind derart hoch, dass der Dude seinen sonst recht üppigen Etat bis ans Limit ausschöpfen müsste. Die Qualität und der Geschmack war im Testreigen mäßig bis gut. Aber das Croissant war richtig fad – laffer Biss, wenig Geschmack.
(5/10 Punkten; EUR 3,25)

Bäckerei Gragger
hat aufgrund der Personalsituation am Linzer Standort w. o. gegeben – sehr schade. Der Dude hofft auf ein Comeback!
(nicht bewertet)

Der Dude ist ganz versöhnt. Bis auf einen Ausreißer kann man den Test als sehr befriedigend ansehen und den lokalen Bäckereien sanft auf die Schulter klopfen. Dass aber das günstige Croissant das beste ist und das teuerste das schlechteste, verwundert sogar den gastroharten Dude komplett. Aber testet selbst und: Support you local bakery!

Damit der Faden nicht reißt …

Feministische Wegbereiterinnen werden von Autorinnen jüngerer Generationen portraitiert. Was sie zugleich verbindet und trennt: ihr Alter, ihre Blickwinkel, ihre Erfahrungen, ihr Feminismus. Über das Buch Kämpferinnen und seinen lebensgeschichtlich orientierten Zugang schreibt Tanja Brandmayr.

 

„Die Texte sind hochpolitisch, überraschend, nachdenklich und poetisch. Ihre Überzeugung: Es muss weitergehen!“ ist auf der Rückseite des Buches zu lesen und man möchte dem uneingeschränkt zustimmen. Was die Zugänge selbstverständlich eint, lässt sich auf den ersten Blick mit den auf den Buchdeckeln ersichtlichen Ansagen „Fight Patriarchy“ (vorne) und „Smash Sexism“ (hinten) zusammenfassen. Dies veranschaulicht die ebenso kräftige wie fragile Geschichte in einem Kampf, der weitergeführt werden muss. Und ein kleines Detail zur Gestaltung: Neben dem Buchtitel „Kämpferinnen“ und den drei Herausgeberinnen-Namen Birgit Buchinger, Renate Böhm und Ela Großmann, sind die zwölf interviewten Wegbereiterinnen und zehn portraitierenden Autorinnen der jüngeren Generation gemeinsam und ununterschieden am Buchdeckel genannt – was man, über das vermeintlich Trennende der Generationen und Feminismen wohl als Zeichen für die Notwendigkeit von immer wieder neu zu bildenden Kollektiven für die übergeordnete Sache lesen kann. In diesem Sinn wären das hier: Marlies Hesse, Helma Sick, Sissi Banos, Christina Thürmer-Rohr, Mira Turber, Frigga Haug, pimp ois, Erica Fischer, Katherina Braschel, Christina von Braun, Gabi Reinstadler, Susanne Feigl, Elisabeth Stiefel, Theresa Lechner, Maria Mies, Nicole Schaffer, Irene Stoehr, Katharina Krawagna-Pfeifer, Ute Remus, Maria-Amancay Jenny, Heide Göttner-Abendroth und Gudrun Seidenauer.

Bei den Kämpferinnen handelt es sich um zwölf Frauen und um lebensgeschichtlich orientierte Interviews/Gespräche, die zuerst vorwiegend von den Herausgeberinnen mit den feministischen Wegbereiterinnen geführt wurden. Diese kommen größtenteils aus dem deutschsprachigen Raum, aus unterschiedlichen aktivistischen, politischen, kulturellen, ökonomischen etc. Feldern und sind – als eine der wenigen wirklichen gemeinsamen Vorgaben – spätestens 1945 geboren. Dieses Material wurde, um die Texte zu verfassen, an Feministinnen der jüngeren Generation weitergegeben. Was wiederum zu einer Vergrößerung und Vermehrung von Beschäftigung führte, alles in allem zu einem fruchtbaren Prozess. Dazu ist seitens der Herausgeberinnen im O-Ton zu lesen: „Der ursprüngliche Plan für dieses Buch war, die Porträts selbst zu verfassen. Verschiedene Hürden auf diesem Weg mündeten schließlich in das Vorhaben, den Stab bereits im Tun weiterzureichen. So wurde aus einem Solo ein kollektiver Produktionsprozess, was unserem feministischen Bewusstsein umfänglich entspricht. Indem sich jetzt junge und jüngere Frauen mit diesen Geschichten auseinandersetzen, passiert ein Transferprozess. Um den Faden nicht reißen zu lassen.“

