Lokale Lokale

Meine Freundin. Sie ist jetzt auf ausgedehnten Reisen. Im Totenreich. Gerade kommt sie zurück. Wegen einer kleinen Angelegenheit, wie sie sagt. Es sei aber nicht notwendig, darüber im Detail zu sprechen. Das sagt sie noch im Stehen. Dann setzt sie sich nieder. Es geht nur mal kurz ums Leben außerhalb des Totenbetts, sagt sie, und: schlimme Zeiten, Anachronismen überall, ein Übergangsopportunismus, wohin man schaut. Die Totengräber haben sich überall an die Oberfläche gegraben, sagt sie. Sie meint diejenigen, die sich – in einem letzten pathologischen Aufbäumen – die Welt nach den Regeln des Alten neu herrichten wollen. Sie meint die Herrichter, die Einpeitscher aller Art. Oder auch die, die sich einfach gerne anpassen. Sie meint die, die sich billige Vorteile verschaffen und große Systeme daraus bilden. Und die, die sich gegenseitig Schlimmes antun. Sie meint das, was sich hinter der Fassade und unter der Oberfläche tut. Sie meint die Psychos und die Zombies. Sie spricht davon, dass sich das Totalitäre auf allen Ebenen ausgebreitet hat, und in jede zwischenmenschliche Beziehung eingesickert ist. „Eh schon wissen“, sagt sie. Und singt eine Melodie an, mit einem selbstkreierten, jedenfalls anzitierten Text, nämlich „T-t-t-t-talking bout my A-lie-nation“. Was das wieder soll. Und überhaupt. Aber egal. Jedenfalls meine Freundin, von wegen „Eh schon wissen“, ist dann doch wieder ganz das Gegenteil: Sie will es dann nämlich doch immer wieder wissen. Und will die Zonen oder Ereignisse finden, die frei sind von sowas. Das ist sie. Aus dieser Mischung besteht sie. So treibt sie sich grade in der Nacht herum. Weil sie es wissen will. Zieht durchs Nachtleben der Innenstadt, noch lieber durch die Spelunken der Vorstadt, fällt in Beisln an Schnellstraßen. Am Wochenende in der Früh sucht sie Großraumdiscos, Systemgastrostätten oder andere Eventkonzentrationen auf. Dann wieder zurück in die Stadt. Schaut herum. Hat Verschiedenes erlebt. Am Tag schläft sie, dämmert dahin oder denkt im abgedunkelten Raum nach. Nur halblebendig im Bett. Das ist ihr kleines Totenreich-Spielchen, ihr kleines Unzeit-, Lebens- und Zwischenreich-Experiment der Stunde. Für dieses Mal hat sie sich eine besonders abgefuckte Arbeitshypothese mitgenommen, sagt sie. Sowas in der Art macht sie immer. Sie habe mal im Flieger nach Athen neben einem sehr liebeswürdigen Herrn gesessen und sich mit ihm unterhalten, über Freundschaften, sagt sie weiter. Und sie glaube sich zu erinnern, dass dieser Herr seinen Landsmann Aristoteles zitiert habe, der gemeint habe, dass: „ein Freund einen warnt bzw. auf die Folgen des eigenen Handelns aufmerksam mache, selbst wenn diese Folgen erst in 300 Jahren zu tragen kommen“. Das habe ihr imponiert. Auch wenn sie jetzt, Jahre später, nicht mehr wisse, ob der Name des Philosophen hier stimme oder das Zitat nur irgendwie korrekt ist. Oder sie das überhaupt nur geträumt habe. Jedenfalls sei ihr dieser Satz und diese Begebenheit wieder eingefallen. Und jedenfalls habe sie diesen Satz in der Nacht jetzt auf ihren Streifzügen dabei. Sie „überprüfe die Realität“, die sie sehe, in dem sie „diesen Satz gegen die Realität stelle“. Was das genau bedeute, wisse sie noch nicht ganz, das harre noch dem ungewissen Ausgang des Experiments. Aber ganz sicher habe ihr der Satz in einer Sache selbst schon sehr geholfen. Indem sie sich selbst in dieser Weise beraten habe, sozusagen als Freundin ihrer selbst: Sie habe ihr Handeln in dieser bestimmten Angelegenheit, über die sie aber nicht konkret sprechen wolle, auf eine Auswirkung von, sagen wir, diesen dreihundert Jahren hin überprüft. Sie sagt, das sei wichtig gewesen. „Ja gut“, sage ich kurz angebunden, „das passt eh, aber hör bald wieder auf mit dieser Herumtreiberei in der Nacht, das schadet dir jetzt schon“.

Dann lachen wir los, weil meine Freundin weiß, dass das kein Ratschlag war, sondern die pure Anerkennung – für sie und ihre Geschichtenherumtreiberei. Und natürlich wissen wir, dass wenig, wirklich wenig momentan in dieser Welt noch auf 300 Jahre angelegt ist.

Sttr – Muto – Wime

Verwirrt? Der Dude löst auf! Wenn in Oberösterreich eine Unternehmung MUTO heißt, liegt der Verdacht nahe, die Besitzerin/der Besitzer habe die ersten beiden Buchstaben des Vor- und Nachnamens hergenommen und das Ergebnis als Firmenwortlaut auf Werbeschilder und Visitkarten drucken lassen. Bei MUTO wären hier Muriel Tomandl oder Mustafa Tok zu vermuten. Die Lateiner jedoch schlagen die vom kleinen Stowasser gestählten Arme über dem Kopf zusammen und rufen „Lingua latina est“ – und so ist es auch. Muto bedeutet „verwandeln“ und ist auch gleich der philosophische Unterbau der experimentellen Küche von Michael Steininger und Werner Traxler. Um die Onomatologie hier abzuschliessen, müsste nach der oberösterreichischen Methodik und unter Rücksichtnahme zweier Gründer das Lokal STTR oder MIWE heissen. MUTO passt besser.

Der Slowdude hat ausführlich testgegessen und berichtet gerne über diesen – er nimmt sein Urteil gleich vorweg – wahren Schatz in der Linzer Gastronomieödnis. Wer hungrig ins MUTO geht, wird sicher satt und zufrieden sein. Aber das Mindset sollte ein anderes sein. Vielmehr sollte man explorativ gelaunt und zugleich richtig horny sein. Quasi ready for Foodporn. Lust auf Neues und Zeit für ein wahrhaftes Eintauchen in die phantastischen Geschmacksebenen der beiden klassen MUTOianer müssen die Gäste unbedingt mitbringen. Das Karussell an ungewohnten Texturen, sensorischen Verbindungen und mannigfaltigen Aggregatszuständen dreht sich schnell und ohne Kompromisse. Und da braucht der geneigte Gast zuweilen auch ein wenig Ruhephasen und Relaxation, die sich aber bestens mit formidablen Getränken und informativen Gesprächen füllen lassen.

Begonnen hat die kulinarische Reise des Slowdude ins MUTO-Land mit zwei Grüßen aus der Küche. Zum einen wurde ein selbstgemachter Frischkäse mit Kresse und Baguette gereicht. Zusätzlich gab es eine kleine Darreichung vom Fisch mit weißer Wasabi-Schokolade und Ingwer.

