Experimentierfreudige Inszenierung

Kinder mit Schreibwerkzeug am ersten Schultag, Briefe oder unlesbare Kürzel in einem Kalender: Das Linzer Stifterhaus zeigt in der Schau „Etwas schreiben“ Objekte aus Frauennachlässen. Die Kuratorin Sarah Schlatter verzichtet dabei auf einzelne Biografien. Im Vordergrund stehen für sie Schrift und Dokumentieren in ver­schiedenen Facetten.

„Kontinuität“, Kindergedichte Rudolfine Fellinger, 1962–88

 

Etwas schreiben über „Etwas schreiben“. Was für eine groteske Situation, denke ich, als die Kuratorin Sarah Schlatter die rund zwanzig Objekte der Ausstellung erläutert und einige Journalistinnen, Journalisten sich Notizen machen, um über diese Schau, die im allerweitesten Sinn Schrift und Geschriebenes thematisiert, zu schreiben.
Ein kurzer Zeitsprung zurück: Einige Minuten bevor ich im Stifterhaus ankomme, überlege ich, was ich dort vorfinden werde. Ich stelle mir Vorstufen zu Texten, korrigierte Manuskriptseiten, hingeworfene Notizen von Autorinnen vor, die im besten Fall einen ephemeren Einblick zur Entstehung eines bestimmten Werks erlauben. Meine Erwartungshaltung wird jedoch keineswegs erfüllt, was ich bei Präsentationen bisher aber als durchaus bereichernd empfunden habe.

Die aus Vorarlberg stammende und in Berlin lebende Absolventin der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst Sarah Schlatter lässt nämlich Literarisches fast überhaupt beiseite, sondern zeigt die Schrift, das Schreiben im alltäglichen Leben. Dementsprechend eingängig lautet auch der Titel der von ihr kuratierten Schau schlicht „Etwas schreiben“. Sie zog dafür Tagebücher, Taschenkalender, Zettel und Manuskripte von Frauen heran. Schlatter präsentiert das Material in einer eigenständigen Inszenierung. Und gerade diese Inszenierung ist es auch, die im Zentrum ihrer Arbeit steht, was auch mit der grundlegend selektiven Auswahl der Beispiele bestens korreliert.
Ziemlich zu Beginn der Ausstellung sieht die Besucherin, der Besucher keine Schrift, sondern Schwarz-Weiß-Fotografien von zwei Schulanfängern aus dem Jahr 1955, die mit ihrem Schreibwerkzeug in der Hand erwartungsvoll-fröhlich in die Kamera blicken. Ahnen die beiden Kinder womöglich, dass sich ihnen durch die Fähigkeit des Schreibens schon bald eine neue Welt erschließen wird?
Ein weiteres Exponat ist als Projektion zu sehen: Blätter eines Taschenkalenders laufen ab. Eine Sekretärin hat von 1986 bis zu ihrem Tod 2011 mittels teils sogar übereinander geschriebenen Kürzeln, die aber wohl nur sie entziffern sollte, ihr eigenes tägliches Leben, das jeweilige Wetter, ihre Pflichten und Termine notiert. Auf diese Weise enthüllt sich ein Lebensabschnitt vor dem Betrachtenden, lässt die Veränderung von einer individuellen Schrift innerhalb von 25 Jahren erkennen. Sarah Schlatter verzichtet bei dieser Ausstellung auf die Thematik der spezifisch weiblichen Schrift, falls es denn eine solche gibt, sondern setzt auf Individualität, es geht ihr um das Schreiben und Dokumentieren.
Das Schreiben abseits eines qualitativen Anspruchs gehört anscheinend zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Ob der derzeitige Trend zum wieder handgeschriebenen Tagebuch auch auf dieses Grundbedürfnis weist oder eher Ausdruck einer narzisstischen Gesellschaft ist? Die Gegenwart, auch die Schrift und das Schreiben im Kontext der Digitalisierung hat Sarah Schlatter in dieser Ausstellung nicht in ihre Überlegungen einbezogen, was aber keineswegs als fehlend empfunden wird. Die Dokumente dieser Ausstellung stammen aus der Sammlung Frauennachlässe an der Universität Wien und des OÖ. Literaturarchivs des Linzer Stifterhauses und reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück, wobei der Großteil aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammt. Ein Stück Zeitgeschichte verbindet sich hier mit dem Erleben und Dokumentieren einiger Frauen.
An den Seiten der schon erwähnten Tagebuchprojektion hat Schlatter zwei korrespondierende Fotografien platziert. Und gerade eines dieser Objekte bleibt mir im Gedächtnis: Es zeigt eine alte Frau, die sich im Spiegel ihres schon vergilbten Spiegels mit dem Fotoapparat abzubilden versucht. Dieses Bild wirkt auf mich in mehrfacher Weise interessant und berührend. Der Versuch der gebrechlichen Frau, ihr Gesicht festzuhalten, misslingt, weil sie offenbar die Kamera nicht mehr entsprechend halten kann. Sie bleibt so quasi anonym, da sie das Gerät direkt vor ihr Gesicht hält. Was steckt hinter der fast spürbaren Anstrengung der alten Frau? Wollte sie sich im hohen Alter noch ihrer eigenen Identität versichern, am Ende ihres Lebens stehend etwas von sich zurücklassen?
Die Ausstellung dokumentiert wiederholt den Wunsch danach, etwas von sich festhalten zu wollen, etwas zu hinterlassen, und geht über das Schreiben im ursprünglichen Sinn auch durch das gerade erwähnte Beispiele hinaus.
Ihr Ausstellungskonzept hat die Kuratorin durch den Einbezug von Material aus im Stifterhaus befindlichen Nachlässen eigens erweitert. Dies betrifft die 1955 in Linz verstorbene Autorin Enrica von Handel-Mazzetti, der 2006 eine eigene Ausstellung im Stifterhaus gewidmet war, und zum anderen die Greiner Schriftstellerin Rudolfine Fellinger (1921–1996).
Neben ihrer Inszenierung vorhandenen Materials bringt Sarah Schlatter auch selbst geschaffene Arbeiten in diese Ausstellung ein. So hat sie in zwei Arbeiten Buchstabe um Buchstabe bis zur Unlesbarkeit übereinandergeschrieben. Dass sie sich dazu entschieden hat, bei dieser vielschichtigen Schau, die auf sehr unterschiedliche Quellen zurückgreift, auch noch die eigene Aktion als weiteres Element hinzuzufügen, kann man reizvoll finden. Für mich verlässt sie dadurch den Fokus ihrer Präsentation.
Mit „Etwas schreiben“ zeigt die Kuratorin Sarah Schlatter aber ein Gefühl für die Ästhetik einer Ausstellung. Die Platzierung der Elemente, die bedachte Färbung einzelner Wandteile beweisen ihren subtilen Umgang mit der Raumsituation. Und natürlich schwingt gerade bei dieser Schau stets die Frage mit: Wie kommt die Zeit in den Raum?
Nach der im Übrigen auch überzeugenden, opulenten Ausstellung davor – „Bezwingung seiner selbst. Liebe, Kunst und Politik bei Adalbert Stifter“ – geht „Etwas schreiben“ wieder in Richtung einer schlichten Raumbehandlung im Linzer Stifterhaus.

