Aggressive Peace

Das Sekretariat für Geister, Archivpolitiken und Lücken (SKGAL), Selma Doborac sowie Elke Auer & Yorgia Karidi stellen noch bis 8. Juni im Kunstraum memphis aus. Die Referentin versammelt hier Auszüge aus den Künstlerinnen-Texten und das kuratorische Statement von Christine Eder. Dem ist kaum mehr etwas hinzuzu­fügen – außer einem unbedingten Hinweis auf die Schau, die statt Betroffenheitsbekenntnissen lieber feministische, antikapitalistische und dekolonialisierende Perspektiven im eigenen Handlungsspielraum aufzeigt.

Jahrzehntelang war ein pazifistischer Grundkonsens die unantastbare Basis für Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in westlichen Gesellschaften. Was ist davon geblieben? Ausgehend von dieser Frage nähern sich fünf Künstlerinnen der fragilen Fiktion des Friedens. Der Forderungskatalog der internationalen Friedensbewegung dient dabei ebenso als Referenzraum, wie die antimilitaristischen Aktionen der Frauen- und Antikriegsbewegung der 1970er bis ’90er Jahre, Aspekte der binären Rollenzuschreibung in Konfliktsituationen, was es heißt, als Frau „nicht – friedvoll“ zu sein, der Einfluss von Bildsprache und Propaganda und die immerwährende Frage, in welcher Welt wir eigentlich leben wollen. Die unterschiedlichen künstlerischen Zugänge ergänzen sich durch Gegenüberstellung von Archivmaterial und aktuellen Perspektiven und über allem schwebt die Frage nach der individuellen Handlungsfähigkeit. Einmal mehr wird deutlich, dass es Frauen* sind, die in Auseinandersetzungen als erste zum Schweigen gebracht werden sollen, einmal mehr zeigt sich, dass es gerade Frauen*stimmen sind, die immer wieder aufs Neue die Notwendigkeit von Widerstand gegen autoritäre Strukturen, Krieg und Gewalt einfordern. Die internationale Friedensbewegung fordert seit den 1880er Jahren weltweite Abrüstung, internationale Schiedsgerichtsbarkeit und ein effizientes Völkerrecht. 1920 nahm in Genf der Völkerbund seine Arbeit auf, seit 1945 erreichte unter dem Eindruck der Weltkriege und des Vietnamkriegs der zivilgesellschaftliche Druck für friedliche Konfliktlösungen einen Höhepunkt, und Ende der 1960er war „Make love not war!“ die Parole einer ganzen Generation und von globalem pazifistischen Impact. Friedens- und Abrüstungsabkommen wie SALT I und der Atomwaffen-Sperrvertrag wurden errungen und mit der Auflösung der Blockstaaten und dem Ende des Kalten Kriegs schien „immerwährender Friede“ – zumindest in westlichen Demokratien – gesichert. Doch Golf- und Irakkrieg führten in eine friedenspolitische Sackgasse und inzwischen ist der Typus konventioneller Kriege zwischen verfeindeten Nationen in den Hintergrund getreten. Seit 9/11 wurden – als „Terrorismusbekämpfung“ – neue Formen des militärischen Kampfes legitimiert. Es geht dabei nur scheinbar um ideologische oder religiöse Deutungshoheit; nach wie vor dreht sich alles um territoriale Vormachtstellung, Wasser, Land und Bodenschätze. Das Erbe der Kolonialgeschichte und die uneingelöste Verheißung globalen Friedens stellen unser privilegiertes Selbstverständnis in Frage. Zugleich werden in der westlichen Zivilgesellschaft Zweifel am Pazifismus laut. Es wächst die Akzeptanz für autoritäre Strukturen, die Forderung nach Aufrüstung und die Sehnsucht nach dem „starken Mann“. Seit Donald Trumps Vertragsausstieg am 1. Februar 2019 sind die bilateralen Abkommen zur weltweiten Abrüstung Geschichte, und nach nicht einmal 40 Jahren ist der Einsatz von Atomwaffen auf europäischem Boden nicht mehr denkunmöglich. Die Forderungen der Internationalen Friedensbewegung sind aktueller denn je. (Text: Christine Eder)

SKGAL: ENTRÜSTET EUCH
SKGAL, das Sekretariat für Geister, Archivpolitiken und Lücken, arbeitet mit Flugblättern aus STICHWORT, dem Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung in Wien, die für feministische Friedensaktionen produziert wurden. Die Flugblätter aus dem Zeitraum von 1979 bis 1992 zeigen die starken Überschneidungen von feministischen Gruppen mit verschiedenen Friedensbewegungen in Europa. Vom Norden in den Westen, vom Süden in den Osten, von Konzerten zu Camps, von Informationsabenden zu Demonstrationen, von Quizzes, Friedensliedern, Stammtischen bis Friedenszügen belegen sie vielfältige Aktionen und Strategien in der Forderung nach weltweitem Frieden. Sie verweisen in die Vergangenheit und ermöglichen Ausblicke in die Zukunft. STICHWORT wurde 1983 gegründet, in einer Zeit, in der sich die Friedensbewegung in Europa von Neuem mobilisierte. Der NATO-Doppelbeschluss von 1979, der die Aufstellung neuer Atomraketen in Westeuropa legitimierte, war einer der Auslöser. Der Rüstungswettlauf zwischen den NATO-Staaten und der Sowjetunion nahm in den achtziger Jahren neue Fahrt auf. Die Flugblätter aus dem Archiv veranschaulichen das vielfältige Engagement für den Frieden, die Anliegen, Forderungen und Mittel des Protests, oft über nationalstaatliche Grenzen und Sprachbarrieren hinaus. Zugleich verdeutlichen die Dokumente die Bedeutung des STICHWORT-Archivs selbst: Das Sammeln und Zugänglichmachen ermöglicht erst die Beschäftigung mit all den Geschichten des Widerstands und des Protests.

In der Installation von SKGAL werden Schwarz-Weiß-Kopien der Flugblätter an den Wänden und Fenstern des Kunstraum Memphis angebracht. Sie vermitteln die ästhetische und thematische Vielfalt unterschiedlicher Aktionen der Friedensbewegung. Eine Auswahl der Dokumente wird genauer unter die Lupe genommen: Farbfotografien der Flugblätter und Texte in Posterformat von SKGAL sowie von Archivarinnen, Theoretikerinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen, mit denen SKGAL sich schon länger im Austausch befindet, zeigen Perspektiven und Fragestellungen für die Gegenwart auf. Drei Poster aus Großbritannien, die Friedensaktionen ankündigen, hinterlassen bei der Archivarin und Designerin Ego Ahaiwe Sowinski aufgrund ihrer ungebrochenen Aktualität ein unheimliches Gefühl und lösen Fragen zu Frieden und Archiven aus. Die Archivarin und Theoretikerin Margit Hauser schreibt über Collagen auf einem der vielen Flugblätter der Frauenbewegungs- und Friedensaktivistin Hermi Hirsch und darüber, wie das Flugblatt – zweimal in Rot, einmal in Grün – zu STICHWORT kam. Hirschs Wiener Innenstadtbeisl war von 1978 bis 1983 auch Treffpunkt ihres Vereins Frauen für den Frieden Wien. Eine Ankündigung der Initiative für den kroatisch-serbischen Friedensdialog lädt dazu ein, über die Bilder des Krieges „samt dazu aufgebaute Feindbilder“ nachzudenken. Das Flugblatt zum „Informationsabend für Frauen“ in Graz aus dem Jahr 1992 ruft bei der Theoretikerin und Aktivistin Lina Dokuzović eigene Erinnerungen an den Krieg wach. Sie stellt aktuelle Formen der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine solchen zum Krieg im ehemaligen Jugoslawien gegenüber. SKGAL verbindet die Frage „WO SEID IHR 99,98%?“ auf dem Flugblatt der Frauen für den Frieden in Innsbruck mit dem Manifest „Ein Feminismus für die 99%“ von Cinzia Arruzza, Nancy Fraser und Tithi Bhattacharya aus dem Jahr 2019 und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Verschränkung von Krieg und Kapitalismus. Anhand von Flugblättern der Blockadegruppe, die sich während des Golfkriegs 1991 an Protesten gegen den Transport von US-Panzern durch Tirol beteiligte, zeigt die Archivarin Sassy Splitz, dass das, was hier passiert, mit Kriegen andernorts zu tun hat. Wie sie meint, ist diese Erkenntnis ein wichtiger Schritt, um handlungsfähig zu werden. In einer Zeit, in der auch in Europa wieder bewaffnete Auseinandersetzungen stattfinden, lädt SKGAL dazu ein, in die Quellen der Geschichten der Friedensbewegung einzutauchen. Die Formen der Verbreitung und die Schwerpunkte der Forderungen haben sich über die Jahrzehnte geändert, doch angesichts der gewaltvollen Konflikte – deren destruktivste Form der Krieg ist – stellt sich die Frage, wie Frieden für alle erreicht werden kann mehr denn je. (Text: Nina Höchtl & Julia Wieger, SKGAL)

