Wenn das Lastenfahrrad Berge mobilisiert
Was das Bewegen von Gütern und Personen in der Stadt betrifft, ist unschwer ein Trend hin zum Einsatz von Lastenfahrrädern in Linz zu erkennen. Immer öfter darf der Transport von beispielsweise Kindern und auch Lasten von bis zu 200 kg in der Stadt beobachtet werden. Eine Bestandsaufnahme von Johannes Staudinger.
Fahrradfahren im urbanen Raum gewinnt an immer größerer Bedeutung. Sich mit dem Radl von A nach B zu bewegen, um Besorgungen, Behördengänge, Arbeits- und Freizeitwege zu erledigen oder sich einfach mit Freunden gemütlich auf einen Drink zu treffen, ist wieder Bestandteil des alltäglichen Stadtbildes.
Seit ein paar Jahren trifft man in Linz auf Menschen, welche mit ihren Rädern Güter oder Kinder transportieren. So werden Kids frühmorgens von den Eltern zum Kindergarten gefahren, Drucksorten von der Druckerei zum Kunden geliefert, Getränke fahrend an dürstende Donaubadende verkauft, Radioübertragungsstudios zum Außeneinsatz gezaubert, Caterings zur Firmenfeier zugestellt, Infostände zu ihren neuen Einsatzorten bewegt, ganze Wohneinrichtungen umgesiedelt und Soundanlagen zur spätabendlichen Party verfrachtet. Zum Einsatz kommen dabei neben Lastenfahrrädern auch vielfach Fahrradanhänger, welche mit ein paar wenig geschickten Handgriffen montiert sind.
Pioniere der ersten Stunde in Linz waren die Bike Kitchen und die Fahrradbotendienste Green Pedals und Veloteam, die Anfang der 2010er Jahre mit selbstgebauten und angekauften Transporträdern für Aufsehen in der Stadt sorgten und auch gegenwärtig verstärkt auf den Einsatz dieser Räder vertrauen. Das Bewusstsein, so die Fahrradboten, sei mittlerweile sogar dahingehend gesteigert, dass die Kundschaft teilweise im vorhinein beim Ordern einer Güterüberstellung darauf hinweist, dass es aufgrund des Gewichts und der Sperrigkeit des Gutes besser sei, gleich mit dem Lastenrad den Transport in Angriff zu nehmen. Der Einsatz von Lastenfahrrädern erlebt einen Boom und wird in den nächsten Jahren wesentlichen Zuwachs erleben, so die Veloboten.
Und trotz dieser erfreulichen Entwicklung und Bereicherung in Sachen Lastenradmobilität hinkt Linz dem europäischen Trend, an vorderster Stelle sei hier natürlich Kopenhagen erwähnt, hinterher. Langsam, langsam mahlen die Mühlen hier, um dieses enorme Potential hinsichtlich Lebensqualität, Verkehrspolitik, Umweltschutz und Wirtschaftsimpuls zu erkennen. Liegen die Vorteile dieser Art von Mobilität doch auf der Hand, wirkt sie doch verkehrsentlastend, dadurch staumindernd, lärmfrei, umweltschonend und ist dabei noch anregend für den Kreislauf. Die CO2-Reduktion liegt sogar bei nahezu 100%! Eine im Zuge des EU-Projektes cyclelogistics erstellte Studie des Grazer Forschungsinstituts FGM Amor kommt bei ihren Untersuchungen soweit, dass 51% des gesamten innerstädtischen Gütertransportverkehrs mittels Lastenfahrrädern erledigt werden können! Das bedeutet, dass die erwähnten 51% in Linz bisher noch immer von umweltbelastenden und schadstoffausstoßenden Lastenfahrzeugen absolviert werden.
Aber wo liegt der Hemmschuh für eine Stadt wie Linz, sich hier aktiv in Szene zu setzen und endlich aufzuschließen, um in Sachen Fahrrad- und insbesondere an Lastenfahrradmobilität europäisches Niveau zu erreichen? Linz und dessen Politik wirkt wie eine tief in Lethargie versunkene Stadt, welche trunken und mit seichtem Blick alle Angebote, Innovationen und Hilfestellungen rundum sich umstößt oder gleich im Vorfeld abweist. Gedanken an Nibelungenbrücke, verhunzte Lückenschlüsse im Radwegenetz, Donausteg, Eisenbahnbrücke, autofreier Hauptplatz und vieles mehr kommen auf, wenn die letzen Jahre an missglückter Verkehrspolitik betrachtet werden. Um Umsetzungsideen und aktuelle Best Practice Projekte zu entdecken, bräuchte es dazu eigentlich nur einen Blick in die jüngere Vergangenheit von Linz, oder einen Blick in europäische Projekt-Datenbanken.