Der Frischkäse bleibt der einzige Kritikpunkt im gesamten Setting – da zwar in Konsistenz und Temperatur wunderbar – der Geschmack fiel aber etwas fahl aus. Bei der Kombination aus Wasabi, weißer Schokolade und Fisch nahm allerdings das Karussell richtig Fahrt auf. Und so ersann der Dude seine eigene Muto-Regel: Alles zusammen. Nicht wie bei Muttern fein essen, kauen und nicht schmatzen, sondern alles rein in die Backen und kräftig kauen. So entsteht erst die richtige Verbindung und man versteht den Koch plötzlich besser – und möchte sein bester Freund bzw. Freundin sein. Weiter ging es für den Dude mit einer Gartentomate, die derart liebevoll, aber mit Frankenstein-Skills, ihrer eigentlichen Konsistenz beraubt wurde, dass die Verwunderung groß und der Genuss noch größer war. Flankiert wurde die herrliche Zombietomate von jungem Knoblauch in zwei Zuständen und eine geräucherten Vinaigrette, die auch keine Wünsche offen ließ. Der Hauptakt wurde vom Wasserbüffel, der Melanzani, der Paprika und den Pilzen bestritten. Der perfekt zubereitete und angerichtete Wasserbüffel mutierte aber zu Beilage, da die Melanzai-Paprika-Pilz-Phalanx gnadenlos die Geschmackshoheit übernahm. Der „Strauch der Lände“ bildete den gelungenen Abschluss und rundete die vorigen Gänge raffiniert ab. Das mit japanischer Zierquitte und Zitronengeranie angerichtete Joghurt war noch der letzte Paukenschlag der MUTO-Symphonie. Das war aber keine Überraschung. Der Dude ist ein alter Kenner der Zitronengeranie und besonders der japanische Zierquitte. Und der sympathische Umstand, dass die Zutaten von der Linzer Donaulände kommen, machte das Desert noch spannender.

Bemerkt hat der Dude auch den Soundtrack in der MUTO-Stube. Anfangs etwas gewöhnungsbedürftig säuseln Leonard Cohen und Bob Dylan dahin und man fragt sich, ob die jungen Betreiber nicht generationsadäquates Material haben. Wenn die alten Herrn aber auch noch mit bekannten Nummern aus „Lock Stock and Two Smoking Barrels“ und „Pulp Fiction“ flankiert werden, kapiert man es: Die Musik hat man am Teller. Rhythmisiert und komponiert – mal laut mal leise, mal schnell, mal langsam, mal intensiv, mal leicht. So erklärt sich auch zum Schluss noch der Frischkäse. Genial!

Der Dude vermutet, dass die LeserInnen seine Begeisterung gespürt haben und verpflichtet diese zu einem baldigen Besuch. Das kann und darf man sich nicht entgehen lassen – der MUTO-Tempel ist ein echter Lichtblick in der kulinarisch sonst so gebeutelten Linzer Stadt. Der Dude ist ein MUTO-Fanboy.

 

Muto Altstadt 7 4020 Linz
restaurant@mutolinz.at
www.mutolinz.at
Reservierungen unter 0699/11089063

Stay in bed, bitch!

Müde Zeiten. Zeiten der Verwirrung. Zeiten des Aufbruchs und Übergangs. Zeiten, in denen die Wunderbaren in meiner Umgebung aus Über­zeugung (und der Müdigkeit zum eleganten Trotz) betont aufrecht gehen. Müde aber sind wir doch und alle wissen: es ist zu heiß, zu verrückt, zu unlogisch hier und wir können im Grunde gar nichts (mehr) tun. Die Radikalen haben die Welt seit Jahrzehnten fest im Griff und täuschen Normalität vor. Genug Idioten, die seit Jahrzehnten darauf hereinfallen und sich die Welt schönkaufen. Natürlich alles bio, re-usable, Fair Trade oder wenigstens geschickt greenwashed. Ich mein – würde dieser Schauspieler, der in Filmen wie Syriana spielt, sonst für ein Produkt Werbung machen, das ökologisch und politisch völlig unverträglich ist? Na, sehen Sie.

Normalität ist die wahre Brutalität ist die wahre Radikalität und daran leidet die Welt. Noch bevor manche wissen, wie man Postkolonialismus buchstabiert, setzt schon der Neokolonialismus ein – in Form von Müllbergen aus Plastik und Aluminiumkaffeekapseln, der First-World-Dreck, der sich an den Stränden ehemaliger, doch so preiswerter Urlaubsparadiese breitmacht. Die Meere aber vergessen nichts. Was ins Meer geht, kommt zurück und durchdringt unsere Körper – ob als Nahrung, als Regen, als Erinnerung oder als Geister, die uns jagen. Hoffentlich. Denn was wären wir noch, was würde uns Europäer*innen künftig ausmachen, würden selbst die Seelen jener Menschen auf uns vergessen, die wir im Stich gelassen haben – in den Meeren vor unseren Lieblingsstränden. Sie definieren uns ab nun und werden von jenem Europa berichten, das nicht eingegriffen hat, das keine Kriege verhindert hat, das aus Menschenrechten eine Survival-of-the-Fittest-Show gemacht hat. Eine Erzählung, die nicht mehr schöngekauft werden kann. Ein Europa, das die Chuzpe hat, sich gleichzeitig über die Gefahren des Islamismus zu echauffieren und nichts unternimmt, um zu verhindern, dass kurdische Soldatinnen in Syrien oder gegen den compulsory Hidjab demonstrierende Frauen im Iran ermordet, vergewaltigt oder zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt werden; ein Europa, das sich verängstigt zeigt gegenüber jungen geflüchteten Männern; das gleichzeitig aber nichts unternimmt, um Frauen und Kinder aus Flüchtlingslagern zu retten. Ein solches Europa sollte ohnehin das Recht verlieren, von Humanismus und Aufklärung als identitätsbildend zu sprechen. Von Normalität ganz zu schweigen. Hieran ist nichts normal. Normal wäre das Gegenteil, aber das wird als radikal beschrieben. Und so – wie man dem Schauspieler abnimmt, dass an Nespresso-Kapseln alles völlig normal sei – ich mein, der Mann ist schließlich mit der Menschenrechtsjuristin Amal Clooney verheiratet – hat sich das Narrativ der guten Normalität vs. die böse Radikalität in all unsere Geschichten eingeschlichen. Und bleibt unwidersprochen.

Eine Erzählung, in der schon lange nichts mehr gut ausgeht, sondern alles nur noch mit Happy End versehen wird. Ein Happy End, das nichts macht, außer Sehnsucht auszulösen nach dem, was man nicht ist und nicht hat. Das sich darin ergeht, die Unnormalen, Nicht-Dazugehörigen, Zornigen, Empfindsamen, Mehrdeutigen … in Zustände der Sehnsucht zu versetzen nach dem Angepassten, Eindeutigen, Konsumierbaren, Her­zeigbaren. Die braven Asylwerber, die fleißigen, gut ausgebildeten Migrant*innen, die zufriedenen, dankbaren Frauen, die unsichtbaren Behinderten, die weit weg verräumten Alten. Alle sollen sich einpassen und anpassen können und wollen, und wer das nicht schafft, aber zumindest viele ist, dessen Andersartigkeit wird kurzerhand zum Hype, ihre Träger*innen zur kaufkräftigen Zielgruppe oder zur Gruppe der willigen Billiglohnarbeiter & Lehrlinge. Ein jeder, ei­ne jede hier ist in dieser Erzählung von Nutzen, kann entweder kaufen oder gekauft werden oder sich wenigstens danach sehnen, eines von beiden zu sein und zu wollen. Treten Sie unbesorgt näher, im Kapitalismus ist für alle Platz! Wo sind die Märchen und die Erzählungen, die kein Happy End hatten, aber voller Figuren waren, die anders, unbrauchbar, stark und selbstbewusst waren? An deren Ende niemand happy war, weil es nie darum ging. Und niemals war da jemand eindeutig Heldin/Held oder Schurkin/Schurke. Deren Ende uns verwirrt zurück ließ und nachdenklich – aber eben: nachdenklich. Kleine Hoffnungsschimmer ausgenommen, haben wir uns alle ziemlich einlullen lassen. Selbst dieses bewusste Aufrechtgehen bei gleichzeitig unpackbarer Müdigkeit ist Teil dieser normierenden Erzählung der toughen Frau, die sich eh wehren kann, die eh so lange bis wirklich gar nichts mehr geht, durchhält.

Wir kommen alle ein bisschen lausig und als Feministinnen noch viel zu wenig radikal weg in dieser Geschichte, die mehr auslässt als sie erzählt. Was neugierig macht und möglicherweise Lücken ließe, um einzugreifen – aber ernsthaft – sollen wir dafür auch noch Kraft aufbringen müssen? Vielleicht sollten wir alle doch eher einmal unbrauchbar, unproduktiv, unbezifferbar werden, in einem Sinn, der sich nicht einmal mehr als Streik bezeichnen lässt. Wie das genau aussehen könnte – keine Ahnung, aber: lasst mal eine Weile alles liegen. You better stay in bed, bitch!

Protest zahlt sich aus

Protest zahlt sich aus. Danke, Johanna Dohnal. Wo wäre Österreich nur ohne dich?! Premiere bei der Viennale 2019 und ab 14. Februar in den heimischen Kinos. Der Film von Sabine Derflinger: Die Dohnal.

Protest zahlt sich aus. US-Amerikanische Leicht­athletinnen kritisierten Nike scharf für ihren Umgang mit Vertragssportlerinnen, die sich für eine Mutterschaft entscheiden. Der solidarische Aufschrei vieler Menschen bewog die Firma ihre Richtlinien zu aktualisieren und im Falle einer Schwangerschaft immerhin 18 Monate lang keinerlei Verringerung von Zahlungen vorzunehmen.

Protest zahlt sich aus – für die eigene Gesundheit. In dem Video „I was the fastest girl in America, until I joined Nike.“ prangert eine andere US-Leichtathletin, Mary Cain, nicht nur das Nike-Elite-Programm Oregon an, sondern das gesamte männlich dominierte Sportsystem. Ein System, das Professionalität vorlügt und doch nur von Männern für Männer gemacht ist. Sie fordert Nike auf, dieses Programm und dessen System aufzulösen, um andere junge Sportlerinnen körperlich und emotional zu schützen. Und sie fordert mehr Frauen in Führungspositionen, als Trainerinnen, Psychologin­nen, Ernährungsberaterinnen, Ärztinnen und professionelle Betreuerinnen.

In dieselbe Kerbe schlägt die Initiative „Equal Play“ von Deutschlands größter Sport-Marketing-Agentur Jung von Matt/Sports. Diese Initiative für Frauen im Sport möchte eine Plattform schaffen zum Netzwerken, für Themenaustausch und um die Karriere zu entwickeln, und somit zu mehr Gleichberechtigung beitragen. Zugrunde liegt die Studie „Equal Play – Frauenkarrieren in der Sportbranche“, die auch auf equal-play.de herunterzuladen ist. Nicht unerwartet zeigt diese Studie einige Fakten auf, wie: einen erschwerter Zugang und die generelle Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, dominierende Männerclubs und -netzwerke, die ‚fehlende Kompetenzvermutung‘. Klingt hart, kennen aber viele Frauen zu Genüge. Genauso wie das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Deutlich zeigt diese Untersuchung aber auch den bedeutenden Mehrwert, den Frauen für die Unternehmen der Sportbranche bieten.

Den wirtschaftlichen Mehrwert von Frauenfußball erkannte die Fifa und verdoppelt ihr Budget dafür. Dürfte wohl auch an den ZuschauerInnenzahlen liegen. Neuer Rekord mit 31.200 StadionbesucherInnen beim Manchester Derby in der Englischen „Women’s Super League (WSL)“. Das Frauenfußball-Länderspiel England – Deutschland schrammte knapp am europäischen ZuschauerInnenrekord von 80.103 vorbei (Olympia-Finale 2012 in London). Den Weltrekord hält das WM-Finale 1999 in den USA mit 90.185 BesucherInnen.

Protest zahlt sich aus. Erstmals seit fast 40 Jahren durften iranische Frauen wieder im Stadion jubeln. Dieser historische Tabubruch ist ein großer Erfolg im Kampf gegen den erzkonservativen Klerus und die damit verbundenen Diskriminierungen. Ohne den fußballpolitischen Druck der Fifa – durch die Drohung des Ausschlusses Irans bei der Herrenfußball-WM 2022 im benachbarten Katar, falls Frauen weiterhin der Eintritt in die Stadien verboten bliebe – wäre es wohl nicht dazu gekommen.

Protest zahlt sich aus. Finnlands Frauen- und Herrenfußball-Nationalteams erhalten dieselben Verträge und Gehälter. Ebenso ist das so in Australien. Die „Fighting Matildas“ erkämpften sogar eine Angleichung des Grundgehalts in der Nationalen Liga und setzten in weitere Folge die Fifa unter Druck, indem sie eine drastische Erhöhung der Preisgelder forderten. In Spanien gingen die Fußballerinnen Mitte November in den Streik. Sie forderten u. a. eine Einstufung ihrer Arbeit als Ganztagsbeschäftigung – statt der kümmerlichen Teilzeit (Halbtag). In Österreich hat Gott das sagen und für den ist es leider nicht möglich, für Gleichstellung zu sorgen. Wen wunderts?! Weltlicher Ausführungsgehilfe Johann Gartner, Vizepräsident im ÖFB und zuständig für Frauen- und Mädchenfußball, gibt sich zufrieden mit den kleinen Schritten, die bereits erreicht wurden auf dem Weg zur zugegeben meilenweit entfernten finanziellen Gleichstellung. Das nenne ich mal ambitioniert.

