Kochen in der lokalen Medienlandschaft.

Ob Marshall McLuhan in die Bezeichnung der heißen und kalten Medien kulinarische TV-Formate miteinbezogen hat, entzieht sich der sonst sehr tiefen Kenntnis des Dude. Dass McLuhan das Fernsehen als cooles Medium bezeichnete, zeigt, dass er Silvia Schneider und Georg Ritter nie in Kochformaten beobachten durfte und konnte. Ihm ist was entgangen. Ja, der Dude macht sich wieder mal als Medienkritiker wichtig, aber natürlich ohne seine wahre Expertise – die Kulinarik – zu missachten. Nein, vielmehr verknüpft er Hobby und Berufung und versucht sich an einer Einschätzung von kulinarischen TV-Formaten. Und da der Dude das Lokale liebt und verehrt, wird zuallererst das nächste Umfeld beackert: Silvia Schneider als Stilikone, Moderatorin, Entrepreneurin und in letzter Zeit als Fernsehköchin. Zu sehen auf LT1 und ORF und sicher noch in zig anderen, dem Dude nicht bekannten heißen, lauwarmen und kalten Medien. Ihr Gegenüber quasi der Antipol, das völlige Gegenteil: Georg Ritter, seines Zeichens Impresario der lokalen Medienlandschaft – Gründungsmitglied von Radio FRO, DorfTV, Lobbyist, Medien- und Kunstschaffender. Der Dude betrachtet bei seiner Analyse Format, Präsenz und Message.

Während Silvia Schneider als wandelnde Personality-Show mit „Silvia kocht“ (ORF) und „OÖ Kocht“ (LT1) reüssiert, kommt Georg Ritter mit dem recht aufgelegten Titel „Was kochst du? Was koche ich?“ auf DorfTV daher.

Die immer leicht anlassige Silvia Schneider punktet mit nichtssagenden Dialogen mit dem (hoffentlich männlichen) Gegenüber. Und hat sie ein passendes gefunden, ist das Ganze an rasantem Niveauverlust kaum mehr zu toppen. Bei Köchinnen, die fachlich kompetent und handwerklich geübt sind, geht der Dialog gegen Null – hingegen keine Themen für Fr. Schneider – ist ja nur eine Kochshow. Komplettiert wird der visuelle, aber auch inhaltliche 50er-Jahre-Hausfrauenappeal mit den immer gleichen Phrasen à la: „Mir kann es nie scharf genug sein“.
Die Rezepte sind meist bemühte Kreativküche oder getunte Klassiker. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Alles sehr flach und auf Mittelmäßigkeit gebürstet. Bewusst, denkt der Dude.

Würde Lars von Trier Kochsendungen regietechnisch betreuen, wäre er hingegen wohl hierfür verantwortlich – denn bis auf das Filmformat entspricht das Gesehene vollumfänglich dem Dogma-95-Manifest. Georg Ritter schlapft kostend durch die reichlich nüchterne Küche, kostet da und dort und nuschelt unverständlich Zutaten in die falsche Richtung. Lässt ab und an eine neckische Bemerkung fallen. Viele redundante und sinnlose Abläufe, die aber ihren eigenen Charme entwickeln. Er holt dann aber immer recht gekonnt – mit seinem ureigenen Charme – die Gastköchin zurück ins Gespräch und schafft es so, die eigentliche Botschaft zu senden: nämlich gutes Essen. Dilettantismus, wie man ihn von zuhause kennt, in ein TV-Format gegossen. Eher eine Wohlfühlsendung als Kochedukation.

Kaum gegensätzlicher könnte TV-Kulinarik nicht sein. Aber beides hat seine Berechtigung. Da ist der Dude versöhnlich: Es geht um Inspiration und darum, Neues zu entdecken. In diesem Sinne: Legt mal das Smartphone mit YouTube auf die Seite und checkt mal wieder das gute, alte TV!

Mitleid für das digitale Baby

An einem Freitagnachmittag im November fahre ich mit meinem fünf Monate alten Sohn mit dem Zug nach Linz. Als er etwas quengelig wird, spazieren wir durch die Zugabteile, sein Blick bleibt bei zwei Fahrgästen hängen, woraufhin ich mit ihm stehen bleibe. Ich komme mit den beiden ins Gespräch: Wie alt mein Sohn sei? Wie die gemeinsamen ersten Monate verlaufen waren? Ein übliches Gespräch, das ich als Mutter eines Babys bereits gut kenne. Als mein Sohn das Handy entdeckt, das am Tisch zwischen meinen GesprächspartnerInnen liegt, fixiert er es intensiv, sein Körper beugt sich ekstatisch in Richtung des Handys. Meine Gesprächspartnerin bemerkt das Interesse und die Vehemenz meines Sohnes, sie legt den Kopf schief und fragt in mitleidvollem Ton: „Ah … ist er mit dem Handy aufgewachsen?“. Im ersten Moment verstehe ich nicht, was diese Frage bedeutet – ob er ein Handy hat? Ich überlege eine Sekunde und antworte: „Nein …“. Die Frau sieht meine Verwirrung und wird deutlicher, ihr Ton mitleidvoller: „Naja… beim Stillen viel am Handy gewesen?“

