Konsequenzen, Schwimmen, Fliegen
YAAAS! bei Crossing Europe: Innerhalb der neuen Jugendschiene wurde von Gleichaltrigen ein Spielfilmprogramm von sechs Filmen mitprogrammiert. Drei davon hat sich die von der Referentin beauftragte Schülerin Valerie Straßmayr im Vorfeld angesehen – und gibt einen Vorgeschmack auf ein Programm zwischen Roadtrip und Coming of Age, und auf mögliche Diskussionsthemen.
Posledice / Consequences.
Es wird Konsequenzen geben! Glaub nicht, dass du so davonkommst! – Aber welche Konsequenzen kann es für jemanden geben, der nichts zu verlieren hat? Posledice ist ein slowenisch-österreichisches Jugenddrama von Darko Štante, was zugleich auch sein Langfilmdebüt ist. Der Film porträtiert das Leben des 18-jährigen Andrej (Matej Zemljic), der, nachdem er vermehrt straffällig auffiel, zu einem Aufenthalt in einem Heim für kriminelle Jugendliche verurteilt wurde. Dort soll er resozialisiert und für die Arbeitswelt vorbereitet werden. Doch sobald er ankam, merkt er, dass hier eine ganz andere Hierarchie herrscht, in der er, zumindest derzeit, ganz unten ist. Die Alphas Žele (Timon Šturbej) und Niko machen sich einen Spaß daraus, Andrej zu mobben. Die Betreuer sind hilflos und überfordert. Das wird Konsequenzen geben! Ich werde sonst die Polizei rufen müssen! – Schon sind sie am Ende ihres Vokabulars. Nichts und niemand kann die Jugendlichen stoppen. Im Heim lernt Andrej seinen Zimmergenossen Luka kennen, dieser bestreitet den Alltag, indem er ein Mitläufer ist und sich nicht gegen Želes Clique wehrt. Andrej möchte mehr, er will Teil der Gruppe werden. Nun darf er die Jungs am Wochenende, der Freizeit, auf Partys begleiten. Sie nehmen gemeinsam Kokain und andere Drogen. Sie stehlen Autos und schlagen Leute zusammen, es kommt sogar zu einer Messerstecherei. Andrej verfängt sich immer mehr in dem Netz aus Lügen und Gewalt, aus dem er nicht mehr aussteigen kann. Seine Position in der Gruppe festigt sich vor allem, nachdem ein Neuer ins Heim kommt. Mitar wird das nächste Opfer, das an seinen Platz verwiesen wird. Zwischen Žele und Andrej kommt es zu einer sexuellen Annäherung. Sie tanzen gemeinsam und küssen sich, am Ende schlafen sie miteinander in einem Hotel. Žele lebt seine Homosexualität nicht offen. Er hat eine Freundin, Svetlana, die aber von seinen Neigungen weiß. Der verliebte Andrej macht nun alles für Žele. Auch von Luka treibt er Geld ein, er ist korrupt und kalt. Dadurch verliert er seinen einzigen, wirklichen Freund. Als er 300 Euro von einem „Zigeunerjungen“ eintreiben soll, öffnen sich Andrejs Augen. Žele hat ihn die ganze Zeit nur benutzt, um seine Drecksarbeit zu erledigen. Als Andrej vor Žele Gesicht zeigt, merkt er, wie hinterlistig und unfair gespielt wird. Aus dem Teufelskreis gibt es kein Entkommen, am nächsten Morgen soll er erfahren, wie es einem Aussteiger geht. Posledice ist ein emotionaler Film, der die Fragilität der Männlichkeit porträtiert. Regisseur Darko Štante beschreibt die noch sehr verbreitete Homophobie im slawischen Raum. Gleichzeitig spricht er die Probleme in solchen Heimen, wie jenes, in dem Andrej lebt, an. Obwohl viele Versuche gemacht werden, um die Jungen zu resozialisieren, machen sie was sie wollen, jegliche Autorität ist wirkungslos. Auch wenn die Teenager fast wie in einem Gefängnis wohnen, sind sie doch so frei wie noch nie. Ihr Leben ist exzessiv, die einzigen Grenzen sind die ihrer eigenen Hierarchie.
Schwimmen.
