Das Lob von Autofreaks für Menschenstärken

Ein heißer Samstagvormittag – Hannes Langeder kommt mit seinem Lastenrad zu unserem Gespräch. Ort des Geschehens: Das Untergeschoss der ehemaligen Dependance der Kunstuniversität in der Urfahraner Reindlstraße. Die Garage ist Depot und Ausstellungsort und seit neuestem auch Sitz der neu gegründeten C. A. U. U. (Cycling Art University Urfahr). Hannes Langeder im Gespräch mit Magnus Hofmüller.

MH: Du arbeitest seit Jahren in den Feldern Mobilität und urbaner Raum. Wie kam es dazu? Und wie wichtig sind die Themen Verkehrswende und Klimaschutz in deinen Arbeiten.
HL: [lacht] Klimaschutz interessiert mich überhaupt nicht. Man sieht ja an meinen Arbeiten, dass ich nur an Autos interessiert bin. Und dass diese in Zukunft weiter existieren können. Im Laufe der Zeit habe ich bemerkt, dass das Auto auch mit menschlicher Muskelkraft betrieben werden kann. Menschenstärken. Es braucht keinen Motor. Also hat sich dann doch automatisch die Klimafreundlichkeit ergeben. Ganz ohne mein Zutun.
Aber die grundsätzliche Idee basiert auf einem Projektvorschlag für die Kulturhauptstadt Linz 2009, nämlich ein Elefant auf Rädern, mit dem Gäste durch die Stadt treten können. In der Recherche und der Abklärung des notwendigen Gesetzesrahmens hat mir Eva Schobesberger damals verraten, dass vom Gesetzestext her nur Fahrräder ab einer gewissen Breite (Anm.: über 1,10 m) auf der Straße fahren müssen. Sonst nichts. Das war der Anfang.
Die schnellen Autos als Objekte habe ich gewählt, weil es absehbar war, dass das Gefährt ziemlich langsam sein wird und so der Kontrast noch stärker werden wird. Und einen Porsche kennt einfach jeder Mensch – der Archetyp eines Autos.
Motivation ist aber auch die Einzigartigkeit von Fahrrädern – denn da gibt es nichts Besseres. In Hinblick auf Umwelt und auch individuelle Mobilität. Man ist immer schneller am Ziel, kann Dinge transportieren und gewinnt auch Zeit durch die Langsamkeit. Zwar ein Widerspruch, aber doch richtig.

MH: Dein Weg mit velozipeden Objekten beschreitet ja eine Geschwindigkeitskurve vom fahrradadäquaten Tempo (Humpy Horsies) über schätzungsweise Schrittgeschwindigkeit (Ferdinand GT und Fahr­radi Farfalla FFX) bis hin zum völligen Stillstand bzw. Bewegung im Stillstand beim Fahrradi Model MD. Was ist die Intention dahinter, war das geplant? Es wirkt fast so, als wären es drei inszenierte Akte.
HL: Ich möchte das Superlativ immer weiter verstärken. Ich gehe hier in die entgegengesetzte Richtung – die große Masse möchte ja immer schnellere Autos. Ich gehe bewusst in die andere Richtung. Ich hatte zwar früher auch ein schnelles Auto. Man merkt aber mit zunehmender Geschwindigkeit, dass auch der Stress stärker wird. Und es werden ja alle Lebensbereiche schneller. Und hier wird die Langsamkeit zum Luxus. Ich würde meine Räder nie gegen ein 1500-PS-Auto tauschen. Mit dem Fahrradi Model MD wollte ich das total ausreizen. Ausreizen bedeutet, das Objekt steht still. Die Form mit dem sogenannten Haifisch-Maul mimt zwar einen 50er-Jahre-Rennwagen, der aber 0 km/h fährt. Die einzige Funktion besteht darin, dass sich das Rad drehen kann. Und das bewirkt – nach dem Ideengeber der Arbeit, Marcel Duchamp – dass einen das Betrachten aus dem Alltag holt. Das hat mich inspiriert. Und ist für mich auch der Kern der Kunst – dass mich etwas berührt und mich quasi „beiseite“ nimmt.