 

Tipps:
Viva La Vulva – gewinnt als beste Werbung des Kontinents den Grand Prix des „Art Directors Club of Europe“. vimeo.com/371855635

ab 14. Februar im Kino: Die Dohnal – Portrait & Politik-Film von Sabine Derflinger

Donne Pericolose / Wenig ist gefährlicher als das Matriarchat

Ob ich denn gerne die neuesten Gerüchte hören möchte, die derzeit über sie kursieren, fragt mich letztens eine Wiener Freundin (bestens qualifiziert, ausgebildet und vernetzt), als ich von ähnlichen, eigenen Erfahrungen erzähle. Und sie sagt, dass „wo auch immer eine Frau einen guten Job macht, mindestens ein Mann sich wichtigmacht und meint, der Job stünde ihm zu“. Ähnliches habe ich in einer kurzen Rede anlässlich der Präsentation des Linzer Frauenberichts vor wenigen Wochen zusammengefasst: „So viele Beine kann ein Stuhl nicht haben, wie Männer schon dran sägen, sobald eine Frau darauf sitzt“ – und sie ist in der Tat so evident und sichtbar wie selten, jene Angst, die patriarchal strukturierte Männer antreibt, wenn es um Frauen in Führungs- oder halbwegs guten Positionen geht. Das deutsche Wochenmagazin Die Zeit veröffentlichte kürzlich eine Zusammenfassung von 1500 Erfahrungsberichten von Frauen in unterschiedlichsten Bereichen, was Diskriminierung, Diffamierung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz betrifft und betrachtete vier davon näher. Die Aussagen der Frauen sind fürchterlich, haarsträubend, unfassbar, sie sind aber offenbar vor allem eines, zumindest, wenn man etlichen Reaktionen auf Social-Media-Plattformen Glauben schenken würde: unglaubwürdig. Es sei eine Befindlichkeitsstudie, aus der sich wissenschaftlich nichts ableiten ließe, hieß es etwa, der Bericht sei „anekdotisch“, andere – wieder Männer in erster Linie – meinten, so etwas hätten sie in ihrem Arbeitsumfeld noch nie erlebt oder gehört, also könne das wohl nur schwer wahr sein. Sichtlich hilflos fragte einer, was man denn als Mann dagegen tun könne. Mein Sohn fällt mir dabei ein, der als Medizinstudent soeben an einem Krankenhaus famulierte und einige Male entsetzt von einem Primar erzählte – und den frauenfeindlichen Sprüchen, die der immer wieder von sich gab. In Hörweite aller, die es wohl hören sollten.

Auch wenn es viele Männer gibt, denen diese Sprüche, vor allem auch die strukturellen Diskriminierungen an ihren Arbeitsplätzen wenigstens auffallen und die auch noch vielleicht etwas dagegen tun – kaum etwas scheint Männer aktuell so sehr zu einen wie der Hass auf Frauen, Machtmissbrauch und die strukturelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Typen wie Epstein und Ronaldo, Politiker wie Trump und Bolsonaro, das Vorstandsmitglied, der Kollege oder der Chef, die uns schlicht weghaben wollen, weil sie uns als störend empfinden oder der Pimpf in der Straßenbahn, der uns gegenübersitzt und meint, hier sei wohl eine unterfickt, weil sie Platz beansprucht … es ist völlig egal, in welcher Position, in welchem Alter, in welcher Hautfarbe – Misogynität eint. Ungeachtet echter, realer Bedrohungen weltweit – merklich angsterfüllt reagieren auch Medien in erster Linie angesichts drohender Verweiblichung und angeblich sich abzeichnender Übermacht von Frauen. Merklich unbehaglich sind da die Schlagzeilen, wenn es um Frauen in der Politik geht – nachgerade irritiert in deutschen Medien angesichts Merkel, Kramp-Karrenbauer und von der Leyen Ende Juli: Ist das das Matriarchat? war da merklich ahnungslos zu lesen.

Ach, wäre es das bloß. Natürlich aber ist es das nicht, das sind nur drei Politikerinnen, die in unterschiedlich patriarchal strukturierten Systemen aufgewachsen und erzogen wurden, die keinesfalls und nicht die Spur matriarchalisch agieren oder Politik machen. Wäre es das Matriarchat, wären wir längst nicht in dieser ausweglosen Situation. So kennen matriarchale Gesellschaften weder Eigentum noch Besitz, wenn es um Grundbedürfnisse wie Wohnen etwa geht, wie die deutsche Matriarchatsforscherin und Philosophin Heide Göttner-Abendroth in einem Vortrag im Wiener MAK kürzlich ausführte. Ein „gutes Leben für alle“ stünde im Vordergrund, nicht die Anhäufung und das Horten materieller Güter. Menschen würden sich nicht über Statusgüter definieren, sondern darüber, wie nahe sie dem Status einer guten Mutter kämen. Die ist im Übrigen weder biologistisch noch geschlechtlich definiert; heißt: jeder und jede kann allein durch sein/ihr Verhalten eine gute Mutter sein, unabhängig von ihrer Bereitschaft oder Befähigung, sich selbst fortzupflanzen. Verantwortung für Kinder zu übernehmen bliebe nicht länger zwei Menschen überlassen. Göttner-Abendroth hat etliche noch oder bis vor kurzem existierenden matriarchalen Gesellschaften der Erde besucht und beforscht und entwirft in ihren Vorträgen auch Modelle für die Gegenwart bzw. Zukunft und bringt bereits existierende Beispiele – neue Modelle und Genossenschaften etwa, wenn es ums Wohnen geht oder um öffentliche, gemeinsame Gärten. Das alles schürt ein wenig Hoffnung, müsste aber mehr als ein bloßes Aufflackern eines grade interessanten, weil kapitalistisch verwertbaren Kreativwirtschaftszweigs sein, vielmehr bräuchte es ein Verinnerlichen dieses Gemeinschaftsgedankens, egal ob es um Wohnen, Mobilität, Soziales oder Grundversorgung geht. Vor allem aber bräuchte es mehr politischen Willen, Plan und Radikalität. Denn mit Ideen wie diesen gewinnt man keine Gefälligkeitsbewerbe. Im Gegenteil machen Begriffe wie Feminismus und Matriarchat Angst, wie sich zeigt. Wer sich die humorbefreiten, verständnislosen Reaktionen, Postings und Tweets allein angesichts des wunderbaren hashtags #dichterdran vor Augen führt, erkennt, dass das wohl noch eine Weile so bleiben wird, quasi: „Hilfe, da rotten sich Frauen zusammen und drehen mal alles um und wir wissen jetzt nicht, ob das ernst gemeint oder eh nur Spaß ist.“
Ja, es wird noch eine Weile dauern und es werden wohl auch keine Bedienungsanleitungen verteilt. Spannend im Übrigen, dass nach der Radikalität, mit der in den letzten ca. 300 Jahren mittels patriarchal geprägter Industrialisierung und Kapitalisierung die Erde, und damit wir an unsere Grenzen gekommen sind, und mit der patriarchale Systeme die Welt im Großen und im Kleinen (siehe KTMgate in OÖ) so selbstverständlich wie nix unter sich aufgeteilt haben, überhaupt noch irgendetwas radikal erscheinen kann. Bis auch die letzten das verstanden haben, werden Frauen* derweil weiterhin Banden bilden, sich zusammenrotten, sich in gegenseitiger bedingungsloser Wertschätzung, Unterstützung und Gleichberechtigung üben. Und eine* jede* ist dabei willkommen, auch die, die halt ein bissl länger brauchen.

