Seebühnen-Superlativ
Im Mikro- und Makrokosmos rund um das Salonschiff Florentine hat sich das „Institut für erweiterte Kunst“ eine neue Seebühne für Linz ausgedacht: Eröffnet wird im Laufe des Sommers. Tanja Brandmayr hat Hannes Langeder getroffen, um mit ihm über das Ereignis zu sprechen. Und hantelt sich über mehrere IFEK-Stationen, bzw. zuerst auch über Langeders Oeuvre zum neuen „Operettenmekka“.
Das „Salonschiff Fräulein Florentine“ ist Linzerinnen und Linzern bestens bekannt. Es ist Nachfolge-Lokalität des „Rothen Krebsen“. Man trat nach dem schlimmen Hochwasser, das das alte Lokal 2014 zerstörte, gleich die Flucht nach vorne an: Seitdem lagern Gastronomie direkt am Wasser und das Schiff Florentine wird außerdem als Veranstaltungsort vom „Institut für erweiterte Kunst“ bespielt. Anlass des Treffens mit Hannes Langeder, einer der drei Köpfe von Florentine und IFEK, neben Sabine Stuller und Bert Zettelmeier, ist die Erweiterung des Schiffs um eine Seebühne. Da man die Seebühne seitens des offiziellen IFEK-Vertreters vollmundig als „neues Operettenmekka“ samt Seefestspielen und Serafin hinausposaunt, soll an dieser Stelle mit vertrauensbildenden Maßnahmen begonnen werden, die die spezielle musikalische Leidenschaft und Befähigung belegt.
Die Linzer Philharmonie
Die Linzer Philharmonie entstand im Jahre 2000 aus den Protestmärschen zu Schwarz/Blau, wo aus geplanten 40 TeilnehmerInnen „plötzlich eher 1000“ wurden, so Hannes Langeder. Die Philharmonie war ein künstlerisches Statement, das den Donauwalzer Die schöne blaue Donau im Programm hatte, natürlich schräge Töne inklusive. Sie wuchs im Laufe der Jahre an teilnehmenden Personen und an Repertoire. Man nahm andere Anlässe, etwa die Einführung der Studiengebühren, um sein Programm zu erweitern, wofür Mozarts Requiem passend erschien, inkludierte bald einen Chor und ein Ballett, stellte etwa innerhalb eines Monats, also in einer Art rapiden Operettenglückseligkeit Die Fledermaus auf die Bühne. Wobei zu keinem Zeitpunkt das „richtige“ Spielen angesagt war, sondern man war im Gegenteil bestrebt, die Herausforderung ständig voranzutreiben um „nur nicht zu gut zu werden“, sprich: man nahm sich Unmögliches vor um den Dilettantismus am Leben zu halten. Überforderung als Lebenskonzept, Speed kills: Die Linzer Philharmonie bestand jedenfalls bis ins Jahr 2007 – bis zum selben Jahr, in dem Jörg Haider verunglückte, wie Langeder anmerkt. Langeder stellte dann noch eine Münze her, die „Linzer Philharmonikerin“, die damals größte Sammelmünze der Welt, deren Rekord allerdings mittlerweile von den Wiener Philharmonikern und einer kanadischen Münze, die stolze 50 cm Durchmesser aufweist, gebrochen wurde. Deshalb hat Langeder derzeit locker in Planung, das Münz-Rennen wieder aufzunehmen und eine Neuauflage der „Linzer Philharmonikerin“ in Lebensgröße herzustellen, die letzten Endes, nach bisheriger Schätzung, zwischen sechs und zehn Tonnen wiegen würde … und „deshalb auch nicht mehr so leicht zu stehlen sei“. Vielleicht ein passendes, maskottchenhaftes Großschmuckstück für die Seebühne, zu der wir später noch kommen werden.
