11,73 km² Musik

Wir nehmen das alljährliche Oheim-Open-Air zum Anlass, einen Blick auf die Musikszene der Gemeinde zu werfen: In gegenseitiger Befruchtung mit kulturellen Initiativen entwickelte sich in der ältesten Marktgemeinde des Mühlviertels eine außergewöhnliche Dichte an musikalischen Formationen der unterschiedlichsten Stile. Eine exemplarische Annäherung von Daniel Steiner.

Ottensheim hat neben sanftem Tourismus, einer eigenen Brauerei, einer weltmeisterschaftstauglichen Regattastrecke, Drahtseilbrücke, einem überdurchschnittlichen Anteil an Grün-WählerInnen, einem tollen Open Air, auch noch eine wahrlich bemerkenswerte Musikszene zu bieten. Eine Gemeinsamkeit der musikalischen Projekte dieses Orts ist mit Sicherheit die Freude am Experiment, die sich in unorthodoxen Stilkombinationen, gewagten Outfits bei Auftritten oder in unkonventionellen Instrumentierungen manifestiert. So kann man etwa bei Auftritten der Blouson Brothers die Musiker mit Nudelsieb am Kopf, in Windeln und mit rosa gefärbtem Charlie-Chaplin-Bart am Kontrabass oder an der Ziehharmonika erleben. Musikalisch schenken einem die vier Herrn nichts, spielen eine wüst-anarchische Version von Austropop, an der Stefan Weber bestimmt seine Freude hätte. Eingängige Refrains mit kabarettistischen Texten werden immer wieder durch atonale Attacken und aberwitzige Tempowechsel durchbrochen.

Ein weiteres Merkmal dieser Szene stellen die häufigen personellen Überschneidungen zwischen den einzelnen Bands beziehungsweise Projekten dar. Einerseits wenig überraschend bei einer Gemeinde mit nicht ganz 5000 EinwohnerInnen, anderseits durch die große musikalische Bandbreite der ProtagonistInnen doch bemerkenswert. So findet man etwa Andreas Fuchshuber und Peter Knollmüller, die Rhythmussektion der Blouson Brothers, auch an Schlagzeug und Bass bei Romanovstra wieder, diesmal unverkleidet, um nicht zu sagen beinahe seriös. Die Band um den aus Rumänien nach Ottensheim gezogenen Sänger Nicu Stoica hat sich ganz dem Balkan-Pop verschrieben und hat musikalisches Material aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien im Programm. Die achtköpfige Formation (neben den bereits erwähnten: der Schauspieler und Musiker Paul Hofmann, die Multiinstrumentalisten Günther Wagner und Christian Gratt, der Saxofonist Georg Schwantner sowie die Sängerin Karina Fedko) eröffnete heuer das Linz-Fest und trotzte dabei den schwierigen Witterungsbedingungen problemlos, der Tanzbarkeitsfaktor der Gruppe ist einfach zu groß.

Natürlich findet sich in den Reihen von Romanovstra ein weiterer Bezugspunkt zu anderen musikalischen Projekten aus der Kommune an der Donau, personalisiert durch Christian „Gigi“ Gratt. Und derer gibt es viele: Tumido etwa, ein Duo mit dem aus dem benachbarten St. Martin stammenden Schlagzeuger Bernhard Breuer, das sich einer sehr speziellen Version von Drum and Bass gewidmet hat und dabei mit Elementen von Noiserock und Industrial spielt, die Improjazzgruppe Braaz (gemeinsam mit Werner Zangele, Marcus Huemer und Martin Flotzinger), oder das psychedelische, in trashig-futuristischen Kostümen auftretende, Quintett Ni. Dann wären da noch, die mit Elementen der Volks- wie Popmusik arbeitende Band Drumski und nicht zuletzt Gigis Gogos, eine Big Band, in der Gratt alle seine musikalischen Seelen zu vereinen scheint: Jazzer, Noiserocker und Reggaemusiker bilden das 13-köpfige Orchester, so treffen Free-Jazz-Parts auf rockige Riffs, werden wiederum von brachialen Noiseparts abgelöst, statische Bässe flirten mit jazzigen Bläserakkorden und orientalischen Melodien, auch afrikanische Rhythmen finden ihren Weg in das musikalische Konvolut von Gigis Gogos. Zwei Schlagzeuge, ein Percussion-Set, zwei E-Bässe und ein Kontrabass bilden die Basis. Komplettiert wird das Ganze von drei Gitarristen und drei Bläsern.

Doch es geht auch noch größer! Selbstredend ist Christian Gratt auch beim GIS Orchestra (Go for Improvised Sounds Orchestra) federführend beteiligt. Das GIS Orchestra ist ein mit dem KUPF-Innovationstopf 2014 ausgezeichnetes Gemeinschaftsprojekt der Kulturvereine KomA („Kultur ohne momentanen Aufenthalt“/Ottensheim) und waschaecht (Wels). Das Orchester arbeitet mit dem Prinzip der dirigierten Improvisation, anhand einer Reihe von vorab vereinbarten akustischen Signalen wird das Zusammenspiel der etwa 20-köpfigen Besetzung koordiniert. Die jeweils dirigierende Person wird so zum Leiter des musikalischen Prozesses, sie gibt den Grundriss und die Dynamik vor, während die MusikerInnen die definierten Freiräume mit ihrem Spiel gestalten. Durch das GIS Orchestra soll eine niederschwellige Plattform für an Improvisation Interessierte und experimentierfreudige MusikerInnen entstehen, die sowohl Profis als auch AmateurInnen offen steht.

Natürlich erhebt diese Aufzählung von musikalischen Projekten aus Ottensheim keinen Anspruch auf Vollständigkeit, trotzdem werde ich mich hiermit bei allen nicht erwähnten Bands, Projekten und MusikerInnen entschuldigen. Abschließend möchte ich noch auf den Artikel „Mit Bach und Krach“ von Stephan Roiss bezüglich der Violinistin Irene Kepl aus der Referentin #1 vom September 2015 verweisen. Sie stammt – wie könnte es anders sein – ebenfalls aus Ottensheim.

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