Ich entnehme ihrer Frage eine gewisse Traurigkeit, ein Mitleid meinem Sohn gegenüber. Muss das arme Kind bereits in seinen ersten Lebensmonaten mit einer Welt fertig werden, in der Handys einen so hohen Stellenwert einnehmen? Eine Welt, in der die Mutter sich mit ihrem Handy beschäftigt und sich das Interesse des Kindes dadurch bereits so früh an digitale Geräte heftet? Dieses Mitleid, das sie meinem Sohn entgegenbringt, macht mich nachdenklich. Wie ist in unserer Gesellschaft die Nutzung digitaler Geräte durch Kinder organisiert? Ein Baby, das sich für ein Handy oder einen PC interessiert, löst anscheinend eher Mitleid aus; auch einer 3-Jährigen wünscht man nicht unbedingt Begeisterung für Fernsehen oder You­tube-Clips, zumindest nicht mehr als am Spielen mit Gleichaltrigen. Auch noch mit 12 sollen Kinder die letzten Züge ihrer unbeschwerten Kindheit genießen und nicht stundenlang Videospiele spielen. Zur gleichen Zeit, mit ungefähr 12 Jahren, sollen die Kinder dann jedoch Digital Natives sein bzw. müssen durch Digitalisierungsoffensiven an Schulen schnellstmöglich zu welchen gemacht werden. Und damit niemand „abgehängt“ wird, gibt es auch finanziellen Zuschuss für einkommensschwache Familien beim verpflichtenden Laptopkauf. Zwischen fünf Monate alten und 12-jährigen Kindern bestehen augenscheinlich völlig gegensätzliche Ansprüche und Wünsche – einmal von Technologie ferngehalten und einmal dazu verpflichtet. Wie geraten Kinder von dem einen Pol zum anderen? Wie ist dieser Wandel zu erklären?

Digitale Geräte sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Dauerhafte Erreichbarkeit, schnelle Kommunikation, freundschaftliche Vernetzung über digitale Medien durch Sprache, Text, Bilder und Videos. Die digitalen Möglichkeiten schimmern sozial, schön und nach Unterhaltung. Es hängt jedoch auch ein Schleier von Notwendigkeit über ihnen, sie sind schlicht zu praktikabel. Ohne Onlinebanking eine Geldtransaktion zu tätigen ist zeitaufwändig, wenn auch nicht unmöglich. Kein Handy zu haben? Sehr schwer. Keine E-Mail-Adresse? Unmöglich. Umschlossen von Selbstverständlichkeit hat sich eine Abhängigkeit eingestellt, die uns in einer Weise an moderne Technologie bindet, bei der Verweigerung das Leben teilweise unmöglich machen würde. Was hier nach Zwang schmeckt, ist der Umstand, dass digitale Geräte sich nicht wie andere Gebrauchsgegenstände nach Belieben und eigenem Ermessen wieder aus der Hand legen lassen. Ganz im Gegenteil müssen sie verwendet werden, um teilnehmen zu können. Der Philosoph Ivan Illich hat Geräte, die benutzt werden müssen, zu denen es keine Alternative gibt, als radikales Monopol bezeichnet. Er beschreibt damit die „Dominanz eines bestimmten Produkttyps“, der Menschen zu „Zwangskonsumenten“ macht, deren persönliche Autonomie der Nutzung einschränkt und so eine „spezifische Form des kulturell determinierten Verhaltens“ vorgibt. Handy und PC können als so ein radikales Monopol verstanden werden – wir sind von ihnen abhängig, um in der Freizeit wie auch in der Arbeitswelt teilnehmen zu können.

Wie erklärt sich vor diesem Hintergrund der Wandel, der sich gesellschaftlich bei der Handy- und PC-Nutzung zwischen einem Baby und einem 12-jährigen Kind vollzieht?

Kinder ab einem gewissen Alter sollen der Notwendigkeit der Teilhabe an einer digitalen Welt zugeführt werden, es scheint eine moralische Pflicht darin zu stecken „niemanden zurückzulassen“. Wenn es sich um Babys handelt, scheint die Moral zu diktieren, sie so lange wie möglich von dieser Abhängigkeit fernzuhalten. Ist das Mitleid mit meinem Sohn Ausdruck der impliziten Erkenntnis, dass wir uns der unbemerkten Zwangsläufigkeit dieser Geräte nicht entziehen können? Wird uns diese Unumgänglichkeit technologischer Geräte erst bewusst, weil es eben genau Babys sind, die Handys noch mit einer Zwanglosigkeit und nach eigenen Kriterien nutzen? Mein Sohn möchte ein Handy abschlecken und es durch die Gegend werfen und erlebt dadurch Freude, die für Erwachsene hinter dem Zwang einer vermeintlich selbstgewählten Nutzung verschwunden ist.

Die Autorin wurde vermittelt von Female Positions.
www.femalepositions.at

Nonchalant, chère Croissant!

Das Croissant ist für den Dude mehr als nur schnödes Gebäck. Es ist wohliger Morgenschmeichler, schneller Hungerstiller und ein mondförmiger Geniestreich.
Die Rufnamen des Gebäcks sind neben dem französischen Croissant natürlich mannigfaltig. Das wunderbare österreichische – auf das in der Betonung auf das L fokussierte – Kipferl. Das italienische Cornetto (dessen Begrifflichkeit und gekonnte Anwendung in italienischen Gefilden die echte Kennerin und den echten Kenner auszeichnet). Oder das dröge, den EinwohnerInnen gerecht werdende deutsche „Hörnchen“.
Nun geht es aber um die Beschaffung des wohlschmeckenden Teigteils. Der Dude hat weder Kosten noch Mühen gescheut und hat für die geneigten Leserinnen und Leser eine wissenschaftsbasierte Analyse des lokalen Angebots gemacht. Mit in den Testsamples waren ausschließlich Bäckereien, die eigene Ladengeschäfte betreiben. Und es wurde eine repräsentative, aber auch eine sehr, sehr subjektive und den Verkehrswegen des Dude entsprechende Auswahl getroffen. Dabei ist Supermärkten und anderen Vendoren kein ordentliches Croissant zuzutrauen. Mit dabei sind diesmal: Honeder, Brandl, Eichler, Gragger und Joseph.

