Vom gesehen werden und zählen lassen.

„Viele Österreicher sehen inzwischen keinen Sinn mehr im Gendern“. Nicht oft hat ein Satz die Gelegenheit, sich selbst so unwidersprochen und gültig im Spiegel zu betrachten und bestätigend zuzunicken: Ja, sag ich doch! Geboren wurde er in der oberösterreichischen Redaktion von orf.at in einer Zusammenfassung einer Umfrage zur Akzeptanz des Genderns in der österreichischen Bevölkerung. Die Schlagzeile dazu ließ wenig Spielraum: Akzeptanz für „Gendern“ sinkt. Da läuft einer schon beim Lesen der kalte Schauer über den Rücken – wuuuaah, dieses „Gendern“ schon wieder. Das haben diese „Feministinnen“ erfunden. Die wollen meinen „Arbeitsplatz“ und gleich danach die „Weltherrschaft“. (Das mit der Weltherrschaft stimmt übrigens.)

Während hierorts Umfragen in Auftrag gegeben werden, um ganz nah an Volkes Stimme zu sein, lassen andernorts Menschen Studien erstellen, die keine Befindlichkeiten, sondern Zahlen abfragen. So eine machte die Medienwissenschaftlerin Elizabeth Prommer im Auftrag der deutschen MaLisa Stiftung zum Thema audiovisuelle Diversität in Deutschland, sie wurde viel besprochen und noch einmal mehr besprochen, nachdem der ZDF-Moderator Klaus Kleber ein Interview mit der Ärztin, Schauspielerin und Stifterin Maria Furtwängler (ja, manche machen kluge und richtige Dinge mit ihrem Geld) dazu führte, das ihn eher unglücklich aussehen ließ. Er bediente ganz wunderbar das Weltherrschaft-Klischee, und fragte, ob Furtwängler die Menschen vor den Bildschirmen umerziehen möchte. Quasi nach dem Motto – wenn die Zahlen aussagen, dass bedeutend weniger Frauen als Männer in bestimmten Rollen und Funktionen am Bildschirm zu sehen sind, müssen jene, die die Zahlen erheben, eindeutig ein politisches Motiv haben, oder, wie die Studienautorin es in einem Interview mit Doris Prieschnig in der Tageszeitung Der Standard ausdrückte: „Wir haben uns auch gewundert, warum uns schon das Zählen als politisches Instrument unterstellt wird.“ In Oberösterreich übrigens scheint es eine völlig andere gesellschaftliche Entwicklung zu geben – denn da heißt es in einer gemeinsamen Aussendung des oö. Presseclubs und der GPA djp anlässlich einer Einladung zur Podiumsdiskussion mit dem Titel Frauen im Journalismus in Oberösterreich: Weiblich, billig, arbeitswillig?: „Journalismus und Medien sind heutzutage weiblich. Vor allem im Fernsehen, bei Radios, Magazinen und OnlineMedien findet man einen hohen Frauenanteil.“ Zahlen oder Hinweise, wo diese zu finden wären, liefert die Einladung keine, dafür war wahrscheinlich zwischen all den Klischees kein Platz mehr. Jedenfalls diskutieren hier „der oö. Presseclub und die Journalistengewerkschaft (sic!) in der GPA djp über die aktuelle Situation der Frau im Journalismus und fragen nach, was Frauen tun können, um sich im Beruf gut zu positionieren.“ In erster Linie, die alten weißen Männer loswerden, die solche Einladungstexte verfassen, würde ich polemisch als Vertreterin der offenbar nach Sicht von Presseclub und Gewerkschaft homogenen Gruppe „die Frau“ mal sagen und blicke zurück auf die sogenannten Golden Handshakes, mit denen im ORF vor einigen Jahren Frühpensionierungen euphemistisch umschrieben wurden. Oder auf Kolleginnen in Printmedien, denen Altersteilzeit in einem Alter angeboten wurde, in dem dies schlicht und ergreifend eine Verhöhnung darstellt. Gibt es hier Zahlen, wie vielen Männern und wie vielen Frauen diese Angebote gemacht wurden? Wenn nein, warum nicht? Meine Erinnerung mag mich trügen, aber ich kenne überwiegend exzellente Journalistinnen (die im Übrigen jahrzehntelang bewundernswert unbeeindruckt von der latenten Frauenfeindlichkeit dort ihrer Arbeit nachgingen), die im ORF Landesstudio OÖ diesen Golden Handshake annahmen, nachdem er ihnen eher nachdrücklich angeboten wurde, auch ein Mann fällt mir ein, und ganz bestimmt gab es einen zweiten. Zahlen wären hier wie immer hilfreich.

Die Zahlen der deutschen Studie sind jedenfalls erschreckend und es steht zu befürchten, dass Oberösterreich dazu im Vergleich keine Oase der Gleichberechtigung ist. Nur eine herausgegriffen – im Bereich TV Information, nach Funktionen gereiht, stehen in der Gruppe ExpertInnen 79 % Männer 21 % Frauen gegenüber. Auf die Frage, ob Frauen womöglich deshalb seltener als Expertinnen vorkommen, weil sie im Ruf stünden öfter abzusagen, antwortet Prommer (noch einmal im ITV mit Doris Prieschnig): „Ich glaube dieses Argument nicht. Wenn jemand zählen würde, wie oft ein Mann absagt, dann würden wir vielleicht draufkommen, dass Männer viel öfter absagen. Nur, da hast du dann den nächsten Mann auf der Liste.“ Wohingegen die Liste mit den oft ohnehin nur zwei weiblichen Experten rasch durchgefragt sei.

„Wir haben eh Frauen gefragt, aber die konnten/wollten nicht“ ist tatsächlich eine Antwort, die immer wieder auftaucht, übt frau Kritik an rein männlich besetzten Podien. „Wie viele habt ihr gefragt?“ wäre demnach die einzig richtige erneute Frage auf diese Antwort.

Ich habe kürzlich eine Hamburger Uniprofessorin zu einer Tagung eingeladen und ihr einige der bereits fixierten Referent_innen genannt – allesamt Frauen, unbeabsichtigt, ich wollte ihr nur Zugänge zum Thema weiterleiten und habe drei Frauen (insgesamt sprechen vier Referentinnen und drei Referenten) herausgegriffen. Sie musste terminlich bedingt absagen und erkundigte sich freundlich, ob sie auch einen Mann als ihre Vertretung empfehlen dürfe, oder ob nur Frauen eingeladen würden. … Nein, es ist keine Frauenkonferenz, wenn drei Frauen teilnehmen – es bleibt eine Konferenz. Dass es sogar eine Frau irritiert, wenn Podien – die keine „Frauenthemen“ behandeln – überwiegend mit Expertinnen besetzt sind, hat mich überrascht und gleichzeitig ernüchtert. Weil ich – wenn ich ehrlich bin – nur zu oft genauso reagiere wie die Hamburger Uniprofessorin.