 

Etwas schreiben
Eine Ausstellung von Sarah Schlatter
Unter Verwendung von Archivmaterial der Sammlung Frauennachlässe an der Uni Wien und des OÖ. Literaturarchiv, Linz
Dienstag–Sonntag, 10–15 Uhr
Noch bis 13. Juni
StifterHaus
www.stifter-haus.at

Schwimmen im öffentlichen Raum

Witness the Fitness. Foto Die Referentin

Das ‚DIY Fernsehformat‘

Selbstgebaute Guckkastenbühnen und die Sache mit der Rätebewegung: Das Papiertheater Zunder spielte im Mai im Leondinger Dreierhof das Stück „Pannekoeks Katze“, eine Erzählung über die Idee einer radikalen Erneuerung der Gesellschaft nach sozialistischen und rätedemokratischen Vorstellungen. Die Zunder-Macherinnen Anna Leder, Andreas Pavlic und Eva Schörkhuber geben einen Innenblick über die Bretter des Papiertheaters, die vielleicht die Welt, auf jeden Fall aber die Sehgewohnheiten verändern.

Im September 2018 hat das Papiertheaterkollektiv Zunder im Rahmen des Stadt- und Kunstfestivals WienWoche sein Stück Pannekoeks Katze – Die Sache mit den Räten uraufgeführt. Mittlerweile tourt es durch die Bundesländer und wird an politisch-aktivistischen Orten ebenso gezeigt wie in Klassenzimmern, in Kunsträumen und bei Festivals. Der Titel des Stücks bezieht sich auf Anton Pannekoek (1873 – 1960), den bedeutenden niederländischen Astronomen, Astrophysiker und einen der wichtigsten Theoretiker des Rätekommunismus. Er arbeitete über die Sternverteilung in der Milchstraße und deren Struktur. Politisch war er ursprünglich in der SPD beheimatet, ab 1917 bekannte er sich zum Rätekommunismus und lehnte damit Parlamentarismus, Mitarbeit in den Ge­werk­schaften sowie jegliche Parteiherrschaft ab. Pannekoek hatte mit seinen Veröffentlichungen erheblichen Einfluss auf die rätekommunistische Bewegung in den Niederlanden und in Deutschland. Zu sei­nen wichtigsten Schriften gehört „Lenin als Philosoph“ und „Arbeiterräte“.
Im Stück kommt er u. a. mit folgenden Ge­danken zu Wort:
„Die Räte, schreibt er, sind keine Re­gie­rung; nicht einmal die zentralen Räte ha­ben regierungsartigen Charakter, denn sie verfügen über kein Organ, den Massen ihren Willen aufzuerlegen; sie besitzen kei­ne Gewaltmittel. So webt die Räteorganisation ein buntes Netz zusammenarbeitender Körperschaften in die Gesell­schaft hinein, die Leben und Fortschritt im Einklang mit ihrer eigenen freien Tatkraft regeln. Und alles, was in den Räten beraten und beschlossen wird, erhält seine wirksame Macht aus dem Wissen, dem Wollen und dem Handeln der arbeitenden Menschheit selbst …“

Der Konzeption und Umsetzung des Stückes, das sich mit der kaum bekannten Rätebewegung in Österreich beschäftigt, liegen Überlegungen zu Geschichtsschreibung im historisch-politischen wie im künstlerisch-emanzipatorischen Sinn zugrunde, die wir an dieser Stelle dokumentieren und reflektieren möchten: Wie sind wir zu diesem Thema gekommen? Was hat es mit der Form des Papiertheaters auf sich? Und wie können sich kollektive Schreib- und Inszenierungsprozesse ge­stalten, die darauf fokussieren, historische mit zeitgenössischen Gegen­geschichten zu verknüpfen?

Die Geschichte in der Geschichte
Nachdem die ersten Ankündigungen für das 100jährige Republiksjubiläum auftauchten, begannen wir im Sommer 2017 mit unseren Überlegungen, dieses Thema aufzugreifen. Unser Interesse galt jener breiten Bewegung, die 1918/1919 für eine radikale Erneuerung der Gesellschaft nach sozialistischen und rätedemokratischen Vorstellungen eintrat. Uns war klar, dass die hiesige Erinnerungs- und Gedenkkultur für diese Geschichte wenig übrighaben würde. So zeigte es sich dann auch: Prä­sentiert wurde eine rot-weiß-rote Erfolgsgeschichte. Ihre Kurzformel lautet: Ein gemäßigter Pragmatismus hat sich zu­nächst gegen jeglichen Extremismus durch­gesetzt. Dann kamen Faschismus und Nationalsozialismus als kurze katastrophale Abweichungen. Nachdem diese besiegt worden waren, ging der Erfolgs­lauf weiter – so als wären den bürgerlich-kapitalistischen Republiken nicht genau jene destruktiven und autoritären Kräfte inhärent, sondern als wären sie von außen gekommen. Wenn über die anfänglichen revolutionären Bewegungen gesprochen wurde, dann als Phantasiegespinst überdrehter Dichter*innen oder sonstiger Hitzköpfe.

Diese Art von Geschichtslosigkeit – nämlich der Darstellung der Repräsentativen Demokratie als dem Ende der Geschichte – versuchten wir aus zwei Richtungen zu begegnen. Einmal in Form einer Erzählung, die sich als Gegengeschichte oder Geschichte von unten versteht. Wir wollten, indem wir einzelne Protagonist*innen dieser Rätebewegung zu Figuren unseres Stückes machten, die ausgeblendeten Ereignisse in Erinnerung rufen und die damaligen Kämpfe sichtbar machen – unter anderem auch, um ein gebrochenes und weites „Wir“ zu bauen, das über die vergangenen 100 Jahre hinweg Ver­bin­dungen ziehen und knüpfen lässt.
Dementsprechend galt die zweite Richtung der Überlegung, welche Elemente einer Rätedemokratie heute noch von Bedeutung sein könnten. Neben dem Primat der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung ist es die Aufhebung der Trennung von Politik und Ökonomie. Die Idee der Räte bedeutet, dass sowohl das alltägliche politische Leben als auch der Bereich der Ökonomie von den Menschen selbst und nicht über ihre Köpfe hinweg bestimmt wird.
Diese Aspekte der Rätebewegung gilt es in Erinnerung zu rufen und im Hinblick auf gegenwärtige Probleme zu aktualisieren, denn wie damals gilt es auch heute, Ant­worten auf drängende soziale, öko­no­mi­sche und ökologische Probleme zu finden.

