Three Peaks Bike

Lokaler Radverkehrsverdruss oder internationale Fahrradlust? Magnus Hofmüller fiel die Wahl nicht schwer: Er interviewte Jana Kesenheimer und Gerald Minichshofer, die gerade vom einem wunderbaren Rad­rennen quer durch Europa zurückgekehrt sind.

MH: Ihr habt beide ein unglaubliches Langdistanzrennen hinter euch. Und zwar das von Adventure Bike Racing organisierte Three Peaks Bike Race, das heuer von Wien nach Barcelona geführt hat. Du, Jana, hast das mit dem fünften Platz beendet (7 Tage, 11 Stunden und 37 Minuten) und du, Gerald, als Achter (8 Tage, 4 Stunden und 8 Minuten). Wie kommt man dazu, sowas zu machen?
JK: Ich hatte nie das Ziel, mit meinem Radfahren bei solchen Formaten mitzumachen. Ich bin da eher hineingestolpert und dann ist es irgendwann eskaliert. Ich komme aus einer sportbegeisterten Familie mit einem Radsport-Vater, und wuchs mit Tour de France im Fernsehen auf. Die Radtouren meiner Kindheit lösten bei anderen Leuten oft Verwunderung aus. Nach jugendlicher Radsport-Verweigerung und einem Exkurs in Marathon und Triathlon musste ich meinem Vater recht geben und fahre seitdem nur mehr Rad.
GM: Ich habe begonnen Brevets zu fahren. Das sind Distanzfahrten von 200, 400, bis hin zu 600 Kilometern. Es sind keine Rennen und es gibt nur eine Maximalzeit und keine Wertung. Das bekannteste ist der Klassiker Paris-Brest-Paris mit 1200 km. Über einen Freund bin ich dann auf das Three Peaks Bike Race gekommen – er hat gemeint: „Das schaffst du auch!“

MH: Wie kompetitiv ist ein solches Format oder ist es letztlich nur ein Rennen für oder gegen sich selbst?
GM: Mein Ziel ist, ins Ziel zu kommen und die Platzierung ist daher nebensächlich. Ich fahre nicht gegen die MitfahrerInnen, sondern gebe einfach mein Bestes. Während des Rennens orientiere ich mich nur, wer vor und hinter mir ist – rein als Ansporn. Im Gegenteil, man ist viel alleine am Weg und freut sich über jede Begegnung. Aber es ist trotzdem ein Rennen – auch natürlich gegen sich selbst.
JK: Spannende Frage. Es ist sehr unterschiedlich. Kommt auf die Person drauf an. Ich komme aus dem Radmarathon und der ist mega-kompetitiv. Richtig bissig – auch unter den Frauen. Mit echt oft fiesen Kommentaren. Nach meinem Sturz wollte ich weniger striktes Training und begann mit Bikepacking. Und so kam es zur ersten Anmeldung zum Three Peaks Rennen im Vorjahr. Und da war die Stimmung unter den Leuten gleich ganz anders. Extrem nett und unterstützend. Es geht stark drum, sich selbst was zu beweisen und man fährt meist alleine und gegen sich. Jedoch ist mir ein guter Platz schon wichtig und ich bin stolz drauf. Aber ohne Top-Platzierung als Ziel.

MH: Wie sieht der Tagesablauf während des Rennens aus? Gibt es Strukturen oder Tagesabläufe? Das Format des Rennens gibt ja nichts vor, außer so schnell wie möglich das Ziel zu erreichen.
GM: Das einzige wirkliche Fixum ist, dass ich 3 Stunden pro Tag schlafen muss. Der Rest ist nicht planbar. Die ersten beiden Tage vielleicht – aber danach übernimmt das Rennen. Es entscheidet die Tagesverfassung und das Gefühl, wie es mir geht. Wichtig ist ein gute Routenplanung.
JK: Bei meiner ersten Fahrt war ich sehr planlos unterwegs. Machte kurze Power-Naps und hatte keine längeren Schlafphasen; und so wurde die Müdigkeit zum größten Gegner. Dieses Jahr war der Plan, einen festen Rhythmus zu etablieren und das ist mit auch gelungen. Ich habe mich immer zwischen 23 und 1 Uhr hingelegt und mindesten 3 Stunden geschlafen.
Dann bin ich nach 3 oder 4 Stunden losgefahren und bin dann nur mehr am Rad gesessen. Die Morgenstunden waren am schwierigsten. Die Zeit zwischen 7 und 10 Uhr. Ich habe auch die Pausen gestrichen, bin nur in kleine Geschäfte oder Tankstellen gegangen und habe am Rad gegessen – damit ich keine Zeit liegen lasse.

