Museum under de/construction.

Die Ausstellung What the fem? Feministische Interventionen & Positionen 1950 –2022 lässt sich auf ein kuratorisches Experiment ein und fragt: Was, wenn eine Ausstellung nicht zur Vernissage, sondern zur Finissage fertiggestellt ist? Kuratorin Klaudia Kreslehner und Karin Schneider, Leiterin der Kunstvermittlung, über den Arbeitsprozess an der im November im Nordico eröffnenden Ausstellung What the fem?

Was, wenn eine Ausstellung einen Prozess initiiert und sich dafür interessiert, diesen auch zu zeigen? Und wie geht man damit um, wenn immer neue Fragen und neue Diskussionen auftauchen? Interessant im Fall von What the fem? ist, dass die Idee, Kuratieren auch als partizipativen Prozess zu sehen, nicht wie in anderen Ausstellungen von unserer Seite initiiert wurde. Vielmehr wurde uns erst in der Auseinandersetzung mit feministischen Aktivist*innen und Initiativen klar, wie notwendig dieser ist. Damit zeigt sich hier eine generelle Einsicht: Prozessuales, kollektives, partizipatives oder offenes Arbeiten an konfliktbeladenen Themen ist die Basis dafür, diese Themen überhaupt durchdringen zu können. Wir stehen am Anfang, in diese Richtung zu denken und wir teilen hier diese Gedanken aus der ersten Reflexion der Debatten der letzten Monate heraus. Es könnte sein, dass wir hier Erfahrungen machen, die Auswirkungen auf das Selbstverständnis eines Stadtmuseums und die Vorstellung des Kuratierens haben. Da es sich hier um echte Lernerfahrungen unsererseits handelt, beinhalten diese auch Momente der Erschütterung, Selbstbefragung und des Ver-lernens. Wir halten dies für produktiv, ohne den Ausgang zu kennen. Eine vom Stadtmuseum ausgehende Ausstellung über Feminismus in Linz bedeutet auch, politische Kämpfe, deren Konflikte und Selbstverständnisse zum Thema zu machen, nicht nur deren Geschichte, sondern vor allem deren Gegenwart. Damit ist die Frage, wer die Geschichte(n) und Gegenwart dieser Aktivismen erzählt und wie sie erzählt werden, faktisch bereits Thema der Ausstellung. Als wir die ersten Rechercheanfragen an feministische Aktivist*innen in Linz stellten, fanden wir uns in Gesprächssituationen wieder, die uns in unserer gängigen Museumspraxis herausforderten.
In diesen Auseinandersetzungen verstanden wir immer klarer, wie problematisch es gerade bei diesem Thema ist, dass es eine „Stimme der Kuratorin“ gibt, die über andere erzählt und sich selbst nicht zeigen und definieren muss; während jene, die gezeigt werden, wenig Mitsprache dahingehend haben, wie dies geschieht. Diese Sicht einer Trennung zwischen Forschungs-„Subjekt“ und Forschungs-„Objekt“ steht schon lange zur Diskussion, aber mit „Feminismus“ haben wir uns ein Thema vorgenommen, das die radikale Befragung dieser Trennung in seinem direkten Selbstverständnis eingeschrieben hat1. Ähnliches gilt für Fragen der Parteilichkeit: es kann keine sinnvolle Ausstellung zum Feminismus gemacht werden, ohne klar gegen Sexismen und Rassismen Stellung zu nehmen. Nun können und wollen wir nicht so tun, als wären wir ohne die oft auch konfrontative Auseinandersetzung mit feministischen Aktivist*innen auf den Punkt gekommen, an dem wir jetzt sind. Die Institution Museum, deren Teil wir sind, führt eine Geschichte des Ein- und Ausschlusses mit sich, der sich auch entlang von Race-Class-Gender-Kriterien konstituiert. Dies zeigt sich z. B. in Sammlungspolitiken, die über Jahrzehnte das Schaffen von Frauen z. B. als Künstler*innen ignorierten. Es zeigt sich in den Archiven2 und Ausstellungsprogrammen eines Stadtmuseums, in welche in die Stadt migrierte, geflüchtete sowie aus der Stadt vertriebene Menschen und deren Geschichten oft nicht vorkommen und damit „Stadt“ als einseitig beschrieben wird. Es zeigt sich in hierarchischen Strukturen von Museen, ihrer tendenziellen Schwerfälligkeit und Abgeschlossenheit, der Tatsache, dass kaum Menschen mit Flucht und Migrationserfahrungen sowie ihr Wissen in den wissenschaftlichen und leitenden Bereichen von Museen vertreten sind. Wer in einem Museum arbeitet, ist selbst auch Teil der Struktur und ihrer Geschichte. Gleichzeitig sind Museen auch Orte, die Möglichkeiten der Auseinandersetzungen mit genau diesen Fragen bieten können. Daher war und ist es uns wichtig, die Stimme der Kuratorin, die Stimme der Institution zu zeigen, als eine mit eben spezifischen Interessen, Möglichkeiten, Erblasten und Begrenzungen. An der Reibung zwischen Aktivismus und Institution, an dieser Nahtstelle können interessante Dinge geschehen, so hoffen wir. Wir erzeugen daher ein Ausstellungsdisplay, das versucht, sichtbar zu machen, dass wir sprechen und unterbrochen wurden; dass es uns wichtig war, auch in den Modus des Zuhörens zu kommen; und dass wir uns in diesen Prozessen und ihren Reflexionen immer klarer darüber wurden, dass es für die Geschichte, die erzählt wird, einen Unterschied macht, wer spricht. Für meine kuratorische Position bedeutet dies: eine weiße3 Frau mit einer festen Anstellung im Museum. Wie weit können wir aus dieser Position heraus überhaupt einen Blick auf Ein- und Ausschlüsse, auch im Feminismus selbst, aber auch im eigenen Feld der Kulturarbeit, wahrnehmen?4 Mit diesen Fragen wird noch klarer, dass wir uns – wie alle andern auch – in einer Blase befinden und daraus heraus agieren. Die jeweilige Sozialisierung und topographische Voraussetzung des Individuums prägt die Wahrnehmung, der eigene kleine Wirkungskreis wird zum zentralen Weltgeschehen. Ungleich verteilt bleiben jedoch die Möglichkeiten, diese partikularen Sichtweisen als „Welt“ zu behaupten und ein Museum mit diesen Behauptungen zu bespielen. Lassen wir uns gegenseitig nicht herausfordern, so bleibt dieses Weltwissen falsch und werden (oft auch unsichtbare, als selbstverständlich angenommene) Machtverhältnisse reproduziert.