Das Papiertheater, vom Kopf auf die Füße gestellt
Es war eine aus England stammende Mode, die seit dem Biedermeier „die Bretter, die die Welt bedeuten“ in die bürgerlichen Wohnzimmer Österreichs brachte. Vor allem im theaterbegeisterten Wien bastelten bürgerliche Familien aus Ausschneidebögen Kulissen und Figuren nach. Sogar ein eigener Verlag hatte sich auf die Produktion solcher Bögen spezialisiert. In selbstgebauten Guckkastenbühnen, die mit Schlitzen versehen waren, wurden die ausgeschnittenen Figuren hin- und herbewegt, Kulissen an der Rückwand und den Seiten angebracht. Sie gaben die Illusion von Tiefe und Raum der großen Bühnen wieder und ermöglichten einer faszi­nier­ten Anhänger*innenschaft, das zeitgenössische Repertoire der großen Theater und Opernhäuser nachzuspielen.
Das Papiertheaterkollektiv Zunder knüpft an dieser Tradition an, stellt es aber im emanzipatorischen Sinn ‚vom Kopf auf die Füße‘. Nicht mehr das bürgerliche Wohnzimmer, sondern eine an widerstän­digen Inhalten interessierte Öffentlichkeit ist nun die Adressatin dieses Formats. Das Stück kommt zu den Leuten: Jeder Wirts­haussaal, jedes Klassenzimmer, jede Betriebskantine eignet sich als Aufführungs­ort. Mit der geringen Größe der Bühne – sie ist nicht größer als ein Fernseher – ist die Zahl der Zuschauenden auf 20 bis 30 Menschen begrenzt. Auf solch engem Raum ist es möglich, miteinander in Kontakt zu kommen, miteinander zu spre­chen. Das ‚DIY Fernsehformat‘ Papiertheater verlangt von seinem Publikum, seine Sehgewohnheiten zu verändern, sich in theatraler Entschleunigung zu üben, auf der Basis des gelesenen Texts und der reduzierten Darstellung Bilder im eigenen Kopf zu entwickeln und sich so das Stück auf ganz persönliche Art anzueignen.
Die Leser*innen, aber auch sämtliche Handgriffe der Puppenspieler*innen, das Einsetzen und Bewegen der Figuren, das Wechseln der Kulissen, das Ein- und Ausschalten der Bühnenbeleuchtung sind für die Zuschauer*innen sichtbar. Dies kann durchaus als Aufforderung verstanden werden auch selbst zur Theaterproduzent*in zu werden. Eine Schuhschachtel und ein paar ausgeschnittene Figuren reichen für den Anfang. Zu erzählen gäbe es jedenfalls genug …

Kollektive Theaterpraxis
Was es wie für uns zu erzählen gab, hat sich im Laufe vieler Treffen entlang der Überlegungen zur Rätedemokratie und zum Format Papiertheater entwickelt. Die konkrete Arbeit am Stück begann mit einer mehrdimensionalen Zeitleiste, auf der historische Fakten ebenso verzeichnet wur­den wie Figurenporträts, die es erlaubten, die löchrigen Biografien der Protagonist*innen der Rätebewegung zu ergänzen, und mögliche Handlungs­strän­ge, die auch auf die Gegenwart verwiesen. Anhand dieser Zeitleiste ver­dichteten wir die historischen Ereignisse zu einzelnen Szenen und legten jene Orte und Zeit­räume fest, die wir auf die Bühne bringen wollten. Nachdem wir eine gemeinsame Grundlage für das Stück erarbeitet hatten, bildeten wir Arbeitsgruppen mit je eigenen Aufgaben- und Verantwortungsbereichen: Einige bauten an der Bühne, entwarfen die Kulissen und die Figuren, andere schrieben gemeinsam den Text. Bei den regelmäßigen Treffen wurden die Zwischenergebnisse diskutiert, erweitert und verändert.
Abgestimmt wurde dabei nicht, Fragen und Einwände wurden solange verhandelt, bis es zu einem Ergebnis kam, mit dem alle, zumindest halbwegs, einverstan­den waren. Diese Art der Zusammenarbeit wurde auch bei den Proben fortgeführt: Wie die einzelnen Figuren gelesen und bewegt, wie die Kulissen gewechselt werden und das Licht zum Einsatz kommt, wurde an langen Abenden ent­wi­ckelt, wobei es wiederum eine Person gab, an der es lag, den Überblick über die Inszenierung zu behalten. Einfälle und Einwände wurden von allen eingebracht und erwiesen sich, selbst wenn sie wieder verworfen wurden, stets als produktiv, da in jedem einzelnen Fall der Möglichkeitssinn geschärft und die Entscheidung für eine Variante nachvollziehbarer, ja, demokra­tischer wurde.

Die Arbeit an dem Papiertheaterstück hat Geschichte und Gegenwart, Inhalt, Form und Theaterpraxis derart miteinander verknüpft, dass die Frage, ob Theater po­litisch sein kann, darf oder soll, obsolet er­scheint. Es sind nicht die Bretter selbst, die die Welt verändern, sondern die Arten und Weisen, wie die Bretter bespielt werden und, vielleicht, über sich selbst hinaus verweisen auf etwas, das es zu tun gibt im Hinblick auf die drängenden sozialen, öko­nomischen und ökologischen Proble­me unserer Gegenwart.

 

Das Theaterstück ist im folgenden Buch abgedruckt:
Anna Leder, Mario Memoli und Andreas Pavlic (Hg.):
Die Rätebewegung in Österreich. Von sozialer Notwehr zur konkreten Utopie, Mandelbaum Verlag, 2019

Kunst im öffentlichen Raum

SKULPTURENPARK LINZ.
Einstweilen ist das Urfahrmarktgelände noch leer – aber ab 15. Juni findet dort die „weltweit größte Skulpturenshow“ statt, die von der KUNSTHALLELINZ betrieben wird. Das Opening des Skulpturenparks findet am Samstag, den 15. Juni, 18 Uhr, satt – mit Katalogpräsentation und Jubiläumsfeier von 6 Jahre Kunsthalle. Die Kunsthalle, die bisher rund um das Salonschiff Florentine ausgestellt hat, versteht das Projekt Skulpturenpark auch als Erweiterung ihres Aktionsradius auf das Urfahrranermarktareal. Dauer der Freiluft-Ausstellung am Urfahrmarktgelände: bis 23. Juni.

Die Revolution erscheint in Frauengestalt

Die frühen sozialen Bewegungen: Über Berta Pölz, eine Vertreterin der Rätebewegung und eine weitgehend unbekannt gebliebene Kämpferin gegen den Krieg und für ein besseres Leben, schreibt Peter Haumer. Außerdem geht es um die ewige Angst der Herrschenden vor einer sozialen Revolution und den neuen starken Frauen.

