Elke Punkt Fleisch

Die Bildende Künstlerin, Bildhauerin und Keramikerin Elke Punkt Fleisch kommt auch ohne verbale Wegweiser des Denkens aus. Das ist rar, impliziert Talent und eine außerordentliche Peilnadel zur Kunst – meint Andrea Lehmann.

Die Tendenz, dass bildende KünstlerInnen im Stillen arbeiten und dass es wichtig ist, sich als InteressierteR persönlich an der Kunstentdeckung zu beteiligen, ist seit jeher so. Doch durch Passivitätsschübe von Kunstinteressierten ist es schwieriger geworden. Für KünstlerInnen der sichtbar haptischen Gedankenfreimachungen ist es kaum möglich, ohne Kunstvermittlungspilze/ Aufbereitungshäuser an den Menschen zu kommen. Und für die Leut ist es schwieriger, durch die Membran der Aufbereitung zu schlüpfen, um sich ein Leben mit der Kunst anzueignen. Über die Medien werden Lebensläufe erschlichen, Fotos und dokumentarische Kunst-Kunsttexte konstruiert, aber das Leben mit der Kunst an sich macht das nicht aus. Und einige fordern diese Entwicklung durch ihre Arbeitsweise geradezu heraus. Dazu gehört Elke Punkt Fleisch.

1980 in Grieskirchen geboren, begibt sie sich sehr jung aus dem unvorbelastet-ländlichen in ein künstlerisch-städtisches Umfeld. Für die sensible Sucherin begann ein Befreiungsweg. Hierbei sollte der Linzer Bildhauer und Maler Erich Ruprecht die ersten Kunstversuche der damals erst 16-Jährigen unterstützen. Es stehen am Anfang mehrere Optionen zur Debatte. Elke Fleischs Peilnadel ist auf Malerei, Bildhauerei – und auf noch Unbekanntes gestellt. Das noch Unbekannte wurde später dann zum Ankommen im Bachelorstudium Keramik von 2003–2008 an der Kunstuni Linz. Dies führte dazu, ihre grundlegende Tendenz zur Dreidimensionalität auszuleben und förderte ihre Fähigkeit, im verwendeten Material mehrere Dimensionen sichtbar und erlebbar zu machen. Wie ihre Körperabformungen, die bis heute – wunderbar reduziert – abstrakter Bestandteil der künstlerischen Entwicklung sind. Ich entdeckte die ersten Handabformungen, betitelt mit Reigen 2005/06. Hier stellte sich mein Bezug zu Fleischs bildhauerisch-keramischen Arbeiten ein. Die zwölf Kleinskulpturen beherbergten die Möglichkeit von Berührung – in keramische Formen gebunden. Aber die Konzeption der Arbeit erschloss sich mir erst in Kombination von gebrannter Keramik mit einem Reigen, der tatsächlich performt wurde.

Im Masterstudium der Plastischen Konzeption belegte sie, aus Interesse am Handwerklichen – sowie an den postkommunistischen Gesellschaften – 2009 ein Semester Bildhauerei und Malerei an der Kunstakademie in Krakau. Fleisch entwickelte die Skulpturenserie Working Class Heroes, über die Martina Gelsinger, Kunsthistorikerin, schreibt: „(…) An Stelle des Materials als Trägerin von Repräsentation, stellt sie Werkstoffe (…)“ Erst auf den zweiten Blick provokant, weil mit geschlossenen Augen gar nicht heroisch: Auf Bauziegel gestellte breite Männerfiguren, in Keramikweiß mit Maurerwerkzeugen in Händen und in Schlaftextilien gehüllt. Sickert da der Eindruck von Schlafenden ins Arbeitsbewusstsein? Auch die Vorgängerarbeit, Allzweckreinigerinnen, von 2007–10 entstanden, gehören zum sozialkritischen, figuralen Ansatz von Elke Punkt Fleisch. Hier waren putzende, kopftuchtragende Frauen zu sehen, aus weißer Keramik. Die in mehr als zehn Ausstellungen, z. B. in Bornholm in Dänemark, ausgestellten Arbeiten wurden noch 2016 als Aushängeschild angefragt. Eine Wahnsinns-Karriere für kopftuchtragende Frauen! Zu dieser Art der figürlichen Auffassung könnte auch der Gurkerlflieger zählen, wäre da nicht der Aspekt der surreal-zerteilten Ästhetik. Die als kinetisches Objekt bezeichnete, mit Motor bewegliche Skulptur, ist in erster Linie aus Ton gefertigt und bezieht sich auf Erntearbeit und Arbeitsmigration. Metall, Holz, Gummihandschuhe und Textil verstärken die Schwerfälligkeit der inneren Diskrepanz unserer (Ver)Sklaverei, die die Künstlerin selbst durch das Abformen der über 1000 Gurkerl, die den Boden der Skulptur bilden, am eigenen Leib erspürt haben musste.