Dieser Transferprozess gelingt insofern auf besondere Weise, als dass die lebensgeschichtlich orientierte Auseinandersetzung sich neben dem feministischen Kampf auch immer auf ein Eintauchen in die fremde und eigene Biographie stützt („Bei diesen Überlegungen tauchte ich in meine eigene Biographie“). Dieses Eintauchen findet diejenigen Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede vor, die sich nicht nur durch andere Arbeitsfelder und Haltungen auszeichnen, sondern sich auf grundlegende Weise durch die Gesamtheit von Schicht, Hintergrund, Status, Milieu, Zeit, Zeitgeist unterscheidet und speist – was bis heute im Diskurs zu einer Erweiterung des feministischen Bewusstseins, als auch zumindest teilweise zu heftigen Kämpfen führt. Gerade in der Offenlegung dieser lebensgeschichtlichen Unterschiede lässt sich aber die Gesamtheit von höchst kollektiven, wie individuellen Vorgaben kennzeichnen, die die feministischen Leben zwischen Persönlichem, Privatem und Politischem prägen. Manche Frau wurde im Selbstverständnis der 1950er und ff-Jahre etwa rundum derartig runtergemacht, dass man schreien möchte. In einem anderen Text findet man wiederum die (zumindest, was die Schule betrifft) tröstliche Zeile: „Entgegen eines oft bemühten Klischees der 1950er Jahre ist das Klima an ihrer Schule eher liberal. So ist es selbstverständlich, dass alle Mädchen studieren, ihr eigenes Geld verdienen wollen und darin, sowie in ihren Anstrengungen, die klaustrophobischen Verhältnisse zu verlassen, von ihren Lehrer:innen unterstützt werden“. Also zumindest punktuell Unterstützung gegen die gesellschaftliche Enge, die Frauen systematisch von eigenständigen Entscheidungen fernzuhalten verstand. An diversen Stellen finden sich Verweise auf NS-Erfahrung, familiäre Verstrickungen und die autoritären gesellschaftlichen Strukturen gesamt.

Christina von Braun etwa, 1944 geborene Kulturtheoretikerin, Autorin und Filmemacherin, hat gegen diese Verstrickungen von vielen Seiten angearbeitet: Deren Portraitistin Mira Turba beschreibt zum Beispiel ihren Ansatz, sich zur eigenen Kultur in Distanz zu setzen, um im kulturellen Vergleich zu sehen, woraus die eigene Kultur besteht. Wichtige Faktoren in Brauns Verständnis sind die Psychoanalyse als größerer kultureller Schlüssel oder eine Natura als kulturelle Konstruktion („Man hält das für Natur“). Es geht im Text um Christina von Brauns Nähe zu Frankreich, die Liberation von 1968, die Sehnsucht nach dieser Situation („Denn bald ist von der revolutionären Situation des Vorjahres in der Stadt nur noch die veränderte Wahrnehmung von Hierarchien, Denkweisen, dem Verhältnis zwischen den Geschlechtern und eine fortdauernde latente Sehnsucht nach dieser Situation zu spüren“). Braun wird in Frankreich Zeugin einer frühen Aufarbeitung der französischen Kollaboration mit den Nazis. Ihr Streben nach Aufklärung, Wahrheit, die Thematisierung von Unterdrückung führt zu einem umfangreichen Werk von Büchern und Filmen, die sich auch mit historischen (NS-)Aufarbeitungen oder mit der Konstruktion von (Frauen-)Rollen auseinandersetzen, auch im eigenen familiären Zusammenhang (das Buch „Stille Post“, über: „die Botschaften und Erbschaften ihrer Familie, mit der Mutter als Mittlerin“). Sie benannte als biographischen Einschnitt ein „Erkennen des Nicht-Ich“ oder musste sich mit den Widersprüchen ihrer eigenen Rolle als Ehefrau beschäftigen. So hatte sie zwar das Privileg, Bücher und Filme machen zu können. Aber als sie, wie in Frankreich gängig, eine Kinderfrau engagierte, um arbeiten zu können, führte das in Deutschland zu heftigen Anfeindungen. Später wurde sie zu einer Quereinsteigerin im akademischen Betrieb, wo sie die Gender Studies mit aufbaute.