Berta Pölz ist eine von mehreren ProtagonistInnen in „Pannekoeks Katze“ – ein Stück des Papiertheaters Zunder. Papiertheater Zunder

Berta Pölz war 24 Jahre alt, als im Frühjahr 1919 der Stummfilm Der Kampf der Gewalten in Österreichs Kinos kam. Der Film griff ein damals tagespolitisch aktuelles Thema auf: Vor dem Hintergrund der Existenz von Räterepubliken in Russland, Ungarn und Bayern werden Arbeiter einer Fabrik von einem Bolschewiken namens ‚Borski‘ gegen ihre Direktoren aufgewiegelt. ‚Borski‘ entpuppt sich jedoch als Frau in Männerkleidern – die Revolution erscheint in Gestalt einer Frau. Sie agitiert und stellt Hierarchien und Eigentum infrage. Die Arbeiter treten, angetrieben von ihr, immer fordernder auf und gehen schließlich mit den Kapitalisten eine Abmachung ein: Sechs Monate werden sie die Fabrik übernehmen – wirtschaften sie besser als die alten Eigentümer, werden sie die neuen Besitzer sein. Die Selbstverwaltung scheitert jedoch kläglich und die Arbeiter begrüßen die Rückkehr der Direktoren. Die Praxis lehrte die Arbeiter, dass sie „eine Kraft, doch ein Rumpf ohne Kopf“ seien. Der Film ist ein christlich-soziales, eine berufsständische Ordnung propa­gie­rendes Machwerk. Und er zeigt offen die 1918/19 vorherrschende Angst der Herr­schenden vor einer sozialen Revolution und den neuen starken Frauen.
Berta Pölz war eine dieser neuen starken Frauen, die unermüdlich agitierte und Hierarchien und Eigentum infrage stellte. Bereits als Mädchen und Jugendliche organisierte sie sich in der sozialdemokratischen Mädchen- und Frauenbewegung und vertrat dort linksradikale Positionen. Als die österreichische Sozialdemokratie 1914 in das Lager der Kriegsbefürworter desertierte und den Krieg der Habsburger mittrug, schloss sich Berta der kleinen aber aktiven Strömung der Linksradikalen um Franz Koritschoner1 und Leo Roth­ziegel2 an. Sie war Arbeiterin in einem Rüs­tungsbetrieb in Wien und machte dort aus ihrer antimilitaristischen und revolutionären Haltung kein Geheimnis. Sie be­teiligte sich an Streiks, Hungerdemonstrationen und politischen Kundgebungen, wie zum Beispiel während des Prozesses gegen Friedrich Adler.
1917 war nicht nur das Jahr der russischen Revolution, sondern es begann sich unter den Arbeiterinnen und Arbeitern in Österreich-Ungarn auch eine Kampfbereitschaft gegen den Krieg, für den sofortigen Frieden und ein besseres Leben zu ent­wickeln. Höhepunkt dieser Entwicklung war der Jännerstreik 1918, an dem 750.000 Arbeiterinnen und Arbeiter teil­genommen hatten. Der Jännerstreik wur­de nicht von den sozialdemokratischen Arbeiterorganisationen SDAP und deren Gewerkschaften organisiert. Diese befanden sich im Burgfrieden mit dem Regime und taten alles um Streiks zu verhindern. Berta Pölz gehörte dem illegalen Arbeiter- und Soldatenrat an, der gemeinsam mit Vertrauensmännern aus vielen Rüstungsbetrieben den Jännerstreik organisiert hatte. In Flugblättern versuchten sie beizutragen, dass der Streik erfolgreich zu Ende geführt werden konnte – es bei den Frie­densverhandlungen mit den Bolsche­wiki in Brest-Litowsk zu einem gerechten Frie­densabschluss kommen würde. Doch der Ausstand der 750.000 Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich in vielen Orten und Fabriken autonom in Arbeiterräten organisiert hatten, musste ergebnislos abgebro­chen werden. Das Massensterben an den Fronten ging bis November 1918 weiter – insgesamt verloren mehr als 9 Millionen Soldaten und 10 Millionen Zivilisten im 1. Weltkrieg ihr Leben.
Der illegale Arbeiter- und Soldatenrat umfasste radikale SozialdemokratInnen, SyndikalistInnen, AnarchistInnen, Linksra­di­kale, linke ArbeiterzionistInnen und Bol­schewistInnen aus den verschiedensten Sprachgruppen der Donaumonarchie. Auf den Erfahrungen dieser Struktur wurde versucht, nach der Ausrufung der 1. Republik am 12. November 1918 aufzu­bau­en und so wurde Ende November 1918 die Föderation Revolutionärer Sozialisten „Internationale“ (F. R. S. I.) gegründet, mit der sozialistischen Wochenzeitung Der Freie Arbeiter. Berta Pölz war nicht nur Gründungsmitglied der F. R. S. I., sondern gemeinsam mit der Lehrerin Hilde Wertheim auch verantwortlich für die Herausgabe des Freien Arbeiter. Berta Pölz war darüber hinaus aktiv in der Arbeitslosenbewegung und wurde auch in den Arbeiterrat gewählt.
Für die F. R. S. I. war die soziale Revolution und die Errichtung einer Räteherrschaft aktuelles Ziel ihres Handelns. Als im März 1919 in Ungarn und im April 1919 in Bayern die Räteherrschaft ausgerufen worden war, schien die Zeit reif dies auch in Österreich zu tun. Mehrere Male sind zwischen April und Juli 1919 Versuche unternommen worden, die Herr­schaft der Arbeiter- und Soldatenräte zu errichten – jedoch ohne Erfolg! An allen diesen Versuchen war Berta Pölz maßgeblich beteiligt.
Einer dieser Versuche sollte am 15. Juni ausgehend von Wien und dem Wiener Becken zur Ausrufung der Räterepublik führen. Zwei Tage vorher wurde Berta Pölz gemeinsam mit Franz Koritschoner nach Ternitz und Neunkirchen geschickt, um dort die sofortige Ausrufung der Räteherrschaft in die Wege zu leiten.3 Koritschoner erklärte den Arbeiterräten von Ternitz und Neunkirchen, dass es not­wen­dig sei, „daß das Wiener Neustädter Industriegebiet die Ausrufung zuerst voll­zieht, alles andere werde dann folgen. Die ungarische Regierung habe die Versor­gung mit Lebensmittel übernommen.“4 Doch die sozialdemokratischen, aber auch die kommunistischen Arbeiterräte stellten sich gegen die Vorschläge von Franz Koritschoner und Berta Pölz. Der Auf­standsversuch vom 15. Juni 1919 wurde schließlich abgeblasen.
Mitte Juli 1919 gab es noch einen letzten Versuch, ausgehend von Vöslau, doch noch die Ausrufung einer Räterepublik in Österreich zu erreichen. Wieder war Berta Pölz wortführend mitten im Getümmel zu finden. Und wieder waren ihre Bemühungen zum Scheitern verurteilt. Als dann die ungarische Räterepublik Anfang August 1919 von der Konterrevolution niederge­schlagen worden war, war Berta Pölz und ihren Genossinnen und Genossen klar, dass sich damit der Kampf für die soziale Revolution in Österreich von einer aktuellen Tagesaufgabe wieder auf ferne Tage verschoben hat. Die Niederlage las­tete schwer auf ihnen.
Berta Pölz heiratete 1922 den Journalisten David Pollak. 1923 kam ihr gemeinsamer Sohn Roland zur Welt. Im Juni 1938 mussten alle drei vor den Nationalsozialisten über Luxemburg und Brüssel nach Paris flüchten, wo sie vom 12. 4. 1941 bis 23. 8. 1944 als so genannte U-Boote in Paris und Montauban lebten. 1946 kehr­ten sie nach Wien zurück.

