Pussy Hats und Cunt Quilts

Sarah Held berichtet über feministische Protestpraxen, aktuelle Diskurse, ästhetisch-kulturelle Interventionen und unter anderem über Strategien gegen den Locker Room Talk.

Stitch’n’Bitch: Hier geht es nicht ums Handarbeiten. Foto Coralina Rodriguez Meyer

Stitch’n’Bitch: Hier geht es nicht ums Handarbeiten. Foto Coralina Rodriguez Meyer

Sexualisierte Gewalt gegen Frauen Stoppen – das fordern seit mehr als 40 Jahren verschiedene feministische (Protest-) Gruppierungen(1). Eine simple und klare Botschaft ist ebenso, dass dabei Hautfarbe oder soziale Herkunft sowie das bei der Geburt zugeordnete Geschlecht keine Rolle spielen sollten. Klingt ziemlich verständlich, auch wenn das nicht immer auf der Agenda feministischer Bewegungen war. Allerdings ist die Forderung einer Gesellschaft ohne sexualisierte Gewalt im Patriarchat eher Utopie als Usus.

Gesellschaftliche Veränderungen können aus verschiedenen Perspektiven angestrebt werden. Innerhalb feministischer Protestpraxen wird der Hebel unter anderem auch mit zeitgenössischen Interventionen gegen sexualisierte Gewalt(-verhältnisse) aus einer künstlerisch-feministischen Position eingesetzt, um die Utopie einer Welt ohne sexualisierte Gewalt ein Stück weit zu verwirklichen. Dabei stehen aktionistische Kunstformen im Vordergrund, die mit textilen Displays, unter anderem bekannt als Critical Crafting, im (teil)öffentlichen Raum arbeiten und so im Popdiskurs erscheinen.

Es werden exemplarisch die pinkfarbenen Pussy Hats, die misogyne Aussagen des aktuellen US-Präsidenten Donald Trump subvertieren und die zum Widerstandssymbol zeitgenössischer feministischer Proteste in der Popkultur avancierten, dargestellt. Wenn hier über das popkulturelle Phänomen der Pussy Hats, gemeint sind pinkfarbene Wollmützen auf Frauen*recht-Demos, geschrieben wird, ist es unerlässlich, kritische Stimmen bezüglich dieser Kopfbedeckung sowie zu der Repräsentationspraxis im Rahmen der feministischen Demonstrationen 2017 abzubilden.

Als Visualisierungsstrategie gemeinsamer Intentionen sind die Pussy Hats als eine Begleiterscheinung der im globalen Westen stattgefundenen Women’s Marches im Januar 2017 aufgetreten.(2) Dabei handelt es sich um handgearbeitete pinke Wollmützen mit Katzenohren, die optisch und sprachlich mit dem Begriff Pussy spielen. Entstanden sind sie als visuelle Metaphorik, um so Protestzeichen gegen Trumps sogenannten Locker Room Talk zu setzen.

Diese Floskel bezieht sich auf einen Gesprächsauszug zwischen Donald Trump und Journalist Billy Bush von der Washington Post. Sie beinhaltet misogyne Aussagen und zeigt den zutiefst sexistischen Habitus des US-Präsidenten.(3) Die aus dem „lockeren Herrengespräch“ resultierende Phrase „Grab ’em by the Pussy“, ging viral und wurde von Feminist*innen ironisch aufgegriffen. Im Rahmen der Demonstrationen dienten die Pussy Hats als visuelle Chiffre für Protest auf den Women’s Marches(4). Die Demonstrationen standen in der Kritik, einen weißen Differenzfeminismus, in dem sich nur die Gruppe der weißen bürgerlichen Frauen abbilden ließe, aufrechtzuerhalten. Schwarze Frauen, Women of Color, Transfrauen und andere marginalisierte und intersektional betroffene Frauen*gruppen würden (erneut) vom feministischen Massenaufbegehren nicht mitgedacht werden. Genau auf dieses Unsichtbarmachen und Exklusionsmechanismen machten beispielsweise schon bell hooks und Angela Davis in den 1970er Jahren vehement aufmerksam. Ihre Kritik bezüglich der oben genannten Ausschlussmechanismen ist immer noch aktuell. Absolut berechtigte Kritiken gab es auch bezüglich antisemitistischer Positionen durch Mit-Organisatorin und Sprecherin Linda Sarsour. Die hier vollständigkeitshalber genannt, aber weiters nicht mehr aufgegriffen werden.

