Das kluge Schreib-Bot kiki

IT für E.T. – oder doch nur außerirdischer Journalismus

IT für E.T. – oder doch nur außerirdischer Journalismus

Von Textambitionen zur Ars Electronica und anderen Schreib-Bot-Automatismen: Der Maschinenblick auf Linz und die Medien. Plus Kommentar zur lokalen Berichterstattung über maiz.

Die Vorgeschichte: Ein Medienskandal ereilte 2012 die „Chicago Tribune“ – hinsichtlich ausgelagerter schreiberischer Dienstleistungen. Kurzfassung: So genannte hyperregionale Nachrichten, also Nachrichten aus Chicago und der unmittelbaren Umgebung, wurden von einer Firma abgefasst, die unter anderem Schreibkräfte auf den Philippinen beauftragt hatte. Die Presse schrieb dazu: „(…) Reporter hatten herausgefunden, dass die Firma Journatic jene ‚hyperlokalen‘ Nachrichten mit denen sie seit 2007 überregionale Zeitungen wie ‚Chicago Tribune‘ oder ‚San Francisco Chronicle‘ beliefert, unter anderem von Billiglohnschreibern von den Philippinen erstellen lässt. Möglich macht das die offene Verwaltungsstruktur, die Behörden dazu anhält, sämtliche Verwaltungsabläufe online zu dokumentieren. Die Schreibkräfte von Journatic in den USA oder eben auf den Philippinen machen aus diesen Daten Texte wie am Fließband. Zuletzt wurden falsche Autorennamen für manche Texte verwendet, einige Zeitungen stellten ihre Zusammenarbeit mit dem Content Provider ein.“1 Was sagt uns das? Zum einen: Die Entfernung Chicago – Philippinen lässt hyperregionale Berichterstattung absurd erscheinen. Zum anderen: Es braucht anscheinend keinerlei direkten Kontakt, weder hinsichtlich Schauplatz noch Recherche, um journalistisch erscheinende Texte abzufassen. Automatisierte Verarbeitung zu Textoberflächen genügt. So gesehen könnte es, und damit wechseln wir ins hyperregionale Oberösterreich, eigentlich auch möglich sein, dass Journalisten der OÖN von den Philippinen weg (wahrscheinlich dann eher in Urlaub) das Sommer-OÖN-Aufregerthema „Förderunwesen“ hochgepitcht haben. Indem sie etwa den Verein maiz diskreditieren, der seit Jahren in Theorie und Praxis Empowerment für Frauen und Migrantinnen betreibt (dies durchaus bereits mit vielen Anerkennungen und Preisen bedacht). Denn: Auch hier wurde keinerlei Kontakt mit dem Linzer Verein aufgenommen, bevor man polemisch verbratene Zahlen und Inhalte in die Druckerpressen schickte. Der Verein maiz, der völlig legitim und legal Fördergelder von verschiedenen Stellen bekommt, verwaltet und durch die üblichen Abschlussberichte rechtfertigen muss, hat hierzu eine Stellungnahme verfasst, eben mit dem Hinweis, dass keinerlei direkte Recherche beim Verein vorangegangen sei. Besonders ungustiös ist, dass sich hier die OÖN Mechanismen bedienen, die so daherkommen, als ob man sich mit den Mächtigen anlegt (den Förderern); aber damit gezielt einen Verein diskreditiert haben, der für diejenigen einsteht, die, ohnehin nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen, dem Grusel des Endes der Gemütlichkeit frönen können. Die Stellungnahme des Vereins ist wärmstens zu empfehlen.2 Bleiben die Fragen: Schreiben wie es mir gefällt? Oder: Automatischer Hass auf Minderheiten?

