Editorial

Der Metabolismus der Stadt, die aktuelle Ausstellung im afo architekturforum, beginnt den Textreigen in dieser Referentin. Schöne erste Zeile im Ausstellungstext zu den Stoffwechselprozessen der Stadt: „Unter dem Asphalt wird der Platz knapp“. Ja, ist so. Damit an dieser Stelle eine Empfehlung, sich die hervorragend gemachte Schau anzusehen.

Gefühlt eng wird es auch über oder auf dem Asphalt – nämlich dahingehend, was sich überall an Verdauungs- und Rülps-Prozessen in der Stadt and elsewhere in der Welt zusammenbraut. So war im November zum Beispiel über dem Asphalt nicht nur das üble rechte Demonstrant:innengesocks der Identitären zu finden, samt erfreulicher linker Gegenpräsenz, also derer, die die Welt vor diesen Hasspredigern abschirmen wollen. Sondern auf dem Asphalt wurden auch – wie soll man das benennen? – Autodemonstrationen gesichtet, die vollkommen sinnbefreit gegen Preissteigerung und Ukrainekrieg „demonstrierten“, während sie aufs Gaspedal drückten.

Aber gut. Reden wir kurz über Preissteigerungen. Der Strompreis wird sich 2023 angekündigterweise um ein Vielfaches erhöhen. Man will es nicht richtig verstehen, was das ausschließlich mit dem Ukrainekrieg zu tun haben soll und hat das Gefühl, dass man sich nicht nur auf ein Dystopia von langen Kriegen einstellen muss, sondern in Zukunft den Strom für den eigenen Haushalt gleich selbst an der Börse kaufen muss.

Erwähnen wir auch kurz die erhöhten Kosten, die verschärfte Ressourcenlage und den prekären Arbeitsmarkt. Dies zwingt zum Beispiel unsere Druckerei, den Landesverlag, einen soliden Mittelstandsbetrieb, ihren Standort in Wels Mitte kommenden Jahres zuzusperren. Die Referentinnen-Redaktion war und ist immer noch schockiert und erinnert sich in diesem Zusammenhang an einen Redaktionsausflug in den Betrieb. Es wurde bereits damals (2015!) beim Rundgang erzählt, dass es zunehmend schwieriger wird, die Preise zu halten. Weil etwa Altpapier an der Börse gehandelt wird und man deshalb gezwungen sei, Altpapier, das hier gesammelt wird, zu Weltmarktpreisen zu kaufen.

Benennen wir deswegen auch kurz den Zusammenhang zwischen einem überkommenen Kapitalismus, der zwar schon mehr als tot ist, aber dennoch als superaggressiver Zombie weiterlebt. Und kombinieren wir das mit der Rede von den alten weißen Männern, die als Phänomen und Spezies zwar noch nicht ganz tot sind, aber richtig gut riechen tun sie tatsächlich auch nicht mehr. Wir meinen hier im Übrigen nicht Männer über 60, sondern diejenige autoritäre Macher-Spezies, die uns zwar in privaten, gesellschaftlichen und politischen Belangen den Scheiß eingebrockt hat, den wir jetzt vorfinden, aber immer noch so weitermachen möchte; oder etwa aktuell denjenigen jungen Leuten, die Püree oder sonstigen Brei auf Bilder werfen, salbungsvoll erklärt, dass es hier doch um humanistische Werte geht, die zu schützen seien, während die Ökologie den Umwelt-Sturzbach runterrauscht. Und ja, wir finden es eigentlich auch scheiße, dass diese Bilder angepatzt werden. Aber darum geht’s hier nicht.

In Linz gab es übrigens eine FP-Anfrage an die Museen, zu den Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz unserer Bilder vor Gatsch. Und man möchte antworten: Ja, wenns um Sicherheitsfrage geht, dann ist die Kunst was wert. Zu Aspekten von Autorität und deren poetisch-groteske Durchbrechung seien hier exemplarisch zwei Texte erwähnt: Barabara Eder schreibt in ihrem Text über Alice im Wunderland über eine Kritik an den Autoritätsfiguren im viktorianischen England bzw. über den logischen Abgrund des Absurden. Und Thomas Raab, der einen „antiautoritären“ Sprachansatz bei Christian Steinbacher reflektiert, erwähnt ein Zitat von Oswald Wiener, das da lautet: „folgerichtigkeit, die den kontakt zur wirklichkeit verliert, erzielt bekanntlich eine starke poetische wirkung“. Ja, stimmt: Je weniger Kontakt zur Wirklichkeit, desto folgerichtiger wirkt der Wahnsinn.

Fragen wir uns noch kurz, was in der Kultur rundum los ist: Wir wissen es nicht wirklich. Wir sehen zum Beispiel unter der Woche reges Treiben in Bibliotheken, am Donnerstagabend gut besuchte Lesungen, Freitagabend zum Beispiel komplett leere Cafes, Samstagmittag flau frequentierte Einkaufspassagen und Samstagabend etwa volle Clubs. Und dazwischen sehen wir auch so einiges.

Über die Zusammenhänge und unterirdisch guten Verbindungen, die sich zwischen den Texten auftun, möge sich die werte Lese­r:in­nenschaft selbst ein Bild machen. Anmerkung der Redaktion dazu:

Unbedingt alles von vorne bis hinten lesen. Ist eh schon wieder so bald dunkel.

Die Referentinnen, Tanja Brandmayr und Olivia Schütz

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