Dieses Portrait von Berta Pölz steht auch exemplarisch für viele Revolutionärinnen und Antifaschistinnen, denen aus meh­re­ren Gründen wenig Beachtung geschenkt wurde. Sie war eine Frau, eine Arbeiterin und sie war radikal. Und bekanntlich wird dies von den herrschenden Gewalten in Österreich noch immer als Bedrohung gesehen.

 

1 Franz Koritschoner wurde 1892 in Wien geboren. Im Jännerstreik 1918 spielte Koritschoner eine führende Rolle, wurde verhaftet und erst kurz vor dem Zusammenbruch der Monarchie freigelassen. Im November 1918 wurde er bei einer Demonstration in Wien schwer verwundet. Mit einer kleinen Gruppe von Linksradikalen trat Koritschoner kurze Zeit nach ihrer Gründung der KPÖ bei.

2 Leo Rothziegel, Schriftsetzer, geboren 1892 in Wien; gestorben in Vámospércs bei Debreczin (Ungarn), 22. 4. 1919 (gefallen). Anarchosyndikalist, war an der Organisierung des Jännerstreiks 1918 maßgeblich beteiligt.

3 Anfang Juni 1919 trat die F. R. S. I. in die im November 1918 gegründete Kommunistische Partei ein. Die so hergestellte Einheit im revolutionären Lager sollte den Kampf für die Räterepublik und die soziale Revolution effektiver machen.

4 Arbeiter-Zeitung, 18. 6. 1919, S. 5.

 

Literaturtipp:
Peter Haumer: Die Geschichte der F. F. S. I.
Die Föderation Revolutionärer Sozialisten „Interantionale“ und die österreichische Revolution 1918/19
Mandelbaum Verlag, 2018

Welcome to the jungle!

Willkommen im Gewirr der anti-alkoholischen Getränke. Naja, muss auch sein. Der Slow Dude ist zwar ein passionierter Trinker – Alkoholtrinker – aber gerade in der gegenwärtigen Zeit muss der Kopf kühl, die Beobachtungsgabe wach und der Gedanke klar bleiben. Ansonsten hat man als Medienmensch gleich einen Wickel mit Artikel 13 oder wird als investigativer Journalist gar zensuriert. Und ihr werdet sehen: Die Medienbashingkultur der aktuellen Regierung wird selbst vor der Gastrojournaille nicht Halt machen. Der Dude hatte eigentlich ein Spezial zu Lokalen von MigrantInnen geplant – hat aber davon abgelassen – um ja keinen Staub aufzuwirbeln. Die heimische Kost ist ja soundso besser und gesünder und regional und schmeckt nach Heimat – also nach Filz und Loden.
Darum versucht sich der Dude nun an einer Bestandsaufnahme des Anti-Alk-Angebots (AAA) lokaler Produktion. Zudem hat ihm ein LeserInnenbrief wiederholten, ja sogar systematischen Sexismus vorgeworfen. Und dass sich der Dude gleichzeitig mit wildgewordenen linkslinken Emanzen und rechtsrechten Kellerschmocks anlegt, kommt gar nicht in Frage. Der Dude ist ein Mensch der Mitte und Balance, ein Wesen der Vernunft und Weitsicht – so wie unser Kanzler. Und darum auch ein Verfechter fruchtiger und zuckriger Getränke – mit exotisch neuem Geschmack, aber in der Wirkung substanzlos. Jetzt über das Standardangebot von Coca-Cola (Zuckerlimo, die ja in Flaschen abgefüllter Kapitalismus ist – Strike!) oder andere grausige Limos wie Vöslauers emotionalisierte Mischgetränke (aufgemotztes Mineralwasser, das in Flaschen abgefüllte Wellness sein soll) herzuziehen, wäre fad und langweilig. Vor den Vorhang holt der Dude ein paar leckere Produkte aus der Region – die man im Notfall oder auch sonst mit Alkohol strecken könnte.
Als erste soll hier Fruby genannt werden – eine Produktreihe aus dem Hausruckviertel, die durch klaren Geschmack und sympathische Glasflaschen hervorsticht. Die Sorten Saftige Birne, Saure Kirsche, Knackiger Apfel, Spritzige Traube, Feinste Blüten (Holler) und Fruchtige Himbeere werden angeboten. Die Produktnamen nennen den Inhalt beim Namen – im Gegensatz zum Firmennamen, der wohl aus einem Start-Up-Namensgenerator stammt. Aber egal – gut sind die Limos, aus Bioprodukten und mit wenig Zucker. Alles in allem eine 100%-Empfehlung. Weiter geht’s in den Traunkreis.
Zur Firma Hasenfit – hier erspart sich der Slow Dude eine Analyse des Namens. Ansonsten kommt wieder die linkslinke Emanze und motzt rum. Obwohl sich Hasenfit natürlich herrlich hervorragend für einen leicht anzüglichen Schmäh eignen würde – noch dazu mit dem Werbeslogan: „So schmeckt Liebe“. Aber Back to the Point: Hasenfit ist ein alter Hase im Reformhausregal und produziert ein breites Sortiment an Bio-Fruchsäften. Viele sehr, sehr gut. Aber manche schmecken nach Waldorfschule. Zum Beispiel Passionsfrucht-Rote Rübe. Lauwarm direkt vor dem Reformhaus genossen – ein Horror. Arm diejenigen, die Durst und nichts anderes zur Verfügung haben. Auf der anderen Seite die Saftkreation Erdbeere mit kleinem geistigen Schuss (z. B. Gin) auf Eis. Herrlich im Sommer. Absoluter Winner ist aber der Hirschvogel – ein Apfel- und Fruchtmischsaftproduzent aus Thening. Local Hero quasi. Sein Star aus der Produkt­parade: der Apfel-Quittensaft. Selten wurde gefälliger Apfelsaft und störrischer Quittensaft so harmonisch und vollkommen zusammengeführt. Die hier geschaffene Saftcuvée überzeugt durch direktes und unverfälschtes Fruchtaroma. Auch nach dem fünften Glas stellt sich noch kein „Ich-hab-genug“ ein. Sondern immer und immer wieder: „Ich will mehr!“.
In unseren Breiten – noch dazu als heimatverbundener Dude der Mitte – kommt man an der Schartner Bombe nicht vorbei. Hier überzeugen wohl eher Kult als Inhalt. Aber der Dude kann den herrlichen Geschmack nicht leugnen. Der Geschmack der Kindheit. Zitrone oder Orange. Die späteren Geschmacksrichtungen sind verziehen – sie tun nichts zur Sache und sind irrelevant. Als Resümee und Aufruf: Kauft beim Wirt und auch für zuhause Gutes aus der Gegend. Es ist einfach besser und auch unpolitisch. Es ist einfach eine leichte Entscheidung des Geschmacks und der Ökobilanz.