Ein sehr bestimmtes Schema davon, wer als Experte wichtig und glaubwürdig wahrgenommen wird, muss sich in uns als Wertesystem eingebrannt haben: Männer sprechen auf Podien, im TV und im Radio – Frauen moderieren oder sitzen im Publikum. Das ist das Bild, das uns vermittelt wurde und wird. Das ist das Bild, das wir als „normal“ wahrnehmen. Und ja, selbstverständlich hat dies mit der Sichtbarkeit oder eben Unsichtbarkeit von Frauen in Medien, in Sprache und in bestimmten Positionen und Funktionen zu tun.

Auch darum bin ich überzeugt, dass der Ruf nach „Gendern“ weniger mit Gouvernantenpolitik und Sprachpolizei zu tun hat, auch und gerade wenn sich stets irgendwo ein Mann bedroht fühlt, wenn eine Frau spricht. Oder wie die Journalistin Julia Pühringer es ausdrückt: Diese perfide Kombi, Frauen zwar ständig zu ignorieren und/oder niederzumachen, nicht für voll zu nehmen, ihnen ihre Erfahrungen einfach abzusprechen und ihnen nicht zuzuhören (außer man will was von ihnen) und dann lässig zu sagen: „Ja machts halt öfter den Mund auf, tuts was, wehrts euch!“ regt mich ja am allermeisten auf.

Quellen:

www.uni-rostock.de, Broschüre über audiovisuelle Diversität

Der Standard, Printausgabe 12./13. August 2017, S. 28

The Town and the City-Wohn- und Schlafzimmer.

Letztens lesen wir, dass sich der Autofahrer in Zukunft in seinem selbstfahrenden Auto „wohler fühlen wird als in seinem eigenen Wohnzimmer“, was uns ein wenig nachdenklich stimmt. Nicht wegen der ganzen künstlichen Intelligenz, die ins Auto reinverfrachtet werden muss. Auch nicht wegen des Deep Learnings und des „Weltverständnisses“, dass das Auto dann haben müsste, lesen wir (wir lachen). Sondern wegen des Wohnzimmers. Schon länger fällt auf, dass das Wohnzimmer irgendwie Thema geworden ist – und damit Szenenwechsel in die Kulturhäuser. Dort wird auch gerne davon gesprochen, dass sich die Besucher und Besucherinnen beim Besuch im Museum oder im Theater „wie im eigenen Wohnzimmer fühlen sollen“. Meine Freundin und ich sind uns einig, dass wir, wohlfühlen hin oder her, wenn wir im Museum sind, uns dort gerade NICHT wie in unserem eigenen Wohnzimmer fühlen wollen – denn dann würden wir doch lieber gleich daheimbleiben! Wir erwarten uns von der Kunst schon anderes. Merkwürdig ist das aber, dass das Wohnzimmer überhaupt als Bild für eine Kulturinstitution auftaucht oder jetzt sogar als Auto – und wir fragen uns scharfsinnig: Gibt’s leicht kein Wohnzimmer mehr daheim? Haben die Leute nichts mehr zum Wohnen? Oder, anders: Haben sie keine Zeit mehr zu leben oder keine Ahnung mehr davon, wie das geht? Müssen sie ihr Wohnen, ihr Leben irgendwie anders simulieren? Wir sitzen ja mit Vorliebe im traditionelleren Wohnzimmersubstitut, in einem Café. Dort sprechen wir dann, Stichwort „Weltverständnis“, tatsächlich über richtige Bücher, die wir grade lesen. Am liebsten keine Neuerscheinungen, geht aber auch. Ich habe meinen aktuellen Fast-Klassiker dabei, „The Town and the City“ von Kerouac. Ich intoniere begeistert den Titel The/Town/And/The/City, The/Town/And/The/City und beginne einen kleineren Vortrag darüber, dass das genau der Punkt sei, dass der Town leider oft die City fehlen würde, und sich die Town nur allzu gern gleich wieder mit der Town trifft, wenn man nicht aufpasst und wenn Sie verstehen, was ich meine. Die Stadt und die Stadt ist allerdings überhaupt gleich ein Problem der direkten Übersetzung, der Verdoppelung und Verstärkung oder der nicht eintretenden Transformation. Dann kommt es eben darauf an, sage ich. Die Stadt und die Großstadt vielleicht. Falls man halt überhaupt von etwas Großstädtischem sprechen könne. Und so weiter. Meine Freundin hat auch ein Buch mitgebracht. Wir blättern in Konrad Bayers gesammelten Werken, gerade entlehnt aus der Landesbibliothek. Sie war darauf gestoßen, als sie im Internet diverse Schlagworte in die Suchmaschine eingegeben hatte. Welche und warum weiß ich nicht mehr. Jedenfalls lesen wir jetzt in Bayers konkreten Texten: „franz goldenberg kam zur tür herein und gab mir die hand. ich gab dr. ertel die hand. dr. ertel gab marion bembe die hand. marion bembe gab dr. aust die hand. dr. aust gab dr. herbert krech die hand. dr. herbert krech gab fräulein gisela lietz die hand. fräulein gisela lietz gab ernst günther hansig die hand.“ … und es geht weiter und weiter. Wir hatten das beide früher auch schon mal gelesen. Ich erinnere mich an fra stefano, der in der etwa eine Seite langen Handgeben-Aufzählung auch wieder auftaucht: Ich freue mich über ihn wie über einen alten Bekannten! Was lustig klingt, sagt sie zu mir, hat Ernst Bloch damit kommentiert, dass in Bayers Händeschütteln Witz und Grauen eng zusammenhingen, was Bloch anscheinend als „Heimatlosigkeit“ und als „Sprengung des Verabredeten“ erkannt habe. Das Unheimliche trete so hervor. Übrigens betritt mit diesen Worten ein Bekannter das Lokal, kommt etwas irritiert auf unseren Tisch zu und schüttelt uns beiden die Hand. Wir sehen uns erschrocken an, denn weder wir, noch der Bekannte sind für gewöhnlich in diesem Lokal anzutreffen. Damit ist nun wirklich Schluss mit lustig und wir gehen ganz weg vom Wohlfühlwohnzimmer. Und wechseln abschließend ins Schlafzimmer. Es fällt auf, dass in den diversen Zeitungen neuerdings wieder mehr oder weniger geglückte Kolumnen und Rubriken zu Sex angeboten werden. Wenn sich das nur nicht allzu oft aufs Aussprechen des Direkten beschränken würde! Wie bieder und langweilig. Da hat meine liebe Freundin wieder einmal mehr zu bieten. Das liederliche Weib hat sich eine Zeit lang doch glatt per Internet mit Männern für Sex verabredet. Gerne hat sie mir dann von ihren Begegnungen erzählt bzw. von dem Gerede davor. Also davon, was ich dann „The 60 Minutes before Sex“ genannt habe. Und am Ort des Geschehens, also dort, wo sie sonst nie hingeht und sich mit den Männern getroffen hat, um das Minimum an Kennenlernen zu absolvieren, treffen wir uns heute für unseren privaten Literaturtalk. Ich bedaure fast, dass sie diese Geschichten nie aufgeschrieben hat und überhaupt jetzt auch wieder einen Freund hat, sage ich ihr, kannst du nicht trotzdem, es war immer so lustig? Sie versteht natürlich meine versuchte Sprengung des Verabredeten und antwortet nicht einmal. Und zum Spaß beschließen wir den Nachmittag im Café mit: franz goldenberg kam zur tür herein und fickte mich. ich fickte dr. ertel. dr. ertel fickte marion bembe. marion bembe fickte dr. aust. dr. aust fickte dr. herbert krech. dr. herbert krech fickte fräulein gisela lietz und so weiter. ernst günther hansig und fra stefano kamen natürlich auch noch dran und außerdem ein paar Bekannte. Wir müssen aufpassen, dass uns nach dem Wohnzimmer nicht auch noch das Schlafzimmer genommen wird.