Selbstverständlich beleuchten einige Texte im Buch auf starkem feministischem Fundament die ökonomischen Zusammenhänge als Generalschlüssel für Unterdrückung, etwa die Analyse über die Alleinrelevanz des „ökonomischen Mannes“ und das Paradigma, auf dem die kapitalistische Maschine beruht: Diese ökonomische Perspektive findet sich unter anderem bei Elisabeth Stiefel (Text: Birgit Buchinger und Ela Großmann). Insgesamt belegen gut geschriebene Texte und zahlreiche Aha-Erlebnisse die allumfassende Tragweite von Ökonomie und Geschichte. Und das facettenreich: Mit ihrem Porträt über Irene Stoehr streift Autorin Maria-Amancay Jenny ein Phänomen, das heute in freier Wildbahn nicht mehr ganz so häufig anzutreffen ist, nämlich das der „Hausfrau“: An der Debatte „Lohn für Hausarbeit“ entsponnen sich in den 1970ern vehement ausgetragene Haltungskonflikte zwischen den feministischen Lagern. Und Irene Stoehr besticht in ihrem feministischen Ansatz durch Komplexität, Genauigkeit und einer gewissen Liebe zum gewitzten Widerspruch. „Gerade wir Feministinnen gingen doch davon aus, dass die Frauen ‚seit ewigen Zeiten‘ unterdrückt wurden und die meisten Frauen ‚schon immer‘ Hausfrauen gewesen seien. Stattdessen erfuhr man: Das ist ziemlich neu. Der private Haushalt und mit ihm die Hausfrauenrolle kamen erst mit der Industrialisierung (…)“. Dieser Zusammenhang zwischen Kapitalismus und unbezahlter Arbeit der Frauen im geschichtlich-ideologischen Kontext der Industrialisierung faszinierte Stoehr: Dementsprechend war nicht der Lohnarbeiter die wichtigste Säule im Kapitalismus, sondern die Hausfrau. („Das gefiel mir besonders, weil es eine marxistische Kritik am Marxismus war“). Selbstredend ist dies nur eine unter mehreren Thematiken bei Stoehr, die später unter anderem die Frauenzeitschrift UNTERSCHIEDE mit herausgegeben hatte. Besonders mit dem Untertitel sollte eine breite Leserinnenschaft angesprochen werden: „Auf diesen Untertitel waren wir ein bisschen stolz (…): ‚Für Lehrerinnen und Gelehrte, Mütter und Töchter, Gleich- und Weichenstellerinnen; Freundinnen, Tanten und Gouvernanten aller Art‘“. Und mit der großen Bedeutung, die dieses Projekt UNTERSCHIEDE für sie hatte, geht auch hier ein Sinn für denjenigen Widerspruch einher, in dem man selber lebt: „Die wenig spezialisierte gemeinsame Arbeit an der Herstellung und Gestaltung eines originellen ‚Produktes‘ gehört zu meinen besten Erfahrungen feministischer Berufsarbeit, was sie natürlich – weil unbezahlt und nebenbei – gar nicht war.“ An vielen Stellen im Buch gibt es neben theoretischen und zeitgeschichtlichen Raffinessen (z. B. bei Stoehr auch die Debatte um einen abzulehnenden „Staatsfeminismus“) auch Verweise auf Kontinuitäten in ein Jetzt, etwa wenn Stoehr auf die Weiterentwicklung des Themas der Hausarbeit und der damals so genannten „reproduktiven Arbeit“ in Richtung heutiger Care-Arbeit verweist. Oder wenn sich Elisabeth Stiefels Forderung nach „lebensdienlichem Wirtschaften“ und die von ihr heftig kritisierte „Dominanz der Produktion“ in heutiger Anwendung durchaus als Vollversagen des Kapitalismus in Richtung Umwelt und Ökologie lesen lässt.