Die verträumte Vision des Slowdudes wäre ein Gipfeltreffen von Sebastian und Greta im herrlichen OÖ. Saft wird getrunken und Greta erklärt das dem Sebastian, das mit der Ökologie und der Jugend. Und den Ehrenschutz übernimmt der Reinhold. Und alles wird gut. Im Saftladen.

 

www.fruby.at

www.hasenfit.at

www.w-hirschvogel.at

www.fridaysforfuture.at

www.sebastian-kurz.at

FRAUEN-SPORT ABSCHAFFEN – den Männern gehört der Sport!

Die armen benachteiligten Männer wehren sich. Endlich! Wieso hat das nur solange gedauert?!

Jahrelang mühten sich die systematisch und strukturell unterdrückten Männer ab, Anerkennung für ihre Leistung zu bekommen. Doch trotz intensiven Trainings und Einsatzes gelangten sie nicht an die Töpfe der Sportförderung. Diese waren fest in Frauenhand. Frauen in Entscheidungsgremien, Frauen in der Verantwortung der Fördergeldverteilung, Frauen in macht­vollen Positionen in Medien, Wirtschaft und Politik, Frauen als Präsidentinnen der allermeisten Vereine und Verbände, Frauen im Sportministerium, Frauen in der Rechtsprechung, Frauen in der Werbung, Frauen als finanzkräftigste Konsumgruppe, Frauen in den Redaktionen der Sportberichterstattung, Frauen überall dort, wo Entscheidungen gefällt werden und wo das große Geld fließt.

Jahrelang mühten sich die systematisch und strukturell unterdrückten Männer ab, Anerkennung für ihre Leistung zu bekommen. Aufgrund der männlichen hormonellen Eindimensionalität gelangte bisweilen die körperliche Leistungsbereitschaft nur in den Bereichen Krieg und Zerstörung an ihren Höhepunkt und somit zur medialen Berichterstattung als Randnotiz der menschlichen Geschichte. Dieses mythische Bild führte zu der stereotypen Reduktion des männlichen Körpers auf einen athletischen Kämpferhelden, mit dem Mythos „des ewig Kampfbereiten in der letzten Schlacht zur Eroberung der Vulva“.
Dieses jahrhundertelang eingeprägte und indoktrinierte Bild sitzt tief verankert im Unterbewusstsein jedes Einzelnen und reproduziert sich tagtäglich als immer wiederkehrendes sexistisches Stereotyp mitten in der Gesellschaft. Jederzeit verfügbar zu sein, jederzeit die genitalste Standhaftigkeit zu zeigen und aufrechtzuerhalten bis das Gegenüber zufrieden ist, die immer wiederkehrende mediale Reduktion auf das Hinterteil. Gesicht uninteressant. Das Hintanstellen der eigenen Bedürfnisse und die selbstverständliche Selbstaufgabe. Darunter leidet der kollektive Selbstwert der Männer und macht sie zum schwachen Geschlecht.

Jahrelang mühten sich die systematisch und strukturell unterdrückten Männer ab, Anerkennung für ihre Leistung zu bekommen. Aufgrund ihres angeborenen Hangs zum gemeinschaftlichen Eierkratzen und den daraus resultierenden wenig vorhandenen Zeitressourcen ist ihr Erfolg in vielen Sportarten eher mäßig. Einzig in den Kampfsportarten können sie vereinzelt zu den erfolgreichen Heldinnen hinschnuppern, um im nächsten Moment k. o. am Boden zu liegen. Aber immerhin. Sie haben sich bemüht.

Wenn sie ihren Spaß daran haben, dann sollen sie es tun.
Sie tun ja niemanden etwas damit. Manche Sportler hatten schwerreiche Mäzeninnen hinter sich, die ihre sportliche Leidenschaft finanzierten. Der Erfolg war mäßig. Das lag wohl daran, dass sie ihre Leistungen an ihrer Geldquelle direkt abliefern mussten und ihnen im Wettkampf die Kraft ausging.
Manche Sport­ler waren gesundheitlich zu schwach. Der ständig grassierende Männerschnupfen zehrte verschleißend an den Kräften der schwachen Geschöpfe, die neben dem körperlichen Verfall auch meist in eine wochenlange Depression schlitterten. An professionelles Training war nicht zu denken. Aus Sorge um die gesundheitliche Aufrechterhaltung der männlichen Reproduktionsorgane galt lange Zeit ein Sportverbot.
Fortschrittliche Kräfte schafften diese Gesetze ab und seither erobern die schnittigen Männer in sexy Shorts Schritt für Schritt die Sportplätze. Allerdings werden Resultate von Männern und Frauen in einigen Sportarten unterschiedlich bewertet und demgemäß auch unterschiedlich belohnt. Argumentiert wird mit der Größe des Starterfeldes, das bei Herren oft dramatisch unter jenem der Damen liegt. Die gesundesten und potentesten Sportler, jene, die mysteriöserweise ihre Immunkraft in der Eroberung der Vulva erlangten, fordern nun zu Recht einen Teil des Kuchens. Ihr Argument: An der Spitze ist die gleiche Dichte.