Bäckerei Honeder
ist mittlerweile schon als Kette zu bezeichnen und hat deshalb wohl auch schon sein Storedesign angepasst. Das beauftragte Designbüro dürf­te auch für Hofer arbeiten und diverse Flug­hafen-Fresszonen gestaltet haben. Aber immer noch bemüht und in der Basis gute Qualität. Das Croissant mit Biobutter ist preislich gut gehalten und schmeckt recht neutral. Ist kein Überflieger, aber doch ganz gut. La médiocrité.
(7/10 Punkten; EUR 1,80)

Bäckerei Brandl
ist ja so etwas wie die Edelboutique der lokalen Bäckereien. Mit der vielgerühmten und schon als Gattungsbegriff eingeführten Brandlsemmel als USP steht diese Bäckerei immer etwas außen vor und gilt immer als etwas Besonderes. Was der Dude noch nie verstanden hat. Nicht missverstehen: Köstliches Gebäck, gutes Brot und Burberry-Jacken-Klientel sind schon fein – aber eben nicht völlig „outstanding“. Das Croissant ist sehr lecker! Gute Textur und feiner Buttertaste. Preislich im oberen Segment, aber fair.
(8/10 Punkten; EUR 2,10)

Bäckerei Eichler
ist das Schweizer Taschenmesser unter den Bäckereien. Gutes Brot, gutes Gebäck, Überraschungen zu Festtagen und immer zur Hand (zumindest in Urfahr). Die Filialen, die sich durch Urfahr von Norden nach Süden wie eine Perlenkette reihen, bieten eine gute, übersichtliche Auswahl. Manches formidabel, manches so lala. Das Croissant in der Variante Butterkipferl: Ein echtes Must-Have! Super Krume und ausgewogener buttriger Geschmack.
(9/10 Punkten; EUR 1,20)

Bäckerei Joseph Brot – Brot vom pheinsten
ist der neue Player am Brotmarkt. Und wenn Brandl die Edelboutique ist, ist das Joseph Brot – zumindest preismäßig – der Couturier. Aber wirklich nur nach €. Die Preise sind derart hoch, dass der Dude seinen sonst recht üppigen Etat bis ans Limit ausschöpfen müsste. Die Qualität und der Geschmack war im Testreigen mäßig bis gut. Aber das Croissant war richtig fad – laffer Biss, wenig Geschmack.
(5/10 Punkten; EUR 3,25)

Bäckerei Gragger
hat aufgrund der Personalsituation am Linzer Standort w. o. gegeben – sehr schade. Der Dude hofft auf ein Comeback!
(nicht bewertet)

Der Dude ist ganz versöhnt. Bis auf einen Ausreißer kann man den Test als sehr befriedigend ansehen und den lokalen Bäckereien sanft auf die Schulter klopfen. Dass aber das günstige Croissant das beste ist und das teuerste das schlechteste, verwundert sogar den gastroharten Dude komplett. Aber testet selbst und: Support you local bakery!

Wandel unter weiblichen Werten

Auch wenn diese Kolumne nichts lieber möchte, als sich in Gleichwürdigkeit und in gelebter Vielfalt gleichen Rechts und gleicher gesellschaftlicher, politischer und sozialer Ausgestaltung von Chancen, Rollen und Positionen zu sonnen, wird frau sich doch häufig sowohl mit Windstille also auch den Sturmböen der zeitgenössischen Frauenbewegung, dem ruhigen Vor-sich-Hin-Gedeihen im bereits Erreichten oder dem abgelegenen Dunkel von Armutsgefährdung, von Prekariat, von Mental Overload oder von der Unvereinbarkeit von Beruf(-ung) und Familie konfrontiert sehen. Obschon gleichzeitig und andererseits auch viele neue Frauengruppierungen sprießen und wachsen, bleibt zu wünschen, dass sowohl Ruhe als auch die Stürme der Zeit genutzt werden, um echte Transformation im Sinne von Herrschaftsfreiheit, Gleichwürdigkeit und Würde voranzutreiben.

„Kapitalismus tötet ohne Notwendigkeit“, meint Jean Ziegler in einem Artikel des Magazins Kontrast vom 18. April 2019 und: „Unsere Welt quillt über vor Reichtum“. Doch die UNO-Pressekonferenz 2010 verlautbart: „Frauen verrichten 66 % der Arbeitsstunden der Welt und produzieren 50 % der Nahrung. Aber sie erhalten 10 % des Welteinkommens, besitzen 1 % des Eigentums, und sie stellen 60 % der ärmsten Menschen der Welt dar.“ Während Jean Ziegler anführt, dass es sich bei Armut und Hunger primär um eine globale Verteilungsproblematik handelt, führt der Pressebericht der UNO, der sich bis dato inhaltlich nicht substantiell geändert hat, vor Augen, dass gerade Frauen von dieser Ungleichheit der Verteilung des Volksvermögens und der damit einhergehenden Armut, einer Grunderfahrung von Gewalt, betroffen sind. Ein sehr breites und schlüssiges Erklärungsspektrum für diese frappierende Vulnerabilität von Frauen bietet die italienische Autorin, politische Aktivistin und emeritierte Professorin für politische Philosophie und internationale Politik Silvia Federici. Wie sehr die Unterwerfung der Frau, die Hexenverbrennung, die Kolonialisierung, der Niedergang des Feudalismus, der Beginn der Industrialisierung und der erstarkende Kapitalismus im Eigentlichen miteinander verwoben sind, zeigen ihre Forschungserkenntnisse und demgemäß die Grundthesen. Laut ihrer Synthese war die Hexenjagd sowohl in Europa als auch in den amerikanischen Kolonien nicht nur eine Herrschaftsstrategie, sondern von Anfang an eine recht bewusste Herangehensweise, um den kollektiven Widerstand zu brechen und die Bevölkerung zu spalten. Die Hexenverbrennung ist also gleichermaßen bedeutsam für die Entwicklung des Kapitalismus wie die Strategien der Kolonialisierung und der Enteignung der Bauern in Europa. Denn Kapitalismus war nach Federici nicht die einzig mögliche Reaktion auf die Krise der Feudalmacht, sondern das Ergebnis einer Konterrevolution gegen die sozialen Bewegungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, die sich nicht zuletzt des Instrumentariums der Hexenverfolgung zur Durchsetzung ihrer Macht bediente.