Sommerkrimikulinarik

Der Slowdude hat genug von der Realität. Klimakrise, Wahlkampf dort und da, das deprimierende Weltgeschehen und die ewig gleichen Krisenherde. Er flüchtete sich stattdessen ins sommerliche Lesevergnügen und damit in eine angenehm entkoppelte Parallelwelt. So lässt es sich aushalten. Und da der Slowdude natürlich vorrangig gastrosophische Themen behandelt, lässt er natürlich hier keine Literaturkritik vom Stapel, sondern destilliert Kulinarisches aus drei geschmeidigen Krimis. Von drei Autoren, die sogar der literaturbeflissene Besserwisser als „akzeptable Schreiberlinge“ durchgehen lassen kann. Der Fokus liegt hier auf den Lieblingsspeisen der Protagonisten. Manch Büchergourmet beurteilt die Werke nach ihrer soziokulturellen Relevanz, nach der Tiefe der Recherche oder wie der Autor das Lokalkolorit und die Eigenheiten der jeweiligen Bevölkerung herausgearbeitet hat. Der Slowdude ist einzig am Geschmackssinn der Schreiberlinge interessiert.

Zuallererst zieht es den Dude nach Spanien. Hier wirkt der von Manuel Vazquez-Montalban ersonnene Privatdetektiv Pepe Carvalho. Ein Feinschmecker und selbst begnadeter Koch, der sich und sein Umfeld gerne und oft bekocht. Eine der einfachen, schnellen und ungeheuer köstlichen Gerichte sind grüne Bohnen mit Muscheln. Das Gericht kommt eher beiläufig im Band „Die Rose von Alexandria“ vor. Beiläufig wie viele Speisen in Vazquez-Montalbands Büchern, aber dennoch immer einen Verkostungsversuch wert. Das eigenartige Tier aus Poseidons Garten und das triviale Gemüse aus dem Bauerngarten verzücken als köstliches Paar den Dude.

Rezept für 2 Portionen:
1 kg Venusmuscheln
1 Handvoll Fisolen (Grüne Bohnen)
1 1/4 Liter trockener Weißwein
1 Zitrone
1 Bund Petersilie
1 Knoblauchzehe
2 TL Olivenöl
Salz & Pfeffer

Fisolen kurz in heißem Wasser vorkochen und mit kaltem Wasser abschrecken. Muschel gut waschen. In einer großen Pfanne die Fisolen in Olivenöl kurz schwenken und die Muscheln dazugeben. Dann mit Weißwein ablöschen, Knoblauch hineinpressen und mit Salz und Pfeffer würzen und ein wenig frisch gepressten Zitronensaft untermischen. Petersilie kleinhacken und beim Servieren drüberstreuen.

Als nächstes verschlägt es den Slowdude an die Stadt der Bora – Triest. Hier ermittelt der Comissario Proteo Laurenti von Veit Heinichen – ebenfalls Feinschmecker, aber weniger ein Koch. Die Triestiner Restaurantszene kennt der Kommissar gut und ist Stammgast in Bars, Cafés und den so typischen Buffets. Auch die Osmize im slowenischen Teil des Karsts besucht der kultursinnige Bulle gern. Auch hier ein Rezept, bei dem sich Meer und Acker treffen – das in Osterien und Buffets allseits beliebte Antipasti Polpo e Patate.

Rezept für 6–8 Personen:
4 große gekochte Kartoffeln (festkochend)
1 kg Polpo (TK oder aus der Dose)
1 Bund Petersilie
Olivenöl
Weißweinessig
Zitronensaft
Salz & Pfeffer

Polpo in mundgerechte Happen schneiden – ebenso die Kartoffeln. Petersilie fein hacken und mit den Kartoffel- und Polpowürfeln vermengen. Zitronensaft, Essig und Öl untermischen – Menge anpassen – die ganze Mischung sollte nicht zu flüssig werden. Danach mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Als Dritten im Bunde möchte der Dude den Ermittler John Rebus – ersonnen von Ian Rankin – aufs Tapet bringen. Die Genüsse des Inspektors sind meist eher von flüssiger und hochprozentiger Natur – das bringt wahrscheinlich das schottische Klima mit sich. Und da der Slowdude schon den Herbst spürt, möchte er der geneigten LeserInnenschaft gerne den Milchtee mit Whiskey aus dem Band „Blutschuld“ ans Herz legen. Der wärmt und sorgt für Wohlbefinden von Geist und Körper.

Rezept für 2 Tassen:
1 Tasse Schwarztee nach Wahl (nicht zu stark)
1 Tasse Milch
2 TL Zucker
1 TL Zimt
1 Prise Ingwerpulver
1 Sternanis

In den heißen Schwarztee Zucker, Zimt und Ingwerpulver auflösen und den Sternanis hineingeben und das ganze für ein paar Minuten stehen lassen. Danach den Sternanis entfernen und mit der Milch aufgießen. Dann nach Lust, Laune oder Bedarf guten schottischen Whisky beimengen.

Der Slowdude hat etwas gemacht, was er noch nie gemacht hat: Eine Kulinarik-Kolumne mit mehreren Rezepten. Das macht scheinbar die Tiefenentspannung seiner Sommerfrische.
Er hofft, es gefällt und wünscht in herzlicher Altersmilde gutes Gelingen beim Nachkochen!

Fan.Tastic Females – Football Her.Story

Sport als Mikrokosmos der Gesellschaft zeigt sehr plakativ das vorHERRschende Denken und Handeln. Obwohl Frauen seit Anbeginn des Fußballspiels als Zuseherinnen und Fans am Spielfeldrand standen und ihre Teams anfeuerten, werden sie weder in diesen Erzählungen noch ganz generell in der Geschichtsschreibung erwähnt. Eh klar, weil männliche Historiker immer den eingeengten Männerblick in die Welt bringen, wo Frauen keinen Platz finden, außer an der Seite ihres Ehemannes. Auch Archäologen konnten aus den Grabbeigaben in ihrer eindimensionalen Einfältigkeit nur die Schlüsse ziehen: Schmuck = Frau bzw. Waffen = Mann. Glücklicherweise gibt es mittlerweile DNA-Analysen, die nicht voreingenommen sind, bzw konnte durch DNA-Analysen festgestellt werden, dass auch weibliche Körper in Gräbern mit Waffen lagen. Erfrischenderweise gelangen immer mehr Wissenschafterinnen in entsprechende Positionen, um diese rein männlich geprägte Sichtweise neu zu zerlegen und neu zu konstruieren. Ebenso werden immer mehr Biographien geschrieben über Frauen, die Überdurchschnittliches leisteten, aber nie Anerkennung dafür erhielten. Das ist gut für ein stetig wachsendes Arsenal an diversen Rollenbildern für Kinder, junge Mädchen und Frauen. „If you can’t see it, you can’t be it“

