Angeschnallt im begrenzten Leben

Es hat sich zugetragen: Am 8. 8. zur 8. Abendstunde tat sich ein magisches Zeitfenster auf, wo keine Chemtrails am Himmel waren. Ein Himmel wie ausgeputzt, gereinigt und ausgewischt, ganz sauber. Pamela Neuwirth fühlte sich relativ sicher und traf sich in der Alten Welt mit dem Kollektiv, das sich selbst „Die Regionären“ nennt. Ein Gespräch über regionäre Methoden, Ziele und die im Herbst in Linz stattfindende „Konferenz der Begrenzten“.

Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung

In der Unordnung der großen weiten Welt braucht es klare Linien. Herr und Frau Österreicher schauen in eine ungewisse Zukunft, wo das Unheil jeden Moment im Freibad zuschlagen kann. Andreas Gabalier, der selbsternannte Volks-Rock’n’Roller, auch schon mal mit Koteletten in Schwarz-Rot-Gold auf der Volksmusikbühne, hat während seines Konzerts in München verlautbart, dass man „hierzulande kaum mehr aus dem Haus gehen kann“. Er sagt, er hat eine Meinung, die er, wie die Süddeutsche berichtet, zwar nicht verrät, aber so viel hat er dem Publikum dann verraten und sich so weit deklariert, dass nämlich (auch) er uns beschützen will. Versucht Gabalier unsere „Hoamat“ mit seinem Mikroständer zu verteidigen, der tatsächlich eine Astgabel ist, an der rotweiß-karierte Schneuztüchl und ein Gamskrickerl prangen? Zumindest scheint das Thema Ordnung und Sicherheit auch den kernigen Steirerbuam zu bewegen.

Vom Gabalier’schen Verteidigungs-Singsang bis zum Trump’schen Grenzzaun zwischen USA und Mexiko – übrigens ein Unterfangen beinahe in der halben Größenordnung einer chinesischen Mauer – entstehen von derart finsteren Stimmungen angestiftet, eben auch in den kleineren Gefilden eines lokalen Bewusstseins derartige Ideen, so gesehen – nomen est omen – bei den sogenannten „Regionären“. Im Interview mit den „Regionären“ zeigt sich, dass auch diese Gruppe Handlungsbedarf sieht – und zwar in der eigenen Region. Es ist eben nicht hüben wie drüben. Es geht auch nicht darum, dass Linz nicht Chicago werden darf. Es geht den „Regionären“ noch viel, viel schlichter darum, dass die Stadt die Stadt und das Land das Land bleibt. Über den erbitterten Kampf der „Regionären“ gegen die „Mühlviertlerisierung von Linz“ hat NEWS bereits im Februar berichtet.

Ein Bodensatz solcher Abgrenzungsbedürfnisse existiert offenbar allerorts. Eine andere Gruppe, die Rede ist von den „Identitären“, hat eine bösartige Störaktion an der Uni Wien in sozialen Medien und auf gut Deutsch im Gesichtsbuch, damit legitimiert, dass die Tat eine „ästhetische Intervention“ sei und suggeriert die nationalsozialistische Blut- und Bodensymbolik als künstlerisches Stilmittel. Jeder kann sich heute wie in einem Selbstbedienungsladen alles nehmen, was es an Code und Strategie so braucht. Es gibt ja auch die Nipsters, die als Neo-Nazis den Bio-Biedermeier-Style der Hipsters für sich reklamiert haben. Nichts ist wie es scheint, andererseits ist alles wie es ist. „Eine blaue Kornblume ist einfach eine schöne Blume“, ist sich der Flugzeugtechniker, Chemtrail-Verschwörungsaspirant und Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer von der „sozialen Heimatpartei“ sicher. Die Kronen Zeitung titelt Anfang August: „Ruck nach rechts. Regierung lässt der Strache-FPÖ kaum noch Luft“ und behauptet, dass sich „seit Längerem ein Rechtsruck der Regierung abzeichnet“. Anlass dieser Schlagzeile war allerdings etwa nicht die Flüchtlingspolitik der österreichischen Regierung und ein vermeintlich damit zusammenhängender Rechtsruck, sondern die klar formulierte Positionierung der Regierung gegen den türkischen Weg in die Diktatur, was dadurch angezeigt ist, dass diese innerhalb kürzester Zeit die freie Presse abgeschafft und den Rechtsstaat ausgehebelt hat. Strache (Opposition), so verkürzt es die Krone, freut sich jedenfalls, dass Kern (Regierung) ihn kopiert. Nun stehen alle rechts. Aber wer ist wer? Auch in der regionären Bewegung weiß man: Es ist alles gefährlich Unübersichtlich geworden. Was also tun? Endlich Grenzen setzen!

