Digitale Selbstverteidigung
Maßnahmen, Verordnungen, Gesetze – während der Pandemie wurde unweigerlich in unser Leben eingegriffen. Was wird davon bleiben? Daniel Lohninger ist in der Grundrechtsorganisation epicenter.works Ansprechpartner für Datenschutz im Bildungsbereich. Verstärkte Überwachung seit Beginn von Corona sieht er nicht. Aber da sich unser Leben immer mehr ins Digitale verlagert, plädiert Lohninger für Bildung und digitale Selbstverteidigung.
Herr Lohninger, soviel ich weiß, wurde in einigen Ländern nach Krisen oder Katastrophen die Überwachung unter dem Argument der Sicherheit verstärkt, zumindest von 9/11 ist es mir bekannt. Waren seit Beginn der Pandemie auch in unseren Breiten Veränderungen feststellbar?
Nein, nicht direkt. Einschränkend muss ich sagen, dass zu Beginn einiges in Bezug auf die Grundrechte von der Regierung schlecht geplant war. Wir waren aber gut im Dialog mit den Verantwortlichen, trotzdem gab es Pläne, die verhindert werden mussten und gefährlich geworden wären.
Zumindest in Europa hat der Datenschutz während der Pandemie, dank der Zivilgesellschaft, funktioniert. Gottseidank sind wir nicht mit Diktaturen zu vergleichen, bei denen Überwachungsmaßnahmen leicht umsetzbar sind, wenn ich beispielsweise an China oder Nordkorea denke. In Israel etwa sind die Überwachungsmaßnahmen aus Antiterrorgesetzen auf die Covid-Maßnahmen ausgeweitet worden.
Inwiefern hat epicenter.works mit der Regierung zusammengearbeitet?
Wir waren bei der Stopp Corona App in den Prozess eingebunden. Bei der Stopp Corona App und dem Grünen Pass beispielsweise war ein Digitalspeicher geplant, der angezeigt hätte, wo ich mich bewege. Das ist hinsichtlich des Datenschutzes gefährlich, wenn man solche Daten zentral vorliegen hat. Wir sind der Meinung, der Code sollte, wenn er mit öffentlichen Geldern finanziert wird, öffentlich gemacht werden, damit man überprüfen kann, was die Software tut. In der neuen Version blieben die Nutzer:innen anonym.
Epicenter.works hatte bei der Stopp Corona App, soviel ich weiß, letztendlich keine Einwände.
Nein, die Stopp Corona App war, so wie sie letztlich umgesetzt wurde, absolut in Ordnung, vor allem, weil die Geräte nur eine Nummer ausgetauscht haben. Nur wenn jemand positiv war, hat die App diese Nummer, die nicht einer Person zuordenbar war, an einen Server geschickt, und es wurden alle anderen Personen, die es betrifft, gewarnt. Öffentliche Ämter sind nicht dazwischengeschaltet worden und es lagen auch gar keine Daten zentral vor.
Während einer Notsituation wie einer Pandemie bleibt oft kaum Zeit dazu, den rechtlichen, demokratischen Rahmen zu prüfen. Wurden in Österreich bisher Grundrechte überschritten?
Nein, im Endeffekt nicht. Wenn man in Betracht zieht, wie man die Gesetze geändert hat, ist nichts Gravierendes beschlossen worden, dessen Umsetzung Schaden angerichtet hätte. Es gab Datenpannen, aber nichts, wovon man sagen könnte, das war ein Dammbruch, eine Verschlechterung beim Datenschutz.
Oft wurden sehr schnell Gesetze beschlossen, umgekehrt war aber auch zu beobachten, dass man versucht hat, einen möglichst breiten Konsens herzustellen.
Der Datenschutz im Bildungsbereich ist bei epicenter.works vor allem Ihre Aufgabe. Worum geht es Ihnen in erster Linie, was möchten Sie vermitteln?
Mir geht es darum, digitale Selbstverteidigung zu vermitteln. Wichtig ist Bewusstseinsbildung, zu wissen, welche Möglichkeiten, welche potenziellen Gefahren muss ich kennen, wovor, vor wem und wie muss ich mich schützen? Man kann sich mit wenigen Handgriffen, die man relativ schnell installieren kann, absichern. Das Ausschalten von Cookies ist über die Einstellungen des Browsers möglich. Auch Werbung lässt sich blockieren. Wir wollen vermitteln, dass es auch in der Entscheidung der Nutzer:innen liegt, wie sie sich schützen.
Bieten Sie Einzelberatungen an, wenn jemand ein individuelles Problem oder den Verdacht einer Überwachung hat?
Einzelberatungen machen wir nicht, aber wir bieten Schulungen und Trainings an, erarbeiten E-Learnings. Wir leisten Angebote für unterschiedliche Interessenten, Schulen, Firmen, Journalist:innen, Gewerkschaften, wir wenden uns an die Pädagogischen Hochschulen, an Universitäten, um einige zu nennen.
Sind generell gesehen die meisten Menschen zu wenig darüber informiert, wie sie sich schützen können?