Eine verstärkte Zuwendung zur sinnlichen Erarbeitung wird bei Elke Punkt Fleisch 2012 ersichtlich, so etwa in Ghosts. Es ist die Eigenschaft der Keramik und deren Form, die maßgeblich scheint. Auch in Das Maß ist voll, eine keramische Performance, wo ungebrannte Tongefäße mit Wasser gefüllt, ihrer Vergänglichkeit hingegeben werden. In der interaktiven Installation H2OHHH! zeigt sie 2015 ungebrannte Rosenkugeln aus Ton, von Weidenzäunchen umschlossen, auf Teichwannen gesetzt. Diese „Keramikgärtchen“ durften mit Wassersprühflaschen von BesucherInnen „zerflossen“ werden. Die sinnliche Essenz dieser zerflossenen Erkenntnisse brannte Fleisch zu grünlich-oliv glasierter Haltbarkeit. Dies wurde dann zu Rosenkugelobjekten in I Never Promised You A Rose Garden. „Ungebrannter Ton hat mehr sinnliche Substanz. Gebrannter Ton wirkt irgendwie … leerer; zumindest ändert sich was“, sagt Elke Punkt Fleisch im Gespräch. 2014 kehrt Elke Punkt Fleisch markant in die abstrakte Qualität der frühen Handabformungen zurück. Sie erweitert Körperabdrucke von Yogastellungen, in den Auffangbecken 1 und 2. Mit körperlicher Präsenz und Anstrengung wird die amorphe Form umgesetzt. Nichts ist dem Zufall überlassen. Ein vergleichbar intensiver Ansatz dann auch ein Jahr später in den Stillereien – hier setzt sich die Eigentümlichkeit von Körperlichkeit fort. Diese Keramiken, einerseits Berührungskörper des Stillens zwischen Kind und Mutter, sind andererseits Berührungsorte, eingebettet im rosa Textilpolster, als Entsprechung umhüllender und undefinierter ambivalenter Gefühle.

Für den Tag des offenen Ateliers im Oktober entwickelt Elke Fleisch gerade Pullover-, Hemdärmel- und Kragengefäße unter dem Titel Fleischhäppchen. Diese sind angedockt an die vorhergehende Skulpturenserie Von der Stange. Genauso zeigt sie bei dieser Gelegenheit die neuere Serie Hoch sollen sie leben, kleine weiße Remakes von Geburtstags- und Jubiläums-Figuren der Landbevölkerung. Hier praktiziert Fleisch meiner Meinung nach reinigenden Voodoo. Ein anderes neues, von Linz Export gefördertes Projekt, wird Fleisch als Projektleiterin verfolgen, mit den KünstlerkollegInnen Terri Frühling, Wolfang Fuchs, Barbara Klammer und Hanja Niederhammer: In Kemenesmagasi fühlen sie in Ungarn dem Phänomen der österreichischen „Aussteigerpensionist_innen“ nach, im Galerieraum Raumschiff wird präsentiert. Zuletzt greift Elke Punkt Fleisch im Gespräch – mit ihr anzusehender, verschmitzt wirkender Freude – ihre „Körperabformungen“ wieder auf – unerwarteter Weise mit einer Arbeit über Stifter, die sie erwähnt – den Schädel. Er wird im Herbst in der Stiftervilla Kirchschlag gezeigt.

Mit Gespür für ihre Kunst emanzipierte sie sich von Konventionen. Ihre Peilnadel scheint sich im Herzen der Linzer Kunstszene angesiedelt zu haben. Und ihre Art künstlerischer Argumentation mäandert von Figuralem-Sozialkritischem zu abstrakter Verinnerlichung und wieder zurück. Ich würde behaupten, ein Markenzeichen, wo es unbedingt notwendig ist, sich von Eigenheit und der Atmosphäre vor Ort zu überzeugen.
Elke Punkt Fleisch schafft es, bildhauerische Konzepte, Ton und dessen langfristige Prozesse mit performativen Elementen zu verbinden, also das Keramisch-Skulpturale auf die gegenwärtige, schnelle Welt zu transferieren. So schrieb Cecile Dujardin von der Angewandten Kunst in Wien: „Elke Punkt Fleisch’s work cannot be reduced to a particular style. The artist moves light heartedly back and forth between realism and abstraction (…)“

 

„Schädel“, Gemeinschaftsausstellung
Eröffnung: 15. 9. 2018
Stiftervilla Kirchschlag
Kirchschlag 38, 4202 Kirchschlag bei Linz

Tage des offenen Ateliers
20. und 21. 10. 2018
Öffnungszeiten: 14:00–18:00 Uhr
gemeinsam mit Monika Migl Frühling, Terri Frühling, Wolfgang Fuchs, Elke Punkt Fleisch Atelier Migl Frühling
Im Tal 3, 4040 Linz

„Kemenesmagasi“
Gemeinschaftsausstellung
Eröffnung: 26. 10. 2018
Raumschiff
Pfarrplatz 18, 4020 Linz

Aufmerksamen LeserInnen wird nicht entgangen sein, dass Elke Punkt Fleisch gemeinsam mit Terri Frühling „Die kleine Referentin“ in diesem Heft gestaltet.
www.elkepunktfleisch.at

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