„Mit Eierstock und Herz gegen Kommerz“

Mit einem sensationellen Auftritt voller Leidenschaft und kraftvollem Einsatz begeisterte das österreichische Frauenfußball-Nationalteam bei der EM in den Niederlanden. Der Einzug ins Halbfinale mit einem abgebrühten, knallharten und dennoch mental lockeren (entspanntes Lachen im Gesicht!) Elfmeterschießen gegen Spanien ließ die österreichische Volksseele zu neuem Leben erblühen. Jubelschreie schallten durch die offenen Fenster in diesen heißen Sommertagen.

Die kritische Masse der VerfechterInnen der selbstverständlichen Nennung der „Töchter“ in der Bundeshymne scheint dennoch nicht erreicht worden zu sein. Wohl noch immer zu wenig Kampf. Denn entsprechend dem Vokabular der derzeitigen Frauenministerin und einer Wiener Stadträtin gibt es Dank an erfolgreiche Frauen v. a. für ihren Kampf. Aber, liebe Verantwortliche mit Außenwirkung, wir Frauen sind des Kämpfens müde. Müde. Ja, müde! Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um ständig für meinen Platz in der Welt und für meine Rechte kämpfen zu müssen. Zu viele Kämpfe.

Zu viele Kämpfe wurden auch im Fußball verloren. So gegen die übermächtigen Verbände des Männerfußballs im Jahr 1972. Nach nur dreijährigem Bestehen wurde die „FIEFF – Fédération Internationale et Européenne de Football Féminin“ in die Knie gezwungen. Oder eher auf den Boden geworfen. Die zweimalige sehr erfolgreiche Austragung einer jährlichen Weltmeisterschaft im Frauenfußball mit medialer Begleitung in den großen Zeitungen, Live-Übertragungen im Fernsehen und mit bis zu 110.000 StadionbesucherInnen (!!) in Mexiko wuchs zu einem unerträglich bittergroßen Dorn im Auge der kapitalistischen Gier und Eitelkeit der patriarchalen UEFA. Diese drohte den nationalen Fußballverbänden mit Sanktionen, sollten Frauenteams an der neuerlichen WM teilnehmen, was viele nationale Verbände veranlasste, diesen die Teilnahme zu verbieten. Es dauerte 12 Jahre, bis die UEFA einen ersten offiziellen, internationalen Bewerb im Frauenfußball ausrichtete.

Den so lobenswert kämpfenden österreichischen Fußballfrauen widmete der Hip-Hop-Musiker Kid Pex einen eigenen Song, dessen Text erwähnenswert ist. Meine Lieblingszeile: „Ohne billige Schwalbe, ohne vorgespielten Schmerz – Eierstöcke und Herz gegen Kommerz“.

Apropos Eierstöcke, auch wir Frauen haben Eier, ja wir produzieren sie sogar selbst, natürlich unbezahlt und kontinuierlich, fast ein Leben lang. Ein spezieller Dank all den Töchtern, die die Mütter dieser starken Frauen sind. Diese Frauen haben mit ihrer freudvollen Kompromisslosigkeit, ihrer taktischen Disziplin und Antizipationsfähigkeit, einem laufstarken körperlichen Einsatz, und bis auf das Elfmeter-Verhalten im entscheidenden Halbfinale, durch mentale Stärke und einem unbedingten Willen überzeugt. Dies bescherte dem ÖFB das höchste eingespielte Preisgeld mit der berechtigten (und hoffentlich erfolgten) Forderung, diese 700.000 € ausschließlich in den Frauen- und Mädchenfußball zu investieren, v. a. in die Breite, so der Fachjargon.

Lobenswert die ORF-Studiosendungen mit mehrheitlich weiblichen JournalistInnen und ExpertInnen. Auf eine weibliche Stimmbesetzung der KommentatorInnen bei der Spielübertragung bleibt zu hoffen. Aber ob das die männliche österreichische Fußballseele verträgt … oder überwiegt schon der weibliche Anteil an Fußballfans bei der Höchstquote von 1,2 Millionen ZuseherInnen (Marktanteil von 44 %), die das Elfmeterschießen auf ORF eins sahen? Da fangen die Köpfe der MarketingstrategInnen angesichts der möglichen Absatzmärkte zum Rauchen an. Der Kommerz rollt an. Ob der Frauenfußball davon profitieren kann, ist fraglich.

Profitieren werden auf alle Fälle die vielen Mädchen, die sich nun für den aktiven Fußballsport begeistern. Das Ergebnis einer Studie im Rahmen der Aktion „Together #WePlayStrong“ zur Stärkung des Frauenfußballs besagt, dass Fußball selbstbewusst macht und den Zusammenhalt fördert. Sehenswert das Video der Imagekampagne.

PS: Ab diesen Sommer lautet die Hymne: Heimat bist du großer Töchter!!

 

„Oh Burger Burger Burger – oh Nina Nina Nina ich häng zum Bild vom Krankl – dein Poster in mein Zimmer“

Liedtext-Tipp: Rot-Weiß-Rote Schwestern, Kid Pex

Sport-Tipp: Die Nr. 1 im Frauenfußball in Linz – Union Kleinmünchen (1. Bundesliga)

Gastrojammern.

sd_gastrosundern

Google sagt zum Würstelstand „Warmer Hans“: Dauerhaft geschlossen. Die Bewertung gibt 3,7 von 5 Sterne an – es gibt Abschiedsartikel in diversen Tageszeitungen, Beiträge im Lokalfernsehen zum Farewell und das stadteigene Wiki (1) widmet einen Eintrag.