Aus meiner Sicht gilt es heutzutage die Potentiale des Umbruchs der Zeit für die Anliegen der Frauen, im Geiste weiblicher Werte zu gestalten: eine Lebensweise zu forcieren, die nicht eine der Fortschreibung von Ungleichheit und machtpolitischer Hierarchisierung ist, sondern den Bedürfnissen der Menschen und der Natur in ihrer Ebenbürtigkeit entspricht. Das kommt der am meisten von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppe, nämlich den Frauen, zugute, und bedeutet letztlich strukturelle Befreiung vom spätkapitalistischen Patriarchat und von Ausbeutung, Unterdrückung, Knechtschaft und Zerstörung letztendlich auch der Natur. Lehrt uns die Geschichte der Umbrüche seit Jahrhunderten, dass die Revolution ihre Kinder frisst, so wissen wir doch, dass trotz der Stürme, die auf uns zukommen, Veränderungen im Kleinen, im Verhalten, im Alltag, in unseren Lebens- und Beziehungsformen, in unserem Miteinander mit Bestimmtheit das sein werden, was bleibt.

In der nicaraguanischen Revolutionslyrik galt der Wind, der Sturm als zentrale Metapher für den Umbruch, für den gerechten Wandel. Viele Stürme, nicht nur eine Böe, charakterisieren auch die Frauengeschichte unserer Zeit. Nicht nur im Iran, in Belarus, in Syrien oder in Nicaragua. Das Rascheln der Blätter, der Wind in den Bäumen und das behände Rauschen seines Klangs mache uns gewahr für den langen Atem. Wir werden ihn brauchen.

 

Die Autorin wurde vermittelt von Female Positions.
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female positions

„Mein Sohn lebt in einem Matriarchat“, verkündet mein Onkel meiner Begleitung und mir beim Kaffee im kühlen Esszimmer … der Sohn, mein Cousin, sitzt ebenfalls mit uns am liebevoll gedeckten Tisch, auf dem kleine Brötchen mit Schinken und Mayonnaise und ein Teller mit verschiedenen bunten Kuchenstücken den draußen beinahe unerträglich heißen Nachmittag schmackhaft begleiten. Eine Frage der Gastfreundschaft, denn meine Tante ist eine erfahrene, routinierte Gastgeberin.

Mein Cousin versucht der Aussage seines Vaters durch Lachen und Kopfschütteln etwas Scherzhaftes zu geben. Nicht, weil es ihm peinlich wäre, in einem Matriarchat zu leben, oder ebenso zu leben, wie er eben lebt mit einer gebildeten, beruflich erfolgreichen Frau und einer Tochter, die fast so groß ist wie er und gerade begonnen hat zu studieren. Ein artiges Kind, lernt brav. Auch mein Cousin ist erfolgreich in dem was er tut, aber er spricht wenig darüber, er ist nicht der Nabel der Welt …

Nein, es ist ihm unangenehm, weil mein Onkel diesen Zustand sichtlich als verwerflich darstellen möchte, als wenig erstrebenswert. Die Kritik am Familienleben des Sohnes im Begriff des Matriarchats zu verpacken mit der Absicht, es ein wenig lächerlich erscheinen zu lassen, das findet mein Cousin unpassend. In Wahrheit macht es dem Vater zu schaffen, dass seine Schwiegertochter nicht allem zustimmt und eigene Vorstellungen hat. Nicht nur in der Beziehung, sondern in ihrer ganzen Lebensführung. Sie betrachtet die Generation, die dem Establishment nacheifert und sich dem guten Leben uneingeschränkt und unkritisch hingibt, ihrerseits kritisch. Sie folgt dem Leistungsprinzip durchaus, aber mit etwas mehr Bewusstsein für die Probleme, die es nebenbei auch noch gibt auf der Welt.

Ich sage zu meinem Cousin (ebenso scherzhaft): „Vielleicht sollte deine Frau auch ein Buch herausgeben!“

Mein Onkel hat natürlich schon mehrmals Bücher herausgegeben – in denen es hauptsächlich um ihn und seine Arbeit geht – da sollte sie mal nachziehen die Schwiegertochter, die Matriarchin. Das könnte dann neben den Büchern meines Onkels im Bücherregal stehen.

Und damit zurück zu meinem Onkel. Er ist beruflich sehr erfolgreich und ist ein kluger Mann mit einem gewissen Hang zur Selbstliebe, wie das bei erfolgreichen Menschen nicht ganz unüblich ist und sich bei älteren Männern zunehmend stärker ausprägt. Er ist der Überzeugung, dass zwei Menschen gemeinsam mehr schaffen können als einer allein – was Tante und Onkel absolut vorgelebt haben – und dass diese beiden Menschen dann auch Verantwortung füreinander übernehmen müssen – Scheidungen findet er völlig absurd. So weit so gut. Dem kann ich durchaus etwas abgewinnen. Und seiner Annahme, dass es allein schwieriger ist als zu zweit, kann ich aus Erfahrung nichts entgegensetzen.

Doch die Zeiten haben sich verändert. Die geübte Hausfrau, Mutter und Gefährtin zu sein und den Erfolg der besseren Hälfte mit jeder Faser zu unterstützen, ist selten geworden. Oder besser gesagt, das selten gewordene Modell wir trotzdem ausprobiert – auch umgekehrt – und oft verworfen. Oder bestenfalls kreativ umgewandelt – auch das bringen Beziehungen mitunter zustande. Dazu bedarf es allerdings weder eines Matriarchats noch eines Patriarchats – ich würde es „ein modernes Familienleben“ nennen.

Momentan sehe ich viele Familien, die genau deshalb funktionieren, weil niemand auch nur eine überzählige Minute Zeit hat, sich darüber Gedanken zu machen, ob das alles befriedigend ist. Überforderung an allen Ecken und Enden. Aber es funktioniert – fernab jeder Romantik!

Sich ein paar Gedanken zu machen über Gehalts- und Pensionsanpassungen, geschlechtergerechte innerbetriebliche Strukturen und Berufsbilder wäre gerade deshalb hilfreich.

Russische Kaltmamsell oder ein Einmaleins für die kalte Küche.