Hier können nur wenige Aspekte von Kämpferinnen angesprochen werden. Insgesamt bedeutet ein Eintauchen in feministische Grundlagen und Biographien der heute mindestens 77-jährigen Feministinnen auch, diejenigen Komplexitäten und Widersprüche zu streifen, die sich in einem Leben schlichtweg zusammenmischen. Manches Mal konnten sie überwunden oder bewältigt werden, ein anderes Mal mussten sie auch nur ausgehalten werden – und das ist widerständig gemeint: „Der Kampf um die eigene Selbständigkeit, die Existenz ist für viele raumgreifend und belohnt sie oft erst in späten Jahren damit, endlich tun zu können, worauf sie sich immer schon vorbereitet haben“, so die Herausgeberinnen. Über Gedanken der Macherinnen des Buches gibt das Schlusskapitel „Schön und bitter“ Auskunft. Es beginnt mit der kritischen Reflexion des biografischen Selbstes sowie mit Vermerken, dass, sinngemäß zitiert, „keine der Portraitierten zuerst aus ihrem Leben erzählte“. Es zollt der gemeinsamen Sache, den Portraitierten und ihrem Lebensweg Anerkennung. Es bietet Einblicke in das Making-of des Buches und bündelt Eindrücke, die man während des Lesens selbst recht farbenreich gewinnen konnte: Etwa, dass es innerhalb der feministischen Strömungen und auch zwischen den Aktivistinnen schon immer große Unterstützung, aber auch Gefechte gab (wenig überraschend). Es stellt die feministischen Wellen punktuell in Relation, benennt Hauptlinien und bemerkt bei den Feministinnen der älteren Generation, beispielhaft genannt, stärkere Reibungsflächen mit den Müttern, oder auch die relative Absenz bei den Gesprächspartnerinnen hinsichtlich des Themas Sexualität, zweifelsohne Unterschiede zu einem heutigen Feminismus. Außerdem stellen die Herausgeberinnen neben der vorgestellten Vielheit die „selbstkritische Frage nach (fehlender) Diversität und Intersektionalität“. Dennoch formuliert das Buch Grundlagen, auf denen sich in viele Richtungen weiterargumentieren lässt. Es zeugt von beeindruckender Kraft und Klarheit, die sich in den Texttiteln und Zwischenüberschriften spiegelt („Die Würde und das Geld“, „Auf der Suche nach dem guten Leben“, „Kein Ort, nirgends“, „Nein“, …) Damit kommen wir zum Anfang und Klappentext zurück: Yes, indeed, hochpolitisch, überraschend, nachdenklich und poetisch. Absolut gelungen, auch im Sinne einer Leser:innenschaft, die ihrerseits in ihre eigene Biographie einzutauchen vermag. Und hinter all dem feministischen Kampf, der wegen diverser Umstände auch heute gerne ins Abgekämpfte driftet, was auch ok ist, strahlt Kämpferinnen Ruhe, Stärke und Selbstsicherheit aus.

 

Birgit Buchinger, Renate Böhm, Ela Großmann (Hg.)
Kämpferinnen
Mandelbaum Verlag, 2021

Wandel unter weiblichen Werten

Auch wenn diese Kolumne nichts lieber möchte, als sich in Gleichwürdigkeit und in gelebter Vielfalt gleichen Rechts und gleicher gesellschaftlicher, politischer und sozialer Ausgestaltung von Chancen, Rollen und Positionen zu sonnen, wird frau sich doch häufig sowohl mit Windstille also auch den Sturmböen der zeitgenössischen Frauenbewegung, dem ruhigen Vor-sich-Hin-Gedeihen im bereits Erreichten oder dem abgelegenen Dunkel von Armutsgefährdung, von Prekariat, von Mental Overload oder von der Unvereinbarkeit von Beruf(-ung) und Familie konfrontiert sehen. Obschon gleichzeitig und andererseits auch viele neue Frauengruppierungen sprießen und wachsen, bleibt zu wünschen, dass sowohl Ruhe als auch die Stürme der Zeit genutzt werden, um echte Transformation im Sinne von Herrschaftsfreiheit, Gleichwürdigkeit und Würde voranzutreiben.

