Im Labyrinth der T/Raummaschine
Im Außenschauraum des KunstRaums Goethestrasse xtd. ist noch bis Ende September Bernd Oppl zu sehen. Pamela Neuwirth schreibt über die auf wenigen Quadratmetern und besonders nachts ihre Wirkung entfaltende Ausstellung „Keep it all inside“.
Es war einmal ein Telefonshop, der vom KunstRaum Goethestrasse xtd. zum erweiterten Schauraum umfunktioniert wurde; nur durch einen Hausdurchgang ist er vom eigentlichen KunstRaum getrennt. Das Ergebnis ist eine Art Aquariumsituation, durch über zwei Fronten verlaufende Schaufenster. Aktuell zeigt der KunstRaum „Keep it all inside” vom Wahlwiener Künstler Bernd Oppl. Es ist ein Werk, bestehend aus drei Objekten, das an das Motto des KunstRaums anschließt, wo „City of Respect“ auf unterschiedliche Dimensionen von Ängsten und Übergängen verweist. In dem Setting denkt Oppl über Architektur und Film nach. Alle drei Objekte im Ausstellungsraum referieren unmissverständlich Oppls Eintritt in die Erzählung, die von diskreten Spiegelungen der Hausfassaden im öffentlichen Raum handelt. Mitunter beziehen sich die Objekte latent auf den vierten Raum, den Schauraum.
Nachts in der Stadt
Stichwort Latenz: In der hellen Stimmung des Tageslichts setzt „Keep it all inside“ nicht an. Empfehlenswert ist eine andere Zeit, um zum KunstRaum zu schlendern; nachts zum Beispiel. Oppls filmische Umsetzung spielt sich nämlich im Spektrum von Dämmerung und Nachtstunden ab. Im Interview mit dorfTV zitiert Bernd Oppl dann auch Sigmund Freud. Steht man vor dem Schaufenster, erzeugt die stille Rotation der Fassaden in der Nachtsituation einen ganz bestimmten Ton; der Farbton des inszenierten Lokalkolorits im Film ist ein dunkler.
Mittels der konstruierten Raummaschine überlagern sich Hausfassaden, die durch Projektion in Monaden verlaufen. In dem im Schauraum befindlichen schwarzen Kubus verbirgt sich eine Konstruktion aus rotierenden Scheibenwischermotoren und Keilriemen, welche dreieckige Hausmodelle auf zwei kleinen Drehbühnen bewegt; eine Kamera nimmt diese Bewegungen auf. Der Film bricht sich in Echtzeit durch die Glasscheiben des Schauraums Bahn. Im inszenierten Wechselspiel aus Oberflächen und Übergängen sind die statischen Hausfassaden der Goethestraße aber miteinbezogen. Zufällig vorbeikommende Passanten wie Kunstbetrachter sind die einzigen Schausteller in Oppls Film. Nur, wovon erzählen diese Architekturen und welche Befindlichkeiten tauchen im Menschen auf, wenn er sich in einem Labyrinth aus Fassaden wiederfindet, ähnlich dem Kanalgewirr von Terry Gilliam? Wann kippt in den Kaskaden aus Fassaden die Gewissheit des Gewohnten? Wann erzeugen die stummen Zeugen – die Fassaden – eine Fremde und wann entsteht der unheimliche Moment? Die zweite Koordinate zum Raum ist die Zeit. Oppl bringt sie durch das Tempo des Rotierens zum Ausdruck. Die Langsamkeit, in der die Fassaden ineinander übergehen, ist ein erstes Indiz des Unheimlichen. In Bezug auf das Motto des KunstRaums steht die Arbeit gewissermaßen vor der Angst, denn sie lotet das noch Verborgene und das Unausgesprochene in einer (nächtlichen urbanen) Situation aus. Für den Künstler ist das Medium Film zumindest auch ein Ausstiegsszenario aus der Enge moderner Städte. Film wird in der städtischen Beengtheit zur Notwendigkeit, wird zu einer erdachten Erweiterung, wie Walter Benjamin das nannte.
Romantische Displays, dahinter das Leben
In der Raumkomposition stellt Bernd Oppl dem Film über städtische T/Raummaschinen zwei weitere Objekte bei. Die beiden dreidimensionalen Modelle fordern – jeweils als architektonische Solitäre gedacht – einen subjektiven Zugang des Betrachters heraus, der sich im Spannungsfeld von öffentlich und privat entspinnt. Die Geschlossenheit einer Hausfassade impliziert ja immer auch das private Leben dahinter.
Grundsätzlich gilt wohl, dass ein Plattenbau mit Satellitenschüsseln ebenso poetisch sein kann, wie ein pittoreskes Gebäude, manchmal ist er das sogar noch mehr, wegen der unverhofften Zartheit, die mitunter in der Gleichförmigkeit entdeckt werden will. Eine Zartheit, die auch dem ausgestellten, von innen beleuchteten Miniatur-Plattenbau innewohnt. Zwar handelt es sich um eine Poesie an der Oberfläche des Gebäudes, das wechselnde, an Fernsehlichtgeflacker erinnernde Lichtspiel deutet aber das Leben hinter der Fassade an. Immer bleibt da die Gewissheit des Nichtwissens. Welche Geschichten erzählten die Wohnungen der Menschen, könnte man Einblick nehmen? Was passiert in ihren von Vorhängen verschleierten Lebensräumen? Die Fremdheit bleibt bestehen, die Diskretion aufrechterhalten. Der Betrachter des Modells mag sich durch die pastellfarbigen Lichtpunkte auf der Fassade zum Versonnensein eingeladen fühlen, doch auch hier tritt inmitten des poetischen Lichtspiels das unheimliche Moment auf – in Form der bestehenden Anonymität, die konstant vermittelt bleibt.
Japanische Faltbögen um die Ecke gedacht
Das andere Modell versieht der Künstler mit einer so absurd anmutenden Krümmung, womit die Architektur vielleicht dahingehend dekonstruiert wird, als dass aus und mit dem Gebäude ein eigener Körper entsteht, der beinahe etwas Menschliches suggeriert. Das nach vorne zum Betrachter gebeugte Haus könnte beispielsweise auf etwas Verletzliches, auf etwas Schmerzhaftes hindeuten. O-Ton Oppl zur Krümmung: „Vielleicht ist dem Haus schlecht?” Oppls Eingriff in die Statik und die Verzerrung von zweidimensionalen Hausfassaden auf ein dreidimensionales Objekt mit Hilfe japanischer Faltbögen scheint zumindest neue Interpretationsmöglichkeiten anzudeuten, die auch offen für Zuschreibungen menschlicher Befindlichkeiten bleibt. Das Objekt Haus verrutscht, beziehungsweise krümmt es sich ins Subjekthafte hinein. Es stellt sich die Frage: Welche Gefühle kann man gegenüber Architekturen entwickeln?
Interessierte Besucher haben am 25. September die Möglichkeit neben dem Werk, auch den Künstler im KunstRaum Goethestrasse xtd anzutreffen, dann werden Bernd Oppl und Andreas Kurz in der Dämmerung (19.30 h) in einem Ausstellungsspecial Musik zur Architektur hörbar machen.
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