ExillinzerInnen lechzten nach dem Ausgehen nach der Institution „Warmer Hans“ und BesucherInnen der Stadt wurden zu später Stunde zu einem Stelldichein genötigt.

Horden von japanischen Gästen verschlangen biergelenkt die fleischigen Produkte, Hooligans mit selbstgebrachtem Dosenbier sauten mit Käsekrainern herum und blasse, schlaksige Jünglinge und feiste Mädels holten sich nach der Tanzschule – noch in Verkleidung – die verlorenen Kalorien zurück. Die Rede ist von „Legende“, Kult und Institution. Ja, sogar die große Elisabeth T. Spira, die Indie-Regietante des deftigen (Amateur)-Sozialpornos, hatte auch ihren Dreh und menschelte, was das Zeug hielt, herum. Es wird gejammert. Der Untergang einer Kultstätte wird beweint und einhergehend auch gleich der Untergang von Österreich und der Verlust der großen, stolzen Leitkultur. Für den Slowdude war die versiffte Nische eigentlich immer ein abstoßender Ort: Räudiges Ambiente, aber eben nicht kultig genug, um cool zu sein. Oft schlechte – ja sehr schlechte Stimmung bis hin zu gelebter Aggression. Unfreundliches und abgestumpftes Personal – der Slowdude hat Berliner Ansprüche. Pro und Kontra des sozialen Faktors Würstelstand wurde eben am Beispiel „Warmer Hans“ genügend durchexerziert. Das viel wichtigere Element der Auseinandersetzung sollte natürlich der gastronomische Verlust von Pusztalaibchen, des „Bosnadings“ und der restlichen angebotenen Fleischausformungen sein.

Zuallererst, um es abzukürzen: Gott, dem gnädigen Herrn im Himmel sei es gedankt, dass diese grausige Fleischschwemme weg ist und nur mehr in Wort und Bild existiert. Die Erinnerung verklärt. Hoffentlich.

Der Slowdude hat einen Test, der die Qualität von Fastfood schonungslos ermittelt, entwickelt: Das zu testende Produkt kaufen, mit heim nehmen, kalt werden lassen und am nächsten Tag zuerst kalt und dann aufgewärmt verkosten. Beim Pusztalaibchen war dies aber nicht möglich. Hier war es sogar die Intention des Entwicklers: das Pusztalaibchen kann nur heiß und ab 2 Promille problemlos verzehrt werden – so glaubt der Slowdude. Genauso verhält es sich mit dem schrecklichen „Bosnadings“ in Schneckenform. Was da genau drinnen war, wollte und will Mensch nicht wissen. Besser so.

1 www.linzwiki.at/wiki/Warmer_Hans

sleepingpills365.net

fuck consent, we want conflict!

Der österreichische Außenminister twittert am Abend der französischen Präsidentschaftswahlen darüber, dass mit Emmanuel Macron linke Politik abgewählt wurde – kaum jemand kann sagen, was uns der junge Mann damit eigentlich mitteilen will. Bereits knapp ein halbes Jahr davor beginnt Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek am Tag nach der Wahl zum amerikanischen Präsidenten mit der Arbeit an einem Theaterstück über Verwirrungen, Unschärfen und einen Zustand politischer Blindheit, in dem nur noch die Orakel Wahrheit sprechen1. Weil ohnehin alles, was so schnell und öffentlich ausgeschieden und abgesondert wird, nicht lange genug lebt, um auf Wahrheitsgehalt hin überprüft werden zu können. Und das ist gut so – denn um Wahrheit, Wahrheit sprechen und Wahrheit besitzen geht es längst nicht mehr. So eine Kolumne braucht Zeit und deshalb liegen zwischen diesen ersten Zeilen und dem Moment, in dem ich nun schreibe, ein paar Tage (oder Wochen). Und in dieser Zeit hat der österreichische Außenminister die Realität in seinem Geilomobil überholt, ist mittlerweile nicht nur Außenminister, sondern auch Obmann seiner Partei, hat Neuwahlen ausgerufen und seiner Partei die Bedingungen diktiert, unter denen er bereit ist, sie zu führen. Um sie kurz darauf namentlich zu eliminieren. Er meint, zwar als Parteiobmann, nicht aber als Vizekanzler zur Verfügung zu stehen, mit der Begründung, ein anderer als er sei für diesen Job besser geeignet, was die Frage aufwirft, warum derjenige dann nicht auch die Partei führt. Rhetorische, strategische Spielchen, die an die Anfangssätze dieser Kolumne anschließen: Um Wahrheit, Wahrheit sprechen oder besitzen geht es nicht. Das wäre mir an und für sich kein großes Problem, denn an die Stelle einer „Suche nach Wahrheit“ und eines stets anzuzweifelnden Gültigkeitsanspruches könnte die Frage nach welcher Wahrheit denn treten. Oder auch nur die Idee, etwas (das Gegenüber, die andere Wahrheit?) kommentarlos ein paar Minuten auch mal so stehen zu lassen, sowie die Einsicht, dass konzentriertes Schweigen eine Form von Kommunikation ist.

Das Gegenteil aber ist der Fall. Jene, die Nachdenkpausen stets als Aufforderung missdeuten, anderen ihre Wahrheit um die Ohren zu hauen, sind weder bereit zu verstummen noch sich zu besinnen. Es sind jene, die erkannt haben, dass die Wahrheit ein instabiles und ungreifbares Konstrukt ist und das Volk sich mit täglich neu gebastelter nicht nur zufrieden gibt, sondern dies als dynamisch! männlich! führungsstark! nachgerade einfordert. Punks wie Trump haben die Macht übernommen. (Es sind nicht dieselben Punks, an die wir dachten, als wir uns das eine Sekunde lang wünschten.) Kapitalismus-Anarchos, die sich einen Dreck darum scheren, ob das, was sie heute sagen, morgen noch Gültigkeit hat und wer von den Gesetzen, die sie verabschieden, in welcher Art betroffen und behindert wird. Dass Sebastian Kurz seine eigene Partei in ihrer Existenz gefährdet, indem er ihren Erfolg von seinem Namen abhängig macht und damit das System ÖVP zerschlägt – wird nicht als systemgefährdend kritisiert, im Gegenteil, er wird dafür bejubelt: bemerkenswert die Gelöstheit, mit der viele ÖVP-Menschen laut Hurra! schrien, als ihr Alphatierchen im Handstreich jene Partei, die ihn aufgebaut hat, abschaffte – juhu, schrieben sie etwa auf Facebook, das ist gut, endlich wieder einer, der sagt, wo es langgeht. Endlich wieder einer, der sich was traut, ein starker Mann, wie schön, wir folgen ihm. Sebastian Kurz ist auf dem besten Weg ein rechter Populist zu sein und bedient mit seinem Handeln und der Art, wie er sich seines Vorgängers entledigt hat, archaische Sehnsüchte. Und dabei ignoriert er nicht einmal die Systematik des politischen Umsturzes, er ignoriert bloß, dass dieses unschöne Absägen und der überdeutliche Wille zur Macht bislang nicht ganz so offen zur Schau gestellt wurden. Und liegt dabei voll im Trend, hey! Eleganz hat ausgedient, auch und vor allem in der Politik. Postpolitisch und postdemokratisch – so beschreibt die belgische Politikwissenschafterin Chantal Mouffe die aktuelle Situation, in der die gekannten Parteiensysteme ausgedient haben und Menschen nicht länger Konsens einfordern, sondern Konflikte. Das Volk will Blut sehen, das Volk will sich entscheiden können, am besten stündlich neu. Unterhaltet uns! Spannend nebenbei bemerkt, wie ausgerechnet in der Postdemokratie mehr (direkte! also meine!) Demokratie eingefordert wird. Zur Hölle, es ist verwirrend.

