Optimus temperatus.
Ja, ja – jetzt kommt er mit Temperaturgefasel zur kalten Jahreszeit. Allgemeinplätze von gekühlten oder heißen Getränken erwartet sich die geneigte Leserin, der geneigte Leser. Aber mitnichten. Der Dude ist auf der Suche nach den leisen Zwischentönen, den feinen Graden: Der sanftwohligen, anschmiegenden Wärme oder der aufregenden, angenehmen Kühle. Gefroren, gefrostet, gebraten, flambiert – das sind in Zeiten der Extreme die wohl naheliegendsten kulinarischen Temperaturzuschreibungen. Aber wie so oft in den lukullischen Sphären, machen die kleinen Entdeckungen das große Bild! Dass Wein erst in unterschiedlichsten Kühle- oder Wärmestufen seine gesamten Geschmacksklaviatur spielt, ist bekannt, und dieses Wissen wird in der Praxis von Profis als auch von Laien so praktiziert. Dass aber fast alle Nahrungsmittel eine Idealtemperatur zur Zubereitung oder Zusichnahme haben, ist wohl weniger bekannt bzw. wird in den seltensten Fällen angewandt.
Und da man im neuerlichen Lockdown vermeintlich wieder mehr Zeit für sich hat, gönnt sich der Dude Warm- und Coolfood in allen Varianten und gesteht seinen zum Verzehr gedachten Zubereitungen die Zeit und Temperatur zu, die sie sich wünschen.
So wird der gute Ziegenkäse nach Brie-Methode durch einen sogenannten Käse-Spaziergang in Fahrt gebracht. Nein, der Dude wird nicht als exaltierter Käseliebhaber mit dem Brie-Laib in den Taschen durch seine geliebte Linzer Stadt wandern. Vielmehr bekommt der Brie sein Bett neben dem Kühlschrank und durch die Dauer des Spaziergangs die genaue Zeit, sich vollends zu entspannen und die richtige Viskosität anzunehmen. Genauso verhält es sich beim Fisch, der gebraten wird. Einfach auf Raumtemperatur kommen lassen, dann wird das fröhliche Bratgut wesentlich geschmeidiger und schmackhafter in der Zubereitung. Bei rotem Fleisch ist es sogar ratsam, ein bis zwei Stunden vergehen zu lassen. Einfach probieren!
Fermentierte Köstlichkeiten, die ja Reife bei Raumtemperatur erlangen und dann gekühlt gelagert werden, sollten vor dem Genuss auch wieder auf ihre Reife-„Grade“ gebracht werden. Die Milchsäurebakterien, die dieses Wunder vollbracht haben, werden es danken. Auch sauer eingelegte Gemüse und alles in Richtung Pickles sowie Würzsaucen entfalten ihren ursprünglichen Geschmack bei Raumtemperatur.
Die Kultur des „Sandwich-Wrap-Sushi“-Runterschlingens – direkt aus der Kühltheke – verlernt es uns, echte Geschmäcker zu schätzen oder überhaupt zu erkennen. Außerdem, so die feste und richtige Meinung des Dudes, ist dieser Conveniencefraß soundso an viel mehr Schuld als vermutet wird. Denn die durchweichten Wraps und Karikaturen von Sushi und Maki im „praktischen“ Plastikpack sollten strafbesteuert werden. Wirklich! Probiert es mal aus, solche Fastfoodteile auf Raumtemperatur zu bringen und dann zu verkosten. Übrig bleiben säuerliche, fasrige Einzelteile, die kaum genießbar sind und vor neuerlichem Erwerb abschrecken werden.
Darum: Liebkost euren Käse, Fisch, Schinken und die guten Essiggurken mit der Temperatur, die sie verdienen und genießt wohltemperiert!