„Kapitalismus tötet ohne Notwendigkeit“, meint Jean Ziegler in einem Artikel des Magazins Kontrast vom 18. April 2019 und: „Unsere Welt quillt über vor Reichtum“. Doch die UNO-Pressekonferenz 2010 verlautbart: „Frauen verrichten 66 % der Arbeitsstunden der Welt und produzieren 50 % der Nahrung. Aber sie erhalten 10 % des Welteinkommens, besitzen 1 % des Eigentums, und sie stellen 60 % der ärmsten Menschen der Welt dar.“ Während Jean Ziegler anführt, dass es sich bei Armut und Hunger primär um eine globale Verteilungsproblematik handelt, führt der Pressebericht der UNO, der sich bis dato inhaltlich nicht substantiell geändert hat, vor Augen, dass gerade Frauen von dieser Ungleichheit der Verteilung des Volksvermögens und der damit einhergehenden Armut, einer Grunderfahrung von Gewalt, betroffen sind. Ein sehr breites und schlüssiges Erklärungsspektrum für diese frappierende Vulnerabilität von Frauen bietet die italienische Autorin, politische Aktivistin und emeritierte Professorin für politische Philosophie und internationale Politik Silvia Federici. Wie sehr die Unterwerfung der Frau, die Hexenverbrennung, die Kolonialisierung, der Niedergang des Feudalismus, der Beginn der Industrialisierung und der erstarkende Kapitalismus im Eigentlichen miteinander verwoben sind, zeigen ihre Forschungserkenntnisse und demgemäß die Grundthesen. Laut ihrer Synthese war die Hexenjagd sowohl in Europa als auch in den amerikanischen Kolonien nicht nur eine Herrschaftsstrategie, sondern von Anfang an eine recht bewusste Herangehensweise, um den kollektiven Widerstand zu brechen und die Bevölkerung zu spalten. Die Hexenverbrennung ist also gleichermaßen bedeutsam für die Entwicklung des Kapitalismus wie die Strategien der Kolonialisierung und der Enteignung der Bauern in Europa. Denn Kapitalismus war nach Federici nicht die einzig mögliche Reaktion auf die Krise der Feudalmacht, sondern das Ergebnis einer Konterrevolution gegen die sozialen Bewegungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, die sich nicht zuletzt des Instrumentariums der Hexenverfolgung zur Durchsetzung ihrer Macht bediente.

Aus meiner Sicht gilt es heutzutage die Potentiale des Umbruchs der Zeit für die Anliegen der Frauen, im Geiste weiblicher Werte zu gestalten: eine Lebensweise zu forcieren, die nicht eine der Fortschreibung von Ungleichheit und machtpolitischer Hierarchisierung ist, sondern den Bedürfnissen der Menschen und der Natur in ihrer Ebenbürtigkeit entspricht. Das kommt der am meisten von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppe, nämlich den Frauen, zugute, und bedeutet letztlich strukturelle Befreiung vom spätkapitalistischen Patriarchat und von Ausbeutung, Unterdrückung, Knechtschaft und Zerstörung letztendlich auch der Natur. Lehrt uns die Geschichte der Umbrüche seit Jahrhunderten, dass die Revolution ihre Kinder frisst, so wissen wir doch, dass trotz der Stürme, die auf uns zukommen, Veränderungen im Kleinen, im Verhalten, im Alltag, in unseren Lebens- und Beziehungsformen, in unserem Miteinander mit Bestimmtheit das sein werden, was bleibt.

In der nicaraguanischen Revolutionslyrik galt der Wind, der Sturm als zentrale Metapher für den Umbruch, für den gerechten Wandel. Viele Stürme, nicht nur eine Böe, charakterisieren auch die Frauengeschichte unserer Zeit. Nicht nur im Iran, in Belarus, in Syrien oder in Nicaragua. Das Rascheln der Blätter, der Wind in den Bäumen und das behände Rauschen seines Klangs mache uns gewahr für den langen Atem. Wir werden ihn brauchen.

 

Die Autorin wurde vermittelt von Female Positions.
www.femalepositions.at

Stadtblick

Foto Die Referentin

Eine Idee reist durch Zeit und Raum

Die Referentin bringt seit längerer Zeit eine Serie über frühe soziale Bewegungen und emanzipatorische Entwicklungen. Andreas Gautsch über den kommunistischen Anarchismus als Idee zwischen „dem Besten aus beiden Welten“ und einer „Horrorvorstellung zum Quadrat“.