Aber auch in der Durchschnittlichkeit des (Fußball-) Alltags wollen wir Frauen wahrgenommen werden als selbständige Wesen und nicht als Anhängsel des Freundes oder Ehemannes, wohlwollend mitgemeint im generischen Maskulinum der deutschen Sprache. Ja richtig gehört, wir Frauen schaffen den Weg ins Stadion alleine! Und der Grund unseres Erscheinens ist nicht uns einen Mann zu angeln, sondern unser Lieblingsteam anzufeuern, die Atmosphäre im Stadion zu genießen, FreundInnen zu treffen und eine gute Zeit zu haben. Wir wollen auch nicht pinkifiziert werden! Also echt, warum soll ich als Anhängerin eines Fußballvereins Merchandise-Artikel kaufen, die nicht in den Farben des Vereins gehalten sind?!! Welch gestörtes Frauenbild müssen Marketingverantwortliche haben, die allen Ernstes glauben, eine Frau möchte ihre Vereinszugehörigkeit mit Rosa ausdrücken?!

Die Vielfalt weiblicher Fußballfans, mit all ihren Leidenschaften, Problemen, Hoffnungen, Wünschen, Projekten, Netzwerken, Fanclubs …. steht im Fokus der Wanderausstellung „Fan.Tastic Females – Football Her.Story“, die Ende November in Linz gastiert. Die Ausstellung wurde konzipiert, entwickelt und umgesetzt von Mitgliedern des Netzwerks „Football Supporters Europe (FSE)“ und ist seit der Eröffnung im Hamburger FC St. Pauli Museum im September 2018 unterwegs in Europa.

Die Ausstellung zeigt Portraits von 78 weiblichen Fußballfans von Jung bis Alt aus 21 europäischen Ländern. Das Panorama der Darstellungen geht über die des Fußballfans hinaus und schließt verschiedene Rollen abseits des Fußballfeldes mit ein. Zu den Roll Ups, auf denen die Protagonistinnen dargestellt werden, gehören Videoclips, die über ein QR-Code gescannt am Smartphone zu sehen sind. Diese Codes gelten während der Ausstellungszeit in der jeweiligen Stadt und können zuhause nachgesehen werden.

Die Österreich-Tour der Ausstellung wird von FIN (Frauen im Fußball Netzwerk) in Innsbruck, Graz, Wien und Linz mit entsprechendem Rahmenprogramm organisiert. Vom 20.– 30. November stellt der Linzer KunstRaum Goethestrasse xtd seine Räumlichkeiten zur Verfügung, SKVrau und Arge TOR gestalten das abwechslungsreiche Rahmenprogramm. Am ersten Samstag erfreut uns die Sektion Menstruation mit ihren Erzählungen „Sex, Beer, Vaginas – We are the Vienna Rude Girrrls“ über das Fansein beim FC Vienna. Sie erzählt über ihre interne Vernetzung, verschiedene Projekte und über die Organisation des internationalen FIN Treffens in Wien 2017. Ganz besonders freut mich das Erscheinen von Almut Sülzle, Autorin der ethnographischen Studie im Fanblock: Fußball, Frauen, Männlichkeit, die sich auch hier in Linz dem Thema „Männlichkeit in Fanszenen, bezogen auf weibliche Fans“ widmet. Das Programm abrunden wird ein Film über weibliche Fußballfans, denen der Weg ins Stadion leider verwehrt bleibt. Den Abschluss am zweiten Samstag feiern wir mit mit einer grandiosen musikalischen One-Woman-Show.

 

Tipp: Fan.Tastic.Females – Football Her.Story
fan-tastic-females.org/index.php/de
Podcast mit Ausstellungsmacherinnen
rasenfunk.de/tribuenengespraech/26

Mi 20.–Sa 30. 11. 2019 in Linz im KunstRaum Goethestrasse xtd
Programm auf facebook www.facebook.com/FootballHerStory

People from Ibiza. Men at work – auch hierzulande

Weil die Redaktion mir hier blind vertraut, gesteht sie mir immer sehr, sehr späte Abgabe­termine zu und ich meine, angesichts des irren Wochenendes, das hinter uns liegt, hat sie auch völlig Recht damit. (Wenn ihr das lest, liegen schon wieder mehrere Wochenenden hinter euch und auch hinter mir, und ich übernehme keine Garantie dafür, wer sich bis dahin schon wieder alles besoffen, filmen lassen und selbstüberschätzt hat.)

Es hat also Ibiza gebraucht, um patriarchal gesinnten Mitmenschen zu zeigen, warum viele Bürger*innen mittlerweile der Meinung sind, dass diese eher ungeeignet sind, öffentliche Ämter zu bekleiden: nicht allein besaufen sie sich gern und reden viel, schwadronieren und wollen Frauen beeindrucken, nein, auch wenn sie nicht auf Ibiza waren und dennoch in diese Regierungskrise zutiefst verwickelt sind, beweisen sie mit ihren Aussagen, dass sie nicht im geringsten Politik für uns, die Bürger und Bürgerinnen, Politik im Sinne des Gemeinwohls und sozialen Friedens machen, sondern ausschließlich zum reinen Machterhalt, genauer vielleicht, um den Rausch, den sie aus der Idee der eigenen potentiellen Mächtigkeit und Wichtigkeit schöpfen, aufrechtzuerhalten. Diese Männer, die uns da regieren (bzw. regiert haben) leben höchstens Projektionen von sich selbst und scheitern sogar daran, sind sich selbst wohl die größte Enttäuschung. Sie sind keine Politiker, wie sie vielen von uns noch in Erinnerung sind: ideologisch, streitbar und diskursfähig und politisch im besten Sinn. Dass die Parteizugehörigkeit bei dieser neuen Form unpolitischer Politiker nicht wirklich eine Rolle spielt, unterstreicht das ihrem Wirken innewohnende Un-Ideologische, das durch unbedingten Inszenierungswillen kompensiert wird. Oder, wie die Politikwissenschafterin Natascha Strobl in ihrer fundamental wichtigen Analyse der Kurz’schen Reaktion es beschreibt: „Rabiate Selbsterhöhung und einschmeichelnde Bescheidenheit. Er opfert sich wieder und stellt es offensiv zur Schau. Schaut, wie arm er ist und was er erduldet. Jetzt kommen wir an gefühlt 57. Stelle zu den eigentlich problematischen Dingen des Videos. Aber die Priorisierung zeigt uns, dass es nur noch ein Nebengedanke ist. Und auch nur, um wieder sein Narrativ des „für uns“ zu bedienen. Sein politischer Zugang ist, uns zu dienen. Und gleich macht er wieder das Gegensatzpaar zu den anderen auf, dieses Mal zur FPÖ, die das leider nicht so sieht, wie ihm heute plötzlich in Gesprächen klar geworden ist. Was für ein Schock! Deswegen muss es jetzt Rücktritte geben. Das war so zuvor nicht absehbar.“