Im Kontext dieser Streit- und Provokationssehnsucht liest sich auch der ganz offen zur Schau gestellte Sexismus wieder ganz logisch und macht es sich gemütlich. Wie er es tatsächlich gemeint hat, sei dahingestellt und ich glaub ihm gerne, dass er sich selbst nicht als einen Sexisten sieht. Jedenfalls hat Hans Bürger, immerhin ORF-ZiB-Ressortleiter Innenpolitik/EU, mit einem Satz deutlich gemacht, zwischen welchen Wahrheiten wir hin und her gebeutelt werden: „Das wird der brutalste und härteste Wahlkampf, dieser, 2017, da gilt es auch gegen Männer zu bestehen2.“ Einige meiner Meinung nach zu Recht kritische Bemerkungen später fühlt er sich ungerecht behandelt: „Wie kann man etwas nur so missverstehen“, schreibt er auf Twitter und bestätigt damit jede vorangegangene Kritik. Hach, Frauen sind einfach nicht hart genug für dieses Politdings und dann missverstehen sie einen auch noch … Eva Glawischnig, so betont er, habe sich von seiner Aussage ja gar nicht betroffen gefühlt, so als dürften sich deshalb alle anderen Frauen nicht von der Schnoddrigkeit betroffen fühlen, mit der Hans Bürger zwei Lager auftut und Zuschreibungen macht, die andernorts längst als passé erachtet werden.

Als Politanalyst hätte er wissen können, wie auf einen ungeschickten Stolperer in einer Liveanalyse zu reagieren sein könnte. Hätte. Könnte.

Schon kommt ihm ohnehin der Kollege vom Standard zur Rettung: „Unsere Krise von Politik und Journalismus kommt vielleicht auch daher, dass manche etwas nicht wahrhaben wollen, obwohl es doch evident ist“ schreibt Thomas Mayer als Kommentar zur Kritik an Hans Bürger3.

Da ist sie wieder, die Wahrheit und ihre Verteidiger. Umgekehrt würde ich formulieren: unsere Krise – ganz generell – kommt vielleicht daher, dass ein Teil der Menschheit seit Jahrhunderten die andere mit ihrer Überzeugung zu wissen, was evident, wahr oder halt einfach so ist, quält und langweilt.

Ich spüre den Fatalismus den Nacken raufkriechen, lehne mich zurück und wohne – mittlerweile nicht einmal mehr überrascht – einem Schauspiel bei, das sich in klirrender Eindeutigkeit vorführt, keinen Zweifel daran lässt, wer welche Absichten hegt oder gar elegant mit Zwischentönen oder Mehrdeutigkeiten spielt. Eleganz ist weder eine politische noch eine revolutionäre Größe, ich weiß, und dennoch sehne ich mich manchmal nach ihr.

 

1 Anm. WH: „Auf dem Königsweg“ wurde gekürzt und auf Englisch („The Burgher King“) am 27. 03. 2017 in New York als Lesung aufgeführt, darüber hinaus ist zu diesem Theatertext zu/über Donald Trump von Elfriede Jelinek aktuell nichts zu erfahren oder auf der Homepage der Schriftstellerin zu finden. Dass Jelinek sofort nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten mit der Arbeit daran begonnen hat, ist in einem Artikel der Welt nachzulesen: www.welt.de/kultur/article163225150/Das-Schweinchen-mit-den-komischen-blonden-Haaren.html

2 derstandard.at/2000057870537/Kritik-an-ORF-Journalist-Buerger-wegen-Glawischnig-Analyse

3 twitter.com/TomMayerEuropa/status/ 865487716300972032

Heimat bist du großer Töchter und starker Frauen!

Zum ersten Mal seit der Austragung einer Frauenfußball-Europameisterschaft (1984) hat sich das österreichische Frauen-Nationalteam dafür qualifiziert. Die Begeisterung ist groß und der ORF überträgt 25 Spiele, zumeist am Spartensender ORF Sport+. Eine kleine Sensation ist die Übertragung des ersten Frauenfußballspiels überhaupt in der Primetime des ORF eins am Samstag, den 22. Juli gegen Frankreich. Da gab es wohl einen Bewusstseinswandel. Danke der weiblichen Programmdirektorin! Ein Hoch auf die Quote!

Der Sportdirektor des ÖFB war nach der erfolgreichen Qualifikation im Herbst bei der Pressekonferenz sehr angetan von „seinen Mädels“. Eine Mitarbeiterin versicherte mir nach meiner schriftlichen Aufforderung, er möge doch mit seiner Verniedlichungsform aufhören und sich einer geschlechtergerechten Sprache bedienen, dass er die Frauen keineswegs abwerte. Sagen, aber nicht meinen … jaja … das unbewusste Verständnis über etwas oder jemanden lässt sich allerdings an der Sprache erkennen. Es besteht ein Unterschied, ob ich im eigenen Team zu anderen Frauen sage: „Gemma, Mädls“ oder ob dies von einem Mann als offizieller Funktionär des Verbandes bei einem öffentlichen Fernsehinterview geäußert wird.

Leider ist die Verniedlichungsform von Frauen – und somit das „Kleinmachen“ – oder das Reduzieren der Frauen auf sexualisierte Inhalte oder ihr Aussehen Usus in der Sportlandschaft. Gerne lässt mann die Frau überhaupt unerwähnt. Leidiges Thema Nationalhymne. Die Tatsache, dass jeder Mann von einer Tochter geboren wurde, ist noch nicht in den Köpfen angekommen. Auch mancher Frauen nicht. Sprache schafft eben Bewusstsein.

