Wir bremsen nicht für Babys, nicht?
Mit dem Baby Success Club hat eine Handvoll Linzer Eltern begonnen, Fragen nach Kunst, Leben und Produktion neu zu mixen. Oder: Betreuungs-Selbsthilfezweck und künstlerischer Sinn.
Der Baby Success Club präsentierte schon zu Sommerbeginn mit der Ausstellung „Wir bremsen nicht für Babys“ die künstlerischen Werke seiner Mitglieder zum Thema Elternschaft – „als Ergebnis eines durch das Mitbetreuungs-Rotationsprinzip des Clubs erfolgreich weitergeführten Schaffensprozesses“. Soll heißen: Ab Anfang 2014 übernahmen die selbstorganisierten Club-Eltern jeweils Betreuungszeiten für ein Grüppchen Kinder, die freigestellten Eltern konnten in Zeitfenstern von mehreren Stunden pro Woche der Kunst nachgehen. Dass Kunst und Kind sich immer noch ein wenig spießen, mag einerseits einer eindimensionalen Vorstellungswelt des produktiven Seins geschuldet sein. Vielleicht ist es für Künstlerinnen und Künstler sogar besonders irritierend, das erwartete Kaminfeuer der familiären Gefühle zu entfachen, während der tatsächlich existenzielle Vorgang der Geburt arbeitstechnisch kalt lassen sollte: Vor allem künstlerisch arbeitende Mütter stehen (und standen immer schon) unter Rechtfertigungsdruck, wenn sie nicht ohne Bruch im produktiven Getriebe der Kunst bleiben – vor allem, um nicht gnadenlos aus dem System Kunst hinauszufallen. Kommen dann noch andere „Kleinigkeiten“ dazu, dass laut Terri Frühling, eine der Baby-Sucess-Clubmütter, Kinderbetreuung in regulären Krabbelstuben daran scheitert, dass Mütter ein Anstellungsverhältnis nachweisen müssen – was für freie Kunstschaffende einigermaßen schwierig sein dürfte. So gesehen sei laut Frühling „Betreuung fast wichtiger als die Ausstellung“. Wenngleich ganz bewusst die durch die Elternschaft veränderten Umstände künstlerisch ins Visier genommen wurden. Elke Punkt Fleisch, ebenfalls Ausstellende, fasst diese Auseinandersetzung als „wichtige künstlerische Beschäftigung mit aktuellen persönlichen Ereignissen“ zusammen.
Ein Auszug der im Salzamt gezeigten Werke: Elke Punkt Fleisch hat ihre Technik der „Abformungen“ auf Körperabformungen zwischen Mutter und Kind ausgeweitet. Zwischen weich und hart entstehen bei den Objekten „Stillereien“ sehr materielle Abdrucke von Beziehung und körperlicher Funktion. Wenn man so will, entfaltet sich zwischen den weichen Berührungen von Mutter und Kind, sozusagen innerhalb von Liebe und Sorge, die einfordernde Geometrie der Bedürfnisse. Terri Frühling rechnet in ihrem kleinteiligen Tafelbild „Ankunft“ sowohl mit dem Krankenhaus ab, sowie mit ihrer eigenen Unwissenheit darüber, „was da kommt“. Wahrscheinlich könne zwar „niemand darüber wirklich vorbereiten“, aber besonders wenig tun das die tausend medialen Bilder der fröhlichen Ankunft. Ganz im Gegenteil, grausig und real habe sich ihr bei jedem Aufblicken während der Geburt ein anderes Schreckensbild der Normalität präsentiert, Babypech, Schleim, Schmerzen, Blut, nach Rauch stinkende Ärzte, Peinlichkeiten im doppelten Wortsinn, vorher, nachher und mittendrin. Geburt also als Trauma, das es zu bewältigen gilt – gegen die Schönfärberei der Ereignisse, gegen die fälschlich kolportierte Tatsache, dass Leben harmlos und zu jeder Zeit in geregelten Bahnen abläuft. Dass Eltern durchaus zu einer gefährdeten Spezies mutieren, lässt sich vielleicht auch mit einer Arbeit von Rebecca Paterno erahnen. Das Objekt „doppelbett“, ein Doppelbett als Gitterbett, ist mit dem Ausstellungstext gesprochen, „der Ambivalenz der Gefühle zwischen Freud und Leid, Freiheit und Abhängigkeit, Hoffnung und Sorge, Geborgenheit und Einsamkeit gewidmet“. Die Verfangenheit in dieser wachschlafenen Ambivalenz ist eine Möglichkeit der Betrachtung. Die andere, eventuell etwas subjektivere Interpretation, vor allem in der Zusammenschau der ebenso kinderleichtfüßig wie abgründig daherkommenden Ausstellung, ist die etwas hintersinnige Umkehrung, die Kinder als kleine Wesen erahnen lässt, die rücksichtslos expandieren und wachsen, aus ebendiesen Bedürfnissen einfordern, und die eventuell, wenn sie könnten wie sie wollten, ihre Eltern auch mal ins Gitterbett stecken würden. Also, die unheimliche Erkenntnis, dass Babys sowieso nicht für ihre Eltern bremsen: Der Mensch fordert ein, das Kleinste ist seinem Wesen nach anarchistisch, der erwachsene Mensch erlebt sich dysfunktional, alle sind in ihren mehr oder weniger lustvollen Bedürfnissen gefangen.
Am Ende noch die aktuellen Bezüge: Rebecca Paternos Doppelbett wandert in die Lentos-Ausstellung „Rabenmütter“, die im Oktober eröffnet. Das Salzamt startet, so der Leiter des Atelierhauses Holger Jagersberger, eine längerfristig mitzudenkende Auseinandersetzung über die „zeitlichen Rändern des Lebens“. Der Baby Success Club selbst setzt seine Aktivitäten fort. Diesbezüglich last but not least: In diesem Heft gibt es eine Seite, die von Terri Frühling und Elke Punkt Fleisch gestaltet wurde.
Alle Teilnehmenden und Infos: www.babysuccess.club
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