Editorial
2021 ist das Jahr, in dem der Klimawandel alias Klimakrise so richtig im allgemeinen Bewusstsein angekommen ist: Wetterkapriolen, die Tote fordern und de facto geologische Verwerfungen auslösen, und das mitten in Europa, vor den Haustüren. Entschuldigen Sie bitte die Störung, aber es geht ums Überleben? Marina Wetzlmaier hat in Oberösterreich bei den jungen Klima-Initiativen und der Klima-Allianz recherchiert. Sie stellt fest, dass im Land OÖ keine Klimaziele formuliert sind? Aber was nicht ist, kann ja noch werden? Dauert’s 10 Jahre, 20 Jahre? Es sind ja nur irreversible globale Prozesse im Gang. Und wenn plötzlich lokal bis global Banken und Versicherungen vom Klimawandel als ernstzunehmende Bedrohung zu reden beginnen, dann sollte man sich auskennen. Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), das Gremium der Vereinten Nationen zur Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel, hat übrigens gerade seinen 6. Bericht veröffentlicht. Er bildet wichtige Grundlage, führt die neuesten Studien der Klimawissenschaft zusammen. Der Bericht ist im Netz unter www.ipcc.ch/report/ar6/wg1 zu finden. Es wird ungemütlich. Und dazu passend ebenso drastisch wie verloren: Am Cover ein Bild aus einer Aktion von Extinction Rebellion OÖ.
Was haben wir noch in diesem Heft? An mehreren Stellen geht’s ums Fahrrad, darum kümmert sich Magnus Hofmüller. Er hat für uns den Linzer Godfather of Fahrradi besucht – ja, Hannes Langeder. Ein kleiner Velocipedisten-Hinweis findet sich auch in Mariusz Latas Text. Fix ist Leseprobe für die neueste Ausgabe der Idiome. Dieses 14. Heft für neue Prosa hat Florian Huber für uns umrissen. In einem zweiten Text in dieser Referentin widmet sich Florian Huber außerdem der Erinnerungskultur – und er stellt diverse NS-Verwicklungen von Emmy Haesele und Rudolf Bayr gegenüber. Ersterer ist aktuell eine Ausstellung im Lentos gewidmet, zweiterer kommt in der Stifterhaus-Ausstellung zum Residenz-Verlag vor.
Wir zitieren aus einem weiteren Text: „Ende Mai wurde innerhalb eines Straßenfests die Umbenennung der Glaubackerstraße in Agathe-Doposcheg-Schwabenau-Straße gefordert: Glaubacker hat Hitler am Balkon gemalt und sich dem Nationalsozialismus angedient, Doposcheg-Schwabenau war eine engagierte Malerin, die Bedeutendes für die Linzer Kunstszene geleistet hat. Bewilligen muss diese Umbenennung allerdings erst eine HistorikerInnenkommission. Von den rund 560 Straßennamen in Linz, die nach Persönlichkeiten benannt sind, entfällt nicht einmal ein Zehntel auf Frauen.“ Damit sind wir im Text von Silvana Steinbacher gelandet. Sie berichtet über die Straßenfest-Aktion von Elisa Andessner, aber vor allem über den Walk of Fem, der von den Künstlerinnen Betty Wimmer und Margit Greinöcker auf der Donaupromenade umgesetzt wurde. Vom Street Style dieses Walk of Fem, den Betty Wimmer im Gespräch einmal als „mehr Street Art als Glamour“ benannt hat, kommen wir zu einer, sagen wir, Death Positive Street Art, sprich zu Graffitis am Linzer Barbara-Friedhof. Dort hat Christian Wellmann den Verein sagbar besucht. Der Verein wurde von Nicole Honeck und Verena Brunnbauer gegründet, um dem Tabuthema Tod „leichtfüßiges“ Leben einzuhauchen … Und in der kulturell gültigen Klammer Tod und Sex wollen wir außerdem auf den Text der Sexarbeiterin Pauli Dares hinweisen – sie nennt einige Widersprüche der „Selbstbestimmung“ in unser aller Leben, um vor allem gegen Diskriminierung von Sexarbeiterinnen und für Respekt zu plädieren.
In dieser Referentin gibt es natürlich einiges mehr. Ein Lieblingsstück der Redaktion ist etwa der Textauszug aus Robert Stährs Buch Plan. Dessen Protagonist bringt da anscheinend mal so richtig Akkuratesse in den Aktivismus seiner kleinen Welt. Und damit noch ein letzter Sprung zurück zur großen Welt: Wir verweisen auf die ökosexuelle Bewegung der guten alten Annie (Sprinkle). Sie schlägt vor, in ein Liebesverhältnis zum Planeten zu gehen. Und wem das spinnert und lächerlich vorkommt: Die größeren Spinner sind die, die im Namen von Macht und Geld fortlaufend Elend auf der Welt verbreiten. Wir vermuten ja, dass es neben dem Müllberg und dem Gift, das ökologisch existiert, auch einen psychischen Müllberg am vorläufigen Ende der Geschichte gibt. Und da spricht nicht der Weltgeist, sondern: Wie viel Leid Menschen anderen Menschen angetan haben und antun, das ist unaussprechlich. Wie wir in den Medien gesehen haben: In Afghanistan hängen sich Menschen an Flugzeuge, die starten.
Damit, die Referentinnen
Tanja Brandmayr und Olivia Schütz
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