 

Tipp: Le Clit – Animated Docu
vimeo.com/222111805

Spam-Mails an gemeinnützige Vereine weiterleiten …

Mein lieber Freund

Ich bin Frau Elizabeth Kerli James aus den Niederlanden. Ich lebe mein ganzes Leben in Frankreich und später in den Vereinigten Staaten, ich bin eine sterbende Frau, die beschlossen hatte, meine Spenden an gemeinnützige Vereine zu spenden, anstatt seinen Verwandten zu gestatten, die hart verdienten Gelder meines Mannes für unglückliche Zwecke zu verwenden. Ich wurde vor ungefähr zwei Jahren unmittelbar nach dem Tod meines Mannes auf Krebs diagnostiziert. Wenn ich auf meinem Krankenbett liege, möchte ich, dass Sie mir helfen, meinen letzten Wunsch auf der Erde zu erfüllen, der für Sie sehr profitabel sein wird. Ich möchte diesen 6.470.000,00 EUR an Sie spenden, von dem ich möchte, dass Sie einen Teil davon an gemeinnützige Vereine verteilen. Für Ihre Freundlichkeit in Bezug auf diese Arbeit, die Sie ausführen sollen, biete ich Ihnen 40% an, während 60% des Fonds an gemeinnützige Vereine Ihrer Wahl gehen.
Bitte kontaktieren Sie meinen Anwalt über diese E-Mail für weitere Informationen.

Respektvoll

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Das Vorhaben der Insect-City

Christoph Wiesmayr, seines Zeichens Rurbanist, Planer und autobefreiter Initiator von Gemeinschaftsgartenprojekten bzw. „Schwemmland“-Mitbegründer, legt ein Raum beanspruchendes Buch auf den Tisch, einen wahren Ziegel. Anlässlich seines Insect-City-Vorhabens hat sich Lisa Spalt mit ihm getroffen, um übers Bauen zu sprechen, und zwar aus der insektoiden Perspektive.