Interessant ist auch, dass all diese Fragen aufbrechen in einer Zeit, in der auch klassische Frauenpolitik und Feminismus selbst aufgrund ihrer weißen Ausschlüsse von PoC5 kritisiert werden und die zumindest tendenzielle Reduktion von Feminismus auf die biologische Definition von Frau* durch die Kritiken der LGBTQI+ Communities in den Blick kommen. Auch die Kritiken von PoC-Feministinnen an Ausschlussmechanismus des weißen Mittelschichtsfeminismus sind nicht neu6. Daher kann keine (gute) Ausstellung gemacht werden, die hinter deren Setzungen zurückfällt. Das kann ein Museumsteam nicht alleine machen, dafür braucht es Zeit der Auseinandersetzung und Kooperation.

Dass wir dennoch zunächst den üblichen Weg des Recherchierens und Kuratierens versuchten, weil es wirkte, als wäre es der direktere Weg, hat ebenfalls mit unserer Position zu tun, mit unserem Ort, von dem her wir sprechen und auf die Welt schauen, wen wir kennen, wen wir am „Schirm“ haben, welches Wissen wir als relevant erachten – und was eben nicht. Unsere Denk- und Fantasiebegrenzungen wurden und werden befeuert durch die gegebene Begrenzung der zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen, welche unserer Arbeit heute zur Verfügung stehen. Auch oder gerade mittelgroße Museen wie die der Stadt Linz agieren heute unter dem Druck von Budget- und Personalkürzungen und Besucher*innenzahlen. Dies tut gelassenen, kollektiven, konfliktfreudigen Denk- und Gestaltungsprozessen nicht gerade gut. Wenn es sich während des sehr begrenzten Zeitrahmens der Recherche nun zeigt, dass hier der „alte Weg“ des Ausstellungsmachens einfach nicht mehr angebracht ist und eine Adaptierung notwendig ist, fordert das nicht nur die Kuratorin und die Vermittlung – es betrifft den ganzen Museumsapparat. Es sind intern intensive Gespräche nötig, um Strukturen zu hinterfragen und um neue Möglichkeiten zu schaffen. Das Miteinander-Reden und sich Austauschen über solche Vorgänge öffnet Türen in bisher unbetretene Räume. Community Out­reach bewirkt so in diesem Fall auch Museum Inreach. Und all dies braucht Zeit. Und Geduld. Und Hartnäckigkeit. Nichts, das sich einfach „bis zur Eröffnung“ bewerkstelligen lässt.