Bereits 2009, im Jahr, wo Linz europäische Kulturhauptstadt war, veröffentlichte die Initiative Hörstadt Linz eine Grundsatzstudie „Urban Vision Linz. Ganze Stadt, halber Lärm“, in welcher, ausgehend vom Bedürfnis, grundlegend die Lärmkulisse der Stadt Linz auf ein verträgliches Maß zu senken, ein Plan vorgelegt wurde, wie man den lärmenden Verkehr auch unter Zuhilfenahme von Transporträdern reduzieren könnte. Und die Studie ging darüber hinaus, denn es wurde vorgeschlagen, den inneren urbanen Stadtkern größtenteils und unter restriktiven Maßnahmen, nur mit wenigen Ausnahmen vom fossilen Automobilverkehr zu trennen, indem Park- und Fahrangebot für PKWs und LKWs auf ein Minimum reduziert werden, das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln erhöht wird, breitere und für Radtransporten aller Art allein zu nutzende Wege zur Verfügung gestellt werden, ein dezentraler Logistikring rundum das Zentrum entstehen soll, von welchen aus das Stadtinnere mit Mitteln sanfter Mobilität beschickt wird. Das klang und klingt in den Ohren der Linzer Politik utopisch. Nichts hat sich seither wesentlich in dieser Angelegenheit verändert.
Im Vergleich dazu gibt es europaweit hervorragende Projekte, welche durch Selbstbewusstsein in Sachen Fahrrad- und Lastenradmobilität strotzen. München, London, Paris, Bozen, Danzig, Piräus, Athen, Lissabon, Genua, Brighton, Mannheim, Hamburg, Strasbourg, Vitoria-Gasteiz, Groningen, Ljubljana sind Städte, die durch ihr Engagement, was das Investment in Fahrradförderungen, die allgemeinen Zielsetzungen in alternative Mobilität und generell den Willen betrifft, bestehende Verkehrskonzepte umzukrempeln, in letzter Zeit für Aufsehen sorgten und internationale Anerkennung ernteten.
Nun ist es ja nicht so, dass Linzerinnen und Linzer dem Nutzen von Lastenfahrrädern und grundlegend dem urbanen Fahrradfahren abgetan wären, aber es fehlt an der Zurverfügungstellung der notwendigen Infrastruktur und den dafür notwendigen Förderungen. Nicht nur für die Radfahrenden selbst, sondern auch etwa für innerstädtische Einrichtungen und Wirtschaftstreibende.
So bleibt es vorerst den LinzerInnen überlassen, aus eigener Kraft Berge zu versetzen und von sich aus, beharrlich der hiesigen Politik gegenüber ihren Willen zur Veränderung zu äußern, indem sie sooft und soviel wie möglich auf das Fahrrad steigen und dadurch einen Paradigmenwechsel einläuten.
Förderungen für Transportfahrräder werden vorerst von Land OÖ und Stadt Linz nicht angeboten. Die Städte Graz, Hartberg und Lustenau sind in dieser Angelegenheit österreichweit Vorreiter.
Das Lebensministerium mit dem Masterplan Fahrrad 2015–2025 bietet eine Transportrad-Förderung für Vereine und Kommunen an.
Info- & LinkBox
Clean Air – EU Projekt
Cargo bikes in commercial transport
www.cleanair-europe.org/en/projects/vcd/ebc/cargo-bikes-in-commercial-transport
Cycle Cities – EU Projekt
INTERREG IVC Program zur Förderung des Fahrradverkehrs
www.cyclecities.eu
Zum rostigen Esel
Erstes Linzer Fahrradmechanikerinnenkollektiv
Lastenfahrradverkauf in Linz
www.rostigeresel.at
GerRad
Stadt. Rad. Liebe.
Lastenfahrradverkauf in Linz
www.gerrad.at
cyclelogistics
Europäisches Lastenfahrrad-Forschungsprojekt
www.cyclelogistics.eu
Bike Kitchen Linz
Offene-non-profit Selbsthilfewerkstatt
bikekitchenlinz.nil-fisk.org
Veloteam Linz
Fahrradbotendienst
veloteam.at
Greenpedals Linz
Fahrradbotendienst
www.greenpedals.at
Steelcity Cycle Messengers
Verband der Linzer Fahrradbotinnen
steelcitycyclemessengers.blogspot.co.at
Imagine Cargo
Rad – Bahn – Rad Frachtservice
www.sustainablecourier.com
Stadt Linz
Einkaufsräder- und Fahrradanhängerverleih
www.linz.at/verkehr/3424.asp
Radlobby OÖ
ooe.radlobby.at
VCÖ – Mobilität mit Zukunft
www.vcoe.at
Klimaaktiv – BMLFUW
Förderung für Transporträder
www.klimaaktiv.at/foerderungen
Hörstadt
Menschengerechte Gestaltung der akustischen Umwelt
www.hoerstadt.at/ueberuns/veroeffentlichungen.html
Bicycle Happening
Jährlich stattfindendes Fest der Fahrradkultur in Linz
www.bicyclehappening.at
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