MH: Ein weiterer wichtiger Faktor: Erholung und Ernährung. Wie sieht es mit der Nahrungszufuhr und der Unterbringung aus? Gels und Powerbars? Isotonische Spezialmischungen? Oder das, was die Tankstelle hergibt?
JK: Ich esse keine Sportnahrung. Gels und Riegel habe ich nicht. Am liebsten esse ich gekochte Kartoffeln am Rad [lacht]. Während der Fahrt esse ich, was es „schnell auf die Hand“ gibt – Obst, Brot mit Käse, Snickers und Gummibärchen. In Frankreich gab es zum Beispiel gute Quiche oder Baguettes mit Belag.
GM: Ich lasse das auf mich zukommen, brauche aber keine Spezialgels oder ähnliches. Ich vertrage normales Essen auch in dieser Situation gut und brauche es auch, dass es schmeckt. Die Qualität – überhaupt Bio und viel Gemüse – ist mir sehr wichtig. Ich möchte hier meine alltäglichen Gebräuche nicht über Bord werfen. Meine Ernährung ist zum Großteil vegetarisch. Ich habe aber den Fehler gemacht, in den ersten Tagen wegen der einfachen Verfügbarkeit McDonalds zu besuchen. Das tat mir überhaupt nicht gut. Da sind mir landwirtschaftliche regionale Angebote wie die 24h-Ackerbox bei Villach viel lieber – obwohl ich das am Wurzenpass mit 18% Steigung aufgrund des Gewichts etwas bereut habe. Auf der weiteren Route, zum Beispiel in der Schweiz, sind die Tankstellen sehr gut ausgerüstet und in Frankreich sind Pains au chocolat meine Hauptnahrung. Die Schlafplätze waren recht in Ordnung – immer entlang der Route im Biwaksack. Wichtig ist, gute Plätze zu nützen und nicht zu lange weiterzufahren. Das verschwendet oft Kraft und letztendlich auch Zeit.

MH: Zum Setup. Gerald, du fährst ein Stahlrad (von Alex Singer) mit Felgenbremsen und 650B Reifen, hast zudem Taschen aus gewachster Baumwolle (von Gilles Berthoud). Jana, du fährst einen Carbon-Renner (von Specialized) mit Bikepacking-Ausrüstung, wie der sogenannten Arschrakete und Rahmentaschen. Könnt ihr mir etwas zu eurem Equipment sagen?
GM: Es ist ein klassisches Ranndoneur-Rad. Ursprünglich wäre ein maßangefertigtes, etwas leichteres Stahlrad geplant gewesen, aber aufgrund der Liefersituation bin ich mit dem Rad aus 1976 gefahren. Das funktioniert für mich am besten, da ich einen flexiblen Rahmen brauche, der meinen Rhythmus zulässt. Das Gewicht ist für mich zweitrangig. Und mir ist Alu oder Carbon zu steif – und ich bekomme schnell Probleme in den Knien. Die Reifenbreite, die ich fahre, ist 37 mm und das bietet guten Komfort auch auf schlechten Straßen.
In den Taschen ist der Biwaksack, Regenkleidung, eine echte Wolljacke – die benötigt am meisten Platz, war aber nötig, weil es auf den Pässen empfindlich kalt wurde. Eine Reflektorweste, Armlinge, Beinlinge, Handschuhe, kleines Werkzeugset und Licht. Zahnbürste, Seife und Sonnencreme. Und Fruchtriegel – als Notration. Hose hatte ich nur eine – und die hatte ich an.
JK: Ich habe seit dem Vorjahr Unterstützung von Specialized im Bereich Material und fahre gefühlt das leichteste Rennrad, das es am Markt gibt. Gerade bei meinem Körpergewicht sind 2–3 Kilo Ersparnis schon sehr deutlich zu spüren. Mit Gepäck hatte es zirka 15 kg. Ich habe ein sehr minimalistisches Setup: Schlafsack, Isomatte, Rettungsdecke, Armlinge, Knielinge, Handschuhe und Regenjacke. Ich wollte ohne Extrakleidung (kurze Shorts und T-Shirt) fahren – davon hat mich mein Freund aber abgebracht. Im Gegensatz zum Vorjahr hatte ich nur Satteltasche, Rahmentasche und kleines Bag am Oberrohr. Und keine Lenkertasche mehr.

MH: Welche Übersetzung fährst Du?
GM: Kettenblätter 48/30 – Zahnkranz 12/28
JK: Kettenblätter 50/34 – Zahnkranz 12/34

MH: Was steht nächstes Jahr am Programm?
GM: Das Silk Road Mountain Race oder Atlas Mountain Race würden mich interessieren. Also auch mehr ins Gelände oder Off-Road. Oder Rennformate wie French Divide oder Slovakia Divide sind auch sehr spannend.
JK: Ich wollte heuer noch die Transpyrenees fahren – das Rennen wurde aber leider abgesagt. Jetzt fahre ich einfach so zum Radeln hin. Und den Ötztaler Radmarathon fahre ich auch noch.

 

Gerald Minichshofer, *1994 in Linz (AT), lebt in St. Marien und ist Fahrradmechaniker im Fahrradladen „Zum Rostigen Esel“ in Linz. Er interessiert sich für Fahrradgeschichte und nimmt regelmäßig an Brevets und Bikepackingrennen teil. Der tägliche Arbeitsweg mit dem Fahrrad bildet nach eigenen Angaben die Grundlage für seine Kondition.

Jana Kesenheimer, *1994 in Freudenstadt (DE), lebt seit vier Jahren in Innsbruck und ist Doktorandin der Sozialpsychologie. Sie beschäftigt sich beruflich mit Umweltverhalten und verbringt die restliche Zeit meist auf dem Rad. Weil sie am liebsten bergauf fährt, kommt die Kondition ganz von allein.

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