Der Biss zum Biss

So kann queer_feministische Radioarbeit funktionieren – meinen Helga Schager und Michaela Schoissengeier, die von der Referentin eingeladen wurden, über ihr seit 2017 bestehendes und auf Radio FRO laufendes Sendungsformat „X_XY (Un)gelöst und (Un)erhört!“ zu berichten. Die beiden haben sich in die schreiberische Außenperspektive der dritten Person versetzt und erzählen.

Der Sendungsname auf dem Schwarzen Brett. Foto X_XY

„X_XY (Un)gelöst und (Un)erhört!“ so ein sperriger Titel, was heißt denn das eigentlich und überhaupt zu lang für einen Sendungsnamen!“

Diese und andere Kommentare haben die Radiojournalistinnen zu Beginn ihres neuen Sendungsformats im Jahre 2017 mehrmals gehört. Die zwei Gründungsfrauen Helga Schager und Michaela Schoissengeier haben sich nicht abbringen lassen und haben fleißig geübt, diese Worte, ohne mehrmals zu stolpern, charmant und souverän über die Lippen zu bringen. Sie haben es geschafft und wenn sie sich über das Magazin austauschen, heißt es dann einfach kurz und knapp: XXY.

Ohne ihre feministischen Grundhaltungen verlassen zu wollen, dachten sie, es sei an der Zeit, einen erweiterten Blick auf Geschlecht, Gender und Gesellschaft, auf deren Auswirkungen auf die sich rasant verändernde politische Landschaft zu werfen und diese in die praktische und theoretische Radioarbeit zu integrieren und zu aktualisieren.

X_XY steht als Synonym für Varianz. Von Geschlechtsidentitäten, die der Biologie nicht entsprechen müssen, ist hier die Rede. Geschlecht bewegt sich auf einem Kontinuum, das heißt, der Versuch wird gewagt, sich von binären Geschlechternormen zu lösen und nach Erlösung wird gestrebt.
Gelöst ist noch lange nicht alles, ungelöst ist vieles und manches braucht keine Lösung, sondern Respekt und Akzeptanz.

„Wir finden das (un)erhört! und bringen das zu Gehör!
Wir wünschen uns nicht eine neue Form von feministischer Politik –
Wir machen sie!“1

Das Miteinander ist durch das binäre Geschlechterkonstrukt geprägt. Vom Gang aufs WC bis zum X am Bewerbungsbogen gibt es Regeln, das schafft Ordnung in unserer Welt.
In den letzten Jahren bröckelt zunehmend diese vermeintlich unverrückbare Grenze. Menschen wechseln ihre Geschlechtsidentitäten, der 3. Geschlechtseintrag „inter“ und die „Ehe für Alle“ sind in Österreich seit kurzem Realität.
Unglaublich aber wahr, die Welt bricht nicht zusammen, ganz im Gegenteil! Menschen fassen Mut, so zu leben, wie es ihnen entspricht und wie es sie glücklich macht. Das soziale Gefüge ist divers und dynamisch und das nicht seit gestern, nicht seit heute.

Selbstverständlich schafft es immer wieder Verwirrung, Unklarheiten und auch Verwunderung. Das ist nicht immer angenehm, regt aber zum Nachdenken an und erlaubt einen Blick über den eigenen Tellerrand.
Reaktionäre Kräfte wollen dies verhindern, doch keine Chance, der Zug rollt. Dieser Widerstand zeugt auch davon, welche Relevanz besser gesagt Brisanz diese Themen beinhalten.

Um was geht es?

Nicht nur der alte, weiße Mann wird panisch (sondern auch der junge), wenn seine Pfründe ins Wanken geraten.
Das Patriarchat wirkt in alle Lebensbereiche und die erste Welle der Frauenbewegung sägte schon kräftig an deren Stuhlbein.

Viele Jahrzehnte sind vergangen, vieles hat sich verändert, der Kampf (ja, es ist immer wieder ein Kampf!) nach gelebter Gleichheit in all ihren Unterschieden und Facetten ist im Grunde der gleiche geblieben. Die Rapperin Sookee bringt’s auf den Punkt: „Ich fänd’s unanständig kein*e Feminist*in zu sein.“

„Wir sind Feministinnen, haben den Anspruch, positiven und mutigen Vorbildern eine Stimme zu geben und kritisieren Ungerechtigkeit und Abwertung ohne Wenn und Aber aufs Schärfste!“, zeigen sich die beiden Radiomacherinnen resolut.

Die Geschichte zeigt, dass Frauen wenig bis gar keinen Platz bekommen haben. Weibliche Leistungen wurden und werden unter den Teppich gekehrt oder gleich von Männern geklaut.
Eine wesentliche Aufgabe von „X_XY (Un)gelöst und (Un)erhört!“ ist es, Lebensgeschichten aufzuspüren, Menschen zum Erzählen zu ermutigen und diese Geschichten zu archivieren.

Es ist ein Beitrag zur Hörbarkeit, zur Sicht­barkeit von verschiedenartigen Le­bens­entwürfen und deren Haltbarkeit über eine Lebenszeit hinaus.

Wie und womit wird das gemacht?

Es werden die freien Medien genutzt, um Themen in die Öffentlichkeit zu bringen, die von privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern vernachlässigt werden.

Thematische Vielfalt ist Programm. Breit gestreut reicht diese von Kunst- und Kulturaktivismus, Frauen*- / Gesellschafts- / Entwicklungs- und Migrationspolitik, Alltagsleben von Frauen*, Lesben, inter- und trans-Menschen über Hörspiele bis zu experimentellen Radiosendungen (Radio als Kunstform).
Außerdem wird der Kurzlebigkeit und Kurz­berichterstattung ein Schnippchen geschlagen.
Ausführlichkeit und seriöse Berichterstattung sind gelebte Praxis.

Und was hat es mit dem „queeren Biss“ im Sendungsuntertitel auf sich?

Der Begriff „queer“ bezog sich ursprünglich auf etwas Merkwürdiges, Fremdartiges, Abweichendes und wurde als Schimpfwort benutzt. Inzwischen ist es zu einem positiv besetzten Wort geworden, mit dem sich Menschen selbst bezeichnen. Queer meint eine politische Haltung, die auch die vorherrschenden Normen rund um Geschlecht und Sexualität hinterfragt und alternative Wege des Denkens und Handelns herausfordert.
„Ja und den Biss zum Biss haben wir noch immer und noch allemal!“2

 

1 Statement 2017
2 Statement 2019

X_XY (Un)gelöst und (Un)erhört!
Das feministische Magazin mit queerem Biss FREIE Projektinitiative
Sendetermine: Jeden ungeraden Freitag, 19.00–20.00 h
Wiederholung jeweils: Jeden ungeraden Samstag, 11.00–12.00 h
am darauffolgenden Werktag, 14.00–15.00 h auf Radio FRO 105.0 und 102,4 MHz
Sendungsarchiv: cba.fro.at/series/x_xy-ungeloest-und-unerhoert

Kontakt: Helga Schager & Michaela Schoissengeier mailto: helgaschager@gmail.com, michaela.sch@gmx.at

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