Der Dude ist ja dafür bekannt, dass er jeder Sau, die durchs Dorf getrieben wird, geifernd nachläuft – so auch dem omnipräsenten Thema Winter und Kälte. Um uns bestens auf die drohende Temperatursenkung und den Sparhaushalt vorzubereiten, hier ein kleines Einmaleins zum kulinarischen Widerstand. Die erwähnte Kaltmamsell feiert in Form ihres mannigfaltigen Rezepterbes ein fulminantes Comeback und wird dadurch teure Ratgeberin bei der Zubereitung von wohligen Salaten, sauren Sülzen und bitterkalten Platten. Viel wichtiger als Speisenarchitektur, fancy Cookingskills und exakte Zu­­bereitungsplanung ist aber das Basiswissen über die Wärmekraft der unterschiedlichsten Lebensmittel. Hier wird uns der Chinese ein wohlgelittener Freund und Experte: TCM (Traditionell chinesische Medizin) erzählt uns alles über Zutaten und ordnet die geeignetsten KandidatInnen, sodass wir auf einen Blick die wichtigsten Fakten erfassen und verstehen können. Der Slowdude, seit Jahren ein Verfechter der These „Essen und Trinken muss nähren, aber auch stärken und heilen“, findet sich hier in bester Gesellschaft wieder. Und in dieser fühlt er sich pudelwohl, verstanden und gut aufgehoben.

Der aufziehende Herbst bringt die unterschiedlichsten Kohlarten, Rotkraut, rote Rüben oder Kürbis und damit auch viele saisonale, natürliche, gesunde und außerdem schmackhafte WarmmacherInnen. Aber auch Küchenstandards wie Zwiebel, Porree und Lauchzwiebel sind Heizkraftwerke aus der Gemüselade – Süßkartoffeln und Fenchel runden diesen Reigen an Möglichkeiten ab. Bringt man diese Lieben zum Beispiel mit einer erquicklichen Menge Ingwer, Knoblauch und Chili zusammen, kommt die Hitzewallung so sicher wie das nächste Frühjahr. Additiv zu nennen sind hier Walnüsse, Pinienkerne und Maroni. Auf der Gewürzseite wird von Fenchel, Anis und Kümmel viel Wärme gespendet. Wahre Nachbrenner sind auch Granatäpfel, Zwetschgen (auch in gedörrter Form) und Rosinen. Geräucherter Fisch und Wildbret sind Optionen für Karnivoren. Also ein breites Spektrum an Basismaterial, das die geneigte Köchin oder den geneigten Koch schön gewärmt über die kalten Tage bringt.

Meiden sollten wir hingegen die Gurke, den Sellerie – ja es ist bitter – und auch alle Formen von Kokos. Kokoswasser, Kokosflocken, Kokosmehl, Kokosmilch und auch Kokosspalten. Und auch Spargel, Erdbeeren und Wassermelone sollten tunlichst in der Winternahrung nicht vorkommen – die haben aber in der kalten Jahreszeit soundso nichts im Einkaufskörbchen zu suchen. Die Gewürze, die sich eher der kühlen Seite zuneigen, sind Dill, Kamille, Koriander, Pfefferminze und Salbei – ja auch hier ein paar schmerzliche Verluste. Aber die sehnlichst herbeigewünschte Verwendung im Frühling und Sommer trösten den Dude darüber hinweg.

Neutral hingegen ist der Reis. Im Sommer unterstützt er kühlende Nahrungsmittel, im Winter die wärmenden. Ebenso die gute Kartoffel – neutral bis in die innerste Stärkeschicht. Sympathisch.

Um dem titelgebenden und anachronistischen Begriff Kaltmamsell Rechnung zu tragen: Die Herbst- und Winterzeit zu nutzen, um alte Rezepte zu suchen, zu adaptieren und gar zu modernisieren, schafft Abwechslung vom öden Küchenalltag. Kombiniert mit den weisen Ratschlägen und Zutatentipps aus der TCM eine absolute Win-Win-Situation, meint der Slowdude. Aber auch zur nötigen Distraktion von der aktuellen Weltenlage – Experimente und Neues in der Küche schaffen wertvolle Ablenkung. Der Dude ist und bleibt ein emotionaler Fatalist und rät: Das Beste draus machen – auch wenn die Küche kalt bleibt.

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Wer sind wir?

Und wie wurden wir die, die wir sind?

Was ist in uns angelegt? Was ist durch Erziehung, Sozialisation und Gesellschaft weg- und hinzugekommen?

Wo stehen wir?

Und wovon träumen wir, wenn man uns fragt?

Die Welt bricht wieder einmal auseinander. Gerade lässt uns die Pandemie Zeit zum Verschnaufen, müssen wir uns in Europa mit einem Krieg auseinandersetzen – weil ein alter, weißer Diktator beschlossen hat, sein Aggressionspotential auszuleben.

Aber es geht in einem viel größeren Sinn um Demokratie, die wieder einmal verhandelt werden muss, verbunden mit vielen Rechten und Errungenschaften. In der allgemein aufgeheizten Stimmung werden etwa diejenigen Stimmen wieder laut, nicht nur in Russland, sondern z. B. auch in den republikanisch geführten Bundesstaaten der USA, die z. B. Abtreibungsrechte und Rechte für LGBTQ’s beschneiden möchten. Weil Krisen sind auch immer da, um bereits sicher geglaubte Rechte wieder rückgängig zu machen. Krisen sind da immer eine willkommene Rechtfertigung.

Die Pandemie hat uns das einmal mehr eindrücklich vor Augen geführt. Wie es auch um die Geschlechtergerechtigkeit in unserem Land bestellt ist. Bekannterweise sahen sich Frauen von einem Tag auf den anderen wieder in der Heimchen-am-Herd-Position. Kochen, putzen, waschen, Kinder betreuen, Hausaufgaben machen, von zu Hause arbeiten – ein Traum für alle Frauen. Doch Frauen haben seit Jahrhunderten um ihre Rechte gekämpft – und sollen, können und werden das Feld nicht (schon wieder) den Männern überlassen. Der Aufruf „Frauen aller Länder vereinigt euch“ mag dabei nicht neu sein und wegen der unterschiedlichen Lebensrealitäten dieser Frauen-Weltbevölkerung auch nicht ganz leicht umzusetzen, doch im Kern sollte es immer wieder um eine neu ausgerufene Solidarität zwischen Frauen gehen. Aber wie kann das in diesem Klassen-Race- und Gender-Umfang von „Frauen aller Länder“ ein Ansatz sein? Und wo fängt man da mit einem solidarischen Wir an? Ein solidarisches Wir, das weder Abstraktum noch Theorie bleibt, sondern aus unmittelbarer, diverser Erfahrung gespeist ist?