Gehen wir weg von diesem journalistischen OÖNullpunkt und wenden wir uns den unschuldigen Maschinen zu. Wir nehmen den Faden der automatisierten Text- und Schreibabläufe auf. Eine Fortsetzung von oben angeführten „automatisiert“ erstellten Texten sind so genannte Schreib-Bots. Das sind maschinelle Textprogramme, die bereits im Sport, in der Wirtschaft und anderswo real und tatsächlich schon automatisiert zum Verfassen von Texten angewendet werden – ganz ohne Menschen. That‘s reality. Das heißt: Vielleicht können inzwischen so manch oben angeführte hyperregionale Daten, z.B. aus Chicago oder jeder anderen Stadt, bereits jetzt automatisch in Texte umgewandelt werden – auch ganz ohne philippinische Billiglohnschreiber. In einigen Artikeln in der aktuellen Versorgerin und über die angegebenen Links unten ist bezüglich Schreib-Bots zum Stand der Dinge zu lesen. Die Referetin wollte dazu nun aber gleich in Medias res der Kulturberichterstattung gehen und hat eine deutsche Firma angeschrieben, die derlei Dienste anbietet. Die Idee war ein Schreibbot-generierter Artikel über die Ars Electronica. O-Ton Die Referentin-Anfrage an den Firmenchef: „Ich habe Ihnen bereits vor einiger Zeit eine Anfrage geschickt – mit dem sinnigen Betreff ‚bots on festivals?‘, und der Frage, ob es möglich ist, dass Bots auch im Kunst- und Kulturfeld das Schreiben für uns zu erledigen imstande sind; entsprechend Ihres Slogans ‚Let us do the Writing for you‘. Ich habe in einem Printmagazin von ihrem Ratespiel ‚bot or not?‘ gelesen, das Sie laut Beitrag am Tag des Online-Journalismus im April in Frankfurt vorgeführt haben. Ein Beitrag zum Thema Schreibbots ist in unserer neuen Kunst- und Kulturzeitung nach wie vor geplant. Am liebsten wäre uns, gleich anschaulich zu werden und die Ars Electronica, ein großes Festival für Kunst, Medien und Technologie hier in Linz/OÖ durch einen Schreibbot zu besprechen, sprich mit bestehenden Daten zu füttern, um einen Preview oder gar eine Kritik vorneweg zu bekommen. Ist das grundsätzlich überhaupt möglich? Das Festival findet Anfang September statt und wir wären an einem Textbeitrag von etwa 5000 Zeichen interessiert. Bzw. auch, falls das nicht möglich ist, an anschaulichen Textfragmenten, die sozusagen die Maschine generiert hat. Gibt es überhaupt Beispiele aus ‚bot or not?‘, die im Kunst- und Kulturbereich angesiedelt sind? Ich bin nicht sicher, wie gewagt diese Anfrage hinsichtlich einer Umsetzung einer solchen Festivalbesprechung ist, überhaupt das Feld der Kunst und Kultur. Unser Interesse begründet sich natürlich allgemein aus Überlegungen zur Zukunft der schreibenden Zunft. Die konkrete Idee, ein Schreibbot auf das Zukunfts-Festival Ars Electronica anzusetzen, erscheint uns deshalb verfolgenswert, weil das anschaulich vorführt, auf welchem Stand der Dinge sich hier die Technologie befindet, und weil sozusagen hier mit dieser konkreten Festivalbesprechung Technologie auf Technologie trifft. Wir würden selbstverständlich einen derartigen Schreibbot-Beitrag, der sicherlich in unserem Fall nicht kommerziell ist (freies Medium in Linz/OÖ, Auflage 10.000, Erscheinungstag 4. Sept), mit einem Kommentar von Ihrer Seite versehen, der auf die Potentiale dieses Bereichs verweist– selbstredend in der journalistisch angebrachten Transparenz. Bitte um kurze Rückmeldung, ob dies grundsätzlich möglich ist, und unter welchen Bedingungen. Beste Grüße“.3 Leider haben wir keine Antwort auf diese An­frage bekommen, bzw. kam nach der ersten, vorangegangenen Anfrage mit ähn­li­chem Inhalt ein an uns cc-adressiertes Ant­wortmail des Firmenchefs an seine Mit­ar­bei­terin, das dachten wir zumindest zuerst, mit dem einzigen Inhalt: „kiki, kannst du bitte eine telko vereinbaren?“. Eine telko ist übrigens eine Telefonkonferenz.

Allerdings ist kiki nicht tätig geworden. Und auch sonst haben wir nichts mehr gehört. Wir dachten zuerst, dass unser beabsichtigtes Vorhaben einfach nicht möglich ist. Und Schreib-Bots nun doch zu so gar nichts zu gebrauchen sind. Mittlerweile glauben wir aber, dass kiki in Wahrheit selbst ein Schreib-Bot ist, das klug genug ist, erkannt zu haben, dass mit uns nicht gerade viel Aufmerksamkeit und Geld zu machen ist. Die aufklärerische Idee, wie eine Maschine ein Festival der elektronischen Kunst übersetzt, das uns jedes Jahr wieder das Staunen vor der Technologie lehrt, sozusagen der Maschinenblick auf Linz, ist damit erstmal gescheitert. Wir schließen deshalb vorerst mit einem Zitat zum Thema, das wahrscheinlich so oder so die Quintessenz der Sache beschreibt: „Im Grunde besteht die Gefahr nicht darin, dass die Maschine den Menschen ersetzt, sondern dass der Mensch auf dem Weg dahin, die Maschine menschlich zu machen, selbst immer maschineller wird (…)“.4 Dies trifft wahrscheinlich auf sämtliche automatisierte Abläufe zu, oder auch auf den Journalismus. Dieser Text wurde übrigens automatisch erstellt vom klugen Schreib-Bot kiki.

1    DiePresse, Anna-Maria Wallner, Subtext, 13. Juli 2012
2    Stellungnahme maiz: maiz.at/sites/default/files/stellungnahme_zur_berichterstattung_ueber_maiz_06082015.pdf
3    Zur angefragten Firma und zu „bot or not“, konkret, Juni 2015, Leo Fischer, Share the Snack­ability, www.konkret-magazin.de/hefte/heftarchiv/id-2015/heft-62015/articles/share-the-snackability.html
4    Dieser Satz stammt auch aus einem Bericht zum Thema Roboterjournalismus, Cicero Magazin, Mai 2015, Timo Stein, Automatisierte Wirklichkeit,  www.cicero.de/salon/roboter­journalismus-automatisierte-wirklichkeit/59295

 

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert