Klingelingeling! – Ausfahrt mit Ottawa
Wer sich in der österreichischen Fahrradszene bewegt, wird früher oder später auf die Wienerin Barbara Ottawa treffen. Sie ist Journalistin, Vielfahrerin und begeisterte Langstreckenfahrerin. Sie war die erste Frau, die an einem Tag die 200 Kilometer-Strecke bei In Velo Veritas knackte. Dennoch, als Fahrradaktivistin würde sie sich nicht bezeichnen, da sie ihre Zeit lieber mit dem Radfahren verbringt. Ein Interview von Johannes Staudinger.
Was waren deine ersten Erinnerungen ans Radfahren und was hat in dir die Begeisterung dafür ausgelöst?
Als Kind hat Radfahrenlernen einfach dazugehört, es war spannend, was Neues, gewisse Freiheit. Ich bin auch immer wieder die 10 km ins Gymnasium geradelt – aber damals nur bei Schönwetter. Allerdings habe ich dann, als ich nach Wien und kurzzeitig nach London gegangen bin, eigentlich für mehrere Jahre komplett mit dem Radfahren aufgehört. Erst vor nicht einmal 5 Jahren hat mich meine kleine Schwester einmal zu einer Radveranstaltung (das erste Tweed Ride Picknick in Wien in der Freudenau) mitgenommen. Seither bin ich eigentlich kaum mehr vom Rad gestiegen. Über einen neuen Bekannten aus der Tweed-Runde bin ich zum Langstreckenfahren gekommen. Bei der Critical Mass habe ich einen Boten kennengelernt, der mich mit dem „Transport-Fieber“ angesteckt hat.
Als Betreiberin des Blogs viennabeo.net schreibst du regelmäßig über Themen rund ums Radfahren. Wie gehst du bei der Auswahl deiner Themen vor? Fliegen dir die Inhalte einfach so zu?
Ich schreibe einfach sehr gerne. Das mach ich schon länger als Radfahren! Und mit dem Radln habe ich einfach eine völlig neue Themenwelt entdeckt. Einerseits, weil viele Leute (auch andere Radfahrer) z. B. meine Begeisterung für Langstrecken nicht verstehen, das muss ich ihnen erst erklären. Und andererseits habe ich auch ein völlig neues Publikum – für andere Radfahrer kann ich Texte über Dinge schreiben, die wir wahrscheinlich alle erleben oder sie über Radfahrerlebnisse im Ausland, bei Reisen etc. informieren.
Deinen Lebensunterhalt bestreitest du als professionelle Journalistin in der internationalen Finanzwelt. Daneben schreibst du aber auch für die Wiener Zeitung, dazu in der Geschichtsbeilage „Zeitreisen“ und den Drahtesel der Radlobby. Wie stark unterscheiden sich die einzelnen Herausforderungen, für dieses oder jenes Magazin zu schreiben?
Auf diese Weise bleibt es spannend. Ich mag es, für unterschiedliche Zielgruppen und über diverse Themen zu schreiben. Es passiert, finde ich, sehr leicht, dass man sich in einem Spezialgebiet „ausruht“ und dadurch aber die Fremdperspektive auf das Thema verliert. Aber ohne diese Sicht von außen kann man meiner Ansicht nach nicht gut schreiben. Und um zwischen unterschiedlichen Texten den Kopf frei zu bekommen, kann ich mich ja jederzeit aufs Rad setzen – und sei es nur für einen Ortswechsel vom Home-Office ins Kaffeehaus. So gesehen ist das Radfahren fast wie der eingelegte Ingwer beim Sushi – der Geschmacksneutralisierer.
Für das Drahtesel-Magazin hast du an einem Spezial zu Fahrradwirtschaft in Österreich mitgewirkt. Nun wurde auch in Wien die Wiener Fahrradschau, die Schwester der Berliner Fahrradschau, als neues Messeformat präsentiert. Wie siehst du die Bestrebungen, das Fahrrad in Österreich wieder stärker in ein wirtschaftliches Rampenlicht zu stellen?
Grundsätzlich eine wichtige wirtschaftliche Schiene und auch ein tolles Geschäftsfeld. Wie überall gibt es aber natürlich auch in der Fahrradwelt jene, die nur Profit machen wollen und das um jeden Preis. Und dann gibt es die, die schon lange in dieser Fahrradwelt leben, arbeiten und von vielen neuen „hippen“ Profitwegen ausgeschlossen bleiben. Oft wird das Fahrrad und fahrradbezogene Botendienste, etc. von Firmen noch immer eher als „netter Werbegag“ gesehen, denn als ernst zu nehmende Dienstleistung.