Lucy Parson, eine afro-amerikanische Organizerin und Anarcho-Kommunistin, anno 1886. Foto Luis Gogler, Wikimedia Commons / Univeristy of Michigan Library

Für manche bedeutet kommunistischer Anarchismus das Beste aus beiden Welten. Für andere ist er eine Horrorvorstellung zum Quadrat. Objektiv betrachtet kommt diese Gesellschaftsvorstellung der aufklärerischen Trias von Freiheit, Gerechtigkeit/Solidarität und Gleichheit wohl am nächsten.

Eine Idee liegt in der Luft
Die Entstehungsgeschichte dieser Idee oder Konzeption geht zurück ins 19. Jahrhundert. Max Nettlau, der in dieser Serie bereits vorgestellte anarchistische Historiker und Chronist, berichtet, dass die Bezeichnung kommunistischer Anarchismus erstmals in einer Broschüre von François Dumartheray im Jahre 1876 auftauchte. Der Autor war in der Genfer Sektion L’Avenir aktiv und stand dem russischen Anarchisten Peter Kropotkin nahe, der sich in mehreren Schriften dieser neuen Anarchismuskonzeption widmete und heute als der bekannteste Vertreter bzw. Theoretiker dieser Richtung gilt. Zur Zeit der Entstehung war die anarchistische Bewegung aus der von Karl Marx, Friedrich Engels und anderen autoritären Sozialisten übernommenen Internationalen Arbeiterassoziation bereits ausgeschlossen. Sie hatte den Kampf gegen Vertreter des Zentralismus verloren. Der Sozialismus und die Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiter:innen sollte ganz im Sinne sozialdemokratischer bzw. sozialistischer Parteien, die sich auf Wahlkämpfe und den Parlamentarismus konzentrierten, erreicht werden. Im Anarchismus setzte eine Neuorientierung ein. Bakunin, als wortmächtiger Propagandist des antiautoritären Flügels und Vertreter des kollektivistischen Anarchismus, hatte sich bereits zurückgezogen. Eine neue Generation war nun an der Reihe und mit ihr entstand nun eine Symbiose aus Kommunismus und Anarchismus.

Kommunismus und Anarchismus
Was bedeutet dies nun? Während im kollektivistischen Anarchismus Eigentum in einer kollektiven Form weiterbestehen konnte, wurde im kommunistischen Anarchismus jegliche Eigentumsform negiert. Statt Eigentümer:innen sollte es nur mehr Nutzer:innen geben. Die Verteilung der gesellschaftlich produzierten Güter erfolgt nicht nach Arbeitsleistung (Arbeitszeit), sondern nach den Bedürfnissen. Kommunismus bedeutet somit: Jeder nach seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Für Kropotkin ist der kommunistische Anarchismus „ein Sprössling der zwei großen Gedankenbewegungen auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet, die unser Jahrhundert und besonders seine zweite Hälfte charakterisieren. Gemeinsam mit allen Sozialisten vertreten die Anarchisten die Ansicht, daß das Privateigentum an Grund und Boden, am Kapital und an den Maschinen überlebt ist, daß es zum Verschwinden verurteilt ist und daß alle für die Produktion erforderlichen Mittel in den gemeinschaftlichen Besitz der Gesellschaft übergehen müssen und werden und von den Produzenten die Reichtümer gemeinschaftlich zu verwalten sind.“ Kommunismus bezieht sich also auf die Ebene der Ökonomie. Wie ist nun der zweite Teil des Begriffs, der Anarchismus zu verstehen? Für Kropotkin ist er das Ideal einer politischen Gesellschaftsorganisation, „wo die Funktionen der Regierung auf ein Minimum reduziert sind und das Individuum seine volle Freiheit der Initiative und der Handlung wiedergewinnt, um vermittels freier Gruppen und frei gebildeter Föderationen all die unendlich mannigfaltigen Bedürfnisse des menschlichen Wesens zu befriedigen.“ Es geht um eine Regierungsform ohne staatliches Herrschaftsprinzip.

Eine Idee unter Kritik
Die Frage, die sofort auftaucht, ist, kann das überhaupt funktionieren? Kropotkin dachte – ja! Sein Ausgangspunkt war menschliche Kooperation, die gegenseitige Hilfe und der gesellschaftliche Reichtum, nicht der Mangel. In den verschiedenen Abhandlungen verweist er auf die fördernde Wirkung von föderativer und dezentraler Produktion, von freier Assoziation, sowie darauf, dass aufgrund des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts die industrielle und landwirtschaftliche Produktion alle Menschen ausreichend versorgen könnte.
Nach Kropotkin wären bereits vor gut 150 Jahren die Voraussetzungen gegeben, mit einem Bruchteil an Arbeitsaufwand, alle Menschen zu versorgen. Das würde heute noch mehr zutreffen, jedoch mit Sicherheit wissen wir es nicht. Von Anbeginn gab es auch kritische Stimmen zu Kropotkin und seiner Vorstellung vom kommunistischen Anarchismus. Nettlau berichtet in seinem Geschichtskompendium über Anarchismus von der Kritik des spanischen Anarchisten Richardo Mella, der die „kommunistische Lösung“ für „simplistisch und den Verwicklungen des sozialen Lebens nicht entsprechend“ hielt, aber er glaubte auch, dass die Idee den Massen gefallen wird. Jedoch geben Ideen höchstens Tendenzen an und zeigen nicht, wie es Kropotkin ausformulierte, wie zukünftige anarchistische Gesellschaften Produktion und Distribution organisieren werden. Mella richtete sich gegen die „Unifizierung“ der Ideen und Vereinheitlichung der Methoden. Was auf jeden Fall notwendig ist, ist für ihn eindeutig: „die Gleichheit der Mittel zum Leben“. Während die neue Richtung in anarchistischen Kreisen in ganz Europa diskutiert und unter dem Proletariat und den Deklassierten agitiert wurde, ging die Idee auf Reisen.

Lucy Parson in Chicago
Wir verlassen Europa und setzen über den Atlantik. Im späten 19. Jahrhundert gibt es dort eine radikale und organisierte Arbeiter:innenbewegung, geprägt von den unterschiedlichsten Einwander:innengruppen, Religionen und Hautfarben, oft war sie anarchistisch. Eine ihrer Akteur:innen war Lucy Parson, eine afro-amerikanische Organizerin und Anarcho-Kommunistin. Sie schrieb Artikel, hielt Reden, organisierte Genoss:innen, setzte sich für den 8-Stunden-(Arbeits)Tag ein und war Mitbegründerin der berühmten syndikalistischen Gewerkschaft in der USA, den Industrial Workers of the World, kurz: Wobblis. Sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Chicago, starb dort 1942 fast 90jährig. Die städtische Polizei hielt sie für „more dangerous than a thousand rioters“, selbst nach ihrem Tod muss das FBI noch voll Sorgen gewesen sein, vergriff es sich doch vorsorglich an ihrem gesamten Nachlass, der bis heute verschwunden ist. Im Jahr 1886 kam es, auch für Parson, zu einem folgenreichen Ereignis. Am 1. Mai protestierten streikende Arbeiter:innen, diese wurden von der Polizei angegriffen, ein Bombe explodierte in der Menge und es gab viele Dutzende Verletzte und Tote. Die Polizei verhaftete daraufhin sieben Männer, alle aktive Gewerkschafter und Anarchisten und verurteilte sie zu Tode, obwohl keine Verbindungen zum Bombenattentat nachgewiesen werden konnten. Einer davon war ihr Mann Albert Parson. Der 1. Mai gilt seitdem, in Erinnerung an Haymarket, als Kampftag der Arbeiter:innenklasse. Lucy Parson setzte sich ein Leben lang für die Rehabilitierung der Verurteilten ein. Im Oktober 1886 wurde sie zu den Aussichten des Anarchismus in den USA interviewt. Auf die Frage, wie der gesellschaftliche Wandel herbeigeführt werden kann, meinte sie, dass es eine revolutionäre Phase geben wird, in der der „letzte große Kampf der Massen gegen die Geldmächte“ stattfinden werde. „Geld und die Löhne, die sich jetzt im Besitz der Lohnklasse befinden, stellen das Nötigste zum Leben dar; nichts bleibt übrig, wenn die Rechnungen von einer Woche zur anderen bezahlt sind. Der Rest geht an die profitgierigen Klassen, und deshalb nennen wir das System Lohnsklaverei.“ Die Frage, ob sie friedlich verlaufen wird, beantwortet Parson: „Ich glaube nicht, denn die Geschichte zeigt, dass jeder Versuch, den Reichen und Mächtigen das zu entreißen, was sie haben, mit Gewalt gemacht wurde.“