Elke Auer & Yorgia Karidi: LEAKING VESSELS
LEAKING VESSELS or the Fear of Feminine-sounding voices begann vor zwei Jahren in Athen als Gespräch zwischen Elke Auer und Yorgia Karidi und entstand aus dem Wunsch, den historischen und kulturellen Kontext zu verstehen, in welchem das Dasein als weiblich klingende Stimme in der Welt als unerträglich wahrgenommen wird.  Das Motiv der Frau als undichtes Gefäß, nass, instabil und unfähig, sich selbst einzudämmen, undicht in stimmlicher, somatischer, emotionaler und sexueller Hinsicht, zieht sich durch die gesamte griechische Literatur. Im Gegensatz zur trockenen Stabilität und verbalen Kontinenz der Männer und dem männlichen Tugend-Konzept der „Sophrosyne“, wie Anne Carson in ihrem großartigen Text „The Gender of Sound“ beschreibt. Doch ein getrocknetes Tongefäß, das mit Wasser gefüllt wird, zerbricht irgendwann und wird wieder zu weichem, formbarem Dreck – eine Lektion in der Auflösung starrer Formen, die in Kriegszeiten umso dringlicher erscheint, wenn wieder einmal längst überholte Geschlechterrollen greifen und zementiert werden, und dabei den Menschen aller Geschlechter ungemein schaden.

[…] In diesem Projekt geht es um den Versuch, die Angst davor, eine weibliche Stimme in der Welt zu sein, zu überwinden, und die Tür vor dem Mund aus den Angeln zu heben. Denn wir wollen nicht von innen heraus erschlagen werden, von unserer verrückten, heißen Wahrheit. Wir wollen lieber lernen, die Nervosität, den Schweiß und das Erröten zu akzeptieren und diesen Ausbruch körperlicher Manifestationen als feministische Kritik begreifen. Es geht darum, die Tradition geschlechtsspezifischen Sprechens zu brechen. Mary Beard schreibt in ihrem Buch „Women & Power“: „When it comes to silencing women, Western culture has had thousands of years of practice.“ Sie weist auch auf das erste aufgezeichnete Beispiel hin, in dem ein Mann einer Frau sagt, sie solle den Mund halten: Telemachos in Homers Odyssee, der seiner Mutter Penelope befiehlt, die Klappe zu halten und zurück in ihre Gemächer zu gehen, zurück an ihren Webstuhl, zurück an ihre Arbeit, denn „das Reden ist Sache der Männer, aller Männer, und vor allem von mir; denn ich habe die Macht in diesem Haus.“ Für Yorgia Karidi beginnt der Hauptteil ihrer Arbeit mit dem genauen Hinhören auf die Stimme, auf dieses einzigartige Musikinstrument mit der Fähigkeit, unermessliche Qualitäten zu übertragen. […] Für LEAKING VESSELS hat sie sich mit der Tradition des mediterranen Klageliedes und mit Lamento-Arien aus Opern mitteleuropäischer Komponisten beschäftigt. Die hohen Stimmlagen, traditionell Frauen* zugeschrieben, weckten in ihr die Lust, diese höchsten Töne des Gesangsspektrums selbst zu erreichen. In einem langwierigen Prozess begann sie, sich die Arie „Poveri Fiori“ für Sopranstimme aus der Oper Adriana Lecouvreur, von Francesco Cilèa anzueignen und dokumentierte ihre täglichen Fortschritte mit Aufnahmen. Der langsam erarbeitete Zugang zu den höheren Tönen, das Wachstum ihrer Stimme, das kontrollierte Loslassen und Entladen fühlte sich ermächtigend an.   […] Im Verlauf der Eröffungsperformance wurden 22 ungebrannte Gefäße mit Wasser gefüllt und haben sich nach und nach aufgelöst um ihren flüssigen Inhalt freizugeben, zu zerbrechen, in sich zusammenzufallen und alles zu überschwemmen. Genau so, wie es feministische Killjoys zu tun pflegen, Zitat Sara Ahmed:  „Feminist killjoys tend to spill all over the place. What a spillage. Feminist killjoys: a leaky container. And so: Be careful, we leak.“ (Text: Elke Auer & Yorgia Karidi)

Anmerkung, Referentin: Im Laufe der Eröffnungsperformance konnten die Besucher:innen außerdem Yorgia Kadiris Stimme und „Poveri Fiori“ lauschen.

Selma Doborac: Fassaden-Installation
Am 22. Februar 1993 beschließet der UN-Sicherheitsrat die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien (ICTY). Selma Doborac präsentiert einen Auszug aus einem der Gerichtsprozesse im Fall Srebrenica. Der Auszug aus dem Gerichtsprotokoll stammt aus dem Fall IT-98-33-T, Gegenstand ist das Kreuzverhör durch den Vertreter der Anklage/Ankläger; der Angeklagte als Zeuge in eigener Sache. Der Prozess umfasste 98 Verhandlungstage. Die Anklage rief 65 Personen in den Zeugenstand. Die Ankläger legten insgesamt 910 Beweisstücke vor. Der Angeklagte wurde gemäß Artikel 18 des Statuts des ICTY angeklagt, sich des Völkermordes, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen schuldig gemacht zu haben. Der präsentierte Auszug stammt aus dem Prozesszeitraum Oktober/November im Jahr 2000. Dieser Prozess diente als Grundlage und Muster zukünftiger Prozesse und Anklagen im Fall Srebrenica. […] (Text: Selma Doborac)

Christine Eder ist unter anderem Kuratorin im Kunstraum memphis.
SKGAL, Nina Höchtl & Julia Wieger: skgal.org
Elke Auer & Yorgia Karidi: vookoov.net, yorgiakaridi.com
Selma Doborac: www.sixpackfilm.com/de/catalogue/filmmaker/5016/

Aggressive Peace
Noch bis 8. Juni Kunstraum Memphis, Linz
memphismemph.is

DIE BETRACHTERIN. Foto Margit Greinöcker

Frauenbilder im Mariendom

Mächtig erscheinen die Glasfenster des Linzer Mariendoms und ebenso mächtig auch so manche männliche Figur, die auf den Fenstern zu sehen ist. Wie aber sind hier die Frauen dargestellt? Im Dom rücken die Künstlerinnen Zoe Goldstein und Margit Greinöcker die Frauenbilder ins Zentrum. Silvana Steinbacher hat sich das Projekt angesehen.