Wir – und das meint jetzt eine Herausgeberinnen-Gruppe von drei Frauen – haben jedenfalls einen anderen Weg als den männlichen einschlagen. Wir wollen uns, einfach gesagt, unser Leben so gestalten, wie wir es wollen und wie es uns Spaß macht. Und falls das ein wenig nach Pippi Langstrumpf klingen mag, geht es eben gerade nicht darum, jeden Tag ein Pferd hochstemmen zu müssen. Wir wollen auch nicht einen technischen Beruf erlernen, wenn uns das nicht taugt und wir wollen auch nicht 60 Wochenstunden arbeiten, um zu glauben, dass wir wichtig und unabkömmlich sind. Wir wollen nicht wie Männer sein müssen, um uns zu behaupten. Wir wollen einfach die Hälfte des Geldes, der Macht und der Positionen, die uns zustehen, eben weil wir die andere Hälfte der Menschheit sind. Und wir wollen einfach so sein wie wir sind. Das heißt auch, dass die andere Hälfte der sozialen Realität, das Sorgen um/für Andere, das Beziehungen am Laufen halten und das Freundschaften pflegen, nicht grundsätzlich vernachlässigt werden sollen. Und das ist es auch, was eine Gesellschaft ausmacht und von der sie lebt, und auch in Zukunft überleben wird können!

Für unsere Publikation female positions haben wir 10 Frauen gewinnen können, die mit uns ein Jahr lang über all die Probleme diskutiert haben, die uns und wahrscheinlich viele Frauen beschäftigen. Diese Frauen haben ihre ganz persönlichen Geschichten aufgeschrieben, um uns und andere daran teilhaben zu lassen. Nach dem Lesen der Texte ist uns (wieder) klar geworden, dass es nur darum gehen soll, uns selbst zu gefallen und uns wieder in erster Linie mit anderen Frauen zu solidarisieren – Solidarity, Sisters!

Durch diese Solidarität, durch das Miteinander der Frauen ist es möglich, die Gesellschaft zu verändern und zwar, indem wir zuallererst unser Leben so leben, wie wir es für richtig halten. Und auch wenn es banal und etwas naiv klingen mag: Die Gesellschaft wird sich dann einfach – und in aller Diversität – danach ausrichten müssen und dadurch verändern.

Wovon träumen wir?

Jahrelang haben wir mit dem Gedanken gespielt ein Buch zu machen. Wir haben hier einen feministischen Ansatz gewählt, der undogmatisch an direkten Erfahrungsbereichen und Expertisen ansetzt. Wir wollten Frauen als Autorinnen gewinnen, die wir sehr schätzen und bewundern. Die meisten, die wir angefragt haben, haben zugesagt. Und haben beim Schreiben zum Teil sehr gekämpft damit, ihre persönlichen Standpunkte in Texten zu verarbeiten.

Entstanden sind female positions.

Female positions erscheint am 22. 6. 22.

Die Kolumne female positions wurde verfasst von Daniela Banglmayr, Susanne Baumann und Sandra Hochholzer.

Früh. Kraut. Deal.

Der Dude kümmert sich wieder mal um Randgruppen. Also kulinarische oder präziser formuliert pflanzliche Randgruppen. Während aufgeregte HobbyköchInnen und saisonbewusste ProfessionistInnen sich im Spargel ergehen, Erdbeeren ohne Ende servieren, dem Rhabarber huldigen oder Löwenzahnsalat als heißen Scheiß abfeiern, erfreuen sich die wahren Genuss-SpezialistInnen am zarten Kraut. Genauer gesagt am Frühkraut, das ab Mai unsere Gaumen und unsere Herzen berührt. Zart im Geschmack, aber dennoch mit unverkennbarer Krautnote ausgestattet, bietet es eine mannigfaltige Varianz an Zubereitungsmethoden und Serviervorschlägen. Der Dude bietet hier drei seiner Rezeptfavoriten.

Frühkrautcoleslaw
Ingredienzien:
1 Frühkraut
1 Bund Frühlingszwiebeln
2 große Karotten
5 EL Weißweinessig
5 EL Sauerrahm
5 EL Mayonnaise
½ Zitone Salz und Pfeffer
Frühkraut fein schneiden und Karotten fein hacheln, Frühlingszwiebel mit Messerrücken anklopfen und dann fein schneiden. Essig, Rahm mit Mayonnaise, Salz, Pfeffer und dem Saft einer halben Zitrone verrühren und mit Kraut- und Karottenstreifen sowie den feinen Frühlingszwiebeln vermengen. Mindestens 2 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen.
Pimp my slaw: Eine einfache, aber äußerst schmackhafte Variante erhält man durch Beimengen von 1 EL geröstetem Sesamöl, frischem Ingwer und schwarzem Sesam.

BBQ-Frühkraut
Ingredienzien:
1 Frühkraut
1 TL Pulver vom geräucherten Paprika
2 EL Öl mit möglichst neutralem Geschmack (Rapsöl, Sonnenblumenkernöl) Salz & Pfeffer
Frühkraut halbieren und mit der Schnittkante auf den Grill legen (alternativ Grillpfanne). Die Temperatur sollte zu Beginn nicht zu hoch sein, um das Kraut etwas anzugaren. Währenddessen Öl, Paprikapulver mit Salz und Pfeffer vermengen. Kraut 1x wenden und die Oberseite etwas angaren. Anschließend bei hoher Hitze die Unterseite anrösten. Dann vom Grill nehmen und mit der Ölmischung einpinseln. Fertig. Dazu frisches Roggenbrot und als Dip den Rest vom Öl-Paprikagemisch mit etwas Mayonnaise verrührt.