Geschichtsschreibung schafft Bewusstsein. Forschung schafft Bewusstsein. Und diese sind u. a. männlich besetzt. In der Archäologie ist mann früher, vor der genauen Geschlechtsbestimmung durch eine DNA-Analyse, sehr einfältig mit den Ausgrabungen umgegangen. Ein Grab mit Pfeilspitzen, Schwert oder Speer wurde als männlich deklariert, Skelette mit Schmuck oder Haushaltsgegenständen als weiblich. Die indoktrinierte Rollenverteilung wurde übernommen, ohne sie auch nur im Ansatz zu überdenken. Mann=Jäger, Krieger. Frau=Sammlerin, Köchin und Putze. Die Amazonen galten als Mythos, eine männliche erotische Phantasie, vor der sie sich zugleich fürchteten und ihnen ein nach dem Beischlaf männermordendes Attribut beifügten. In den südrussischen und ukrainischen Steppen, aber auch im Baltikum, in England, Deutschland und Skandinavien wurden antike Frauengräber mit Schmuck UND Waffen gefunden. Die Vorstellung einer kämpfenden Frau, die sich und ihre Sippe zu verteidigen weiß, kratzte wohl zu sehr am Ego der Männlichkeit und tut es noch immer.

Jahrtausende voller Frauenverachtung und Frauenhass sitzen verborgen, aber sattelfest in der Epigenetik der Menschen. Patriarchale Religionskonzepte verankerten diese tief und fest im Unterbewusstsein und dämonisierten die starke, selbstbestimmte und gelehrte Frau, die sich ihre Kraft und Macht nicht nehmen lässt, die Gleichberechtigung und Freiheit verlangt, die keine Angst hat vor ihrer Sinnlichkeit und überschäumenden Weiblichkeit und eine klare, kompromisslose Liebe verbreitet, die sehr erfrischend und leidenschaftlich ist. Diese archetypische Urkraft (Lilith) wird noch immer verfolgt, verdrängt und bekriegt. Das Ein-Gott-Prinzip mit seiner Leibfeindlichkeit verschärfte die Problematik. So wurde auch Pan, der Gott der wilden Natur, der Musik, Tanz und Fröhlichkeit liebte, verteufelt. Aber das ist wichtig für uns. Es ghert vü mehr tanzt! Und gsungen! Und glacht! Sich spüren im eigenen Körper. Der Körper ist so wunderbar, so sensationell, so phantastisch. Keine Angst. Ohne Körper wären wir nicht da. Der Körper als Ursprung der Welt und des Lebens. Heimat bist du großer Töchter und starker Frauen!

 

Buchtipp Comic: Liv Strömquist – Der Ursprung der Welt

befasst sich mit dem, was als „das weibliche Geschlechtsorgan“ bezeichnet wird und warum die Menschheit eine so unentspannte, borderline-mäßige Hassliebe mit diesem Körperteil verbindet. Informativ und extrem lustig.

UEFA Women’s EURO 2017: 16. Juli bis 6. August in den Niederlanden

Spargelpipi – Pipispargel.

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Volle Breitseite gegen unsere geliebten Lebensmittelmultis. Gegen sinnlose Globalisierung und gegen die zynische Cent-Kalkulation, die auf dem Rücken heimischer ProduzentInnen ausgetragen wird.

Heimische Toiletten – ob privat oder öffentlich – riechen in den letzten Wochen oft unverkennbar nach dem durch die schwefelhaltige Carbonsäure Asparagusin C4H6O2S2 hervorgerufenen Spargel-Urin. Spargelzeit ist nicht nur eine Zeit des lukullischen Wiedererwachens – der Frühling herzt uns mit Frische überall –, sondern ist auch eine Zeit des Preiskampfes und Verdrängungswettbewerbs. So liefern sich die Lebensmittelkonzerne eine wahres Spargelbattle mit Spargel Grün und Weiß, Sauce Hollandaise und anderen Zusatzprodukten und Rezeptideen. Angeboten wird der Asparagus aber nicht aus heimischen Gefilden, sondern aus Chile und anderen Gebieten „just around the corner“. Dass Mangos und Papayas nicht im Innviertel oder im Eferdinger Becken gedeihen, ist wohl bekannt – aber Spargel ist im besten Sinn des Wortes ein Traditionsgemüse der Region. Und wieso, fragt der Slowdude, greift der Handel nicht auf lokale Ressourcen zurück?

Es kann nur einen Grund geben: den Preis. Denn der chilenische Spargel in allen Ehren: er ist alt, holzig und bitter. Pipispargel eben. Und eigentlich im Vergleich zur Marktware der regionalen AnbieterInnen sogar teurer. Hier trifft eindeutig kapitalistische Gier auf die Idiotie und mangelnde Selbstbestimmung der KonsumentInnen. Ein wenig befassen mit: wann ist was reif, wann bekomme ich Produkte lokal oder regional, täte allen HeimköchInnen doch ganz gut.

Stattdessen gibt man sich dem Rezept- und Angebotsdiktat der Lebensmittelmultis hin und nimmt alles stupid, wie es kommt. Und lässt sich vom schicken und Authentizität heuchelnden Auftritt der Multis einlullen. Der eine wirbt mit einem niedlichen Schweinchen und einem Biobauern, der nur der Dorflehrerin nachsteigt, der andere hat eine schlaues 3D-Börserl, das einem in das Wagerl schaut; und der große Dritte im Bund macht alles am „Ursprung“ fest und etabliert gleichzeitig eine Bäckereikillermaschine.

Der Slowdude rät: Geht auf den Markt, schaut auf die Anbaugebiete in eurer Umgebung und ihr werdet alle feststellen: Spargel ist göttlich. Spargel ist sinnlich. Und Spargel gibt es frisch und günstig von März bis Juni.

Noch was in eigener Sache: Der Slowdude ist kritisch und unfair. Und auch oft voreingenommen.

Die letzte Kolumne des Slowdude brachte heftige Reaktionen seitens der gastro-journalistischen KollegInnenschaft hervor. Hier war die Rede von „lästern, schimpfen und beflegeln“ von „Schrott“ und einer „fragwürdigen Kolumne“. Nun ja. Keep calm and carry on. Der Slow Dude ist halt ein Rock’n’Roll-Schreiberling, nimmt sich kein Blatt vor den Mund und legt den Finger in die Wunde. Die Beobachtungen sind natürlich subjektiv – ganz klar. Nur sind sie nicht frei erfunden, sondern fußen auf seiner intelligent analytischen Beobachtung. Und außerdem ist der Slowdude auch selbstkritisch und verträgt auch einiges. Alles ist gut.

