Das Fahrrad is the Message

Wenn hier die Aussage des Medientheoretikers Marshall McLuhan „The Medium is the Message“ umformuliert wird, so aus einem lustvollen Interesse an den unzähligen alternativen Medien, Autorinnen und Veranstaltungen, die dazu beitragen, Fahrradkultur zu denken. Von der ersten hiesigen Vintage-Rundfahrt bis hin zu Film und Fahrradcomics: ein medialer Ausflug von Fahrradmod Johannes Staudinger.

In den 1980ern zertrümmerten wir als Kinder bei gewagten Jumps unsere Miniräder auf zusammengeschobenen Erdhügeln, welche als Überbleibsel aus dem Arbeitersiedlungsbau neben halbfertigen Häusern in die Höhe ragten. Mangels finanzieller Spielräume der Eltern reichte es nicht zu stabilen BMX-Rädern, mit denen es auf den selbstgebauten Geländestrecken besser gewesen wäre, verwegene Tricks hinzulegen. Oft kam es zum Bruch von Achsen, Lenkern und Rahmen, die mittels handwerklichen Geschicks der Eltern unter Einsatz von Schraubenschlüssel und Schweißapparat wieder repariert wurden, und wir konnten weiterhin dem wilden Radfahren frönen. Diese Art der Sozialisierung in den Straßen unserer Siedlung hinterließ bei mir den Wunschtraum, es zum Radrennprofi zu bringen.

Über eine aufmerksame Lehrerin flog mir das Buch „Radsport – Tips, Technik, Training“ des mehrfachen Siegers der Österreich-Radrundfahrt, Wolfgang Steinmayr, in die Hände. Ab da war diese kleine Fibel mein treuer Begleiter für den Weg nach oben in Teenager-Zeiten. Nächtens las ich, versteckt unter der Bettdecke, und versuchte mir das Wissen Steinmayrs zu verinnerlichen. Besonders beeindruckten mich die Schilderungen seiner Siege am Großglockner, die er durch das Durchfahren der Kehren auf der Innenseite gewann – und nicht wie seine Gegner, welche auf dem steilen Anstieg zum Ausrasten die Kehren am äußeren Rand durchfuhren. Meine erste und auch letzte Glocknerbefahrung als 15-jähriger belehrten mich eines Besseren und ließen mich meine Träume ad acta legen.

Doch die Bücher blieben.
Unzählige Publikationen zu Fahrradthemen schwirren am Markt umher und werden sich unter eingefleischten Aficionados gegenseitig empfohlen. Zwei Bücher taten sich zuletzt besonders hervor. „Rennradfieber – Lust und Leidenschaft auf dünnen Reifen“ von Wolfgang Gerlich und Othmar Pruckner, sowie „Die Geschichte der Puch-Fahrräder“ von Walter Ulreich und Wolfgang Wehap. Rennradfieber behandelt eine breite Themenpalette, die vielen darin schreibenden Autorinnen beleuchten aus verschiedenen Perspektiven ein Leben mit dem Rennrad. Fans der alten Grazer Marke Puch kommen mit dem Geschichtsbuch voll auf ihre Rechnung, wird denn ein vollständiges Bild von Fahrradtypen, Industrie und Gründerfamilie gezeichnet. Beide Bücher bieten eine solide Wissensgrundlage, um bei der heuer zum ersten Mal in Oberösterreich durchgeführten Vintage-Radrundfahrt, der Kirschblüten Radklassik am 5. Mai, mit Weggefährtinnen ins Plaudern zu kommen.

Neben den Büchern findet man eine unglaubliche Menge an Informationen zu Fahrradkultur im Internet, in Blogs und Online-Magazinen. Der Blog viennabeo.net der Fahrradaktivistin Barbara Ottawa – sie selbst ist passionierte Langstreckenfahrerin und bei den Vienna Tweed Rides engagiert – gibt Einblicke in ein buntes Sammelsurium an Fahrradstorys. Darüber hinaus schreibt sie auch im Print-Magazin Drahtesel der Radlobby. Wie auch Die Referentin werden das australische Magazin Treadlie und Momentum Mag aus Kanada von Frauen herausgegeben. Treadlie von Tamsin O’Neill, sowie Momentum Mag von Mia Kohout sind preisgewürdigt, sind online als auch in Printform erhältlich und vermitteln ein breites Spektrum an Fahrradkultur.