Spannend – wenngleich nicht überraschend –, dass nach diesem Wochenende auch andere türkise Politiker diesem Ductus folgen. Thomas Stelzer etwa, oberösterreichischer Landeshauptmann, Kulturreferent, nach Ibizagate ebenso in der Bredouille mit seiner FPÖ-Koalition wie Kurz auf Bundesebene, gibt sich im ersten Ö1-Morgenjournal nach diesem Wochenende ebenso nichtssagend und ablenkend, spricht immer noch von „roten Linien“, die die FPÖ jetzt überschritten hätte, und dass man nun „klärende Gespräche“ führen müsse. Das ist schlicht Realitätsverweigerung, denn allein die Causa Manfred Wiesinger hat Stelzer eine Woche davor ausreichend offene Briefe, Appelle und Mails beschert, die ihn auf permanent überschrittene rote Linien auch seitens der oberösterreichischen FPÖ aufmerksam gemacht haben. Erst als der Wind strenger ins Gesicht weht, und das eigene Ansehen in Gefahr gerät, hat sich Stelzer – möglicherweise nicht ganz ohne Drängen aus Wien – entschlossen, Wiesinger als Mitglied des oö. Landeskulturbeirats doch abzulehnen. Das ist nicht Politik im Sinne einer respektvollen, demokratischen Bevölkerungsmehrheit, die den Begriff der „Minderwertigkeit“ gegenüber zeitgenössischen Künstler*innen oder das dreist zur Schau gestellte Frauenbild eines Herrn Wiesinger schlicht ablehnt, da steht der eigene Machterhalt im Vordergrund, da steht die Inszenierung im Vordergrund, die Handlungsfähigkeit und Entscheidungsmacht suggerieren soll, eine Inszenierung, die wiederum Anleihen an Kurz nimmt: „Er entscheidet. Es war also seine Entscheidung und nicht die Not der Umstände, dass es Neuwahlen gibt. Denn nur so kann ER uns wieder die gute Zeit bringen. Mit uns und als einer von uns. Die anderen sind nicht willens oder sie sind schwach. (…) Es braucht klare Verhältnisse. Es braucht Ordnung. Es braucht Eindeutigkeit. Weg aus dem Chaos und der Dramatik. Hin zum Guten und Schönen, für das ER steht.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass es zu 99 % nur um Kurz, seine Rolle und sein Empfinden für uns und unser Empfinden für ihn geht. Es geht nicht auf einer Sachebene um die schweren Verfehlungen der FPÖ oder den Schaden für die Republik. Es geht nur um Kurz. Es ist faszinierend, wie viel man über sich selbst reden kann.“

Was Natascha Strobl in kürzester Zeit aus Kurz’ Rede herausgearbeitet hat, ist ein Sittenbild aktueller patriarchaler Politikkultur. Es ist eine Form von populistischer Politik, die nicht – so zeigt sich spätestens jetzt – von einer politischen Vision, einem politischen Ziel getragen ist, die uns allen – unabhängig davon, welcher Partei wir unsere Stimme geben, zugutekommen soll. Als Beispiel darf ich meinen Vater, ÖVP-Mitglied, bringen, der voll des Lobes für die sozialdemokratische Bildungspolitik war, einfach, weil er sich eingestehen konnte, dass die zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen wird. Eine gerechte Gesellschaft, eine Gesellschaft, die Zugänge zu Bildung, Strukturen und Ressourcen für alle bietet, hat die oben beschriebene Politinszenierung eines Kurz oder Strache der letzten 17 Monate, haben diese Politiker nicht im Blickfeld. Darüber sollten wir uns im Klaren sein und davor ist im Übrigen keine Partei gefeit, solange sie überwiegend und in ihren Grundfesten patriarchal strukturiert ist.

 

www.falter.at/archiv/wp/ich-ich-ich

Welcome to the jungle!

Willkommen im Gewirr der anti-alkoholischen Getränke. Naja, muss auch sein. Der Slow Dude ist zwar ein passionierter Trinker – Alkoholtrinker – aber gerade in der gegenwärtigen Zeit muss der Kopf kühl, die Beobachtungsgabe wach und der Gedanke klar bleiben. Ansonsten hat man als Medienmensch gleich einen Wickel mit Artikel 13 oder wird als investigativer Journalist gar zensuriert. Und ihr werdet sehen: Die Medienbashingkultur der aktuellen Regierung wird selbst vor der Gastrojournaille nicht Halt machen. Der Dude hatte eigentlich ein Spezial zu Lokalen von MigrantInnen geplant – hat aber davon abgelassen – um ja keinen Staub aufzuwirbeln. Die heimische Kost ist ja soundso besser und gesünder und regional und schmeckt nach Heimat – also nach Filz und Loden.
Darum versucht sich der Dude nun an einer Bestandsaufnahme des Anti-Alk-Angebots (AAA) lokaler Produktion. Zudem hat ihm ein LeserInnenbrief wiederholten, ja sogar systematischen Sexismus vorgeworfen. Und dass sich der Dude gleichzeitig mit wildgewordenen linkslinken Emanzen und rechtsrechten Kellerschmocks anlegt, kommt gar nicht in Frage. Der Dude ist ein Mensch der Mitte und Balance, ein Wesen der Vernunft und Weitsicht – so wie unser Kanzler. Und darum auch ein Verfechter fruchtiger und zuckriger Getränke – mit exotisch neuem Geschmack, aber in der Wirkung substanzlos. Jetzt über das Standardangebot von Coca-Cola (Zuckerlimo, die ja in Flaschen abgefüllter Kapitalismus ist – Strike!) oder andere grausige Limos wie Vöslauers emotionalisierte Mischgetränke (aufgemotztes Mineralwasser, das in Flaschen abgefüllte Wellness sein soll) herzuziehen, wäre fad und langweilig. Vor den Vorhang holt der Dude ein paar leckere Produkte aus der Region – die man im Notfall oder auch sonst mit Alkohol strecken könnte.
Als erste soll hier Fruby genannt werden – eine Produktreihe aus dem Hausruckviertel, die durch klaren Geschmack und sympathische Glasflaschen hervorsticht. Die Sorten Saftige Birne, Saure Kirsche, Knackiger Apfel, Spritzige Traube, Feinste Blüten (Holler) und Fruchtige Himbeere werden angeboten. Die Produktnamen nennen den Inhalt beim Namen – im Gegensatz zum Firmennamen, der wohl aus einem Start-Up-Namensgenerator stammt. Aber egal – gut sind die Limos, aus Bioprodukten und mit wenig Zucker. Alles in allem eine 100%-Empfehlung. Weiter geht’s in den Traunkreis.
Zur Firma Hasenfit – hier erspart sich der Slow Dude eine Analyse des Namens. Ansonsten kommt wieder die linkslinke Emanze und motzt rum. Obwohl sich Hasenfit natürlich herrlich hervorragend für einen leicht anzüglichen Schmäh eignen würde – noch dazu mit dem Werbeslogan: „So schmeckt Liebe“. Aber Back to the Point: Hasenfit ist ein alter Hase im Reformhausregal und produziert ein breites Sortiment an Bio-Fruchsäften. Viele sehr, sehr gut. Aber manche schmecken nach Waldorfschule. Zum Beispiel Passionsfrucht-Rote Rübe. Lauwarm direkt vor dem Reformhaus genossen – ein Horror. Arm diejenigen, die Durst und nichts anderes zur Verfügung haben. Auf der anderen Seite die Saftkreation Erdbeere mit kleinem geistigen Schuss (z. B. Gin) auf Eis. Herrlich im Sommer. Absoluter Winner ist aber der Hirschvogel – ein Apfel- und Fruchtmischsaftproduzent aus Thening. Local Hero quasi. Sein Star aus der Produkt­parade: der Apfel-Quittensaft. Selten wurde gefälliger Apfelsaft und störrischer Quittensaft so harmonisch und vollkommen zusammengeführt. Die hier geschaffene Saftcuvée überzeugt durch direktes und unverfälschtes Fruchtaroma. Auch nach dem fünften Glas stellt sich noch kein „Ich-hab-genug“ ein. Sondern immer und immer wieder: „Ich will mehr!“.
In unseren Breiten – noch dazu als heimatverbundener Dude der Mitte – kommt man an der Schartner Bombe nicht vorbei. Hier überzeugen wohl eher Kult als Inhalt. Aber der Dude kann den herrlichen Geschmack nicht leugnen. Der Geschmack der Kindheit. Zitrone oder Orange. Die späteren Geschmacksrichtungen sind verziehen – sie tun nichts zur Sache und sind irrelevant. Als Resümee und Aufruf: Kauft beim Wirt und auch für zuhause Gutes aus der Gegend. Es ist einfach besser und auch unpolitisch. Es ist einfach eine leichte Entscheidung des Geschmacks und der Ökobilanz.

