„Wenn man einen Stein anstößt und schaut, was passiert“
Leo Schatzl zeigt sich auch bei seiner Saunabox wieder experimentierfreudig. Silvana Steinbacher hat sich mit dem in Linz lebenden Künstler über seine heiße Hütte als künstlerischen Aktionsraum, seine Liebe zur Genügsamkeit im Alltag, sowie Kunst und Menschen an den Peripherien unterhalten.
Ein Auto fährt auf der Landstraße mit einem Holzhäuschen auf dem Anhänger. Es biegt in eine unwegsame Straße ein, und schon ergibt sich das erste Problem: Wie soll das zwar kleine mobile Haus, das aber dennoch 400 Kilogramm wiegt, auf das unwegsame Ufer des Donaukanals manövriert werden? Glücklicherweise helfen sofort einige Arbeiter, die gerade an einer Baustelle beschäftigt sind, mit, die Saunabox genau an jene Stelle zu positionieren, wo sie sein soll: auf die begrünte Böschung, umrankt von Laubbäumen.
Ich treffe Leo Schatzl an einem angenehmen warmen Tag im Café Strom, das sich im Gebäude der Stadtwerkstatt befindet. Auch sie war für den aus dem Innviertel stammenden Künstler prägend, als er als 20-jähriger nach Linz kam, um an der Kunstuniversität zu studieren.
Jetzt erzählt er mir von der Saunabox, die seit vergangenem Jahr in der Nähe der vor zehn Jahren gegründeten Kunst-und Kulturinitiative Das WERK in Wien ihr temporäres Zuhause gefunden hat. Bei diesem Projekt, das im Rahmen von Leo Schatzls Lehrveranstaltung an der Kunstuniversität und in Kooperation mit Das WERK entstanden ist, entwickelt sich ständig Neues, schwärmt Leo Schatzl. So haben StudentInnen eine Laterne zu einer Dusche umgebaut, die Hütte wurde durch einen Steg ergänzt und das Umfeld des 3 m2 großen Schwitzhäuschens mit Leben erfüllt, denn rund um das Häuschen wird auch gefeiert und gegrillt oder in der funktionsfähigen Sauna einfach geschwitzt. Mittlerweile ist das mobile Häuschen nicht nur ein künstlerischer Aktionsraum mit unterschiedlichen interdisziplinären Beiträgen und ein Experimentierfeld für die Studierenden der Kunstuniversität, sondern auch für junge KünstlerInnen und AktivistInnenaus der Umgebung, die nicht nur selbst mitgestalten möchten, sondern auch kommen, um Bildende Kunst und Musik rund um die Schwitzhütte zu erleben oder um die Lesung des Performers und bildenden Künstlers Julius Deutschbauer zu hören, der hier aus seinen Texten vortrug. Auch die Radfahrer und Spaziergänger können das Geschehen rund um die Hütte von einem stark frequentierten Weg etwas unterhalb beobachten.
Während der vergangenen Monate hat sich die Saunabox an der Spittelauer Lände des Wiener Donaukanals also mehr und mehr zu einem vitalen Ort der Kunst und ständigen Wandlung entwickelt.
Dieses Projekt erfüllt vor allem ein Kriterium, das Leo Schatzl an seiner Vorstellung von Kunst schätzt: eine Aktion im öffentlichen Raum mit prozessorientiertem, temporärem Charakter. „Wenn ich nach einiger Zeit wieder an die Donaulände komme, sehe ich Veränderungen. Es ist, als würde man einen Stein anstoßen und sehen, was passiert. Mich interessiert das nicht Vorgegebene, Lebendige.“ Und in diesem Sinne bleibt die Zukunft der heißen Hütte, die 2013 in Zusammenarbeit mit Franz Xaver entstand und unter anderem als Wechselstube für die Linzer Lokalwährung „Gibling“ fungierte, offen. Vielleicht steht sie bald an einem anderen Platz als Konzerthaus, Universität, Hotel oder Asyl oder auch als etwas völlig anderes. Möglich auch, dass sie gar keine Funktion mehr haben wird.