Lehrstellen, Interventionen, Nahtstellen, Sollbruchlinien
In diesem Prozess und mit derartigen Überlegungen unterfüttert, wurde nun, sozusagen aus dem Museum heraus, folgendes Konzept erarbeitet: Der Auftakt der Ausstellung, der Stand zur Eröffnung am 10. November 2022, wird von der Stimme der Kuratorin bestimmt sein, ihrem Wissen, ihrer Recherche, ihrem Netzwerk, ihrem Blick und von ihrem Kernteam. So wie immer. Aber es werden die diesem Blick inhärenten Leerstellen sichtbar gemacht, wie blinde Flecken und unbeackerte Felder auf der Landkarte – als Symbol für eine neu gewonnene Erkenntnis des Nicht-Wissens, der Offenheit für jene Stimmen, Aktionen, Gruppen, Themen, die sich mit der Stimme der Institution in Reibung begeben oder Fragen und Statements einbringen, die gezeigt werden müssen. Andere Haltungen, Ergänzungen und/ oder Richtigstellungen. Es ist eben nicht fertig, da dies auch aktuell gelebte Geschichte und unmittelbar stattfindender Diskurs ist. Es ist eine Zeit, in der die komfortablen Bubbles, in denen wir leben, aufplatzen. Damit sehen wir uns mit neuen Realitäten und manchmal unbequemen Tatsachen, Ansichten, Meinungen, Haltungen, Gesprächsgepflogenheiten konfrontiert. Genau dies wollen wir zeigen, gehen damit in Kontakt.

Damit hoffen wir, auch Feminismus als permanenten Auseinandersetzungsprozess zeigen zu können. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses, also während des Schreibens dieses Textes und noch während der Ausstellungsvorbereitungen im Sommer, ist noch nicht klar, in welcher konkreten Form genau mit den unterschiedlichen Initiativen und Aktivist*innen, die den Prozess angestoßen haben, dieser stattfindet.
Etwa im Monatsrhythmus wird sich die Ausstellung jedenfalls verändern, soll wachsen, wird die Konfliktlinien pointieren. Es ist den Ausstellungsbesucher:innen daher anzuraten, regelmäßig ins Museum zu kommen und zu sehen, was sich verändert hat, und was What the Fem? auch im Austausch einer Museums-Institution mit aktivistischen feministischen Initiativen bedeuten kann.

1 Vergl. dazu als eines der Gründungsdokumente deutschen akademischen Feminismus der zweiten Frauenbewegung die „Postulate“ von Maria Mies “ www.frauen-forum.biz/wp-content/uploads/2019/08/Methodische-Postulate-zur-Frauenforschung.pdf

2 Vergl. www.migrationsammeln.info/inhalt/migrationsgeschichten-erz%C3%A4hlen (Angesehen am 19. 08. 2022)

3 Wir verwenden weiß hier kursiv geschrieben, da es nicht (zwingend) auf eine Hautfarbe verweist, sondern auf eine privilegierte Position.

4 Es handelt sich in diesem Fall übrigens um die erste angestellte, weibliche Kuratorin in der Geschichte des Nordico Stadtmuseums.

5 People of Colour ist eine Selbstbezeichnung für Menschen, die diesen privilegierten Status nicht einnehmen, dazu zählen auch z. B. Migrant*innen, Minderheiten, Menschen aus dem Globalen Süden.

6 Hill Collins, Patricia (1991) Black Feminist Thought: Knowledge, Consciousness and the Politics of Empowerment. New York. hooks, bell (1996/ Orig. 1990) Sehnsucht und Widerstand. Kultur, Ethnie und Geschlecht (Orig. „Yearning“). Berlin Lorde, Audre (1984) Sister Outsider. Trumansburg/New York. Meulenbelt, Anja (1988) Scheidelinien. Über Sexismus, Rassismus, Klassismus. Reinbek.

Ausstellung
„What the fem? Feministische Interventionen & Positionen 1950 –2022“
Nordico Stadtmuseum Linz
Eröffnung: 10. November 2022
Dauer: 11. November 2022 – 28. Mai 2023
Idee, Konzept, Kuration: Klaudia Kreslehner
Vermittlung & Diskurs: Karin Schneider & Gabi Kainberger
Ausstellungsgestaltung: MOOI Design; Letitia Lehner & Sarah Feilmayr
www.nordico.at

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert