KV Willy im Salzkammergut

Widerstand ist derzeit in aller Munde. Aber wie sieht es bei einem Kulturverein aus, der sich in langjähriger Aktivität tatsächlichem Protest bzw konkret dem politischen Lied widmet? Der Linzer Kulturverein Willy ver­anstaltet etwa seit 1997 in Weißenbach am Attersee Das Festival des politischen Liedes. Zwischen guter Stimmung und revolutionären Tönen: Silvana Steinbacher über Intentionen, Projekte und den sogenannten Kulturwinter des Vereins.

Die Idylle beschränkt sich hier auf den Schauplatz: Bei dem dreitägigen Festival des politischen Liedes treten Musiker:innen auf, die vor allem eines vereint: eine sozialkritische Mission. Die Texte der Liedermacher:innen prangern unter anderem Privilegien, Privatisierungen und Sozialabbau an. Seit 1997 wird Weißenbach am Attersee im Sommer zum Ort der Begegnung von Teilnehmenden und Publikum und genau das ist auch die Intention der Veranstalter:innen, des Kulturvereins Willy. Anfangs wurde biennal gespielt und diskutiert, später jährlich. Nur vor zwei Jahren musste aus naheliegenden Gründen pausiert werden (wir wissen: Corona).

Ich treffe mich mit Jörg Weiß und Claudia Kutzenberger. Jörg Weiß ist etwas salopp formuliert das „Urgestein“ des Kulturvereins Willy, denn der Sozialarbeiter hat die Entwicklung des Vereins seit seiner Gründung erlebt, begleitet und mitgeprägt. Claudia Kutzenberger ist ebenso Vorstandsmitglied von Willy. Sie ist wesentliche Initiatorin des Projekts Kulturwinter, von dem noch die Rede sein wird.

Wieso eigentlich Willy? Die Partisanengruppe Willy um den Kommunisten Sepp Pliseis hat mit wechselnden Decknamen während der letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs im Salzkammergut demonstriert, wie erfolgreicher Widerstand funktionieren kann. Die Partisanen versteckten vor allem einheimische Deserteure aus der Wehrmacht in den Bergen und versetzten die Nationalsozialisten in Alarmbereitschaft, da im Salzkammergut einige kriegswichtige Rüstungsbetriebe angesiedelt waren. Der geheime Aufenthaltsort der Widerstandsgruppe konnte jedoch nie gefunden werden.

Zurück zum Kulturverein Willy: Die Ergebnisse seiner Arbeit sind beachtlich. Seit langem schon stemmen die Mitglieder mit zwanzig bis dreißig ehrenamtlichen Helfer:innen das Festival des politischen Liedes. So unterschiedlich die auftretenden Gäste in ihren Musikrichtungen auch sind, alle vereint in ihren Texten ein gesellschaftskritischer Zugang, manchmal in sanfteren Tönen, aber auch in rockigen Protestsongs. Viele der angereisten Künstler:innen kommen aus Italien und Deutschland. Die in Bonn lebende ehemalige Straßenmusikerin und Liedermacherin Cynthia Nickschas genießt im Salzkammergut beinah Stammgastehren und hat mittlerweile ein ähnliches Festival mitbegründet (Zeitfrei!Festival in Niedersachsen). Die Wiener Gruppe Monomania mit ihren bekannt beißenden Texten war ebenso zu Gast wie die deutsch-türkisch-italienische Rapgruppe Macrophone Mafia oder der deutsche Liedermacher Achim Bigus, um nur diese herauszugreifen.

Einen Querschnitt durch zwanzig Jahre ihrer Auftritte in Weißenbach am Attersee hat Willy in Form einer CD dokumentiert und dabei entdecke ich auch Sigi Maron. Der 2016 verstorbene bekannte kommunistische Liedermacher war eine Säule des Festivals des politischen Liedes, ebenso der oberösterreichische Musiker Gust Maly, der bereits 2002 verstorben ist. Nachfolgende Mentoren sind derzeit leider nicht in Sicht, erzählt mir Jörg Weiß.