Die verträumte Vision des Slowdudes wäre ein Gipfeltreffen von Sebastian und Greta im herrlichen OÖ. Saft wird getrunken und Greta erklärt das dem Sebastian, das mit der Ökologie und der Jugend. Und den Ehrenschutz übernimmt der Reinhold. Und alles wird gut. Im Saftladen.

 

www.fruby.at

www.hasenfit.at

www.w-hirschvogel.at

www.fridaysforfuture.at

www.sebastian-kurz.at

FRAUEN-SPORT ABSCHAFFEN – den Männern gehört der Sport!

Die armen benachteiligten Männer wehren sich. Endlich! Wieso hat das nur solange gedauert?!

Jahrelang mühten sich die systematisch und strukturell unterdrückten Männer ab, Anerkennung für ihre Leistung zu bekommen. Doch trotz intensiven Trainings und Einsatzes gelangten sie nicht an die Töpfe der Sportförderung. Diese waren fest in Frauenhand. Frauen in Entscheidungsgremien, Frauen in der Verantwortung der Fördergeldverteilung, Frauen in macht­vollen Positionen in Medien, Wirtschaft und Politik, Frauen als Präsidentinnen der allermeisten Vereine und Verbände, Frauen im Sportministerium, Frauen in der Rechtsprechung, Frauen in der Werbung, Frauen als finanzkräftigste Konsumgruppe, Frauen in den Redaktionen der Sportberichterstattung, Frauen überall dort, wo Entscheidungen gefällt werden und wo das große Geld fließt.

Jahrelang mühten sich die systematisch und strukturell unterdrückten Männer ab, Anerkennung für ihre Leistung zu bekommen. Aufgrund der männlichen hormonellen Eindimensionalität gelangte bisweilen die körperliche Leistungsbereitschaft nur in den Bereichen Krieg und Zerstörung an ihren Höhepunkt und somit zur medialen Berichterstattung als Randnotiz der menschlichen Geschichte. Dieses mythische Bild führte zu der stereotypen Reduktion des männlichen Körpers auf einen athletischen Kämpferhelden, mit dem Mythos „des ewig Kampfbereiten in der letzten Schlacht zur Eroberung der Vulva“.
Dieses jahrhundertelang eingeprägte und indoktrinierte Bild sitzt tief verankert im Unterbewusstsein jedes Einzelnen und reproduziert sich tagtäglich als immer wiederkehrendes sexistisches Stereotyp mitten in der Gesellschaft. Jederzeit verfügbar zu sein, jederzeit die genitalste Standhaftigkeit zu zeigen und aufrechtzuerhalten bis das Gegenüber zufrieden ist, die immer wiederkehrende mediale Reduktion auf das Hinterteil. Gesicht uninteressant. Das Hintanstellen der eigenen Bedürfnisse und die selbstverständliche Selbstaufgabe. Darunter leidet der kollektive Selbstwert der Männer und macht sie zum schwachen Geschlecht.

Jahrelang mühten sich die systematisch und strukturell unterdrückten Männer ab, Anerkennung für ihre Leistung zu bekommen. Aufgrund ihres angeborenen Hangs zum gemeinschaftlichen Eierkratzen und den daraus resultierenden wenig vorhandenen Zeitressourcen ist ihr Erfolg in vielen Sportarten eher mäßig. Einzig in den Kampfsportarten können sie vereinzelt zu den erfolgreichen Heldinnen hinschnuppern, um im nächsten Moment k. o. am Boden zu liegen. Aber immerhin. Sie haben sich bemüht.

Wenn sie ihren Spaß daran haben, dann sollen sie es tun.
Sie tun ja niemanden etwas damit. Manche Sportler hatten schwerreiche Mäzeninnen hinter sich, die ihre sportliche Leidenschaft finanzierten. Der Erfolg war mäßig. Das lag wohl daran, dass sie ihre Leistungen an ihrer Geldquelle direkt abliefern mussten und ihnen im Wettkampf die Kraft ausging.
Manche Sport­ler waren gesundheitlich zu schwach. Der ständig grassierende Männerschnupfen zehrte verschleißend an den Kräften der schwachen Geschöpfe, die neben dem körperlichen Verfall auch meist in eine wochenlange Depression schlitterten. An professionelles Training war nicht zu denken. Aus Sorge um die gesundheitliche Aufrechterhaltung der männlichen Reproduktionsorgane galt lange Zeit ein Sportverbot.
Fortschrittliche Kräfte schafften diese Gesetze ab und seither erobern die schnittigen Männer in sexy Shorts Schritt für Schritt die Sportplätze. Allerdings werden Resultate von Männern und Frauen in einigen Sportarten unterschiedlich bewertet und demgemäß auch unterschiedlich belohnt. Argumentiert wird mit der Größe des Starterfeldes, das bei Herren oft dramatisch unter jenem der Damen liegt. Die gesundesten und potentesten Sportler, jene, die mysteriöserweise ihre Immunkraft in der Eroberung der Vulva erlangten, fordern nun zu Recht einen Teil des Kuchens. Ihr Argument: An der Spitze ist die gleiche Dichte.

 

Tipp: Le Clit – Animated Docu
vimeo.com/222111805