Einsprengsel Luxuskarossen
Wir nehmen Langeders Sinn für den Wettstreit, sprich beispielhaft das Wettrennen ums größte Münzobjekt mit in dieses Kapitel. Und ich möchte anmerken, dass der Unfalltod Jörg Haiders Hannes Langeder eventuell mehr beschäftigt hat, als er vielleicht zugeben möchte. Jedenfalls kamen nach 2007 für Langeder die schnellen Autos: zuerst der Porsche, dann der Ferrari (und dazwischen noch ein Luxusmobil, was aber hier zu weit führen würde). Nun ist die Story über die Luxuskarossen, zum Beispiel dem Fahrradi Farfalla allseits recht gut bekannt: Der Fahrradi ist ein nachgebauter Ferrari, allerdings ausgehöhlt und als technologisches Ersatz-Wunderwerk-Innenleben mit einem per-pedes-Tretantrieb versehen. Dazu ist derzeit Hannes Langeders Teilnahme mit dem Fahrradi bei der weltweit größten Automesse, der IAA in Frankfurt, als dokumentierender Ausstellungbeitrag im Linzer Salzamt zu sehen. Was aber hier mitgenommen werden soll, ist, dass Langeders Interesse darin besteht, aus dem direkten Kunstkontext immer wieder hinauszuweisen, etwa, indem Geschichten über die Kunst auf der internationalen Automesse oder auch bei Top Gear erzählt werden, oder umgekehrt, in einem Rückfluss in die Kunst dann Geschichten übers Autofahren oder, wie Hannes Langeder anmerkt, über einen „Superlativ der Unvernunft“ zu bringen. Wesentlich dabei ist die künstlerische Strategie der Mimikry – also der Nachahmung und der Täuschung – die nicht nur das Objekt selbst betrifft, also das schnelle, sexuell konnotierte, prestigebeladene Auto den Fahrradi im Betrieb zu einem gemächlichen, charmanten und insgesamt gefahrloseren Objekt macht, das bestaunt wie belächelt durch die Straßen manövriert ist, sondern die Kommunikation über das Auto selbst. Hier wurden die camouflageartig gewendeten Bedeutungsebenen des Extraordinären und Gewöhnlichen großzügig von der internationalen Presse aufgenommen, was konkret heißt, dass der Fahrradi von USA bis Asien, von ZDF bis internationale Luxusmessen großzügigst rezipiert wurde, und mit dem Internet fangen wir hier gar nicht an. Bemerkenswert bei der ganzen Sache ist das Lernen über die Medien, das mit Langeder gesprochen, ungefähr so vonstatten geht: eine gute Geschichte erzählen, auf Anfrage drei schnelle Fakten liefern, und dann die Sache ihren eigenen Weg gehen lassen, was sie sowieso macht, denn ab hier ist nichts mehr kontrollierbar. Rückkoppelnd auf die Seebühne: Hier wurde dementsprechend angewendet, und die Ankündigung des Hypes wurde bereits selbst zum Projekt und zur guten Geschichte, die allerdings über die Medien erzählt, die gute Geschichten bringen müssen, zum Beispiel über Seefestspiele: Die Eröffnung wurde angekündigt, samt Teilnahme von Harald Serafin. In einem Hochglanz-Lifestyle-Magazin, das wir hier nicht nennen müssen. Und wir nehmen außerdem mit in die nächsten Kapitel: den Sinn für die Komik eines Superlativs der Unvernunft, für eine künstlerische Mimikry, für surreale Größen- und Bedeutungsverschiebungen.
Die Kunsthalle
Die Kunsthalle Linz, die zum einen am Florentine-Anlegeplatz eine 24-hours-open-Kunstbespielung im öffentlichen Raum darstellt, zum anderen mit zwei weiteren White-Cube-Modellen mobil durch Europa unterwegs ist, stellt im Gegensatz zum Superlativ der Unvernunft eine Art geschrumpftes Maximum an Möglichkeiten dar (und dann natürlich wieder die Eröffnung eines größeren Denk- und Handlungsraums). In ihrer Miniaturisierung des eigentlichen Kunst-White-Cubes bildet die Kunsthalle sämtliche Prozesse und Verhaltensweisen im System Kunst ab – zum Beispiel: der Raum und die jeweilige Ausstellung wird kuratiert, Künstlerinnen werden beauftragt, eine Schau wird im Raumkonzept umgesetzt, angekündigt, vor zahlreichem Publikum mit einem Redner, einer Rednerin eröffnet, etc. Man kann also sagen, dass die Kunst, die in der Kunsthalle Linz in einem Würfel mit Seitenlänge von etwa 40 cm der „kleinste Teil“ ist – während es um eine Handhabung des kleinen Raums als großer Raum geht, samt der Rituale, die regulär vonstattengehen. So gesehen erzählt die Kunsthalle Linz die Geschichte vom Ritual der Kunst – und macht ganz nebenbei vier bis fünf Ausstellungen pro Jahr. Zuletzt war Eva Kadlec mit ihrer Schau „Teen Spirit“ zu sehen. Was die derzeitigen Kuratorinnen Claudia Keil und David Wittinghofer für heuer noch auf dem Plan haben, sei auf den Netzseiten der Kunsthalle nachzulesen oder direkt auf der Donaulände herauszufinden. Jedenfalls ist außerdem auch die „Kunsthalle Linz Export“ derzeit im Salzamt zu sehen, und hier zeichnen besonders Julia Hartig und Marie Therese Luger für das IFEK verantwortlich.