MH: Deine Objekte spannen den Bogen ihrer Vermittlung vom öffentlichen Raum über Ausstellungsräume bis hin zu TV-Shows und Youtube-Clips. Für welches Format sind sie erdacht? Oder anderes gefragt: Welche Rezeptionsebene ist dir am wichtigsten?
HL: Ich habe einen gesamtheitlichen Ansatz für meine Kunst. Ähnlich wie in der Medizin. Mir genügt nicht ein einziges Objekt, sondern mir ist das Gesamtbild meiner Arbeit sehr wichtig. Das umfasst verschiedenste Medien, Orte oder Techniken. Das kann eine Ausstellung sein, ein Werbevideo, eine Autoshow oder ein Merchandise-Artikel wie ein T-Shirt. Es soll für mich ein Zusammenspiel aller Teile sein und ich möchte eine Atmosphäre schaffen. Esoterisch gesamtheitlich [lacht].

MH: Deine Arbeiten reiben sich stark an Designklassikern. Wie wichtig ist dir die Trennlinie zwischen Kunst und Design? Oder ist „Design“ für dich nur Mittel zum Zweck.
HL: Ja, ist nur Mittel zum Zweck. Aber es macht auch Vergnügen. Zum Beispiel der erste Fahrradi: Hier ein Auto, dass es noch nicht gibt, quasi vorherzusagen und es selbst in die Hand zu nehmen, war sehr klasse. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, für Ferrari als Designer zu arbeiten. Der Ferdinand GT 3 RS war eine Kopie – aber es hat Spaß gemacht, mit der Form zu arbeiten. Außerdem habe ich schon viel Lob von Autofreaks erhalten – die meinen, ich soll weitermachen.

MH: Wir war der Gestaltungsprozess bei den „Humpie Horses“?
HL: Die „Humpie Horses“ sind aus einem Spiel mit Material und Fahrrädern entstanden – das hat mir unglaublich Spaß gemacht und ich wollte eigentlich nicht mehr aufhören. Obwohl die Formen immer ausladender wurden. Ursprünglich war das gar nicht als Kunstprojekt gedacht. Ich habe einfach begonnen und konnte eben nicht mehr aufhören. Das verbindet mich mit Duchamp – die Barhocker (Anm.: auch ein Teil des Objekt Fahrradi Model MD) waren auch nur fürs Atelier gedacht und wurden dann erst zum Kunstwerk. Das erste „Humpie Horse“ war mein Alltagsrad. Das positive Feedback auf der Straße hat mich dazu bewogen weiterzumachen. Ich war total ungebremst und machte immer weiter. Ohne Reglements, die einen sonst im Kunstbetrieb oft ein wenig behindern.

MH: Danke für das Gespräch!

 

Cycling Art University Urfahr (C. A. U. University)
Der Kunst-Fahrrad-Salon inmitten von Urfahr.
Ausstellung und Bar mit Beiträgen u. a. von David Kapl, Birgit Finster, Tatjana Schinko & Lama Ghanem, Fino Felix Vierlinger, Christine Pavlic und Hannes Langeder
Termin: jeden Do 18.00 – 21.00 h
Ort: Alte Kunstuni Tiefgarage Urfahr/Reindlstraße
Infos: https://bit.ly/37JILfD

Zur Person
Hannes Langeder (*1965) ist bildender Künstler, bekennender Auto- und Fahrradfreak, Fahrradaktivist, Gründer und Mitbetreiber des KünstlerInnenkollektivs IFEK (Institut für erweiterte Kunst). Er betreibt gemeinsam mit KollegInnen auch das Salonschiff Fräulein Florentine am Urfahraner Donauufer. Er lebt und arbeitet in Linz und Puchenau.

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl): Künstlerhaus Wien, Museum der Arbeit Hamburg, Lentos Kunstmuseum Linz, Industriemuseum Chemnitz, Gallery onetwentyeight new york, MAK – Wien, Ars Electronica Festival.

Show und öffentliche Auftritte (Auswahl): BBC Top Gear, IAA Frankurt, Architekturbiennale Köln, Art Tours Stuttgart.
Infos: han-lan.com

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