Inhaltlich bewegt sich die heuer zum zweiten Mal stattfindende Linzer Veranstaltung „Bicycle Happening“ beim Museum Lentos auf ähnlichen Pfaden, wobei hier mit vielen Partnern auch ein breites Aktivitäten- und Filmprogramm angeboten wird. Welche Filme die besten in Sachen Fahrradkultur sind, darüber kann gestritten werden. Große Aufmerksamkeit wird momentan dem Film „Bikes vs Cars“ des schwedischen Filmemachers Fredrik Gertten zuteil, der mit seinem Film gegenwärtig auf internationaler Kinotour ist und im Jänner auch bei uns zu sehen war. Wer den Termin versäumt hat, hat die Möglichkeit, auf vimeo.com diese mehrfach ausgezeichnete Fahrradaktivistinnen- und Umwelt-Doku nachzusehen. 2014 wurde der kunstvolle Film „Violet“ des belgischen Filmemachers Bas Devos beim Crossing Europe Filmfestival präsentiert. Im Zentrum der Geschichte befindet sich eine Meute junger BMX-Kids, in deren Reihen ein Mord verübt wurde. Brillant dabei, mit welcher Ruhe die Jugendlichen mit ihren Bikes durchs Revier ziehen und sich daraus auch das Stimmungsbild des Filmes ergibt. Bleibt zu hoffen, dass es beim diesjährigen Crossing Europe im April wieder Ähnliches zu entdecken gibt.

Der 2004 Oscar-nominierte Animationsfilm „Das große Rennen von Belleville“ von Sylvain Chomet kommt immer zur Sprache, wenn man nach der Verknüpfung von Comic- und Fahrradwelt fragt. Besteht ja die Gemeinsamkeit dieser beiden Welten darin, dass sie sich immer damit auseinandersetzen müssen, zu wenig ins rechte Licht der Öffentlichkeit gerückt zu sein. Doch begibt man sich auf die Suche nach Fahrradthemen im Comic-Kosmos, so wird man fündig.

Die amerikanische Fahrradmarke Schwinn wagte sich 1949 an das Thema Comic heran und erstellte für seine neuen Fahrräder „Paramount Racer“, „Deluxe Autocycle“ und „The Hollywood“ ein fantastisches Heft, wobei neben der Darstellung der eigenen Produkte auch die Meilensteine der Fahrradgeschichte gezeichnet dargestellt wurden. 1975 kreierte der Stanford-Student Louis Saekow „Sprocket Man“, einen Comic-Helden, der in Magazinen und auf Postern den Studenten am Uni-Campus den sicheren Umgang mit dem Fahrrad vermitteln sollte. Als legendär kann das 2014 veröffentliche Comic-Buch „Legends of the Tour“ von Jan Cleijne bezeichnet werden. Cleijne zeigt hier mit feiner Feder die oft auch traurige Geschichte der Tour de France. Der in Utrecht lebende Tobi Dahmen erzählt in seinem Comic „Fahrradmod“ seine eigene Geschichte als Fan der Modkultur, nur aber war er nicht am Motorroller unterwegs, sondern fuhr bei den Partys mit dem Fahrrad vor. Der Berliner Zeichner Markus Mawil Witzel, dessen Comics regelmäßig im Berliner Tagesspiegel veröffentlicht werden, beschäftigt sich wie auch in seinem letzten Großwerk „The singles collection“ – der Blick in den Darstellungsindex bestätigt es! – sein ganzes Leben über mit Fahrradgeschichten. Mawil wird seine Kunst beim heurigen Nextcomic Festival von 10. bis 20. März auch in Linz präsentieren.

Übrigens, dieses Medium, das Sie in Händen halten, wird von den Linzer Veloboten über die ganze Stadt verteilt.

 

Buch: Die Geschichte der PUCH-Fahrräder
www.weishaupt.at/neuerscheinungen/389_die_geschichte_der_puch-fahrraeder

Buch: Rennradfieber – Lust und Leidenschaft auf dünnen Reifen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines schnellen Sports
shop.falter.at/rennradfieber.html

Vintage Radrundfahrt Kirschblüten Radklassik, 5. Mai 2016
www.kirschbluetenradklassik.at

Blog von Barbara Ottawa
viennabeo.net/de

Radlobby OÖ – Magazin Drahtesel
www.radlobby.at/oberoesterreich

momentum magazine – latest and greatest cycling culture news
momentummag.com

treadlie magazine – magazine for bike lovers
treadlie.com.au

2. bicycle happening Linz, Fest der Fahrradkultur, 1. und 2. Juli 2016
www.bicyclehappening.at

Bikes vs Cars – Film von Fredrik Gertten, 2015
www.bikes-vs-cars.com

13. crossing europe Filmfestival Linz, 20. bis 25 April 2016
www.crossingeurope.at

Schwinn Bicycle Comic Book
www.thechainlink.org/profiles/blogs/1949-schwinn-comic-book

Comic “Sprocket Man, the Superman of bike safety, returns”
transportation.stanford.edu/alt_transportation/Sprocketman.shtml

Comiczeichner Jan Cleijne – Legends of the tour
en.jancleijne.nl

Comiczeichner Tobi Dahmen – Fahrradmod
www.fahrradmod.de

Comiczeichner Markus Mawil Witzel – The singles collection, Ausstellungsbeitrag bei Nextcomic 2016
www.mawil.net

8. Nextcomic Festival Linz, 10. bis 20. März 2016
www.nextcomic.org

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert