Editorial
Wir begrüßen unsere LeserInnen im Herbst und Winter 2016 mit recht eindeutigen Gefühlen zur Zeit und einem Cover, dessen Werk aus der Ausstellung „Gemischte Gefühle“ stammt. Die Ausstellung im Landesmuseum hat unsere jüngste Autorin Léonie Hubauer für uns auf Seite 3 besprochen. Einen größeren Zeitsprung – sowohl was das Alter der Autorin Lisa Spalt als auch die Wirkungsgeschichte eines Denkmodells aus dem 18. Jahrhundert anbelangt – machen wir mit dem Phänomen des Psittacismus, der einerseits vergessen, andererseits höchst wiederauferstanden seine freche Fresse ins Angesicht der Welt hält. Das erklärt so einiges emotionale Ungleichgewicht, das wir aktuell wahrnehmen. Pamela Neuwirth rundet den fühlenden Einstieg in die Herbst/Winterausgabe der Referentin ab – mit einem Porträt der Malerin Claudia Nickl und einer Haltung, die trotz lebensweltlicher und künstlerischer Schwierigkeiten nur als individuell und widerständig bezeichnet werden kann.
Einen kleineren Schock bescherte uns Stella Rollig, die nun – und wir gratulieren auf das Allerherzlichste – bereits im Jänner das Linzer Lentos verlässt, um künstlerische Direktorin des Belvederes zu werden. Wir erinnern uns an die vielen medialen Angriffe und Peinlichkeiten, die speziell die Anfangszeiten von Frau Rollig in Linz begleitet haben und nun zur Bekanntgabe ihres Abschiedes wohlmeinend verhüllt und auf kleiner Flamme wieder aufgekocht wurden. Elisabeth Lacher, die das Interview mit Stella Rollig geführt hat, stellt in den lokalen Mainstreammedien ein, wir zitieren, „quasi unbegrenztes Maß an Kleingeistigkeit, Ignoranz und Snobismus“ fest, weiter: „… welches Stella Rolligs großartige Arbeit für das Lentos Kunstmuseum und somit für Linz für die Öffentlichkeit verzerrt und in Schieflage darstellt. Gut, dass manche Faktenlage dann auch für sich spricht: nämlich die direkte Berufung aus der Direktion des Lentos in die Direktion des Belvederes“. Wir schließen uns dieser Einschätzung an und es bleibt zu hoffen, dass die Politik in der Nachbesetzung wieder genug Mut beweist, um hier Position zu beziehen. Wir schließen uns außerdem dem Schlusssatz von Robert Stähr an, der das Haus Salzamt betrifft – und der bitte selbst beim Text über das Projekt „Goodbye Wittgenstein“ nachzulesen ist. „Salzamt bleibt“ am Cover ist übrigens als Aufforderung an die Politik zu lesen, die Entscheidung, das Haus zuzusperren, nochmals zu überdenken. Außerdem bezeichnet es auch ein verwundertes Reflektieren eines Politikstils, der Holger Jagersberger, den Leiter des Salzamtes, mit einer angekündigten Schließung konfrontierte, die er selbst aus den Medien erfahren hatte. Insgesamt: Viele wünschen sich hier ein produktiveres Zusammenwirken der kulturellen Kräfte in der Stadt.
Wie immer bleibt die Aufforderung, sich selbst durch die vielseitigen Inhalte des Heftes zu lesen. 0% postfaktischer Müll meint jedenfalls für uns nicht nur Berichterstattung mit Menschen, die ihre Sache ernst meinen, sondern auch eine Haltung, den mittlerweile üblichen medialen Doublebind aus „knackiger Kritik“ und „zündelndem Bedauern“ nicht mitmachen zu wollen. Let’s make Kulturjournalismus great again: Psittacismus lässt grüßen.
Es grüßen außerdem
die Referentinnen Tanja Brandmayr und Olivia Schütz
www.diereferentin.at
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