Die Lichtspiele in den Glasfenstern, die Stille und der Raum einer Kirche lösen in mir eine beruhigende und meditative Wirkung aus. Kürzlich aber hat sich meine Wahrnehmung und mein Blickwinkel im Linzer Mariendom im wahrsten Sinn des Wortes erweitert und das kam so:

DIE BETRACHTERIN
Bei einer Ausstellungseröffnung im April im Dom wurde das Projekt DIE BETRACHTERIN der Linzer Künstlerin Margit Greinöcker präsentiert. Wie wirken die Frauenbilder auf den Fenstern, wie verhalten sie sich darauf, erscheinen sie stark, selbstbestimmt oder nehmen sie eher eine Statistinnenrolle ein? Margit Greinöcker fokussiert in ihrem Projekt die weiblichen Verkörperungen in verschiedenen Perspektiven. Aus der Fülle an Abbildungen, Geschichten und Erzählungen zoomt sie mit Hilfe von Fernrohren einzelne Frauen heran und bringt sie so den Betrachtenden im wahrsten Sinn des Wortes nah, verleiht ihnen dadurch Größe. Doch damit nicht genug, die Künstlerin ergänzt ihre künstlerische Zugangsweise durch eine wissenschaftliche und zielt auch auf den Blick von außen. Neun Expert:innen aus verschiedenen Fachrichtungen nehmen mit aktuellen Recherchen an dem Projekt teil und schärfen so das Bild der Frauen im Dom. Im Abstand von zwei bis drei Monaten sollen die gezoomten Ausschnitte jeweils durch neue ersetzt werden. Die Texte der Recherchen können die Besuchenden des Doms auf einer Pyramide lesen, durch ein Okular ist das jeweilige Frauenbildnis zu betrachten. Bereichernd erscheint mir, dass die Expert:innen in den Texten auch zu anderen Bezugspunkten assoziieren können, dazu ein Beispiel: In einem der Glasfenster ist die Heilige Valeria, so wie meistens, an der Seite des Heiligen Florian zu sehen. Dargestellt ist sie mit den Gesichtszügen eines Chorherrn. „Davon ausgehend erinnert ein Text an die Heilige Kümmernis, die auch Fragen nach der Queeridentität aufwirft. In den Heiligenlegenden finden sich immer wieder genderfluide Erzählungen auf Bildern“, sagt Margit Greinöcker.
Die Heilige Kümmernis fällt nicht nur aufgrund ihrer Widersetzlichkeit, sondern auch aufgrund ihres Aussehens auf. Ihr Vater, ein heidnischer König, wollte seine zum Christentum bekehrte Tochter zu einer Heirat zwingen. Dagegen wehrte sie sich. Ihre inständigen Gebete, verunstaltet zu werden, um dieser Heirat mit einem Heiden zu entgehen, wurden erhört: Ihr wächst ein Bart. Der erboste Vater ließ sie daraufhin ans Kreuz schlagen. Die frühesten Darstellungen aus den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts zeigen sie als junge Frau, bärtig und gekrönt, mit deutlich weiblichen Gesichtszügen und Körperformen, in langem Rock und mit Stricken ans Kreuz gebunden.

Licht. Schatten. Dasein
Das Gesamtprojekt startete bereits vor einiger Zeit, seit zweieinhalb Jahren beschäftigen sich Studierende der Katholischen Privat-Universität Linz mit der Darstellung von Frauenbildern im Mariendom. Dieses interdisziplinäre Seminar leiten die Architekturhistorikerin Anna Minta und die Theologin Martina Resch. Die knappe, aber sehr informative Broschüre Licht. Schatten. Dasein wurde erarbeitet. Das Vierer-Team Margit Greinöcker, Anna Minta, Martina Resch und Zoe Goldstein, von der noch die Rede sein wird, bildet sich für das Projekt DIE BETRACHTERIN und DIE DARSTELLERIN.
Auch die Forschungen an der Universität bestätigen, was viele schon vermuteten: Die Frauenbilder im Mariendom verfestigen die hierarchische Ordnung zwischen den Geschlechtern, Frauen werden in althergebrachten Rollen gesehen, sie erscheinen meist nur marginal, spielen quasi eine Statistinnenrolle, körperlich sind sie klein und stehen in der zweiten Reihe. Die Betrachtenden könnten also den Schluss ziehen, die Frauen dienten nur dazu, die dargestellten Männer in ihrer Welt zu unterstützen. Dieses Großprojekt, das die Frauen in den Mittelpunkt rückt, verleiht ihnen Identität, laut und vernehmlich scheinen sie zu behaupten: „Hier bin ich.“

Die Glasfenster
Die Größe der 42 Fenster des Lang- und Querhauses des Linzer Mariendoms ist dabei beeindruckend: 18 m2 messen die unteren, 26 m2 die oberen Fenster. Sie überraschen durch ihre für Kirchenfenster unüblichen Farben und die Abbildung realer Menschen.
Die Bildfenster des Linzer Mariendoms sollten neben biblischen Motiven auf Wunsch des damaligen Bischofs Rudolph Hittmair im Jahr 1910 „Land und Leute“ zeigen, gewissermaßen die Region widerspiegeln. Doch was die Frauendarstellungen betrifft, so sind in den Fenstern eher entindividualisierte Frauen zu sehen, teils auch die Heilige Familie. Die Abbildungen haben mit der Realität des beginnenden 20. Jahrhundert in Oberösterreich und Linz – ich denke etwa an das hauptsächlich weibliche Arbeiter:innenproletariat in den Tabakfabriken – wenig zu tun.

DIE DARSTELLERIN
Die Fotografin Zoe Goldstein transferiert mit ihrem Projekt DIE DARSTELLERIN fotografisch und in Form eines Modells die historische Glasfenster-Darstellung Pilgerfahrt II mit neu verteilten Rollen ins Heute. Sie vertauscht dabei die Geschlechterrollen und betrachtet dadurch die Rollenzuweisungen in Gesellschaft und Kirche. Bei ihrem Projekt soll die männliche Dominanz in eine weibliche Bildsprache übersetzt werden.
Ausgehend vom Glasfenster Die Pilgerfahrt II entwickelt Goldstein eine Kulisse, die zum fotografischen Hintergrund für die Neuinszenierung des Sujets wird.
Zoe Goldstein baut dazu die Pilgerfahrt II-Darstellung dreidimensional in einem Glaskasten nach, sie stellt das Motiv anhand einer Fotografie im Studio nach und nimmt einen Geschlechtertausch vor. So sind bei Zoe Goldstein viele Frauen und zwei Männer und nicht wie auf der Abbildung im Dom viele Männer und zwei Frauen zu sehen. Die Personen auf ihrer Arbeit, die sie im Dom aufbaut, tragen zeitgenössische Kleidung. Die Szenerie des Originals wird neben der Fotografie als begehbare Kulisse aufgestellt. Präsentiert wird DIE DARSTELLERIN im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen am 10. Juni und auch bei der Langen Nacht der Bühnen einen Tag später.

Eine Anmerkung zum Schluss: Wussten Sie eigentlich, dass aufgrund einer kaiserlichen Verordnung der 1924 nach 62-jähriger Bauzeit eingeweihte Linzer Mariendom zwei Meter niedriger errichtet werden musste als der Wiener Stephansdom? Mit einer bebauten Fläche von 5851 Quadratmetern ist der Linzer Dom aber die größte Kirche Österreichs.
Um Größe, Macht und Dominanz entsteht anscheinend unweigerlich und überall ein Wettkampf. Und das ist, so wie in vielen Bereichen, auch heute noch zwischen den Geschlechtern so. Dieses Großprojekt lässt die Frauenbilder wachsen und erstarken, sie werden dargestellt und betrachtet, vergrößert, erforscht und es wird wohl nicht nur kirchliche Vertreterinnen ermuntern, selbstbewusst zu äußern: Hier bin ich.

