Das Spiel mit der Serialität, Zeit atmen
Kunsthistorisch und zeitgeschichtlich bemerkenswert ist die Landesgalerie-Ausstellung „Spielraum. Kunst, die sich verändern lässt“. Ebenso im Haus zu sehen: Waltraud Cooper.
„Die Ausstellung widmet sich dem Phänomen veränderlicher Kunstobjekte, deren Elemente von Betrachter/innen zu unterschiedlichen Konstellationen arrangiert werden können. Charakterisierende Schlagwörter dazu sind ‚Betrachter/innen-Partizipation‘, ‚Interaktion‘, ‚Raum-Zeit-Verhältnis‘ sowie das Jahr 1968 mit seinen folgenreichen politischen Protesten“, so ein Textauszug zur Ausstellung. Die formal verbindende geometrische Formensprache lässt sich kunsthistorisch aus dem Konstruktivismus ableiten. Einen Höhepunkt erlebte diese Kunstform Ende der 60er Jahre mit dem beweglichen bis seriellen Charakter von so genannten Multiples. Es ging um serielle, formalisierte Konzepte, um die Idee von Kunstwerken in hoher Auflage, teilweise industriell hergestellt. Dabei waren die frühen Multiples alle veränderlich, und diese Veränderlichkeit, Beweglichkeit der Kunstwerke diente auch als Legitimation für deren Vervielfältigung in hoher Auflage. Hier zeigt sich ein interessanter kunsthistorisch wie zeitgeschichtlicher Punkt, ein interessantes Detail, das sich in der Frage der Kommerzialität verdichtete: Wenn man so will, stand die serielle Produktion quasi den Ideen einer lebensweltlich linken Ausrichtung von Kunst entgegen. Die Kunst sah sich nah an der Politik, wollte etwa direkte Aktion, oder die Kunst auf die Straße, hatte die Idee einer Kunst für alle, sah Kunst und Leben im Alltag verbunden. Und laut Kurator Frederick Schikowski waren für manche Kunstschaffende diese Probleme, die sich hinsichtlich Kommerzialität und auch Erfolg zeigten, derartig unmöglich, dass sie dann letzten Endes mit der Kunst aufhörten. Und um in Bezug zur Serialität hier eine größere Abgrenzung zu markieren: Die Warholsche Serialität ist nicht nur von ihrem insgesamt mehr „campen, ironischen“ Charakter anders (lt. Kurator Frederick Schikowski), sondern nimmt vielleicht gerade in diesem Aspekt die Kommerzialität volée.
In der formalisierten, geometrisch-konstruktivistischen Formensprache jedoch, die sich wohlweislich kinetisch, aber nicht maschinell versteht, zeigt sich ein weiterer interessanter Gegensatz. Denn in der intendierten Demokratisierung von Kunst lassen sich weitreichende Entwicklungslinien verfolgen, die heute noch aktuelle Begriffe wie „Interaktion“ oder „Partizipation“ nicht im kunsthistorischen und zeitgeschichtlichen Vakuum hängenlassen, sondern die künstlerisch-lebensweltlich Demokratisierung geradezu fundieren. Hier etwa auch ein Hinweis auf Roland Goeschls recht populär gewordenen „Großbaukasten“ (Humanic-Werbung). Ebenso zeigt sich inmitten des politischen wie spielerischen Charakters des seriellen Formalismus bereits ansatzweise ein noch größerer Aufbruch, der sich später in einer ganz anderen Entwicklungslinie der technologischen Maschinen verwirklicht: Wenn man zum Beispiel Vasarely betrachtet, weist dessen Arbeit auch in eine Idee von Programmierung hinein, deren serieller Formalismus sich aus Rationalität, Kybernetik, eines Programmierens von Kunst speist, wenn auch hier spielerisch angedeutet. Dies ist als Programmblatt für eigene Komposition anzusehen.
„Spielräume, Kunst die sich verändern lässt“ – eine höchst bemerkenswerte Schau, die im kommenden Jahr auch im Museum im Kulturspeicher in Würzburg gezeigt wird. Fruchtbar, dass Kurator Frederick Schikowski auch Werke von hier arbeitenden Kunstschaffenden aufgenommen hat. Wie etwa von Josef Bauer, der mit seinem „Farbraum“ in den frühen Sechziger Jahren die Höhe der Zeit beinahe schon vorweggenommen hat. Wesentlich, dass zeitgenössische Künstlerinnen wie Margit Greinöcker mit New Town (eine Art Planungsstadt aus Plastilin) oder David Moises (The Ultimative Machine aka Shannons Hand) das Thema quasi von aktueller Seite komplettieren.
Ein allerkürzester Hinweis noch am Ende auf die Arbeiten von Waltraud Cooper, die im ersten Stock in einer eigenen Ausstellung mit dem Titel „Licht und Klang“ zu sehen sind. Sowohl mit Coopers Lichtinstallationen, die mehrfach bei der Biennale in Venedig gezeigt wurden, als auch insbesondere mit der Arbeit „Klangmikado“ kann man eine Zeit atmen, wo begonnen wurde, das aleatorisch-verspielte Kind mit dem Namen der Digitalen Kunst zu labeln.
Spielraum. Kunst, die sich verändern lässt Landesgalerie Linz, Bis 14. Jänner 2018 „Waltraut Cooper – Licht und Klang“, Landesgalerie Linz, bis 21. Jänner 2018
Hinweis: Pamela Neuwirth hat ein Gespräch mit dem Spielräume-Kurator Frederick Schukowsky geführt, nachzuhören auf Radio FRO: www.fro.at/spielraeume-in-der-landesgalerie-linz
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