Stadtmauer her, Brücke weg

Die KUPF, die es schließlich wissen muss, glaubt auch an das regional Gute, Wahre und Schöne eines begrenzten Konzepts und hat die „regionäre Bewegung“ durch den KUPF Innovationstopf fördern lassen. Die Jurierung des regionären Konzepts fand im Frühjahr statt, wo sich die Regionären im Untergrund aber längst formiert hatten. Die Regionären nutzten die Gunst der Stunde und legten den Grundstein ihrer Bewegung schon im Februar mit dem Abriss der Eisenbahnbrücke zusammen und traten auf der Baustelle als Luther-Blissett-Donald-Trump-Formation in Erscheinung. Weitere Aktivitäten setzten die Regionären bei den Demonstrationen „Lichter für Österreich“ aus dem Umfeld der Identitären, die eine giftige Mischung aus unlogischer Dogmatik, rechter Polemik und kruden Verschwörungstheorien hochkochen. Den Regionären war bei den Demos bald klar, dass selbst die Polizei ihre liebe Not hat: Wer ist hier wer? Wer ist Demonstrant und wer Gegendemonstrant? Exakt bei dieser Unklarheit wollen die Regionären ansetzen. Sie treten für noch mehr Grenzen in den Köpfen und im Stadtraum ein! Die Trennung von Stadt und Land durch das Schleifen der Eisenbahnbrücke war ein erster sichtbarer Erfolg; auch die alte Stadtmauer wieder hochzuziehen, wäre aus Sicht der Regionären eine sinnvolle städtebauliche Intervention, um die Stadt vor einer Invasion von außen zu schützen. Während die Identitären mit dem Identitätsbegriff kämpfen („Identitär kommt von Identität“) haben die Regionären längst politische Forderungen gesetzt, die sich durch fortlaufende und erweiterte Grenzziehungen viel effektiver realisieren lassen. Während die Identitären den „Großen Austausch“ ideologisch beklagen, haben die Regionären schon konkrete Vorschläge für eine „urbane Identität“. Während die Identitären gegen einen Prozess arbeiten, der kein Naturschicksal ist und wo die Österreicher durch geringe Geburtenrate und Masseneinwanderung vom Aussterben bedroht sind, verfolgen die Regionären die Vision einer Welt mit noch mehr Grenzen. Während die Identitären im Rettungsversuch der „österreichischen Rasse“ selbst vor linken Sprachcodes nicht Halt machen: „Wir schaffen Orte der Gegenkultur, identitäre Freiräume und Strukturen der Reconquista!“, handeln die Regionären pragmatisch und wollen Zäune und Mauern zwischen Stadt und Land errichten, wo sich doch ein jeder in die urbanen Sicherheitszonen zurückziehen soll. Stadt muss Stadt, Land muss Land bleiben: Schöne, neue Welt der wirklichen Einfalt.

Konferenz der Begrenzten

Die Stadt als Region, die es noch weiter zu begrenzen gilt. Wo ist der Spaß, wo der Ernst? Die Regionären überhöhen die um sich greifende und begrenzte Identitäts-Mimikry und entlarven diese gefährlichen Tendenzen mit den Mitteln der Kommunikationsguerilla; diese deckt einerseits die Macht und die Funktionsweise der Massenmedien auf, andererseits konterkariert sie destruktive Politiken oft durch Persiflage. Heute werden solche verkehrte Taktiken, wie die Desinformation, neben klassischen auch an sozialen Medien angewandt. Notwendig und aktuell ist das auch, weil die freie Presse von den Rechten zusehends durch das Unwort das Jahres 2014, nämlich im Begriff der „Lügenpresse“, ad absurdum geführt wird. Dem arbeitet die „regionäre Bewegung“ mit Fake und Satire entgegen, um so die reaktionären gesellschaftlichen Kräfte zu entlarven und zu entstellen. Die Regionären ermitteln die Grenzen zwischen Wahrheit und Täuschung, die Grenzen zwischen Theater und Alltag, die Grenzen zwischen ernstem Protest und spaßiger Rebellion. Bei der Konferenz der Begrenzen, die am 14. und 15. Oktober 2016 in der KAPU stattfindet, steht die Präsentation der „regionären Bewegung“ im Zentrum. In unterschiedlichen Formaten wird aufgezeigt, welche Erfahrungen die Regionären im Laufe des Jahres mit ihren begrenzten Aktionen gemacht haben und was sich an den „Grenzen der Satire“ aufgetan hat. Auch darum – so die Regionären – soll es im Jubiläumsjahr von DADA auf der „Konferenz der Begrenzten“ gehen.

 

Eine Anmeldung zur „Konferenz der Begrenzen“ ist möglich unter rb_linz@gmx.at.

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