 

Frauenbilder im Mariendom: Broschüre: Licht. Schatten. Dasein Download: ku-linz.at/fileadmin/user_upload/FB_Kunstwissenschaft/Personen/Material_Minta/2021_LichtSchattenDasein_hg._Minta_Resch.pdf

Margit Greinöcker DIE BETRACHTERIN

Zoe Goldstein DIE DARSTELLERIN

Linzer Mariendom
Präsentation im Rahmen der Langen Nacht der Bühnen Mariendom
11. Juni 2022, 20:00 Uhr
Inszenierung eines Textes von Maynat Kurbanova mit Musik unter der Leitung von Elena Pierini Talk zum Thema Freiheit des Aufbruchs und Zwang zur Flucht im Dom

Margit Greinöcker ist mit ihren künstlerischen Positionen im In- und Ausland aufgefallen. Sie spannt in ihren Arbeiten einen Bogen von temporären Bauten oder ortspezifischen Handlungen bis zu experimentellen und dokumentarischen Videoproduktionen und rückt sehr oft feministische Themen ins Zentrum ihrer Arbeiten, zuletzt war sie in Linz durch das Projekt WALK OF FEM auf der Ernst-Koref-Promenade präsent.

Zoe Goldstein ist Portraitfotografin. Die Rolle der Geschlechter sowie die der stereotypen Körpersprachen sind wiederkehrende Motive und Themen in ihren Projekten.
„Mich faszinieren die Fragen der Wirkung und Auswirkung von Bildern: Inwieweit werden Frauen sichtbar, inwiefern hat sich das Bild, die Geschlechterrolle im Lauf der Zeit verändert?“, sagt Zoe Goldstein.

Die kleine Referentin

© Terri Frühling – Danke an Wolfi Fuchs

Klangneukirchen

Im August verwandelt sich Gallneukirchen zu Klangneukirchen. Zu verdanken ist das den Nahversorger:innen des Kulturvereins Klangfolger, die das Klangfestival veranstalten. Galli, wie es der Volksmund so schön verniedlicht, ist damit ein weiteres „Nest der Unbeugsamen“ im unerschütterlichen Pool der Mühlviertler Gegenkultur. Es reiht sich damit in eine illustre Schar von Dörfern ein wie O-Heim (OTTO), Ulrichsberg (Jazzatelier) oder gar Schwertberg (mit seinem „verflossenen“ Kanal). Gallische Dörfer, in denen auch Obelix seine Wildschweine zur widerborstigen Musik verschlingen würde. Sagt Christian Wellmann.

2008 beginnen sie, unter dem Namen Klangfestival auf einem Bauernhof in Galli neben dem Festival kleine Konzerte, Lesungen oder Performances zu veranstalten. Acht Jahre später entsteht die Möglichkeit, in einen Leerstand im Ort reinzukommen – der Nähstand, wo früher eine Nähstube drinnen war. Dieser wird Klangfolger genannt, was im weiteren zur Umbenennung des Vereins führt, der zusätzlich Kooperationen und Aktivitäten im experimentellen Kunstfeld betreibt.
Klangfolger ist der Überbegriff, der sich übrigens vom biologischen Terminus Kulturfolger herleitet: So werden Tiere bezeichnet, die der Zivilisation folgen. „Wie ein Fuchs, der in die Stadt rennt, weil er dort Essen findet. Wir suchen auch unsere Nischen und Leerstände, die wir bespielen können“, erklärt Thomas Auer vom Klangfestival-Team. Leerstände sind ein zentraler Punkt in ihren Aktivitäten. „Das Thema Leerstand nach Gallneukirchen zu bringen, war uns immer wichtig. Jetzt ist es ein prominentes Thema – wie geht man damit um? Speziell mit Klangfolger, wo wir den Leerstand der alten Nähstube genützt und in drei Monaten dreizehn Konzerte gemacht haben. Und damit viele Leute dazu gebracht haben, vorbeizuschauen. Das hat viele überrascht. Und den Leerstand zu aktivieren, hat im Ort tatsächlich was gebracht.“ Der Kulturverein lebt vom Kommen und Gehen, dem Austausch der Leute, die ihm Leben einhauchen. Der Großteil der Gruppe stammt aus der Stadtgemeinde, nun verstreut als Galli-Linz-Wien-Connection. Inzwischen umfasst das Kernteam 14 Leute, die in unterschiedliche Arbeitsgruppen und Kuratorien aufgeteilt sind. 20 bis 40 helfen dazu vor Ort. Die Musikauswahl ist aber nach wie vor ein kollektiver Prozess. Der experimentelle Kunstzugang eint, „trotzdem hat jeder seinen eigenen Zugang zur Kunst. Das clasht alles gut zusammen“, so Bernhard „Bune“ Forstenlechner, ein weiteres Teammitglied.

Die jeweiligen Klangfestivals stehen unter einem Motto, vermischen immer neue Kunstdisziplinen und toben sich experimentell aus. co/op, die 2022er-Ausgabe im August, wirft die Frage auf, wie Kollektive arbeiten. „Das ist kein Leitmotiv im klassischen Sinn, sondern steht für uns als Überthema, weil wir nicht nur das Festival haben, sondern auch Zines und vieles mehr. co/op ist der Abschluss einer Reihe, die zwischen Solidaritätsbegriff und Angst (in einer schrägen Gesellschaft) schwankt. co/op ist schlussendlich als Begriff von der Gaming Szene ausgeborgt“, so Auer.
Von Freejazz bis Popmusik, sind die elf auftretenden Acts experimentell und noisy – „eine flashige Bandbreite“, wie das Klangfolger-Team betont. An dieser Stelle soll jetzt nicht näher auf das Musikprogramm eingegangen werden: Informationen dazu bitte der Webseite entlocken, die das sowieso besser verdeutlicht. Sondern es geht hier um das größere Ganze: Eröffnet wird in der alten Feuerwehrhalle und am Samstag im alten Hallenbad – zwei weitere Leerstände, die der Verein nützt. Zum Rundherum sei nur so viel verraten, dass neben performativen Interventionen einige Überraschungen passieren werden, die den Festivalablauf bewusst stören. Nach den Konzerten kann man nicht sicher sein, ob sie wirklich vorbei sind. Musik steht heuer noch mehr im Mittelpunkt. Das beim zweitägigen Festival präsentierte Computerspiel und das Zine beziehen sich auf die Musik. Alles ist diesmal aber mehr zusammengesponnen als sonst.
Gerade wird ein Computerspiel entwickelt, ein zentraler Part im Gesamtkonzept – am Festival wird es den ersten Prototypen von „Klangfenigma“ geben. „Das ist alles irgendwie zufällig entstanden, während der Pandemie. Da ist das Gaming wieder zentral geworden und irgendwann ist die Lust aufgekommen, ein eigenes Spiel zu entwickeln. Es ist ein Konzept entstanden, wie wir das mit dem Klangfestival verbinden können. Sechs Leute sind involviert, vom Sound- über Grafikdesign bis zum Programmieren“, beschreibt Thomas Auer das Tool, das das Kollektive und das Organisieren des Festivals in ein Computerspiel packt. Dazu wird Galli mit den Locations in 3-D nachgestellt. Die Spieler:innen halten sich dort als Kulturverein auf und müssen alles meistern, was Kulturarbeit so süß und zäh mit sich bringt – vom Förderansuchen bis zum Bandchecken.
„Man kann eigentlich schon sagen, dass wir ein ‚Artsy-Fartsy-Festival‘ sind, aber schon noch ein bisserl Punk. Trotzdem mit Punk im Herzen“, sieht das Auer mit einem Zwinkern. „Im Herzen immer Punk, auch wenn der Kopf was anderes sagt“, ergänzt Marlene Haider, vom Zine-Redaktionsteam. Das Zine umfasst eine Arbeitsgruppe von fünf Leuten und erscheint zum vierten Mal seit 2019, prinzipiell immer zum Festival. Hand- und selbstgemacht, unterscheiden sich die Inhalte fast schon radikal zur Vornummer. Eine vielfältige Mischung aus Bild/Illustration und Text – literarisch oder theoretisch. Auf der Suche nach immer neuen experimentellen Verknüpfungen. Und mit aufwändigen Techniken gedruckt, wie die 2021 erschienene Riso-Ausgabe („SYN:COPE“). „Manchmal sind wir wahnsinnig“, schmunzelt Haider, die für das Zine-Kuratorium zuständig ist. „Die ersten drei Hefte waren Open Call, das neue ist kuratiert. Wir versuchen jetzt mehr Künstler:innen vom Festival einzubauen.“ Im Zuge der Präsentation sind außerdem Performances beim Festival geplant. Die limitierten Zines sind über ihre Webseite zu beziehen.