… some women actually find it attractive …

Frau weiß gar nicht, womit sie diesmal diese Kolumne beginnen soll – es tut sich ja so wahnsinnig viel auf dem Parkett der Frauenverachtung, und nicht immer ist sie auf den ersten Blick als solche erkennbar. Immerhin steht ja auch der Internationale Frauentag vor der Tür, Tageszeitungen werden womöglich einen Tag lang ausschließlich die weibliche Schreibweise verwenden (und werden damit ungewollt manifestieren, wie ungewöhnlich dies ist, „Zurück zur Normalität!“ würde es Heinz Mayer* verzweifelt formulieren). Und es werden wohl erneut erschreckende Zahlen veröffentlicht zu Themen wie: Frauen auf der Flucht, Mädchen in die Technik, häusliche Gewalt und gläserne Decke. Zu letzterem Thema haben an einem Wochenende bereits im Februar zwei Artikel versucht, mich darüber zu informieren, weshalb wir auf Geschlechtergerechtigkeit in österreichischen Führungsetagen noch länger warten werden. Einer war im Karriereteil des Standard zu finden, wo eine Studie aus dem Jahr 2016 präsentiert wurde, die darlegt, dass „Frauen gar nicht führen wollen“ (Frauen haben weniger Selbstbewusstsein. Frauen steuern weniger bewusst eine Führungsposition an). In der Tageszeitung Die Presse rät ein Human Resources Berater im Rahmen einer Diskussion zur „gläsernen Decke“ Frauen, doch „ruhig einmal narzisstisch“ zu sein. Beide Beispiele zeigen in erster Linie eines: jene Parameter, die definieren, was „führen“ in der gegenwärtigen Arbeitswelt bedeutet, geben nach wie vor Männer vor oder jene Frauen, die es nach männlichen Kriterien „geschafft“ haben, sich dadurch Männern gegenüber als „gleichwertig“ bewiesen haben und demzufolge als befähigt wahrgenommen werden, anderen Frauen in einer männlich dominierten Welt der Führungskräfte Ratschläge zu geben. Dass diese Kriterien, die „beruflichen Erfolg“ oder „Karriere“ definieren, obsolet sein könnten, daran wird kaum ein Gedanke verschwendet, im Gegenteil werden mit solchen Studien und Aussagen Grenzen des beruflichen Aufstiegs manifestiert, Grenzen, die bei Kinderwunsch oder Wunsch nach Arbeitszeitverkürzungen als „typisch weibliche“ Defizite bezeichnet werden, die durchaus auch abwertend auf Männer angewandt werden, wenn diese sich zum Beispiel für eine längere Karenzzeit oder verkürzte Arbeitszeiten entscheiden würden. Von Rahmenbedingungen, die die Kompetenzen, Bedürfnisse und Lebensentwürfe aller Geschlechter ernstnehmen und mitdenken würden, sind wir weiter entfernt denn je. (Auch dank manch konservativer Jungpolitikerin, die bei frauenpolitisch relevanten Themen offenbar eher an Heidi Klum als an Johanna Dohnal denkt.) Es heißt: Frauen, lernt von Männern, die machen’s richtig. Da wird nicht Kritik an starren Bedingungen formuliert, sondern Kritik an jenen Frauen (gleichermaßen dadurch auch an „führungsunwilligen“ Männern), die sich nicht einlassen wollen auf ein uninspiriertes, phantasieloses und sehr unmodernes Bild einer „Karriere“ im klassischen Sinn. Im Rahmen einer so engen Denke können Frauen also nur führen und reüssieren, wenn sie es den Männern gleichmachen, oder gar die „besseren Männer“ sind, um gleich noch ein nicht totzukriegendes Stereotyp zu bemühen. Unter diesem Gesichtspunkt wird nachvollziehbar, wie es passieren kann, dass eine sehr erfolgreiche Frau nach über 10 Jahren in Führungsverantwortung mit den Worten „Das haben wir dir zu Beginn gar nicht zugetraut“ öffentlich verabschiedet wird. Und der Betreffende das nicht einmal böse meint. Und die betreffende Frau einmal mehr ihre Stärke beweist, indem sie den Satz nonchalant überhört. Und dennoch bleiben Aussagen wie diese nichts anderes als Beispiele für einen strukturellen Sexismus, der Frauen damit beschäftigt hält, sich aus einer Schublade nach der anderen zu befreien.

Generell gilt: Bevor ich über Frauen, die nicht nach überkommenen Kriterien „führen“ wollen, urteilen möchte und darüber, ob sich eine Quote für Frauen unter Umständen auch negativ auswirken könnte, will ich erst einmal hinterfragen, auf welcher Basis eigentlich die Jahrhunderte lang etablierte Männerquote sich legitimiert und ob der angeblich „männliche“ Führungsstil noch adäquat ist in einer Welt, die eigentlich nichts weniger braucht als dünnhäutige, „typisch“ männliche Autokraten.

Er sei für eine 100% Quote für Frauen in allen Gremien, Interessensvertretungen, Regierungen und Aufsichtsräten, meinte ein Freund kürzlich. Denn, wenn eines klar sei, dann: „Wir haben es verkackt“. Es sei, betont er, spätestens nach Trump wohl für jeden sichtbar, wie wenig weit Männer die Welt im positiven Sinn gebracht hätten. Und wie möglichst schnell sie ihnen entrissen werden sollte. Bis es soweit ist, richte ich mich an Facebook-Seiten wie Man who has it all immer wieder auf. Es ist das Gegenteil der gutgemeinten „für-einen-Tag-gendergerechten-Schreibweise“ am Internationalen Frauentag. Es ist böse, sarkastisch und sexistisch. Nur in die andere Richtung halt: To all intelligent men. Don’t be AFRAID of your Intelligence. It’s OK to be a man and be intelligent. Some women actually find it attractive.**

 

* Heinz Mayer und Eva Blimlinger über das Binnen I, ORF 2, ZIB 2, 15. 7. 2014

** Man who has it all, facebook, 4. 11. 2015

Zeitbasiertes Kegeln, Schnappatmung

Neuerdings gibt es auf der Kunstuniversität Linz ein Institut für Sport. Ein Sportinstitut auf der Kunstuni? Wird die tägliche Turnstunde zuerst an den Universitäten umgesetzt?! Nein, die Zeitbasierten Medien und ihre ProtagonistInnen wollen sich zerstreuen. Und sie wollen ins Gespräch kommen. Unverbindlich und offen wird am Gang an der installierten Kegelbahn nach der Lust am Scheitern und der Freude am Erfolg gefragt. Die Antwort liefert eine selbstgebastelte Bowlingkugel. Sie demontiert U-matic-Kassetten, die als Kegel dienen – mit ungewissem Ausgang. Altes wird umgestoßen. Doch das Umstürzen des Alten droht in den Gebärden des Neuen wieder aufzublühen. Das Alte verfestigt sich im neuen Gewand. Wir brauchen uns keine Gedanken mehr zu machen, wie unsere Großeltern gehandelt haben, wir erfahren es jetzt am eigenen Leib. Unmittelbar, unverhohlen, ein Schlag ins Gesicht. Sport als Zerstörung. Als Vorbereitung auf den Krieg. Als Vorbereitung zur Politikform der Leistung und des Kampfes im alltäglichen Leben. Kommentiert mit zeitbasierten Medien. Uuuups, nein, ganz falsche Schiene … sondern: Sport als eine Kulturtechnik der Zerstreuung. Prozessorientiert an der Freude am Tun und am sozialen Miteinander. In der entspannten Zerstreuung kommen wir ins Gespräch und suchen das Verbindende im Gegenüber. Gelebte Völkerverständigung am Gang der Kunstuniversität.

