Provinzposse mit Happy End?
Oberösterreich ist ein Bundesland für Menschen, die Ambivalenzen ertragen. Dank des Wirtschaftsbooms darf sich die Landesregierung über 100 Millionen mehr im Budget freuen, Frauen, Kulturschaffenden und sozial Schwache werden aber von der schwarzblauen Koalition behandelt, als sei sie insolvent. Gerne rühmt sie sich der „Aufarbeitung“ der NS-Geschichte, zugleich wählt sie um ein Haar einen Deutschnationalen in den Kulturbeirat. Ein Stimmungsbild mit Aufforderungscharakter von Dominika Meindl.
Ein erster lauer Abend Anfang Mai. Mit Mühe müssen die freundlichen MitarbeiterInnen der Kulturdirektion die Menschen, die angeregt in Trauben vor der Landesbibliothek schwatzen, in das kühle Haus treiben. Ein neues Kulturleitbild soll entstehen, und dieser Abend bildet den Auftakt für einen längeren Diskussionsprozess. Nicht geplant ist eine Diskussion darüber, warum es überhaupt eines neuen Leitbildes bedarf – das „alte“ ist gerade einmal zehn Jahre alt und in etlichen Punkten noch gar nicht umgesetzt.
Die Stimmung ist betont freundlich. Nach den heftigen Protesten der freien Kunst- und Kulturszene gegen den Kahlschlag im Vorjahr und existenzbedrohendem Chaos in den Förderabteilungen (#kulturlandretten) bemüht man sich seitens des Landes offensichtlich um ein gutes Auskommen. Die Anwesenden werden in Gruppen geteilt, die Autorin landet in jener mit dem Titel „Kunst als Botschaft nach außen und Motor nach innen“. Ein redegewandter Mitarbeiter der Landesregierung erklärt, es gehe hier um die „Positionierung der oberösterreichischen Kultur als Marke“. Die Mitglieder diskutieren artig über die Einbindung der Jugend, eine junge Frau lobt das Förderwesen. Die Autorin verkneift sich ein Augenrollen und schreibt konstruktiv „Landesmusikschulwesen auf sämtliche Sparten ausdehnen“ auf die Flipchart.
Fünf Tage später positioniert die Landes-FP die heimische Kultur auf ihre ganz eigene Weise: Sie nominiert Norbert Hofers Lieblingsmaler Manfred „Odin“ Wiesinger für den Landeskulturbeirat. War der mäßig geniale Innviertler Kunstmaler bis dahin hauptsächlich in freiheitlich-deutschnationalen Kreisen bekannt, dürften seine Vita und seine Geisteshaltung nun hinlänglich bekannt sein. Wer im Mai auf Urlaub oder im Tiefschlaf war: Wiesingers Lieblingssujet sind schlagende Burschenschafter und Wehrmachtsoldaten, Frauen sind für ihn schon mal ein „hässliches und dummes Stück Fleisch“, beim Holocaust ist er sich nicht sicher, und seinen KritikerInnen droht er nach den heftigen Protesten: „Euch merke ich mir, und irgendwann seid ihr dran.“ Hinweise etwa der Grazer AutorInnen Autorenversammlung Oö, dass seine Mitgliedschaft gegen das oberösterreichische Kulturfördergesetz (Kultur als „Trägerin einer humanen Gesellschaft) verstoße, verhallten ungehört.
Die zunächst erfolgreiche Nominierung durch die FPÖ geriet zum beabsichtigten Skandal; dem rechtsextremen Flügel schien seine Legitimierung und Normalisierung über die Gremien zu gelingen; die Opposition sowie die Kunst- und Kulturschaffenden entflammten in hellem Zorn, die unnötige Posse zog Kreise bis ins Ausland. „Was ist denn da bei euch schon wieder los?“, war die Frage des Tages. So viel zur „Kunst als Botschaft nach außen“. Landeshauptmann Thomas Stelzer verwies kühl auf die Gepflogenheit, das Nominierungsrecht anderer Parteien zu respektieren. Die Oberösterreichischen Nachrichten vertraten die Blattlinie, dass man sich habe provozieren lassen wie ein Kind, dass auch schon Thomas Bernhard ein Provokationskünstler gewesen und dass der Landeskulturbeirat ohnehin zahnlos sei.
Auch die folgenden Ereignisse sind bestimmt noch bestens bekannt: Die FPÖ jagte auf Ibiza die Koalition in die Luft. Hektisch wurden auch auf Landes- und Gemeindeebene „Diskussionsprozesse“ eingeleitet. Fazit: Die FPÖ muss ihren Sicherheitslandesrat, Aula-Fan und AfD-Berater Elmar Podgorschek opfern. Und der Landeshauptmann hat die Eingebung, dass „Odin“ Wiesinger im Kulturbeirat doch untragbar ist. Podgorschek und Wiesinger treten zurück, um weiteren Schaden von ihren Familien fernzuhalten.
Dem Land und seinem Kulturbeirat ist eine gewaltige Peinlichkeit erspart geblieben, Schaden ist dennoch zur Genüge angerichtet. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen Konsequenzen ziehen. Der Beirat hat kein Politikum zu sein, sondern ein Gremium aus bewährten Fachkräften, dem die Bedeutung beikommt, die es verdient. Wie absurd ist es eigentlich, wenn die Regierungsparteien Fixplätze mit ihren Vertrauensleuten besetzen, dann aber die Empfehlungen nicht einmal ignorieren?
Und wenn es schon eines neuen Kulturleitbildes bedarf, möge die Politik ihre Verantwortung wahrnehmen und darin den in der Verfassung verankerten Antifaschismus festschreiben. In ihrem gemeinsamen Protestbrief schlugen KUPF und die Gesellschaft für Kulturpolitik folgenden Satz vor: „Ein neues Kulturleitbild muss ein ganz klares und glaubwürdiges Bekenntnis zu einer demokratischen, offenen, inklusiven Kulturpolitik enthalten, die alle rechtsextremen, identitären Kultur- und Heimatbilder, die sich aus einer Geisteshaltung ableiten, von der Österreich 1945 befreit wurde, eindeutig ablehnt.“ Word. Das muss gar nicht mehr diskutiert werden und stünde Oberösterreich, dem Spitzenreiter bei rassistischen und rechtsextremen Straftaten, auch mehr als gut an. Gar nicht mehr diskutiert werden muss auch eine adäquate Frauenpolitik; sämtliche Kürzungen müssen flugs zurückgenommen und per Neuformulierung im Landesfördergesetz verhindert werden. Mit diesem „Motor nach innen“ dürfte die Kulturpolitik des Landes wirklich eine „Botschaft nach außen“ senden. Und wir alle müssen uns nicht schämen, wenn wir das Wort „Heimat“ hören. Irgendwann können wir es dann vielleicht sogar ohne Anführungsstriche ans Ende eines Essays schreiben.
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