Manner-Wafferl, ein Apferl und rasierte Beine

Über seine frühe und spätere Leidenschaft für den Radrennsport unterhält sich Johannes Staudinger mit Andreas Baumgartner, der auch Leiter des Theaters des Kindes ist.

Draußen ist es noch Winter bei null Grad Celsius, einige wenige huschen am Cafehaus in der Herrenstraße mit ihren Rädern Richtung Frühling vorbei. Drinnen, im Warmen sitze ich bei kubanischer Musik, Hundegebell und Kaffeetratsch mit Andreas Baumgartner. Wir führen ein Gespräch über Andreas’ Engagement im Radsport und über seine Arbeit als Theatermacher und Schauspieler.

Mit welchem Alter hast du begonnen Rennen zu fahren?

Mit 17, so um 1990, 1991, relativ spät.

Du bist also in einem Alter eingestiegen, wo man eigentlich beginnt auszugehen! Was hat dich grundsätzlich zur Entscheidung gebracht, dich für den Radrennsport zu interessieren?

Mein Bruder ging in eine Lehre. In der Berufschule hatte er einen Kollegen, der ist beim RC Lambach gefahren. Mein Bruder hat mir immer von diesem Radfahrer erzählt, dass der zum Beispiel am Morgen zum Frühstück immer ein Packerl Manner-Wafferl und einen Apfel aß. Das hat mir so gut gefallen, dass ich mir irgendwann ein Rennrad kaufte.

Konntest du dir das Rennrad gleich selber leisten?

Ich glaube, es haben mir meine Eltern gekauft und ich hab etwas dazugezahlt. Ich bin dann gleich nach Lambach zum Radgeschäft Grassinger gefahren und hab gefragt, ob ich nicht beim Lambacher Verein fahren könnte? Nach dem ersten Training ist es gleich ratzfatz gegangen und ich war drinnen.

Wie viele Jugendfahrer wart ihr?

Zwei, drei. Ganz wenige, …

Wie lange bist du dem Radrennzirkus treu geblieben?

Bis 1993, 1994. Das war die brutale Zeit, wo EPO gekommen ist (Anm. Red: EPO wurde als Dopingmittel verwendet). Ich bin dann in meinem zweiten Junioren-Jahr, dieses Erlebnis erzähl ich immer wieder, am Start der Dusika-Tour gestanden und neben mir stand ein Pole oder ein Bulgare, so genau weiß ich das nicht mehr. Ich blickte auf die Seite, sagte Hello!, woraufhin mein Gegenüber langsam den Kopf hob und mich mit starrem, leerem Blick nicht mehr aus den Augen ließ. Dann gab es den Startschuss und die sind gefahren wie die Wahnsinnigen.

Die jungen Fahrer wurden damals mit EPO versorgt?

Das kann ich nicht sagen, ich weiß nur, dass damals einiges nicht mit rechten Dingen zuging! Ich selber hab mir viel erkämpft, von der Technik her hat alles gepasst, aber ich habe nicht unbedingt die besten körperlichen Voraussetzungen gehabt. Ich wusste, ich kann in Österreich mitfahren, vielleicht einmal mit viel Glück eine Österreich-Rundfahrt fahren, aber mehr auch nicht. Das war es mir dann einfach nicht mehr wert.

Wie hast du das Band zum Radsport aufrecht gehalten, oder hast du einen totalen Schnitt gemacht?

Ich machte einen totalen Cut. Aber ich blieb immer am Radsport interessiert. Zum Beispiel war die Tour de France im Fernsehen ein Fixpunkt im Sommer, oder auch die Österreich-Radrundfahrt.

Wie kamst du dann zu Schauspiel und Theater?

Wir gründeten eine Amateur-Theatergruppe in Schwanenstadt. Dort haben wir u.a. „Die Munde“ von Felix Mitterer gespielt. Ein Jahr später machten wir dann noch eine Lesung. Danach entschied ich mich, die Aufnahmeprüfung in Linz zu machen, wo ich sofort aufgenommen wurde. Von 1996 bis 1999 studierte ich dort Schauspiel. Währenddessen haben wir in Linz unsere eigene Theatergruppe gegründet, die hieß „TheaterUnser“.

Wer war da noch dabei?

Rudi Mühllehner, Karl Lindner und Henry Mason. Henry ist jetzt wieder in Linz und macht bei mir im Theater des Kindes eine Inszenierung. Nach der Gründung der Gruppe haben wir gleich viel gespielt. Ich bin ein Kind der Freien Szene. Ich bin nicht nach dem Studium in die Freie Szene, sondern während des Studiums. Wir waren sehr aktiv und ich habe extrem viel gelernt, vor allem auch im organisatorischen Bereich.

Nun bist du seit 2003 künstlerischer Leiter beim Theater des Kindes. Was würdest du als eine Besonderheit eures Hauses herausheben?

Stücke nicht unbedingt so umzusetzen, wie man es erwartet. Herausforderungen suchen, gewisse Aspekte aus dem Stück herauskitzeln, die uns besonders interessieren, mit Ästhetiken spielen. Wir arbeiten mit vielen verschiedenen Menschen zusammen. Wir holen immer wieder neue Bühnenbildnerinnen, neue Musiker. Wir haben viele Leute dafür gewinnen können, in ihrem Leben erstmals für Kinder zu arbeiten. Wir machen sehr eigene Geschichten, zum Beispiel eine Heidi-Inszenierung für drei Schauspieler. Mit diesem Stück haben wir auch den Stella 2014 gewonnen, den Preis für herausragendes Theater für Kinder und Jugendliche. Dieses Stück haben wir bereits über 150 Mal gespielt. Auch wenn wir Klassiker machen, versuchen wir sie auf unsere Art und Weise umzusetzen. Das ist unser großes Ding.

Wie kannst du fürs Theater des Kindes deine Begeisterung aufrechterhalten?

Ich hab immer gesagt, solange mir noch was einfällt, solange mach ich diesen Job. Und uns fällt immer noch was ein, es macht Spaß, und es laufen uns immer wieder neue Themen über den Weg. Es soll sich nicht zu wiederholen beginnen, denn dann wird es gefährlich.

Wie bist du dann wieder zum Radsport zurückgekommen?

Das hat 2011 begonnen. Ich bekam immer mehr körperliche und vor allem psychische Probleme. Es stellte sich heraus, dass ich unter Panikattacken litt. Meine Frau hat mir geraten, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Was ich dann auch tat. Im Sommer darauf lag ich auf der Couch und schaute Tour de France. Meine Frau kam zu mir rein und fragte, hast du dich schon mal in den Spiegel geschaut? Ich schnaufte einmal durch und sagte, gut, dann geh ich Radlfahren. Ich hab mich auf mein Citybike gesetzt und bin losgeradelt. Nach zwei Wochen sagte ich zu meiner Frau, dass ich mir wieder ein Rennrad kaufe. In diesem Sommer hab ich innerhalb kürzester Zeit 10 Kilo abgenommen. Im Herbst bin ich dann gleich bei einem Radmarathon mitgefahren. Über den Winter trainierte ich weiter und bin dann wieder in den Rennzirkus eingestiegen. Das Kirschblütenrennen 2013 war dann wieder mein erstes Rennen.

Eigentlich gleich wieder voll in das nächste Szenario rein?

Ja, aber das hat mir das Leben gerettet. Ich hab einfach gemerkt, dass ich nach einer Stunde am Rad in einen Flow kam, wo die Gedanken wieder leichter wurden.

Hast du dir zu Beginn gleich wieder die Beine rasiert?

Sicher! … Dank meines Vorstandes und meiner Kollegen konnte ich die Arbeit am Theater für ein halbes Jahr reduzieren. Dadurch konnte ich mich fast ausschließlich auf das Training konzentrieren. Ich bin die 13er, 14er und die 15er Saison voll gefahren und hatte aber dann in der Steiermark ein prägnantes Erlebnis. Bei einem Rennen in Hartberg hatte ich plötzlich einen Puls von 208. Ich ließ die Beine hängen, rollte ins Ziel und sagte mir, so Andreas, jetzt heißt es wirklich aufpassen. …

2016 traf ich mich mit meinem Teamkollegen Simon und erzählte ihm, dass ich ein U-23 Elite-Team gründen möchte. Wir schrieben ein Konzept für Sponsoren, ich habe mit den jungen Fahrern von meinem alten Verein gesprochen, ob sie das wollen und wenn ja, dann ziehen wir das durch. Ich hab den ganzen Sommer durchgearbeitet. Ich schrieb hunderte E-Mails, machte hunderte Anrufe und bekam hunderte Absagen. Überall hab ich es probiert und schlussendlich auch viel aufgestellt. Es war ein langer und mühsamer Prozess, aber im August war dann klar, dass KTM einsteigt. Danach ging es Schlag auf Schlag, und viele weitere Sponsoren kamen dazu. Nun fahren wir als Team FELDBINDER OWAYO KTM auf internationalem Terrain.

Ihr nehmt im März auch gleich an der Tour of Rhodos teil.

Das wird der Wahnsinn! Dort stehen wir am Start mit Wiggins, Hrinkow, Lotto, also mit richtig starken Continentalteams. 186 Starter!

Wie viele Betreuer nehmt ihr nach Rhodos mit?

Wir fahren mit allen neun Fahrern nach Rhodos, es dürfen aber nur jeweils sechs starten. Zum Auftakt bestreiten wir auch noch den GP of Rhodos. Wir wollten allen die Möglichkeit geben zu fahren. Drei verzichten auf das Tagesrennen, drei verzichten auf die Rundfahrt. Gleichzeitig machen wir dort auch ein Trainingslager. Somit bin nur ich als Betreuer mit und die drei, die gerade keinen Renneinsatz haben, müssen mithelfen. Das ist gut, denn so wachsen wir als Team zusammen und jeder sieht, wie es abläuft. Unser Team hat in Österreich sicher eine Monopolstellung, denn niemand verschreibt sich so dezidiert der Nachwuchsarbeit wie wir.

 

Theater des Kindes, www.theater-des-kindes.at

Team Feldbinder Owayo KTM, www.rennteam-ooe.at

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