Es gibt kaum eine Zeit, in der sich so viel verändert, in der so viel neu ist, in der jeder Tag eine neue Weltanschauung bedeuten kann. Schwimmen ist ein deutscher Coming-of-Age-Spielfilm von Luzie Loose, der eine ehrliche und objektive Perspektive auf das Teenagerdasein bietet. Der Beginn der Handlung könnte einem schon bekannt vorkommen. Eine introvertierte Außenseiterin, die gerade die Trennung ihrer Eltern miterlebt, wird von ihren MitschülerInnen gemobbt. Elisa (Stephanie Amarell) hat Kreislaufprobleme und bricht im Schwimmbad zusammen. Ihre SchulkollegInnen nutzen den Moment, um mit ihrem reglosen Körper zu posieren und Fotos zu machen. Diese verbreiten sich binnen des nächsten Tages an der ganzen Schule. Allein ist sie machtlos gegen diese Attacken, doch Anthea (Lisa Vicari) kommt ihr zur Hilfe. Gemeinsam wollen sie sich rächen und arbeiten eine Liste mit Elisas Peinigern ab. Ganz im Zeichen der Gegenwart nutzen sie die Technik und filmen ihre Aktionen. Anthea unterstützt Elisa, doch bringt sie in eine Situation der Abhängigkeit. Das unschuldige Mädchen wird selbst zur Täterin. Die Charakterzüge der zwei Freundinnen unterscheiden sich stark. Während Anthea immer auf sich achtet und egoistische Charakterzüge aufweist, meldet sich bei Elisa das Gewissen. Elisa fürchtet sich davor, wieder einsam zu sein. In jedem Streitpunkt springt sie für ihre beste Freundin ein. Dabei muss sie oft ihre eigenen Ideale verraten. Nach einiger Zeit eskaliert das Spiel der beiden Mädchen, indem sie mittlerweile Videos zur Erpressung nutzen, und Elisa erkennt das wahre Gesicht von Anthea. Die Regisseurin porträtiert diese komplizierte Lebensphase, ohne jedoch zu werten. Die vielen Aspekte, die einen in diesem Lebensabschnitt beschäftigen, werden nüchtern und ehrlich beleuchtet. Liebe, Drogen, Partys und der soziale Druck, der auf den Schultern lastet. Auf Fehler wir nicht mit dem Finger gezeigt und der Film wirkt nicht belehrend. Neben den dramatischen und schweren Momenten werden auch die schönen, von Leichtigkeit erfüllten Augenblicke beleuchtet. Diese Momente, in denen die Kinder alle Probleme vergessen können und sich von der digitalen Welt abschotten. Elisa wächst an ihren Herausforderungen im Film vom Kind zur Teenagerin heran. Sie lernt aufzustehen und für ihre Meinung den Kopf hinzuhalten. Der Film überzeugt auch mit viel Abwechslung im Schnitt zwischen Realität und Handykamera, die ihn umso lebensnaher erscheinen lassen.
Všechno Bude – Winter Flies.
Es gibt nichts Stärkeres als den Bund der Freundschaft. Všechno Bude ist ein Coming-of-Age-Spielfilm von Olmo Omerzu auf Tschechisch. Im Film werden die zwei Teenager Heduš (Jan František Uher) und Mára (Tomáš Mrvík) auf ihrem Roadtrip mit einem gestohlenen Auto durch ganz Tschechien begleitet. Die zwei Freunde könnten nicht unterschiedlicher sein. Heduš ist tollpatschig, naiv und noch sehr kindlich. Der etwas ältere Mára wirkt cool, rational und kalt. Mára prahlt immer wieder mit seinen Frauengeschichten und die zwei gabeln eine junge Frau, Bára, auf der Straße auf. Beide Jungs stellen sich vor, mit ihr schlafen zu werden. Bára wird dabei nicht wirklich als Mensch, sondern als Objekt wahrgenommen. Heikle Themen wie Sexismus, Homophobie und Transphobie, die es noch immer zu überwinden gilt, werden angesprochen. Der Film switcht zwischen den Szenen auf der Straße zu einer Polizeibefragung von Mára. Dabei spielt er mit dem extremen Kontrast der Freiheit und der Gefangenschaft. Während der Befragung kommen wiederholt Aufnahmen einer Fliege vor. Zuerst ist ihr Zustand völlig intakt. Im Verlauf des Gesprächs wird sie immer mitgenommener, wie Mára. Durch die Tricks der Polizistin gibt er immer mehr von sich preis. Letztendlich liegt die Fliege im Aschenbecher, bedeckt von Zigarettenstummeln, aber sie kann sich befreien. Am Ende führen die beiden Parallel-Geschichten wieder zusammen. Všechno Bude beschreibt die Vielseitigkeit der Freundschaft, die Ups und Downs. Die Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, zu vertrauen und wie schön es ist, aufeinander zählen zu können. Durch ihre unterschiedlichen Charakterzüge läuft zwar nicht immer alles harmonisch zwischen den Freunden ab, doch sie wachsen durch sich und den anderen über ihren Horizont heraus und finden doch immer wieder zusammen. Am Ende wissen sie, dass dieser Trip noch lange nicht vorbei ist.
Resümee.
In allen drei Filmen spielt Freundschaft eine wichtige Rolle. Posledice und Schwimmen zeigen, wie leicht man in diesem Alter in Abhängigkeit geraten kann. Das Handeln der Personen wird vom Gruppenzwang beeinflusst. Ist man einmal Teil, wird es schwer, sich aus diesem Netz zu befreien. In diesen zwei Filmen sind soziale Medien sehr zentral. Fotos und Videos sind Mittel zur Erpressung – relevant und realitätsnahe.
Všechno Bude porträtiert eine ganz andere Welt, in der Medien eine weniger große Rolle spielen. Die Freundschaft der Hauptcharaktere ist offen und herzig. Heduš und Mára vertrauen einander und können auf den jeweils anderen auch in herausfordernden Situationen zählen.
Das Thema Drogen ist häufig aufgetreten. Es wird sehr objektiv behandelt, aber nicht verherrlicht. Die Geschichten drehen sich nicht um Abhängigkeit, sie porträtieren einfach, dass Drogen für viele Jugendliche eine gelegentliche Realitätsflucht bedeuten. Die Figuren wirken aufgeklärt und verantwortungsbewusst, wie es heute auch die meisten Teenager sind. Auch hier ist Všechno Bude eine Ausnahme, weil Drogen keine Rolle spielen.
Die Coming-of-Age-Filme der neuen Crossing Europe-Schiene Yaaas! sind interessante Aufnahmen, die das Heranwachsen an schweren Aufgaben Jugendlicher repräsentieren. Die Filme sind sehr spannend im Stil und abwechslungsreich. Nicht alle Geschichten hören mit einem Happy End auf, wie im echten Leben. Doch aus den emotionalen Herausforderungen wachsen die Charaktere und werden ein Stück erwachsener.
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