Aber zurück zur Mimikry, beziehungsweise zum Spiel mit den Verschiebungen von Größen und Bedeutungen: Es ist nur konsequent, dass das Spiel der Größenverhältnisse selbst Teil des Kunstwürfels geworden ist – so hat man in einem bereits vergangenen Projekt das komplette, miniaturisierte Gebäude des MoMAs zum Kunstobjekt der Kunsthalle gemacht, und das ganze Museum selbst im Querschnitt nach vorne geöffnet, mit seiner damals im MoMA laufenden Ausstellung präsentiert. Die Kunsthalle Linz also als ebenso charmante wie kritische Erzählung, über das große Ganze, aber zum Beispiel auch über die nicht unwesentlichen Details. Etwa darüber, dass im regulären, großen, bedeutsamen Kunstbetrieb oft keine Honorare gezahlt werden (was meint: Null Euro) und man hier zumindest in einer Art ökonomischen Gegenkonzept zum regulären Betrieb Honorare im zweistelligen Bereich zahlen kann – Anerkennung sozusagen.
Als kritische Stellungnahme kann die Kunsthalle Linz aber auch verstanden werden als Statement über Ausstellungsraum-Gebilde, die selbst künstlerische Strategie sind. Damit soll auch darauf hingewiesen werden, dass in Linz „offensiver Produktions- und Ausstellungsraum fehlt“. Hannes Langeder bezeichnet es als vertane Chance, dass man die Potentiale an den großzügig in Linz vorhandenen bildnerischen Zusammenhängen nicht besser nutzt – und das ist durchaus auch verwertungstechnisch gemeint. Hier würde eine größer angelegte Raumnahme durchaus vielversprechend sein. Dass Raumnahme in der Historie der Kunsthalle ein nicht unwesentlicher Faktor ist, dafür kann als verrücktes Paradoxon fast folgender Gründungsmythos herhalten: So versuchte man als IFEK einst in der Tabakfabrik Fuß zu fassen, ein ehemaliges Fabriksgelände mit 80.000 m² mitten in Linz. Man betrieb dort eine Gastronomie und stand vor dem Problem, dort aber mit der Kunst im vielen Platz keinen Raum zu finden: Die Kunsthalle entstand, damals schon neben dem Gastgarten ausgestellt. Durchaus auch als Raumaneignung. Die wir ins letzte Kapitel mitnehmen.
Die Seebühne
Die Seebühne soll sich im Laufe des Sommers schön langsam an den Ufern der Donau etablieren, sie soll gewisserweise in ihrem flexiblen Modulsystem nach und nach vorhanden sein.
Es sein angemerkt, dass neben der Praxis der künstlerischen Strategien der Mimikry, der Camouflage- oder listigen Troja-Taktik zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen von Literatur bis Musik auf der Florentine stattfinden. Es sei angemerkt, dass auch eine Seebühne ein Ort der Produktion, Ausstellung und Aufführung sein kann – eine natürliche Tribüne sieht man in Form der Böschung bereits vorhanden. Und zusätzlicher Raum schafft zusätzliche Möglichkeiten, was wiederum sämtliche Wünsche und Bedarfslagen hinsichtlich eines größer und offensiver angelegten Kunstkonzepts aufgreift. Nebenbei pflegt man mit IFEK und auf der Florentine auch die geselligen Formen des Zusammenseins, die potentiell ebenso in einen Außenraum wandern könnten: Es gibt zum Beispiel Barspiele oder eine vitale 20er-Jahre-Swing-Tanzszene, die sich hier regelmäßig trifft.
Die Seebühne befindet sich also in der Phase der Etablierung. Zu diesem Zeitpunkt kann gesagt werden, dass dort alles mögliche passieren kann und wird, was Raumnahme erst möglich macht, wenn Raum vorhanden ist: mindestens ein neues Operettenmekka, Seefestspiele inklusive.
Und die Bühne wäre kein IFEK-Projekt, wenn sie nicht selbst im paradoxen Gegensatz stehen würde: Denn während man seitens IFEK wegen der schrittweisen Etablierung erstmal ein „leises Vorhandensein der Bühne“ sieht, steht dieses leise Betreten der Bühne selbst im merkwürdigen Gegensatz zur spektakelhaften Ankündigung, die ja schon erfolgt ist. Aber immerhin: Mit der richtigen Prominenz im Gepäck steht dem Erfolg nichts im Weg, Namen öffnen schließlich Türen, wie wir wissen. Und, um zu Serafin, den Seefestspielen und zur großen Bühnenkunst zurückzukommen: Patrik Huber scharrt auch schon in den Startlöchern. Wir sind gespannt auf einen Zirkus mehr!
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