Die oben genannte Kritik an feministischen Protestpraxen in den USA wird auf die Pussy Hats übertragen. Auch sie werden angeprangert, für ausschließende Feminismen zu stehen, denn aufgrund ihrer Farbe würden sich nur weiße Frauen in die pinke Widerstandssymbolik einschreiben können. Des Weiteren wurde betont, sie seien transexklusiv, da nicht alle als Frauen gelesenen Personen über eine biologische Vulva bzw. Vagina verfügen; somit sei der Begriff Pussy für diese Gruppe ebenfalls diskriminierend.(5) Diese Kritik lässt sich von der ästhetisch-bildsprachlichen Ebene aus jedoch einfach dekonstruieren, denn die Politiken der visuellen Kultur funktionieren anders als individualpolitische Ansätze. Die Pussy Hats fungieren als visuelle Vereinheitlichungsstrategie der unterschiedlichen Anliegen der Subjekte, die sich gegen Trumps sexistische Aussagen auflehnen wollen, egal welcher Hautfarbe und egal welches Geschlecht ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde. Es muss in dieser Diskussion danach gefragt werden, ob nun gemeinsam gegen phallogozentristische Diskurse interveniert wird oder die divers strukturierte Kategorie Frau* visualisiert werden soll, zumal es sich bei der visuellen Retourkutsche um ein ironisches Statement handelt, das nicht funktionieren würde, wenn der Begriff Pussy nicht aufgegriffen werden würde. Um bei den Mechanismen der visuellen Kultur zu bleiben, kann an dieser Stelle mit der „Macht der Evidenz“6 argumentiert werden: Das Meer aus pinkfarbenen Mützen, zu dem die einzelnen Subjekte verschmelzen, steht für eine große Masse, die sich visuell eindeutig als Opposition zu Trump, stellvertretend für heterozentristischen Sexismus im Patriarchat, positioniert. Als allegorische Funktion im feministischen Protest ist ein intertextuelles Wirken von Bildsprache und Text („Grab ’em by the pussy“) völlig voneinander abhängig. Das bedeutet, dass die subversive Affirmation, die durch das Tragen von pinken Katzenmützen visualisiert wird, ohne das Benennen des Begriffes überhaupt nicht zustande kommen könnte. Zumal die Kritik, der pinke Farbton stünde ausschließlich für die Vulven von weißen Frauen und der Terminus Pussy exkludiere Transpersonen, hinsichtlich der Allegoriefunktion des Pussy Hats beim Tragen auf der Demo aufgrund der Ambiguität des Begriffes hinfällig ist. In der Mehrdeutigkeit liegt das Potential, denn schließlich wird mit den Katzenohren auch eindeutig auf die weniger vulgär konnotierte Bedeutung des Pussy-Begriffes angespielt.

Als weiteres Beispiel für künstlerischen Aktivismus zum Aufzeigen gesellschaftlicher Missstände sei an dieser Stelle der Cunt Quilt erwähnt, der sich ebenfalls mittels bildsprachlicher Bewaffnung gegen Trumps Misogynie auflehnt. Die New Yorker Künstlerin Coralina Rodriguez Meyer rief im Internet dazu auf, ihr getragene Unterwäsche zu zuschicken, um daraus den Cunt Quilt, in Stitch’n’Bitch-Sessions zu fertigen.(7) Die Künstlerin animiert zudem, ihre Adressat*innen dazu, die besonders dreckigen mit diversen Körperflüssigkeiten benetzten Exemplare einzureichen. Ihr Anliegen ist es, so lange getragene Wäsche zu sammeln und öffentlich im Cunt Quilt zu zeigen, bis es eine Präsidentin in den USA gibt.

Der Cunt Quilt steht somit in der Tradition abjektiver Kunstpraxen, wie sie vor allem in den 1970er Jahren im Kontext der zweiten Frauenbewegung von Künstlerinnen wie Ana Mendieta oder Cindy Sherman umgesetzt wurden. Abjektion leitet sich aus dem Französischen her und meint Niedrigkeit oder Verworfenheit. Die Abject Art arbeitet häufig mit Ekel erzeugenden Substanzen wie Kot, (Menstruations)Blut, diversen Körperflüssigkeiten und evoziert durch diese transgressiven Praktiken gesellschaftlich akzeptierter Erwartungshaltungen provokative Tabubrüche. Die genannten Kunstpraxen werden häufig mit Attributen wie „verstörend“ und „irritierend“ oder schlicht „ekelhaft“ versehen, können aber dennoch als witzig interpretiert werden. Auch der Cunt Quilt ist im Zuge des Locker Room Talks entstanden und wurde zu Demonstrationszwecken im öffentlichen Raum bei den Women’s Marches verwendet. So kann die Praxis als performatives „dreckige Wäsche waschen“ gelesen werden, um auf Sexismus und Misogynie mittels künstlerischem Handelns im öffentlichen Raum aufmerksam zu machen.

Die dargestellten künstlerischen Interventionen verstehen sich somit als Zusammenschluss aus verschiedenen diskursiven Strategien, die gemeinsam mit weiteren soziokulturellen oder auch legislativen Eingriffen in den gesellschaftlichen Ist-Zustand eine strukturelle Veränderung erzeugen möchten: Ein gleichberechtigtes Miteinander der Geschlechter, ohne biologische Determinierung, sexualisierte Gewalt oder Klassen- bzw. Ethniendiskriminierung. Die Forderung ist eigentlich gar nicht so utopisch.

 

1 Vgl. Force Upsetting Rape Culture oder The Antirape Movement in Barrie Levy: Women and Violence. Berkeley: Seal Press, 2008. S. 135–164.

2 www.theguardian.com/lifeandstyle/live/2017/ jan/21/womens-march-on-washington-and- other-anti-trump-protests-around-the-world-live-coverage (aufgerufen 28. 03. 2018)

3 www.nytimes.com/2016/10/08/us/donald-trump-tape-transcript.html (aufgerufen 28. 03. 2018)

4 Der 2017 mit drei bis vier Millionen Teilnehmenden der größte Protestaufmarsch in der US-Geschichte war.

5 www.iwf.org/blog/2805547/Distinctive-P- Hat-Deemed-Offensive-to-Transgender-Women (aufgerufen 28. 03. 2018)

6 Sigrid Schade; Silke Wenk: Studien zur visuellen Kultur. Einführung in ein transdisziplinäres Forschungsfeld. Bielefeld: Transcript, 2011.

7 www.dazeddigital.com/artsandculture/article/34401/1/carolina-meyer-wants-your-dirty-knickers-for-her-cunt-quilt (aufgerufen 28. 03. 18)

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