Wir kreisen um den Honigtopf des eingangs erwähnten Bandes. Das Buch stammt von Paul Westrich, es geht darin um die Wildbienen Deutschlands. Wir rufen uns, davon abhebend, ins Gedächtnis, dass die Diskussion um die süße Honigbiene eine ist, die dem Problem des Insektensterbens zwar ein marketingträchtiges Sumsi-Gesicht gibt (kennen wir vom Weltspartag!), als fahrlässig apis-mellifera-zentrischer wird der Diskurs jedoch den meisten Insekten nicht zum nötigen Anteil an Pollen-Kuchen und Lebensraum verhelfen. Die Honigbiene wiederum leistet, was die Bestäubung der Pflanzen und viele andere Aktivitäten angeht, nicht den Hauptteil der Arbeit. In einer Zeit des Hochhaltens von Leistungsträgern sollte daher wohl darüber diskutiert werden, wie den Tierchen geholfen werden kann, damit uns geholfen werde. Ein Blick nach China reicht, um zu sehen, wie gravierend die Folgen der Ausrottung von Insekten sind, nämlich dort, wo bereits Menschen von Blüte zu Blüte gehen und – da sie die insektoiden ArbeiterInnen ausgerottet haben – den Bestäubungsvorgang selbst in Szene setzen.
So weit soll es in Österreich, wo Tempo 140 auf der Autobahn und Flugtaxis absolute Priorität haben, nicht kommen. Mikroaufnahmen von Nestern und Entwicklungsformen, Aufnahmen der von den Insekten zum Leben benötigten Strukturen werden daher von Wiesmayr erkundet. Er will Landschaft aus der Sicht der so wichtigen Krabbler und Flieger verstehen. Wo nisten sie in einer Zeit, in der die Wiesenstreifen zwischen Äckern und Straßen verschwinden, weil das künstliche Rieseninsekt der Drohne dem Bauern die Felder so exakt vermisst, dass er diese Käfige gezähmter Natur bis auf den letzten Zentimeter mit Nutzpflanzen möblieren kann? Auch Architekt*innen im klassischen Sinne verbauen Landschaft, so Wiesmayr. Es gehe ihm nun aber nicht unbedingt darum, die Bebauung zu verhindern, sondern darum, darüber nachzudenken, wie diese aussehen könnte, damit sie Lebensraum für Menschen und Insekten bietet. Mit Studierenden gleich des ersten Semesters führt er dieses Jahr einen Workshop zum Thema durch. Die Grundlagen für diesen liefert ein Vortrag von Dr. Martin Schwarz, der Biologe am Biologiezentrum Linz ist. Anschließend wird versucht werden, Gebäudetypen neu zu denken. Wanderungen zu speziellen Orten in Linz, die sich als günstig für die Ansiedlung von Insekten erwiesen haben, sollen das Verständnis vertiefen.
Gebäudehüllen seien in der gegenwärtigen, technisch orientierten Ausprägung insektenfeindlich, so Wiesmayr. Man stelle sich die geschlossene, nischenlose Fassade des typischen Repräsentationsgebäudes vor, Wiesmayr ergänzt das Bild, spricht von hinterlüfteten Fassaden mit Insektenschutzgittern. Das Insekt als Gottseibeiuns der heiligen Hallen Eindruck schindender Gebäude wird hier um jeden Preis an der Entweihung der sterilen Naturlosigkeit gehindert. Dabei besitzen die meisten Wildbienen nicht einmal einen Stachel, mit dem sie wider die Herrschaft des Menschen löcken könnten. Wenn sie unsere Behausungen aufsuchen, so nur auf der Suche nach einer Herberge, in der ein paar geflügelte Kindlein geboren werden könnten. Im Workshop Wiesmayrs wird es daher einen Schwerpunkt Theorie geben, und zwar zur Frage, wie Gebäudehüllen aussehen könnten, um Insekten Unterschlupf zu bieten. Der sich selbst als „Rurbanist“ bezeichnende Planer sieht hier einen neuen Zugang heraufdämmern. Wo bisher die Technik Vorrang hatte, wird Stadt langsam doch eher grün gedacht.
– Hm, wahrscheinlich geschieht das nur dort, denke ich, wo den Leuten nicht das rechte Braune vom mittlerweile ewig strahlenden, alles verdörrenden Himmel heruntergefaselt wird. Aber den Gedanken verdränge ich zugunsten der erfreulicheren Vision von Menschen, die sich um die Welt und ihre Mitkreaturen bemühen. Solche haben schon einmal damit begonnen, Fassaden zu begrünen. Hier können sich Bienen zum Ernten einfinden. Wiesmayr will weitergehen. Dafür muss geforscht werden. Insekten siedeln sich nämlich beileibe nicht immer dort an, wo man es vermuten könnte, sie lassen nicht selten das schicke Insektenhotel links liegen und kampieren wild in den Bohrlöchern von Ikea-Regalen. Oder man schleppt sich mit der Bio-Erde die Trauermücke ins Habitat der zum Zimmerpflanzendasein verdonnerten Kräuter und überlegt sich, welchen vom Aussterben bedrohten Vogel in seinem Hirnkästchen man hier eigentlich füttert. Wo ist die Grenze der Insektenliebe? Wie kann ein Miteinander funktionieren?
Neue Erscheinungen wie das Passivhaus machen das Öffnen von Fenstern mehr oder weniger unnötig. So verirrt sich auch kein Tier in die Gebäude und der Mensch kreist in seiner totalen, weil ihn gleichzeitig repräsentierenden und enthaltenden Umwelt. Wiesmayr weist darauf hin, dass es auch bei Büro- und Wohngebäuden mit kontrollierter Wohnraumlüftung nicht mehr nötig bzw. nicht mehr möglich ist, ein Fenster zu öffnen. Die im Bauch solcher Gebäude arbeitenden Menschen klagen daher mitunter sogar über den fehlenden Bezug zum umgebenden Asphaltbiotop, in dem die Auto- und Bustiere sich munter vergnügen. Wiesmayr sieht diese bautechnischen Abhängigkeiten kritisch. Aber warum, da diese Fassadenformen schon einmal da sind, nicht zumindest die Fassade begrünen, sodass die Natur durch die Fensterscheiben ins Gebäude hineinsieht? Warum der Biene als einer Abgeordneten der Natur nicht die Möglichkeit geben, das Gebäude zumindest von außen zu bewohnen?
Wir sprechen noch einmal über die Sehnsucht nach dem romantischen Wald der Maler, die durch die Angst vor der waffentragenden Wespe und der bissigen Gelse zur löchrigen und juckenden Wollstrumpfhose wird. Und besonders insektoide Kulturfolger geraten oft ins Visier des nach Grün und Frischluft lechzenden Menschen. Bitte, was ist mit Borkenkäfern und Asseln? Beide Populationen sind deswegen so angeschwollen, weil sie mit uns Menschen mitleben. Die Tiere fänden eben, so Wiesmayr, in unserem Umfeld die richtigen Refugien, um sich zu vermehren. Es gehe aber eigentlich um die anderen, die, die unsere Kulturlandschaft vernichte. Wiesmayr erwähnt „Permakultur Holzer“-Junior, der mit ihm ein Projekt in Ottensheim entwickelt hat. Bei diesem ging es darum, der Streuobstwiese gemeinsam mit der Bevölkerung zu ihrem Recht zu verhelfen. Es wurden 600 Bäume hochgezogen, die nun, nach drei bis vier Jahren ausgesetzt werden können. Dabei wurde deutlich, dass manche Mähmaschinen perfekt dafür geeignet sind, Insekten-Smoothies herzustellen. Die Tiere werden darin, da das Gehäuse geschlossen ist, richtiggehend püriert. (Grüßgott, das hier ist mein Aufruf, das Produzieren von Rasen bleiben zu lassen! Ich hoffe, dass die Dame, auf deren Schrebergarten mein Büro raussieht, den Text hier lesen wird. Warum kommt niemand auf die Idee, alle die teppichartigen Rasenflächen in der Stadt zu Wiesen oder Gärten umzufunktionieren?)
Karg und aufgeräumt wirken österreichische Landschaften im Frühjahr, so Wiesmayr. Es gebe keine verfallenen Gebäude mehr, keine Scheunen, die Refugien bilden könnten. Ich erinnere mich, dass solche Einrichtungen nicht nur in Niederösterreich Gstettn genannt werden und in den dortigen Regionalzeitungen der Entrüstung der Bevölkerung zum Fraß vorgeworfen werden. Hier kommt die Frage nach der Stadtentwicklung ins Spiel. Wiesmayr will sich mit seinen Studierenden die problematische Lage aller Insekten ansehen, experimentieren mit Lehm, Stroh und Holz. Aus diesen Materialien sollen Modell-Elemente, zum Beispiel in Form von Kacheln aus perforiertem und anschließend glasiertem Ton, hergestellt werden. Das Insektenhotel als Unterkunft für eine verschwindend kleine Elite von Tieren, die sich einen Platz darin sichern kann, wird bewusst nicht als Modell verstanden. Das Ganze soll weitaus umfassender gedacht werden im Sinne einer Umwandlung der Stadt in eine „Insect City“. Gerade bei Sanierungsmaßnahmen wäre hier einiges möglich. Man würde die bestehende Struktur dämmen und anschließend mit einer Schutzhülle versehen. Niemand müsste sich fürchten, dass es den Insekten einfallen könnte, direkt in den Wänden leben. Und welche Möglichkeiten der Gestaltung hält das Thema Landschaft bereit? Wie verhält sich die Größe des Menschen zu seinem Lebensraum, wie die der Termite zu ihrem Bau? Was braucht das Insekt, um ein sorgenfreies Leben führen zu können und gerne in unsere Dienste zu treten? Oft überraschen die Tiere hier den Menschen. Mancherorts entdeckt man oft sonnenseitig gelegene Brüche im Gelände, Hangkanten, an denen Erde freiliegt, die wir vielleicht als Zerstörung der Natur wahrnehmen würden, doch gerade diese Wunden in der Landschaft bieten Insekten die idealen Bedingungen zum Nisten. Auch alte Häuser gönnen in Mörtelfugen vielen Insektenarten Unterschlupf. Können solche Strukturen gefördert werden? Wiesmayr erwähnt Louis G. Roy und sein Buch „Natur ausschalten. Natur einschalten“, das Ihnen hiermit empfohlen sei. Der Öko-Pionier hat aus alten Baumaterialien sogenannte Öko-Kathedralen errichtet, in denen sich Insekten eingenistet haben: vielleicht ein Modell? Die Frage, die sich Bauende laut Wiesmayr jedenfalls heute stellen müssen, lautet: Wie könnte Architektur aussehen, würden Insekten sie denken?
Mein Kopf ist voller Science Fiction, voller Utopien und optimistischer Gedanken, als ich nach Hause komme. Ich sehe auf dem Balkon nach den Pflanzen. Insekten? Ich entdecke, dass die Bambusstecken, die ich benutze, um das gezähmte Grün zu stützen, gerade heute von irgendwelchen nistenden Insekten mit gut gekauter Erde verschlossen worden sind. Ein günstiges Zeichen, hoffe ich.

 

INSECT-CITY
Bei der Insect-City geht es um Entwurf, Erforschung und Entwicklung neuartiger Gebäudehüllen für Wildbienen im Kontext Architektur und Landschaft. Der Research findet mit Christoph Wiesmayr und ArchitekturstudentInnen des ersten Jahrganges der Kunstuniversität Linz / BASEhabitat statt, im Rahmen von „Entwurfsaspekte C“. Start war bereits im Mai mit Vorträgen, Wanderung und Erkundungen naturnaher Nistplätze. Von 24. bis 28. Juni folgt eine Intensivwoche mit Umsetzung von Prototypen.

Spezialveranstaltung zu Störstrategen am 29. Juni
www.gfk-ooe.at/event/god- garden-of-disturbia

Insekten genäht

Insekten genäht – eine Arbeit der Künstlerin Edith Platzl. Foto Christoph Wiesmayr