Editorial

Denn eine wichtige Feststellung für dieses ganze Projekt ist, dass unsere Gegenwart die beste Zeit für Manifeste ist!

Der Satz stammt aus dem Interview, das Anna Maria Loffredo mit Andreas Zeising für diese Referentin #23 geführt hat. Unter dem Titel Es wird keine Bilder mehr geben! geht es im angesprochenen Text, bzw. im angesprochenen Projekt um KünstlerInnen-Manifeste der Avantgarde und Neoavantgarde, bzw. um ein Ausstellungsprojekt mit Studierenden, das ab Ende April im Atelierhaus Salzamt gezeigt wird.

Abgesehen davon, dass die „Salzamt-Manifeste“ recht reizvoll zwischen radikalem Statement und Vermittlungskonzept changieren (studentisch, gesellschaftlich), wundert es einen nicht sehr, dass Andreas Zeising, darauf angesprochen, ob er denn Anknüpfungspunkte der behandelten Manifeste und ihrem appellativen, kämpferischen Ton zur jetzigen Zeit sehe, die Frage recht eindeutig mit Ja beantwortet: „Was Künstler:innenmanifeste immer wieder konstatieren, ist ja eine tiefgreifende Krisis des ‚Systems‘ und ein Lähmungszustand der Politik“. Diesen Dingen lasse sich „nur durch eigene Aktion und kreatives Handeln beikommen“. Und dass aktuell die Straße nun bester Ort, und unsere Gegenwart beste Zeit für diverse Manifestationen ist, das spiegelt sich in Grass-Root-Bewegungen aller Art – „von Greta Thunberg und linken Aktivisten bis hin zu Corona-Demos, auf denen Wutbürger, rechte Ideologen und alternative Spinner zueinander finden“.

Ist das nun tatsächlich die Folie dessen, was wir gerade erleben? Zumindest erkennen wir derlei Aspekte auch in der aktuellen „Kleinen Referentin“ von Terri Frühling, die wir dieses Mal aufs Cover platziert haben. Ebenso erkennen wir den kämpferischen Appell in Wiltrud Hackls Kolumne „Work Bitch“, diesmal zum Weltfrauentag am 8. März. Da und dort lassen sich weitere Bezüge im Heft finden, auch zu Themen wie Digitalisierung, einer Ästhetisierung des Künstlichen oder zu einer Wiederkehr radikaler Nationalismen. Wir ersuchen die Leserinnen und Leser sich hier selbst zu orientieren. Unsererseits also auch absolute Zustimmung: Wir erkennen ebenfalls eine tiefgehende Krise des Systems. Sagen wir ja nicht zum ersten Mal. Und wer nicht. Und wahrscheinlich ist nicht unbedingt der berühmte Riss durch die Gesellschaft das valide Bild, sondern der Riss (oder die Dummheit) des Systems zieht sich vermutlich – noch schlimmer – durch die einzelnen Individuen selbst, die in sich die Widersprüche nicht mehr zu überbrücken imstande scheinen. Abgesehen davon, dass der Riss, oder die gefährliche Dummheit selbst zum Ort zu werden scheinen, an dem wir mehr und mehr bald leben werden müssen. Und wer’s immer noch nicht wahrhaben will, die passenden drastischen Stichworte hierzu sind: Ein Anti-Modernismus, der lieber in erkenntnisferne oder despotische Gefilde flüchtet, statt Fakten zur Kenntnis zu nehmen und solidarisch zu handeln. Befürchtete weitere Gesundheitskrisen. Die Klimakatastrophe. Das Wiedererstarken radikaler Kräfte. Die zunehmenden Ungleichheiten. Eine diffuse Melange all dessen.

Am Ende ein kurzer Themenschwenk: Wir bemerken in den letzten Monaten neben der allseitigen Ermüdung über die Zustände auch zarte, andere Arten von Kontaktaufnahmen, alte, neue Arten von Distribution, visionär gedachte Arbeitsweisen und ein tastendes Connecting, das Neues versucht. Mal sehen was da rauskommt. Einstweilen fühlen wir:

How it is like to be a BAT VIRUS.

Diesen Frühling im Fledermaus-Ultraschall-Modus,
die Referentinnen Tanja Brandmayr und Olivia Schütz www.diereferentin.at

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