Zabalaza in Johannesburg
Anders als beispielsweise Individualanarchist:innen sehen kommunistische Anarchist:innen eine höhere Notwendigkeit darin, sich politisch zu organisieren. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründeten sie sogenannte Plattformen. Bis heute werden diese immer wieder aufs Neue gegründet, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene, um gemeinsam im Sinne des kommunistischen Anarchismus zu wirken. Eine aktuelle plattformistische Gruppe ist die südafrikanische Zabalaza Anarchist Communist Front, kurz ZACF. Sie bekennt sich zur Idee der aktiven Minderheit, was so viel bedeutet, dass es nicht ihr Ziel ist, eine anarchistische Massenbewegungen aufzubauen oder soziale Bewegungen in eine solche zu transformieren, sondern sich als anarchistische Gruppe an sozialen Bewegungen zu beteiligen. So unterstützte die ZACF das Anti-Privatisation Forum oder die Landlosenbewegung (Landless People’s Movement) in Südafrika. Als es 2008 vermehrt zu rassistischen Pogromen kam, bei denen mehr als 60 Menschen getötet wurden, wurde die Coalition Against Xenophobia (CAX) gegründet, bei der ZACF ebenfalls eine wichtige Rolle einnahm. Es geht also nicht nur um die Verbreitung der Idee, sondern um politisches Engagement in sozialen Bewegungen und Arbeitskämpfen. In ihren Berichten und Darstellungen schreibt ZACF, dass es sich um eine kleine Gruppe handelt und es schwierig ist, Menschen für die Idee zu gewinnen. Die anarchistische Tradition ist in Südafrika vergessen. Begonnen hatte sie einst in den 1880er Jahren, als englische Emigrant:innen die Idee mitbrachten, beeinflusst von Kropotkin und dem kommunistischen Anarchismus. Und so reist eine Idee durch Zeit und Raum.

Literatur:
Kropotkin, Peter: Der anarchistische Kommunismus. Seine Grundlagen und seine Prinzipien, Berlin, 1922
Nettlau, Max: Die erste Blütezeit der Anarchie 1886 – 1894. Geschichte der Anarchie. Band IV.
Rosenthal, Keith: Lucy Parson. „More Dangerous Than a Thousand Rioters“, joanofmark.blogspot.com/2011/09/lucy-parsons-more-dangerous-than.html?m=1#_edn61
An Interview with Lucy Parsons on the Prospects for Anarchism in America, Published in St. Louis Post-Dispatch, Oct. 21, 1886, pzacad.pitzer.edu/Anarchist_Archives////////bright/lparsons/LParsonsInterviewStL.pdf
zabalaza.net

Die Serie in der Referentin ist auf Anregung von Andreas Gautsch bzw. der Gruppe Anarchismusforschung entstanden, siehe auch: anarchismusforschung.org

Die Referentin tippt

Die IG feministische Autorinnen versteht sich als Labor sowie Interessensgemeinschaft von und für feministische und gesellschaftskritische Autorinnen. Derzeit werden Online-Veranstaltungen für Autorinnen und Literaturinteressierte aus ganz Österreich angeboten.

Feministische Theoriegruppe, Online: Wer die Welt verändern will, muss sie verstehen! Deshalb befassen wir uns in unserer Theoriegruppe mit aktuellen feministischen Ansätzen, Themen und Strömungen und setzen uns mit feministischer Sprach- und Literaturwissenschaft auseinander.

Unsere Treffen finden jeden dritten Mittwoch im Monat von 12:00 bis 14:00 via JitsiMeet statt. Die Teilnahme am feministischen Lesekreis und der feministischen Theoriegruppe ist kostenlos.

Nächste Termine: 18. Jänner, 15. Februar
Anmeldung und Zugangslink zum Jitsi-Meet: support@igfem.at

www.igfem.at