Eine Völkerverständigung der anderen Art liefern sich chinesische Martial Arts und afghanische Frauen. Sie lehnen sich gegen das ultrakonservative Denken und die zerstörerischen Einstellungen gegen Frauen in ihrem Land auf und wollen sich nicht weiter beherrschen lassen.

Die Trainerin Seema Azimi will durch das Unterrichten der Kampfkunst Wushu auch das Selbstbewusstsein ihrer Schülerinnen stärken und ruft alle Frauen auf, ihre Fähigkeiten zu erkennen und sich den harten Umständen und der Hilflosigkeit entgegenzusetzen. So auch in den Straßen von Kabul, wo Frauen regelmäßig belästigt werden, können sich die Kampfsportlerinnen vor Diebstählen und Übergriffen besser schützen.

Die Frauenverachtung, die die ultrakonservative Herrschaftsform ganz offen auf den Tisch legt, versteckt sich in unseren aufgeklärten Breitengraden meist viel subtiler, kommt gerne durch die Sprache zum Vorschein und enthüllt das heimatliche Denken in einer brachial gewaltigen Eloquenz auf erschütterndem Niveau. Ist gewaltfreie Kommunikation mit jenem Gegenüber nicht möglich, so hilft ein schneller Sprint weg, wohin auch immer. Sport als Mittel zur Befreiung und als Selbstschutz zum Abwehren von Angriffen. Sexuelle Belästigung ist leider auch bei uns normaler Frauenalltag. Ja, meine Damen und Herren, falls sie es nicht glauben, so fragen sie doch bitte in ihrem Bekanntenkreis nach ehrlichen Antworten. Leider wahr.

Den Körper als sicheren und selbstbestimmten Raum zu erleben ist die Basis gesunder menschlicher Entwicklung. Fehlt diese Erfahrung kann Bewegung und Sport dies einleiten und der Körper kann und darf wieder fühlbar werden. Mächtiges Stichwort: Atmen! Über die Schnappatmung hinaus um die Lungen in ihrer Arbeitsleistung zu fordern und die Zellen mit ausreichend Sauerstoff versorgen. Seine Grenzen erkennen. Außer Atem kommen. Entgiftendes Schwitzen. Körperlich müde werden und in der Nacht in einen daraus resultierenden tiefen regenerativen Schlaf versinken. Aus diesem erfrischt aufwachen und frohen Mutes in den Tag starten.

Auf einen Tag im Jahr freue ich mich besonders. Den Weltfrauentag am 8. März. Liebe Frauen, nehmen wir uns Zeit für unsere Rechte! Österreich schließt sich dem globalen Frauenstreik an und verbündet sich mit allen Frauen dieser Welt. In der Linzer Innenstadt stößt die Allianz Feminismus & Krawall kraftvoll und lautstark ins selbe Horn: Aus!!! Es reicht!

 

1. Linzer Bikerinnen* Gang „FMC Cobra“ trifft sich zur 1. Ausfahrt am 8. März 2017 um 15.00h beim Musiktheater. Über den Martin-Luther-Platz gehts zum Hauptplatz, wo wir die Ausfahrt mit Feuer und Flamme gesellig ausklingen lassen.

Unser Adabei Slowdude.

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Nicht nur das Essen ist zum großen Teil schlecht. Linz und sein pulsierender oberösterreichischer Zentralraum sind auch gastrojournalistische Ödnis. Ja, wieder mal – Grant, Ärger und schlechte Stimmung beim Dude. Aber darf eine Kolumne eines Dilettanten so sein? Ja, sie darf – in Zeiten wie diesen. Und überhaupt: der Slowdude darf sich das erlauben. Der hat Recht. Alles andere ist falsch. Aber nun zum Thema: Die deprimierte Stimmung und resignative Einstellung resultiert aus Jahren des hoffnungsvollen Beobachtens der heimischen Medienlandschaft, gepaart mit einem ernsthaften Interesse an gutem Essen und den Menschen, die dieses ermöglichen, produzieren, bereitstellen – und die darüber schreiben.

Die größte Falle der journalistischen Auseinandersetzung mit KöchInnen, Küche, Nahrungsmitteln und kulinarischen Produkten ist das Ego der handelnden Personen. Denn dieses Ego wird früher oder später durch die Adabei-Sehnsucht gefangen genommen und ist danach nur mehr in Fotos gegossen in zweit- oder drittklassigen Tageszeitungen wahrzunehmen: Idiotisch lächelnd neben einem Koch in Uniform, mit einem hippen Winzer mit neckischer Frisur oder einer coolen Küchenboygroup. Um Credibility zu behalten, werden dann noch Fotos und Berichte von der Qualität eines Schulaufsatzes aus der Gefängnisküche beigestellt. Oder Bildstrecken mit meist alten, „urigen“ Menschen – denen man das harte Leben, aber auch die „echte“ Passion ansieht – in deren genuiner Umgebung. Keep it real. Das Niveau wird aber noch weiter runtergeschraubt: Wenn ganze Seiten über das Wunder der Tischwäsche unter dem Motto „Ich bin für Opulenz“ abgedruckt werden. Das ist die völlige Kapitulation vor dem Anspruch auf ein wenig Qualität und Aussage, was das Essen selbst betrifft.

Sieht man sich das gesammelte gastrojournalistische Potential des sogenannten Landeshauptblattes an, so müssen wir folgendes feststellen: 1. Ein armer Koch, der schon genug Sorgen mit dem ewigen Wirrwarr von Vor- und Nachnamen hat und selbst ein Restaurant betreibt, das wie aus den 70er Jahren gefallen scheint. 2. Ein Mensch mit einer Art Bobtailfrisur, der versucht, den eigentlich radikalen und politischen Content der Slowfood-Bewegung auf launiges Weinkostniveau zu senken. Und dies auch bravourös meistert. 3. Eine Dame, die ihre sprachbeschränkten Tagebucheinträge auf Zeitungspapier bringt und sich allen Ernstes beim Profilfoto mit einem Küchenutensil ablichten lässt.

Der Slowdude fühlt sich da in Facebookforen deutlich wohler. Hier wird pragmatisch berichtet und analysiert – ohne große Umschweife. Oder gefakenewst oder geschleichwerbt, was das Zeug hält. Aber: Es geht einfach nur ums Essen. Das Adabei-Getue ist – bis auf ein paar ModeratorInnen der Foren, die gerne etwas schulmeisterlich kommentieren und auch ab und an im fahlen Scheinwerferlicht der lokalen Presse stehen – kein Thema.