„Wie sieht das Ganze eigentlich der Ort?“, fragt die Referentin in die Runde. „Vor dem Machtwechsel in Galli war das schwierig, da hat es schon politische Querelen gegeben. Nun gibt es erstmals einen SPÖ-Bürgermeister. Wir sind zwar nicht angefeindet worden, haben aber gerne provoziert. Wir haben reklamiert, wir brauchen ein Kulturzentrum, Leerstände, etc. Von der Bevölkerung werden wir eher gut aufgenommen. So haben wir 2018 eine Künstlerin gehabt, die eine ‚Jodel-Performance‘ mit Leuten von Galli im Ortszentrum gemacht hat“, so Auer. „Für manche wirkt das sicher so, als ob einmal im Jahr ein Ufo landet und wieder verschwindet. Aber wir hinterlassen auch Sachen – wie die Leerstände. Am Festival entsteht kein ‚Bubble Feeling‘, die Hälfte vom Publikum ist aus Gallneukirchen. Viele Leute, die zum ersten Mal improvisierte Musik hören und das dann cool finden. Die Stimmung ist speziell, das sagen die meisten.“
Ähnliches hebt Marlene Haider hervor: „Leute vom Ort, die sagen, dass sie sich darauf freuen – oder: Gibt’s wieder so was Schräges wie mit der Harfe? Es ist total schön, wenn man die Leute mitnehmen kann. So ist sogar das lokale Fußballteam (‚Die Galliatoren‘) einmal dazugestoßen.“ Bernhard Forstenlechner erinnert sich an einen ganz speziellen Auftritt: „Es war schon immer unsere Idee, eine New-Orleans-Brass-Band-Geschichte zu haben. Gegipfelt ist das 2019 in Vabrassmas, mit dem Gigi Gratt und seiner Partie. Ein Brass-Festivalzug vom Hauptplatz weg, der super im Ort aufgenommen worden ist. Wir sind da und laden euch ein, marschiert’s mit uns mit.“ Anfangs wurde noch in der Schulküche selber gekocht – doch Rehwürstel vom regionalen Jäger und syrische Küche, die später geboten wurden, dürften nicht nur Obelix eher zusagen …

Um in der kargen Pandemiezeit kulturell am Ball zu bleiben, entstand 2021 die Idee vom Klangfestival on Tour: „Wir haben wegen Planungsunsicherheiten überlegt, kein herkömmliches Festival zu machen. Das war uns zu unsicher, daraus entstand der Gedanke, auf Tour zu gehen. Je einen Abend in Wien, Linz und Galli zu machen. Und das Festival damit auf drei Orte zu verstreuen. In Wien haben wir außerdem einen Zweigverein gegründet, die Klangfolgerin“, so Forstenlechner. „Naiv wie wir sind, haben wir gedacht, dass das weniger Arbeit wird … Es war aber ein sehr intensiver Sommer. Schön, aber intensiv“, findet Haider.
Fast schon zum Drüberstreuen gibt es noch eine 5-CD-Box („remote“) von Artists, die bei den Festivals dabei waren: Konzertaufnahmen und exklusive Premieren. Schon seit den Anfangstagen ist ein eigenes Label geplant – mit Klangfolger-Records haben sie sich damit quasi selbst beschenkt. Es werden weitere Tonträger folgen, so werden alle Liveshows aufgenommen – eine Schallplatte wäre ein feines Ding, sprengt aber noch das Budget.
Mittlerweile hat man sich über die Jahre hinweg mehr professionalisiert und immer mehr Sponsoren gefunden. Besonders spannend ist ein neues Klangfolger-Projekt, das als fixe Kultureinrichtung in Galli geplant ist. „Wir haben auch um EU-Gelder angesucht. Also eine Leader-EU-Basisförderung für einen Leerstand, das alte Hallenbad, das quasi ein Kulturzentrum werden soll. Das Festival wird am Samstag in diesem Bad eröffnet. Es steht seit 2013 leer – seit Jahren versuchen wir, dort reinzukommen. Jetzt ist es endlich so weit, es wird erstmals bespielt“, erklärt Thomas Auer die ambitionierten Pläne des Zwischennutzungsprojekts, das danach permanent genutzt werden soll. Neben dem (bereits eröffneten) Alten Bauhof in O-Heim und der Schießhalle in Linz ist das eine weitere Kulturinstitution, die hoffentlich bald für verschärfte gallische Verhältnisse sorgen wird. Fahr nicht fort, sauf im Ort – oder, besser: Klang im Ort und alle sind dort.

Klangfestival // co/op
19./20. August 2022
Gallneukirchen
klangfestival.at

Anreise: Öffentlich gut erreichbar mit Bus vom Bahnhof Linz, Shuttle zurück nach Linz. Gratis Campingplatz. Festivalpass zu korrektem Preis.

Früh. Kraut. Deal.

Der Dude kümmert sich wieder mal um Randgruppen. Also kulinarische oder präziser formuliert pflanzliche Randgruppen. Während aufgeregte HobbyköchInnen und saisonbewusste ProfessionistInnen sich im Spargel ergehen, Erdbeeren ohne Ende servieren, dem Rhabarber huldigen oder Löwenzahnsalat als heißen Scheiß abfeiern, erfreuen sich die wahren Genuss-SpezialistInnen am zarten Kraut. Genauer gesagt am Frühkraut, das ab Mai unsere Gaumen und unsere Herzen berührt. Zart im Geschmack, aber dennoch mit unverkennbarer Krautnote ausgestattet, bietet es eine mannigfaltige Varianz an Zubereitungsmethoden und Serviervorschlägen. Der Dude bietet hier drei seiner Rezeptfavoriten.

Frühkrautcoleslaw
Ingredienzien:
1 Frühkraut
1 Bund Frühlingszwiebeln
2 große Karotten
5 EL Weißweinessig
5 EL Sauerrahm
5 EL Mayonnaise
½ Zitone Salz und Pfeffer
Frühkraut fein schneiden und Karotten fein hacheln, Frühlingszwiebel mit Messerrücken anklopfen und dann fein schneiden. Essig, Rahm mit Mayonnaise, Salz, Pfeffer und dem Saft einer halben Zitrone verrühren und mit Kraut- und Karottenstreifen sowie den feinen Frühlingszwiebeln vermengen. Mindestens 2 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen.
Pimp my slaw: Eine einfache, aber äußerst schmackhafte Variante erhält man durch Beimengen von 1 EL geröstetem Sesamöl, frischem Ingwer und schwarzem Sesam.