Ja, und das ist durchaus nachvollziehbar, denn die Digitalisierung hat noch stärkere Veränderungen, als dies im Buchdruck der Fall war, mit sich gebracht. Es ist ein kultureller Wandel, in dem wir uns noch befinden. Teils kommt die Gesellschaft selbst nicht mit dem Tempo mit, manche Menschen werden immer noch völlig ausgeschlossen. Wir müssen diese Menschen abholen, verfügen aber noch nicht über alle Strategien, wie wir das realisieren können. Auch hier steht Bildung an oberster Stelle.
Sie haben bereits die diktatorischen Methoden angesprochen. Die Situation, wie wir sie derzeit etwa von Shanghai medial überliefert bekommen, gleicht einem Alptraum. Offensichtlich ist das Modell aber nicht erfolgreich, wenn ich an China zur Jahreswende 2019/20 denke, als das Virus entdeckt wurde und wo, wie jetzt, rigoros und teils brutal vorgegangen wurde.
In Diktaturen wird bei solchen Maßnahmen oft politischer Aktionismus praktiziert, unabhängig davon, ob diese Maßnahmen einen Sinn ergeben. Wir von epicenter.works können nicht einschätzen, ob die Einschränkungen, ob die Stopp Corona App sinnvoll waren. Wir beurteilen das nicht, unsere Aufgabe besteht einzig in der Frage der Überwachung und in der digitalen Sicherheit.
Können Sie kurz auf den Begriff Algorithmus im Zusammenhang mit Überwachung eingehen?
Ein Algorithmus ist eigentlich nichts anderes als eine Handlungsanweisung, er gibt Schritte vor. Offline könnte das ein Kochrezept sein, eine Abfolge von Handlungsanweisungen. Es ist eigentlich simpel, die zentrale Frage lautet aber, wofür wird er verwendet? In China gibt es ein Bewertungssystem, durch das ich, als Beispiel, kein Hotel oder kein Mietauto mehr bekomme, wenn mein Kontostand bzw. Punkte-Level zu niedrig ist. Es ist ein großes Problem, wenn der Computer über Menschen entscheidet. Die Firma Amazon wiederum bietet ihren Mitarbeiter:innen Boni, was nicht negativ klingt. Andererseits erfasst ein Algorithmus aber auch jene, die nach Meinung von Amazon nicht schnell oder gut genug gearbeitet haben, und die werden gekündigt.
Kommen wir zu Corona zurück. Ein anderes Kapitel während einer der Phasen der Pandemie war die Gastroregistrierung. Mich hat sie beruhigt, weil ich im Caféhaus oder Restaurant in Gesellschaft geimpfter oder genesener Gäste mit Freunden essen gehen konnte, und es hat mich nicht gestört, dass wer auch immer wusste, dass ich wann auch immer im Restaurant Sowieso sitze. Hatten Sie als Experte dieses Thema am Tisch, um im Gastrojargon zu bleiben?
Ja, zum Teil schon, aber kleinteilig, Thema waren eher Firmen, die diese Registrierung angeboten haben, bei denen gab es große Unterschiede. Manchmal haben die Firmen die Daten weiterverarbeitet. Das Leben hat sich während der Pandemie insgesamt, wie wir wissen, noch mehr ins Digitale verschoben, und das teils mit schlechtem Datenschutz.
Als Arbeitgeber kann ich sehen, wie viele Mails schreiben meine Mitarbeiter:innen, wie produktiv sind sie, Arbeitgeber können Funktionen aktivieren, die unter anderem die Produktivität überwachen. Auch hier lässt sich mit Aufklärung und Gegenstrategien einiges bewirken, ich muss wissen, dass ich mich schützen kann. Digitale Souveränität ist, wenn die Menschen sich bewusst sind, und Möglichkeiten kennen, um gegenzusteuern.
Ein wesentlicher Punkt, der sich verstärkt hat und wahrscheinlich auch teilweise bleiben wird, ist der Bereich des Homeoffice. Kann dabei der Arbeitgeber mich und meine Privatsphäre überwachen?
Ja, das kann er, prinzipiell könnte dies das Grundrecht auf Privatsphäre verletzen. Im Privatbereich zu filmen ist überschießend. Es gibt dabei regelmäßige Aufnahmen mit Videokameras, Zoomkonferenzen sind problematisch. Nicht alles, was von Arbeitgebern hier forciert wird, ist erlaubt. Auch hier kann ich mir Wissen aneignen, wie ich mich auf diesem Gebiet schützen kann.
Wie wird es für Sie weitergehen?
Wir dachten zu Beginn der Pandemie, jetzt werden wir weniger zu tun haben, weil es um Gesundheitsbereiche geht. Aber wir hatten mehr zu tun, weil sich teilweise das Leben vieler ins Digitale verlagert hat. Die Datensicherheit dabei hat uns sehr beschäftigt. Aber auch in Zukunft wird unsere Arbeit nicht abnehmen. Wir stehen mitten in oder vor einer Klimakatastrophe, und in jedem Lebensbereich wird immer mehr digitalisiert, Algorithmen werden immer mehr eingesetzt. Deswegen bin ich froh, dass wir es geschafft haben, die Fragen der Datensicherheit in der Pandemie zu lösen, was unsere Arbeit betrifft, ist das aber sicher nicht das letzte Mal. Es stellt sich auch künftig die Frage, welche Technik können wir mitnehmen, ohne dass wir unsere Grundrechte aufgeben müssen.
Epicenter.works team@epicenter.works
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