Du bist auf dem Rad eine Vielfahrerin, fährst Langstrecken alleine und bei Vintage Rides, bist bei Tweed Rides dabei, stellst nebenberuflich Pakete als Fahrradbotin zu und bewegst dich auch sonst mit dem Rad durch die Stadt. Was muss passieren, damit du einmal nicht mit dem Fahrrad unterwegs bist, und was macht den Reiz der unterschiedlichen Facetten aus?
Letztes Jahr konnte ich nach einem Fahrradsturz ein Monat nicht radeln und dieses Jahr bin ich einmal mit der U-Bahn zu einem Treffpunkt gefahren, weil wir eine mehrtägige Wanderung gemacht haben. Ansonsten fällt mir nicht viel ein, das ich ohne Fahrrad mache. Ein Opernbesuch im Abendkleid gilt zum Beispiel nicht als Ausrede, weil man sich am Zielort fast immer umziehen kann! Auf Dienstreisen mit dem Zug kommt das Faltrad mit. Und wenn das Fahrrad mal in die Werkstatt muss, geht es mit dem City-Bike nach Hause. Die unterschiedlichen Facetten haben sich mehr oder weniger ergeben: Meine erste wirkliche Langstrecke bin ich gefahren, weil ich ohnehin von Wien nach Graz musste, Botenfahren ist einfach ein toller Ausgleich zum Sitzjob und man kann etwas Sinnvolles tun, während man Intervalltraining macht. Und gerade in Wien macht es sowohl zeit-technisch als auch wegen größerer Flexibilität für mich immer Sinn, mit dem Rad zu fahren.
Wie und wo findest du deine Räder? Welches Fahrrad fand zuletzt in deine Sammlung?
Am Anfang waren alles Second-Hand-Stahlrahmen, teilweise klassisch auf einem Vintage-Flohmarkt gekauft. Teilweise mit befreundeten Mechanikern neu zusammengestellte Single-Speeds oder Rennräder. Seit kurzem habe ich ein nagelneues Cross-Bike mit Scheibenbremsen und integrierter Schaltung – das macht auf Langstrecken schon Sinn. Die 320 km der Donau entlang hab ich zwar auch ohne geschafft, aber angenehmer wird die nächste Reisefahrt sicher.
Oft bist du auch in Linz auf dem Rad anzutreffen, aber auch viel in Wien, Graz und anderen Städten der Welt unterwegs. Welche Stadt gefällt dir bezüglich Fahrradkultur und -mobilität am besten, was sagst du zu Linz, und was sind deine Maßstäbe für eine fahrradfreundliche Stadt?
Hier eine Wertung vorzunehmen, ist wirklich schwierig. In jeder Stadt, in der ich bisher geradelt bin (eigentlich nur Mitteleuropa) gibt es Positives sowie Negatives. Oft gibt es tolle Ansätze, aber bei näherem Hinsehen manchmal nur Einzelprojekte. Sicher gefühlt habe ich mich überall ungefähr gleich. Natürlich sind kleinere Städte wie Linz „gemütlicher“, weil meiner Einschätzung nach der „Straßenkampf“ weit weniger aggressiv ausgetragen wird als in Wien. Das ist nämlich eines der größten Probleme in Ballungsräumen, dass es ein „jeder gegen jeden“ unter den Flächennutzern gibt, da muss man sich auch immer selbst an der Nase nehmen und z. B. bedenken, dass Autofahrer ein viel eingeschränkteres Sichtfeld haben und Fußgänger hinten keine Augen.
Eine radfreundliche Stadt ist es für mich dann, wenn sich jemand offensichtlich Gedanken darüber gemacht hat, wo für Radfahrer sinnvollerweise Platz ist – und nicht nur z. B. auf einer Brücke einen schmalen Streifen für Radler abgezwickt hat, oder Radfahrerüberfahrten hinter parkenden Autos versteckt.
Das kommende Jahr feiert das Fahrrad seinen 200. Geburtstag. Was wird bei dir im Fahrrad-Kalender 2017 fix eingeplant sein?
Auf jeden Fall die Piratislava – eine von BotInnen organisierte Schnitzeljagd nach Bratislava im Jänner, bei der man sich natürlich als Pirat verkleiden musst. Immer wieder werde ich auch bei der monatlichen Critical Mass teilnehmen. Dann natürlich die Tweed Rides in Wien und vielleicht auch mal andernorts. Die In Velo Veritas auf alten Stahlrahmen darf nicht fehlen. Eine Radreise wäre auch mal wieder fällig – vielleicht Kroatien. Und wahrscheinlich eine Charity-Fahrt entweder Passau-Wien oder Wien-Klagenfurt – an einem Tag natürlich. Und dazwischen mit Packerl am Rücken quer durch Wien.
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