BBQ-Frühkraut
Ingredienzien:
1 Frühkraut
1 TL Pulver vom geräucherten Paprika
2 EL Öl mit möglichst neutralem Geschmack (Rapsöl, Sonnenblumenkernöl) Salz & Pfeffer
Frühkraut halbieren und mit der Schnittkante auf den Grill legen (alternativ Grillpfanne). Die Temperatur sollte zu Beginn nicht zu hoch sein, um das Kraut etwas anzugaren. Währenddessen Öl, Paprikapulver mit Salz und Pfeffer vermengen. Kraut 1x wenden und die Oberseite etwas angaren. Anschließend bei hoher Hitze die Unterseite anrösten. Dann vom Grill nehmen und mit der Ölmischung einpinseln. Fertig. Dazu frisches Roggenbrot und als Dip den Rest vom Öl-Paprikagemisch mit etwas Mayonnaise verrührt.

Flammkuchen mit Frühkraut und Nüssen
Ingredienzien:
750g Brotteig (idealweise der eigene Sauerteig)
1 Frühkraut
1 rote große Zwiebel
1 Becher Sauerrahm
3 El Olivenöl
1 Hand voll Nüsse (Walnüsse, Pekan …)
Salz und Pfeffer
Frühkraut fein schneiden, Zwiebel noch feiner schneiden und mit Salz, Pfeffer, 2 EL Öl vermengen und mindestens 1 Stunde ziehen lassen. Währenddessen Rahm mit 1 EL Öl und Salz/Pfeffer vermengen, Teig auf Blechgröße ausrollen, die Rahmgeschichte gleichmäßig auf dem Teig verteilen und mit der Kraut-Zwiebel-Mischung bedecken. Abschließend eine Handvoll Nüsse darauf verteilen und bei Umluft 180 Grad 10-15 Minuten backen.
Dieses Rezept als Verneigung vor den Gründerinnen der Donauwirtinnen in Linz/Urfahr. Diese haben damals mit Gespür und Witz den Flammkuchen auf die Karte gesetzt. Der vorhandene Pizzaofen wurde einer neuen, wunderbaren Verwendung zugeführt. Dass die Donauwirtinnen keine Innen mehr sind, ist schade. Aber was die Nachfolger als „Pizza“ anbieten, ist eine Schande. Wieder einmal: mit dem Strom geschwommen und dabei untergegangen.

CONSTANZE

Plastische Konzeption Keramik im Container. Foto Magdalena Berger

Noch bis 2. Juli 2022 verwandeln sich zwei Seefrachtcontainer am Herbert-Bayer-Platz in Linz in das interdisziplinäre Kunstprojekt CONSTANZE.
Das Programm wird laufend aktualisiert: constanze.org

Die Welt neu denken …

… am Beispiel des libertären Kommunalismus. Die Referentin bringt seit mehreren Heften eine Serie über soziale Bewegungen und emanzipatorische Entwicklungen. Peter Haumer und Andreas Gautsch über den libertären Kommunalismus: Von der sozialen und ökologischen Katastrophe zu einem anderen Aufbau der Gesellschaft.

Foto Andreas Gautsch

Die Menschheit steckt mitten in einem gewaltigen Umbruchsprozess, dessen Ausgang offen ist. Die Abkehr vom, und die Überwindung des weltweiten Kapitalismus wird immer dringender und die Frage stellt sich, wie wir unsere Gesellschaft und Ökonomie am besten organisieren können, um weitere soziale und ökologische Verwüstungen unseres Planeten verhindern zu können. Aus der Geschichte können wir lernen, dass es immer wieder Zeitpunkte gegeben hat, in dem das herrschende System zusammengebrochen ist, und die Menschen sich neu organisieren mussten, um ihr Überleben sichern zu können. Einer dieser Versuche war auch die Pariser Kommune 1871, in der Karl Marx „die endlich entdeckte politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte“, sah. Die Kommune-, aber auch die Rätebewegung nach dem 1. Weltkrieg zeigen das Potential auf, welches direktdemokratische Strukturen in sich tragen, um die Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen zur Entfaltung zu bringen.

Quellen und Verzweigungen einer Idee
Der libertäre Kommunalismus verortet sich in dieser Tradition und ist eine anarchistische Konzeption, welche die Gesellschaft dezentralisieren und über miteinander vernetzte Gemeinden organisieren möchte. Wichtige Vordenker:innen dieses Ansatzes sind Murray Bookchin (2006 verstorben) und Janet Biehl. Beide waren mit dem 1974 gegründeten Institut für Sozialökologie in Vermont (Massachusetts/ USA) verbunden. Dort lehrt und forscht seit einigen Jahrzehnten auch Chaia Heller. In einem von Oliver Ressler geführten Interview, das von Jens Kastner übersetzt wurde1, und hier immer wieder zitiert werden wird, erklärt sie die Grundstruktur dieses Modells und schildert die Entstehungsgeschichte des libertären Kommunalismus, den sie als „politischen Arm der Sozialökologie“ betrachtet.

Bevor wir auf ihre Schilderungen eingehen, noch ein kurzer Hinweis zu den beiden zuvor genannten Personen. Murray Bookchin, der 1921 in New York geboren wurde, gehörte zunächst der marxistisch geprägten Linken an, wandte sich vermehrt ökologischen Fragen zu und bekannte sich Anfang der 1950er Jahre zum Anarchismus. Bekanntheit erlangte er durch sein aufrüttelndes Pamphlet Hör zu Marxist!, in dem er schreibt: „Soziale Revolutionen werden nicht von Parteien, Gruppen oder Kadern gemacht, sondern sind das Resultat tief eingewurzelter geschichtlicher Kräfte und Widersprüche, durch die weiten Kreise der Bevölkerung zum Handeln gezwungen werden.“ Janet Biehl kam 1987 mit dem libertären Kommunalismus in Berührung, arbeitete bis 2011 am erwähnten Institut und veröffentlichte zahlreiche Bücher und Artikel zum Öko-Anarchismus und Öko-Feminismus. Die demokratische Neugestaltung des Norden Syriens bewog Biehl ab 2014 mehrmals nach Rojava zu reisen, um mit der dortigen revolutionären Bewegung in Austausch zu treten und darüber zu berichten. Im letzten Jahr veröffentlichte sie die Graphic Novel „Their Blood Got Mixed: Revolutionary Rojava and the War on ISIS“.

Welche Strukturen es benötigt, damit die Bevölkerung handeln kann, und wie dies mit der Umgestaltung des politischen Systems in Nordsyrien zusammenhängt, wird in der Folge entlang des Interviews mit Chaia Heller erläutert werden.

Das Modell des libertären Kommunalismus
Das Modell klingt in den Grundzügen einfach: Bürger:innen von Dörfern, Gemeinden und Städten sollen in die Lage versetzt werden, sich selbst zu regieren. Die Menschen finden sich als Bürger:innen in lokalen Versammlungen in ihren Stadtteilen oder Dörfern/ Gemeinden zusammen, beratschlagen und entscheiden über ihre Angelegenheiten. Biehl schreibt in ihrem Buch über den libertären Kommunalismus, dass in Städten die „im Rathaus angesiedelten Kompetenzen auf die einzelnen Stadtviertel oder Bezirke übergeben“ würden, in den „übersichtlichen Dorfgemeinden“ könnte auf eine „Dezentralisierung verzichtet werden“.