Die Ergebnisse sind vor allem angesichts der Umstände, unter denen die Mitglieder des Kulturvereins arbeiten, hervorzuheben. Wie, so frage ich Jörg Weiß und Claudia Kutzenberger, werden die Auftritte der Liedermacher:innen finanziert? In den Anfangszeiten sind sie nur für eine Art Taschengeld aufgetreten, bereits seit einiger Zeit zahlen wir aber ein bescheidenes Honorar, antworten die beiden. Seine Arbeit und seine Aufwendungen muss der Kulturverein mit einem Jahresbudget von 30.000 bis 40.000 Euro bestreiten. Subventioniert wird Willy derzeit nicht, anfangs bekam der Verein zwar vom Land Oberösterreich 2000 Euro jährlich, doch selbst diese bescheidene Summe fiel vor einigen Jahren einem Spardruck zum Opfer.

Was bei unserem Gespräch mit den beiden Vorstandsmitgliedern nicht zur Sprache kommt, aber dennoch, zumindest bei mir, mitschwingt, ist die Überlegung, womit denn – und sei ein Spardruck noch so gravierend – zu rechtfertigen wäre, dass die Oberösterreichische Landesregierung auch 2020 110.000 Euro für rechte Bur­schen­schaften genehmigt hat, dem linken Kulturverein Willy aber vor einigen Jahren 2.000 Euro verweigert wurden. Von politischer Seite kam wenig Bereitschaft, Dinge zu entwickeln, wir haben wenig Toleranz hinsichtlich anderer Sichtweisen registriert, stellt Jörg Weiß fest.
Und so greift der Kulturverein unter anderem auf das Sponsoring durch Gewerkschaft, einige Jugendorganisationen und sogar ein Weingut zurück. Erstaunlich also, dass es Willy gelingt, neben dem Festival des politischen Liedes auch noch andere Aktivitäten auf die Beine zu stellen. Hallo_Welt statt Hallo_ween heißt es nämlich seit sechs Jahren jeden 31. Oktober in der Stadtwerkstatt in einer schaurigen Nacht, in der das Gruseln allein durch das Aufzeigen politischer Gegebenheiten erzeugt wird. Regionale und internationale Bands präsentieren in dieser Nacht gesellschaftskritische linke Musik.

Wie viele andere Veranstalter:innen fand auch Willy alternative Wege, um während der Pandemie sein Programm zumindest notdürftig am Laufen zu halten. Claudia Kutzenberger hat mit dem Projekt Kulturwinter Auftritte ohne Publikum gestreamt und auch einen Kinderkulturwinter initiiert, bei dem Fasching online gefeiert werden kann. Dadurch sollen nicht nur die Bands spielen können, sondern auch die Zuseher:innen wie gewohnt musikalische Power erleben können. Angesichts des pandemiebedingten Rückzugs beabsichtigt Willy mit Kulturwinter auch andere Kulturvereine in sein Projekt einzubinden.

Im vergangenen Sommer konnte das Festival des politischen Liedes aber bereits wieder in gewohnter Weise in Weißenbach am Attersee über die Bühne gehen, Diskurs und Austausch konnten stattfinden, für heuer ist es vom 24. – 26. Juni geplant.

Ich versuche mir die Atmosphäre des Festivals vorzustellen. Ist es wie bei vielen Veranstaltungen, wo sich Gleichgesinnte treffen und sich angesichts ähnlicher Denkweisen bestärkt fühlen? Kann das politische Lied auch bei jenen, die nicht zur unmittelbaren Zielgruppe zählen, etwas bewirken? Ich denke an zwei Beispiele mit Breitenwirkung: Dass sich ein scheinbar harmloses Lied zu einem hochpolitischen entwickeln kann, demonstriert der portugiesische Wettbewerbstitel E depois do Adeus beim Songcontest 1974. Das Lied über die gewaltsame Trennung eines Liebespaares durch den Krieg landete zwar auf den hinteren Plätzen. Doch kurz danach wurde es die Initialzündung der sogenannten Nelkenrevolution, die das Ende der Diktatur in Portugal einleitete. Sobald der Song im Radio gespielt wurde, begannen die Vorbereitungen zum politischen Umsturz, das Lied diente als Erkennungszeichen. Auch Bella ciao, das die italienischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg sangen, wurde zu einer Hymne der antifaschistischen, kommunistischen und sozialdemokratischen Bewegungen, und es erlebte auch bei der wesentlich späteren Sardinen-Bewegung mit ihren friedlichen Demonstrationen gegen rechtspopulistische Tendenzen in Italien, bis zum Beginn der Pandemie, eine Renaissance.

 

Als Termin-Aviso zwischen Kulturwinter und Sommer:
Festival des politischen Liedes 22
24. – 26. Juni 2022
Europacamp, Weißenbach am Attersee


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