Leo Schatzl ist 1958 in Obernberg am Inn geboren, studierte an der Kunstuniversität Linz und arbeitet intensiv in den Bereichen Objektgestaltung und Visuelle Kommunikation. Seit den 1980er Jahren beschäftigt sich Leo Schatzl experimentierfreudig, aber auch subversiv mit gesellschaftlichen Vorgängen, Abläufen und öffentlichem Raum und richtet die Aufmerksamkeit in seiner Kunst weniger auf das Resultat als auf den Prozess. 2004 war er zur 26. Kunstbiennale in São Paulo eingeladen. In den vergangenen Jahren interessiert ihn vor allem der experimentelle Umgang mit räumlichen und sozialen Konstellationen. In der mehrjährigen Projektreihe „floating village“ standen vor allem Wasserflächen als öffentlicher Raum im Zentrum, das Wasser als Lebensraum mit wieder anderen, neuen Herausforderungen, das Wasser im Sinne des fluiden Gedankens.
Leo Schatzls Kunstauffassung und -produktion mag schlüssig nach einem grundlegend flexiblen Leben rufen. Er lebt seit vielen Jahren in Wien, seit einigen Jahren nun auch am Hafen in Linz. Er könne sich nur ein Leben in provisorischen Verhältnissen vorstellen, erzählt er mir und empfindet die konventionelle Form des Wohnens für sich als Luxus. So wie in der Kunst schätzt er auch hier das Temporäre, das Leben in Hotels etwa oder das Leben auf seinen oft monatelangen Reisen, auf denen er für ihn prägenden Menschen begegnet. Es sind Menschen an der Peripherie des Lebens, nicht nur geografisch, sondern auch biografisch gesehen, wie beispielsweise ein ehemaliger Boxer in São Paulo, der unter einer Autobahnbrücke einen Boxclub gegründet hat, um Menschen von der Straße zu holen. Die Faszination abseits des Mainstream fand Schatzl seit jeher auch als Künstler in seiner Beschäftigung mit Randzonen im öffentlichen Raum, die landläufig als funktionsfrei und unbrauchbar gelten. Jene Räume oder Orte, die Leo Schatzl interessieren, bieten auf den ersten Blick wenig, ihn treibt vielmehr die Frage an, wie durch eine Maßnahme ein Ort verändert werden kann.
Die nächsten beiden Monate wird Leo Schatzl aber auf einem Schauplatz verbringen, auf dem schon seit fast 50 Jahren KünstlerInnen arbeiten: beim Bildhauersymposium Lindabrunn im Bezirk Baden in Niederösterreich. Schatzl kennt die Location bereits, denn schon vor 13 Jahren hat er gemeinsam mit David Moises und Severin Hofmann dort jene Arbeit entwickelt, die später in Brasilien präsentiert wurde und bei der ein VW Käfer an 200 Expander-Gummis aufgehängt und in Rotation versetzt wurde.
Auch in diesen Tagen setzt sich der Künstler keinem geringeren Kraftakt aus. Bis Anfang Oktober entsteht im Steinbruch ein monumentales Modell eines mobilen Hafens mit Kran, eine modulare Metallskulptur als nicht zu übersehender Akt für die Überwindung der Schwerkraft und möglicherweise auch für eine Infragestellung starrer Denksysteme. Dem Temporären, dem Fließenden bleibt Leo Schatzl also auch bei diesem Projekt treu.
Teilnehmende KünstlerInnen von DuckDock: Maximilian Anelli-Monti, Jakob Breitwieser, Julius Deutschbauer, Alex de las Heras-Carballo, Becky Hochreiter, Melanie Ludwig, Pia Mayrwöger, Paul Peters, Antonia Prochaska, Leo Schatzl, Benjamin Tomasi, Anna Watzinger u. a.
DuckDock #1 war ein Projekt im Rahmen von „Floating Village“ in Kooperation mit dem KV das WERK, mit geladenen KünstlerInnen und Studierenden der Linzer Kunstuniversität/Experimentelle Gestaltung und der Angewandten Wien / Digitale Kunst.
Leo Schatzl ist Lehrbeauftragter für Experimentelle Gestaltung an der Linzer Kunstuni.
www.ufg.ac.at/Experimentelle-nbsp-Gestaltung.2150.0.html
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