Egal ob in einer Versammlung in den Metropolen, Kleinstädten oder Dörfern, es wird darüber beratschlagt werden müssen, welche Institutionen (weiterhin) benötigt werden und wie diese zu gestalten sind. Wie wird die Abfallbeseitigung organisiert? Wie soll das Bildungssystem aussehen und wie ist dieses zu organisieren? All die Fragen des täglichen Lebens und jene darüber hinaus werden auf Basis eines Bottom-up-Prinzips ausverhandelt und organisiert.

Diese Körperschaften der Basis- oder Generalversammlungen, oder welchen Namen sie auch immer bekommen mögen, wären die treibende Kraft der Politik in der Gesellschaft. Die Idee ist, dass Entscheidungen im Namen der Bevölkerung bei derselben liegen und deshalb Politik von und für die Bevölkerung gemacht wird. Wer sich jedoch auf dieses Gedankenspiel einlässt, wird sofort bemerken, dass diese Form des Selbst-Regierens ein anderes Denken und neue Formen der sozialen Praxis erfordert.

Um die berühmte „Schrebergartenmentalität“ zu verhindern, die darin besteht, dass einzelne Gemeinden mehr oder weniger isoliert ihren Einzelinteressen nachgehen, und da bestimmte Fragen und Probleme überregionale bis globale Organisationen bedürfen, gibt es eine zweite Strukturebene: Die Föderation – also einen föderalen Zusammenschluss der lokalen Körperschaften nach dem Räteprinzip. Diese beiden Strukturprinzipien, die autonomen kleinen Basiseinheiten und die verbindende Föderation, bilden gleichsam ein Spannungsfeld. Zwar ist die lokale Körperschaft in der Föderation enthalten und die Föderation wird als Ergänzung zur lokalen Körperschaft gedacht, doch gehören sie zweier verschiedener Sphären an: dem Besonderen und dem Allgemeinen. Um die „Prinzipien von Autonomie und Kooperation in eine Balance zu bringen“, werden, so Heller, die lokalen Ebenen durch „ein größeres Kollektiv, die Föderation, eingeschränkt“. Die gegenwärtige Klima- und ökologische Krise bedarf beispielsweise auch einer globalen Perspektive und somit einer funktionierenden föderalen Struktur. Wie diese ausgestaltet sein müsste, ist ebenfalls keine geringe Herausforderung für neue Denk- und Handlungsweisen. Dass das Modell des libertären Kommunalismus eher vage gehalten ist, weiß auch Heller. Für sie ist es „Absicht“, denn es ist davon auszugehen, „dass die Beteiligten in den Bewegungen selbst darum kämpfen müssen, wie sie ihre allgemeinen Prinzipien der Nicht-Hierarchie, der Kooperation, der direkten Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit und der Ökologie leben wollen.“

Eine Politik ohne Politiker:innen und eine demokratische Wirtschaft
Ein Schlüssel, um diese beiden Ebenen von lokaler Autonomie und Föderation stabil zu verbinden, ist die Rätestruktur. So würden die lokalen Körperschaften, um mit anderen Gemeindeverwaltungen oder mit der Föderation kooperieren und sich abstimmen zu können, Delegierte ermächtigen und entsenden. „Ein Delegierter ist einem Boten ähnlich“, so Heller, „er überbringt im Wesentlichen den Auftrag der Gruppe.“ Der/die Delegierte ist immer abrufbar. Die Funktion ist zeitlich befristet, unterliegt dem Rotationsprinzip und sollte nie professionalisiert werden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Föderation die letzte Instanz ist. Diese kann wiederum Delegierte entsenden, um eine überregionale oder globale Föderation zu bilden. Mit Heller ist jedoch Folgendes zu beachten und zu unterscheiden: „Bei dieser gesellschaftlichen Ordnung handelt es sich keinesfalls um eine Abwandlung des bürgerlichen Staates, denn: Es gibt keine mit Entscheidungsmacht ausgestatteten Repräsentant:innen, und die Räte der Föderationen haben für sich genommen keine Entscheidungsbefugnis.“ Sie haben eine rein kommunikative und administrative Funktion. Die Berufsgruppe der Politiker:innen wäre demnach Geschichte, eine aktive Bürger:innenschaft würde in den Vordergrund treten. Die Bürger:innen würden für sich selbst sprechen, ihre Anliegen und Vorstellungen zur Diskussion stellen und in einen Aushandlungsprozess mit den anderen Beteiligten treten. Wie so eine Versammlung ablaufen könnte, beschreibt Biehl recht ausführlich. „Als erstes wird die Versammlung sich konstituieren und sich eine Satzung oder Geschäftsordnung geben. Darin wird festgelegt, wie Beschlüsse gefasst werden sollen, welche Ämter eingerichtet werden und wie diese besetzt werden …“. Auch die wirtschaftlichen Fragen würden in diesen zivilen Bürgerversammlungen diskutiert und entschieden werden.
Der Kapitalismus ist das Reich des Profits, welches durch den Konkurrenzkampf chaotisch geregelt wird. In diesem wird keine Rücksicht auf Umwelt und Menschen genommen. Daher würde so manche Produktion im libertären Kommunalismus sofort eingestellt werden. Die dadurch freiwerdenden Arbeitskräfte würden auf die nützlichen und notwendigen Produktionsketten aufgeteilt werden, was eine massive Arbeitszeitverkürzung ermöglichen würde. Die Menschen bekämen dadurch die Zeit, die sie brauchen, um direktdemokratisch ihre Welt verwalten zu können. Das bedeutet aber auch, dass Produktion und Verteilung nicht alleine in den Händen der Arbeiter:innen liegt, sondern in denen aller Bürger:innen.

„Der libertäre Kommunalismus befindet sich erst in einer experimentellen und embryonalen Phase. Er ist eine im Entstehen begriffene Idee, die auf ein gewisses Maß an Praxis in so genannten politischen Experimenten zurückgreifen kann“, so Heller. Gelebte Beispiele finden sich bei den Zapatistas in Chiapas2 (Mexiko) oder in Rojava (Nordsyrien), wo seit Jahren daran gearbeitet wird, eine demokratisch-ökologische Zivilgesellschaft zu schaffen. Angestrebt wird dabei nicht eine kurdische Eigenstaatlichkeit und auch keine Konföderation von Teilstaaten, sondern der Aufbau einer Selbstverwaltung durch kommunale Basisorganisierung und ohne die bestehenden Staatsgrenzen anzutasten. Diese soll erreicht werden durch eine gleichberechtigte Föderation von Regionen, Kantonen, Städten und Kommunen. Dieses gesellschaftliche und wirtschaftliche Experiment geschieht – trotz oder gerade wegen – eines zerstörerischen, lange anhaltenden Kriegszustandes in dieser Region. In einem Interview erzählt Janet Biehl 2016 von ihren ersten Eindrücken in Rojava, die sie erschütterten und zugleich beeindruckten. „For the first time I saw how the concentrated power of the collective human will can transform a social order in just a short time. (…) While Murray was alive, I had studied revolutionary history and helped him write books about it. But to see such a thing before my eyes—it was extraordinary.“3

Peter Haumer, Institut für Anarchismus­forschung, siehe auch: anarchismusforschung.org

Andreas Gautsch, Institut für Anarchismus­forschung, siehe auch: anarchismusforschung.org

1 www.anarchismus.at/texte-anarchismus/libertaerer-kommunalismus/6147-chaia-heller-libertaerer-kommunalismus (Stand, 22. 5. 22)
2 Siehe den vorletzten Beitrag der Serie zu der Reise der Zapatistas. playground233.servus.at/gira-zapatista
3 theanarchistlibrary.org/library/janet-biehl-thoughts-on-rojava-an-interview-with-janet-biehl (Stand, 22. 5. 22)

Die Serie in der Referentin ist auf Anregung von Andreas Gautsch, bzw. der Gruppe Anarchismusforschung entstanden, siehe auch: anarchismusforschung.org

Text Peter Haumer und Andreas Gautsch

Stadtblick

Foto Die Referentin

Das Professionelle Publikum

Für diese Nummer haben wir Daniela Gutmann, Cornelia Hülmbauer, Markus Kaiser-Mühlecker, Fritz Schwarz, Adriana Torres Topaga und das Klangfestival-Team eingeladen, persönliche Tipps für die Sommermonate zu geben. Voilà und herzlichen Dank!