Flammkuchen mit Frühkraut und Nüssen
Ingredienzien:
750g Brotteig (idealweise der eigene Sauerteig)
1 Frühkraut
1 rote große Zwiebel
1 Becher Sauerrahm
3 El Olivenöl
1 Hand voll Nüsse (Walnüsse, Pekan …)
Salz und Pfeffer
Frühkraut fein schneiden, Zwiebel noch feiner schneiden und mit Salz, Pfeffer, 2 EL Öl vermengen und mindestens 1 Stunde ziehen lassen. Währenddessen Rahm mit 1 EL Öl und Salz/Pfeffer vermengen, Teig auf Blechgröße ausrollen, die Rahmgeschichte gleichmäßig auf dem Teig verteilen und mit der Kraut-Zwiebel-Mischung bedecken. Abschließend eine Handvoll Nüsse darauf verteilen und bei Umluft 180 Grad 10-15 Minuten backen.
Dieses Rezept als Verneigung vor den Gründerinnen der Donauwirtinnen in Linz/Urfahr. Diese haben damals mit Gespür und Witz den Flammkuchen auf die Karte gesetzt. Der vorhandene Pizzaofen wurde einer neuen, wunderbaren Verwendung zugeführt. Dass die Donauwirtinnen keine Innen mehr sind, ist schade. Aber was die Nachfolger als „Pizza“ anbieten, ist eine Schande. Wieder einmal: mit dem Strom geschwommen und dabei untergegangen.

Das Lob in Dosen.

Dem professionellem Prepper ringt die Auseinandersetzung mit Nahrung in Dosen wohl nur ein mildes Lächeln und gefälliges Raunen ab. So wie dem Slowdude den endzeitigen Umtrieben derselbigen … Das Thema Nahrung in Dosen spannt ja einen Bogen von den animalisch Bohnen verzehrenden Bud Spencer und Terence Hill über die von Oma kredenzten „gefüllten Paprika“ im Ferienhaus bis hin zum wehmütig betrachteten, opulenten Kaviarüberfluss in den Feinkosttempel-Schaufenstern. Dazu kommt die Realität, die sich meist in traurigen und armseligen Döschen im Vorratsschrank der eigenen vier Wände widerspiegelt. Die positivste Varianz bringen hier meist nur Thunfisch und Tomaten zu Tage, die negativste Ravioli, Gulasch oder der wirklich ekelhafte Erbsen-Möhrchen-Mix. Doch das muss nicht sein, meint der Dude und möchte der geneigten LeserInnenschaft ein paar Einträge ins kulinarische Stammbuch schreiben.

Unterschätzt: Sardinen in der Dose. Oft in fragwürdigen Zubereitungen wie Tomatencreme, Mexiko oder Asia eingebettet, bieten sie, in ihrer pursten Form in gutem Öl eingelegt, eine wunderbare Basis für Snacks, Vorspeisen oder sogar einen fulminanten Hauptgang. Tipp: Sardinen aus der Dose in eine verschließbare Form schlichten, rote Zwiebel schälen und hauchdünn aufschneiden, Bio-Orange ebenso in dünne Scheiben schneiden und auf die Sardinen legen. Dann eine Mischung aus 1/2 Essig und 1/2 Wasser (Menge richtet sich nach der Form), etwas salzen, zuckern und pfeffern und aufkochen. Heiß über die Sardinen und Komplizen gießen und eine paar Stunden ziehen und abkühlen lassen. Fertig. Mit Weißbrot ein wunderbarer Snack zu Wein und Wasser.

Selten, aber gut: Edamame in der Dose. Die schmackhaften Sojabohnen sind (leider) selten frisch zu bekommen. Wer ihrer in der Dosenform habhaft werden kann: Abgießen, gut waschen und mit etwas Wasser in einem Topf sanft erhitzen. Dann helles Miso nach Gusto untermischen und solange unterheben, bis das Miso aufgelöst und alles gut durchgezogen ist. Auf frischem Reis ein simples gesundes Mahl. Welches mit Bier – das hier hervorragend passt – genossen werden sollte.

Stinkt, aber herrlich: Kimchi in der Dose. Die koreanische Antwort auf Sauerkraut. Mittlerweile als Novität schon durch, weil alle DIY-Hipster ihre Insta-Stories darüber schon gemacht haben. Aber dennoch ein schmackhafter Begleiter zu vielen Gerichten, wie gegrilltes Rindfleisch oder Reisschüsseln. In der Dosenform nicht gefährlich für das olfaktorische Klima in Kühlschrank und Behausung.

Und zum Abschluss noch 2 Tipps – einer lokal und einer online.

Jetzt, wo der Frühling zart um die Ecke lugt und uns mit Luft und Duft wohlige Schauer der Sehnsucht auf die lukullischen Verheißungen der ersten Jahreszeit beschert, kommen auch wieder die braven lokalen ErzeugerInnen auf die Bühne. Und zwar oft auch auf Mini-Märkten in Wohngebieten. Etwas anachronistisch stehen diese HeldInnen der Nahversorgung an ihren Plätzen – umschwirrt von Zustelldiensten, flankiert von den Großen der Branche. Sie sind aber standhaft und bieten meist zwar ein beschränktes Sortiment, aber dennoch preiswert und qualitativ gut, von ihrem Boden oder aus ihren Ställen an.

Für all jene, denen schwer zu organisierende Zutaten Kopfzerbrechen bereiten, für die Amazon ausgeschlossen wird (zu recht und unbedingt) für die weirde Onlineshops von so manchen Asiamärkten zu creepy sind, hat der Slow Dude einen Tipp: Internationale formidable Selektionen von unzähligen Spezialitäten sind hier zu finden: www.stayspiced.com – und der Shop ist im Lande.