© Bastian Lehner

Daniela Gutmann
bewegt sich in den Bereichen Videokunst, Performance, Fotografie und Sound. Ihr Interesse liegt in der Spannung zwischen physischen, realen Gegebenheiten, sinnlicher Wahrnehmung und dessen Entfremdung. Aktuell studiert sie im Master Plastische Konzeptionen / Keramik an der Kunstuniversität Linz.

CONSTANZE
Opening der Ausstellung Scirocco und Bananenstaude Scirocco und Mimose Scirocco und Gummibaum
Girls Jam by Noise Meetup
(Gemischtes) DJ Set
Finissage

Cornelia Hülmbauer
ist freie Autorin und Gewinnerin des Marianne.von.Willemer-Frauen.Literatur.Preises der Stadt Linz 2021.

process*in
PROSA für Welt

© Subtext.at

Markus Kaiser-Mühlecker,
studierte MultiMediaArt, etwas Soziologie und etwas Journalismus. Nachdem die eigene Band und der Kulturverein das Zeitliche segneten, ist er 2005 mit KM Film als Dokumentarfilmer, Videofilmer und Multimediadesigner tätig. In der aktuellen Periode im OÖ. Landeskulturbeirat tätig und propagiert mit dem Projekt „Cowork OÖ“ sogenannte GemeindeSpaces.  www.kmfilm.at

Atomlos durch die Macht
Stefanie Sargnagel
Attwenger
RID – Rock im Dorf
„Wilderer“

© Michael Dworschak

Fritz Schwarz
leitet den Botanischen Garten seit 2005. Ein wichtiges Anliegen ist es ihm, die Faszination und Vielfalt der Natur in Form eines artenreichen und gepflegten Gartens den Besucher*innen näher zu bringen und Kunst und Kultur mit Natur in spannende Verbindungen zu setzen. Ebenso wichtig ist ihm, Natur- und Artenschutz im Linzer Stadtgebiet im Rahmen der Arbeit der Naturkundlichen Station, die mit dem Botanischen Garten verbunden ist, umzusetzen und einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Biodiversitätsschutz zu leisten.

Ausstellung: Apfel, Ahorn, Avocado – Bäume und Menschen im Spannungsfeld von Klimakrise und Nachhaltigkeit
Wort & Klang-Konzert Timna Brauer singt und liest Arik Brauer: Die Farben meines Lebens.

© Catalina Ruiz

Adriana Torres Topaga (ATT)
ist freischaffende Künstlerin, Grafikdesignerin, Mitgründerin des Vereins LAB ON STAGE und Gastlehrende in den Bereichen Bildpolitik, kritische Sozialarbeit und Kunst an Universitäten in OÖ, Bern, und Bogotá.  www.puntos.at

Ausstellungseröffnung: Die Zukunft ist passé
Nadia Granados / Performerin COLOMBIANIZACIÓN

 

Klangfestival

Klangfestival 2022 co/op
Zine Release

Tipps von Die Referentin

 

 

Open Calls aus Kunst, Kultur und Wissenschaft
Tinou Ponzer und Paul Haller Inter* Pride
Die Fellner Lesung. Anleitung zum Fellnerismus
chi-mashie Ateliergespräch Elevator Pitch

Editorial

Es reiht sich Krise an Krise. So als ob die vielen sich aneinanderreihenden Krisen nicht zu Ende gehen dürften. So als ob sich in jeder Krise, wie im Bauch einer Babuschka, eine immer neue Krise befinden müsse. Und Stand der Dinge in den letzten Februartagen: Jetzt also auch noch Krieg. An den Rändern Europas. In Europa.

Tatsächlich … Krieg? Aber nein: Ein Krieg ist das nicht – folgende Korrektur: Es heißt Spezialoperation, Friedensmission, in der russischen Medienlandschaft, deren Mitspieler, bis auf einige wenige, die tapferen Widerstand leisten, weitestgehend auf Kreml-Linie gebracht wurden. Dort ist das Wort „Krieg“ neben dem Begriff „Invasion“ seit einigen Tagen nicht mehr erwünscht … Und so setzen Fake Words zu neuen, bisher nicht erreichten Höhenflügen an … – und der Begriff des Euphemismus ringt einem hierbei nur mehr ein müdes Lächeln ab.

Fake News aus Fake Words kreieren dann eine Fake World. Und verloren geistern sie nun herum, die Wörter, die keinerlei Halt finden, willkürlich ausgespuckt in Zeit, Raum und Wahnsinn.

Man fragt sich mittlerweile – leider nicht zum ersten Mal – ob es diese eine Welt tatsächlich noch gibt, und was das dann ist, dieses andere, mit dem man konfrontiert ist. Und dann verwirft man den Begriff, der einem durch den Schädel brummt, weil das, was da vor den eigenen Augen passiert, keine Parallelwelt mehr ist. 

Und ja, dann denkt man an Dante.

Gleichzeitig fühlt man ihn, den schweren eiskalten Atem. Die Zensur schlägt zu: Eine wächserne Puppe, die auf der Bettkante sitzt. Wer weiß, wer gemeint ist? Sie wohnt im Kreml. Sie geifert und lacht. Es dröhnt und schallt. Plötzlich riecht es nach verbranntem Fleisch und nach Irrenhaus, nach Paranoia und Tod. Endlich der herbeigesehnte Schlaf. Was im Traum alles passiert: Menschen, die mit Fahnen bewaffnet sind. In Russland. Wie staatsgefährdend. Wie bizarr. Wie verstörend. Fort mit ihnen. Sie werden eingesperrt. Auf dass gesiebte Luft ihre Köpfe reinwaschen möge. … … Kein Ende in Sicht.

Die Referentin hat für diese Zeilen ihre Mitarbeiterin Sandra Brandmayr gebeten, einen Blick in diverse russische Medien zu werfen. Diese Impression ist das Ergebnis. Sie bleibt ohne Ende. Wir ziehen somit einen relativ großen Bogen zu einem Editorial, das normalerweise auf die Inhalte der Ausgabe verweist. Wir nehmen einen uns passend vorkommenden Satz heraus, der aus dem Professionellen Publikum stammt: Und dann speibt man schon fast, aber kontrolliert. Das Zitat findet sich beim Tipp von Alexander Till. Bitte über den tatsächlichen Zusammenhang selber nachlesen.

Aber so ist das irgendwie.

Das andere Zitat, das wir an dieser Stelle anführen wollen, stammt von Sabine Gebetsroither und Katharina Riedler, auch aus dem Professionellen Publikum. Es ist auch aufs Cover gewandert und sagt, was Linz nach Corona braucht. Nämlich: Tanzen, tanzen, tanzen. Das war vor Russlands Krieg in der Ukraine. Und ja, stimmt aber auch.

Und das ist auch Fakt: Wie soll sich das zusammen ausgehen?

Damit eine Schlussanmerkung zum Internationalen Frauentag: Nach dem Kriegsbeginn plant Feminismus & Krawall im Moment den 8. März um. Zu einem Happening, das den öffentlichen Raum zurückerobern und Solidarität bezeugen will.

Zum 8. März am Linzer Hauptplatz laden ein,

die Referentinnen

Tanja Brandmayr und Olivia Schütz