Zirkusfamilie

Dies ist die letzte Ausgabe dieser Kolumne. Aus mehreren, auch zeitlichen Gründen, vor allem aber, weil ich merke, dass ich nichts mehr beitragen kann und nicht zum hundertsten Mal darauf hinweisen will, wie paternalistisch, patriarchalisch und misogyn die Arbeitswelt nach wie vor und wieder strukturiert ist und wie gut es wäre, mal auf die zu hören, die nicht eh dauernd den Mund offen haben. Ich bin in der glücklichen Lage, auf andere Formen zurückgreifen zu können als sich die Finger wundzuschreiben, nach Solidarität zu rufen, oder danach, sich nicht zwingend grad mit denen zu verbünden, die Feminismus als momentanen Hype eh ganz sexy finden, solange er ihren Status als Erklärbär nicht in Frage stellt. Die vom „Feminisieren der Räume“ faseln, anstatt mal für eine Sekunde einfach ruhig zu sein. Die Erkenntnis, dass Solidarität, Loyalität und wertschätzende Formen der Zusammenarbeit nicht zwingend dort zu finden sind, wo sie als Schlagwörter auf Plakaten stehen oder auf Social Media gepostet werden, mag eine Binsenweisheit sein. Vielleicht sollte frau auch verstehen, dass Männer, jahrzehnte- achwas, jahrhundertelang so missverstanden, und eigentlich doch das schwache Geschlecht, nun auch Teil einer offenbar zeitgemäßen und in Förderanträgen sich gut machenden Bewegung sein wollen, Blumen posten und Körperteile ihrer Kinder, um die Welt wissen zu lassen, wie sensibel und wieviel Vater sie doch sind. Was sie allerdings nicht daran hindert, Frauen totzuschweigen, aus ihren Arbeitsplätzen und von ihren Plattformen zu drängen, ihre Jobs und Diskurse zu kapern. Ja, Feminismus meint eine menschliche Zukunft, deshalb muss man sich als Feministin aber nicht doof stellen und paternalistische Untergriffe nicht benennen. Und nein – hier schreibt keine, die Männer nicht mag, hier schreibt eine, die – um es mit Sibylle Berg zu schreiben, weil schöner geht ohnehin nicht – Männer nur dann nicht ganz so gern mag, wenn sie „in Horden auftreten und hupen“.

Die letzte Ausgabe aber soll sich den positiven Entwürfen widmen, die Exit-Strategien sein könnten aus dieser ohnehin verheerenden und aussichtslosen Situation, in der die Welt und damit auch Sie da draußen, Ihr und ich stecken (Dieser Hinweis scheint wichtig, weil manche sich so benehmen, als würden sie nicht mit allen anderen, Kleinen und Großen, Dummen und Gescheiten, Schönen und Hässlichen auf einem Planeten feststecken). Drum:

Als ich ein Kind war, stand ich häufig am Zaun zur Straße vor unserem Haus in der Kleinstadt und hab auf die Straße geschaut. Offenbar stundenlang, was zum Glück niemand eigenartig fand, sondern im Gegenteil meine Mutter, wenn man sie danach fragt, als ganz praktisch empfunden hat. Wenigstens eins von den Kindern, von dem man immer wusste, wo es war: „Ja, du warst so ein ruhiges Kind. Und am Gartenzaun bist du oft gestanden und hast auf die Straße geschaut.“ Was meine Mutter nicht wusste, war, dass ich immer dort stand, wenn ein Zirkus in der Gegend war und ich darauf wartete, dass jemand mich abholt. Zu wissen, da draußen gibt es eine Zirkusfamilie, die mich sucht und irgendwann findet und zu sich holt, war offenbar eine gute Exit-Strategie (und es ist tatsächlich weniger traurig als es sich hier jetzt liest).
Ein paar Jahre und einige Zirkusfilme im Sonntagsnachmittagsprogramm später war ich ganz froh, dass mich Joan Crawford, Hans Albers (naja) oder Freddy Quinn dann doch vergessen hatten, und ich habe bis heute den Verdacht, dass ich als 4jährige die Kasperlfamilie in Vera Ferra-Mikuras Lieber Freund Tulli einfach für eine Zirkusfamilie gehalten hab. Für mich waren damals jedenfalls alle in einer Zirkusfamilie irrsinnig lieb zueinander, sie waren großzügig und nachsichtig und vor allem lustig. Sie waren nicht zwingend verwandt, dafür umso loyaler, es war immer warm, sie haben gemeinsam gegessen und gearbeitet, und gegen Menschen gekämpft, die das Schöne nicht wertschätzen können. Die Melancholie unter und über dem Ganzen war wichtig, weil – sentimentale Musik – Unverbindlichkeit! Oberstes Gebot in Zirkusfamilien. In Zirkusfamilien lässt man sich ziehen, da setzt sich niemand auf dich drauf und schnürt dir die Luft ab, beißt sich niemand fest in Dir oder ein Stück von dir ab, bloß um es kurz darauf angewidert auszuspucken.

Hin und wieder treffe ich auf andere Familienmitglieder dieser Zirkusfamilie, die auch nie abgeholt wurden und man macht es sich für einen Wimpernschlag fein. Mit denen lässt es sich wunderbar diskutieren und zusammenarbeiten, weil sie weder eine Projektion über dich stülpen noch ein Stück von Dir abbeißen wollen. Die dich ganz lassen. Die großzügig und nachsichtig sind, so sehr, dass du selbst zur großzügigsten, nachsichtigsten Person wirst, sodass immer wieder neue und noch schönere und klügere Ideen und Zusammenarbeiten entstehen. Die nichts von Dir wollen, außer eben mit Dir zusammenarbeiten, die dir nicht die Welt erklären, dich nicht auf ein wackeliges, temporäres Podest heben aber eben auch nicht klein machen. Und denen ist diese letzte Arbeitskolumne in der Referentin gewidmet. Denn zum Glück gab und gibt es noch genug von ihnen, um nicht komplett zu verzweifeln. An den Erinnerungen an sie darf man sich aufbauen, wenn man dann doch wieder auf eine Joan Crawford oder deren Tochter in Zirkus des Todes trifft; da ist es dann ganz klug, der Show eine Zeitlang beizuwohnen, freundlich zu applaudieren, sich aber beizeiten aus dem Zelt zurückzuziehen.

Die Referentin-Zirkusfamilie lässt Wiltrud Hackl weinenden Auges ziehen und bedankt sich für die vielen wichtigen wie unterhaltsamen Kolumnen über die Jahre.