Couragiert euch!

Das beim diesjährigen Festival der Regionen im Juni stattfindende „CouRage – Eine Hör- und Gedenkreise“ rückt Geschichten ins Zentrum, die von einer Welt der Zivilcourage und des Widerstandes erzählen. Theresa Gindlstrasser hat Gerald Harringer getroffen.

Sich für jemanden einsetzen, für etwas aufstehen. Foto Gerald Harringer

Am 5. Mai 1945 wurden die Überlebenden des Kon­zentrationslagers Mauthausen und der Nebenlager Gusen durch US-amerikanische Truppen befreit. Der in Zürich geborene Bankangestellte Louis Häfliger, der im April als Delegierter für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz einen Lebensmitteltransport ins KZ begleitet hatte, geleitete die Soldaten auf das Gelände.

„Es war der Plan sämtliche Häftlinge in die Stollen von Gusen zu bringen. Und das ist Ende April 1945 auch passiert. Die mussten viele Stunden lang eingesperrt in den bis auf einen Eingang schon vermauerten Stollen von Gusen verbringen und wussten, sie sind in einer Todesfalle, denn die Sprengkabel an den Eingängen waren schon gelegt. Diesen Plan wollte Louis Häfliger vereiteln. Und es war ihm klar, das kann er nur, wenn er die Amerikaner überraschend und schnell in unsere Gegend bringt. Und er wusste, sie sind bereits im Raum mittleres und westliches Mühlviertel. Louis Häfliger begab sich mit einem weiß gestrichenen Opel, den er im Lager Mauthausen von der Widerstandsgruppe streichen ließ, in Begleitung des SS-Mannes Reimer, der eingeweiht war in diesen Plan, ins Gusental, in dieses enge Verbindungstal zwischen St. Georgen und Katsdorf-Lungitz, Richtung Gallneukirchen und ist auf der Höhe des Riedererhäusels tatsächlich auf einen Spähtrupp, nämlich dieses Platoon D, der 11th Armored Division 41st Mechanised, gestoßen. Er hat diese Leute mit Kosiek an der Spitze ersucht, sofort nach Mauthausen und Gusen zu kommen. Es gab für Häfliger ein enormes Risiko, er hat seine Aufgabe als Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes bei weitem überschritten. Ob die Sprengungen der Stollenanlagen in Gusen, oder in St. Georgen, im Stollen ‚Bergkristall‘ wirklich durchgeführt worden wären, kann man heute nicht mehr sagen, aber der Plan und der Befehl dazu waren vorhanden.“

So die in St. Georgen an der Gusen lebende Diplompädagogin und Heimatforscherin Martha Gammer in einem Interview mit Gerald Harringer im Jahr 2013. Tatsächlich wurde Häflinger für sein eigenmächtiges Handeln verurteilt, da er gegen das Prinzip der Neutralität des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz verstoßen habe.

Harringer, Mitbegründer von „Die Fabrikanten“, Medienkünstler, Filmemacher und Kulturmanager, lebt seit 10 Jahren in Katsdorf, einer 3000 EinwohnerInnen-Gemeinde im Bezirk Perg in der Nähe von St. Georgen. Seit 2014 recherchiert er zum Thema NS-Zeit im Mühlviertel. Für das Festival der Regionen, das 2019 unter dem Thema „Soziale Wärme“ in der Region Perg-Strudengau stattfindet, hat er das Projekt „CouRage – Eine Hör- und Gedenkreise“ konzipiert. Gemeinsam mit Roswitha Kröll, ehemalige Geschäftsführerin von FIFTITU% und Leiterin des Aus- und Weiterbildungsbereichs von Radio FRO, findet Mitte Mai ein Radio- und Medienworkshop statt, wo Erzählungen über Zivilcourage gesammelt werden und eine Radiosendung produziert wird.

Ausgehend von dieser partizipativen Anordnung wird „CouRage“ als Busfahrt durch die Region führen. Start- und Endpunkt ist Perg. Dazwischen orientiert sich die Route an den in den gesammelten Geschichten markierten Orten. Die Passagiere bekommen historische und aktuelle Beispiele von Courage zu hören. Die Audioaufnahmen dieser Geschichten werden zum Teil innerhalb des Radio-Workshops produziert.

Weil das Projekt noch im Entstehen ist (Anm.: zur Zeit der Entstehung dieses Textes), vor allem die aktuellen Geschichten derzeit erst recherchiert werden, ist die Route der „Hör- und Gedenkreise“ noch nicht fixiert. Harringer: „Wir werden ziemlich sicher durch Ried in der Riedmark, Lungitz, Katsdorf, St. Georgen und Mauthausen kommen.“ Auf die Frage nach dem Ausgangspunkt dieses Projektes antwortet er: „Mein Vater war während des 2. Weltkrieges Feldwebel in der Deutschen Wehrmacht und überzeugter Nationalsozialist. Er wurde 1912 geboren und starb, als ich 15 Jahre alt war. Eine Auseinandersetzung mit ihm zu diesem Thema fand daher nicht statt. Dies mag einer der persönlichen Beweggründe für die langjährige Auseinandersetzung mit dieser Thematik sein. Nachdem nun bald die letzten Überlebenden des Holocausts gestorben sind, sehe ich es als meine, als unsere Aufgabe, die Erinnerung an Geschehnisse in dieser Zeit am Leben zu halten, gerade in meiner Umgebung, wo der Faschismus in Mauthausen und Gusen ein besonders grauenhaftes Gesicht zeigte.“ Harringer über andere Vorhaben: „Im Jahr 2012 bin ich auf Zeitzeugendokumente zur NS-Zeit in den ‚Katsdorfer Heimatblättern‘ und auf Franz Steinmaßls Buch ‚Das Hakenkreuz im Hügelland‘ gestoßen. In den letzten sechs Jahren ist ein Spielfilmdrehbuch entstanden. Ein Dokumentarfilm zum Thema Zivilcourage während der NS-Zeit mit Fokus auf Deportationszüge auf der Summerauerbahn und einem Fokus auf das KZ Gusen ist in Produktion.“ Und weiter: „Es wird im Alltag immer wichtiger, Zivilcourage zu zeigen, sich für jemanden einzusetzen, ungehorsam zu sein, Befehle zu verweigern, sich zu wehren, für etwas aufzustehen, seine Meinung in aller Öffentlichkeit kundzutun, dort, wo niemand sonst den Mut dazu findet. Nachforschen, hinterfragen. Weil sonst kann sich auf tragische Weise die Geschichte wiederholen.“

Am 5. Mai 2019 fand wie jedes Jahr die Gedenkfeier zur Befreiung in Mauthausen statt. Mehr als 9000 Menschen nahmen an der Veranstaltung teil. Nach Verlesung des Mauthausen-Schwurs, den Überlebende kurz nach der Befreiung verfasst haben, erfolgten Kranzniederlegungen und wurden Reden gehalten, welche die Notwendigkeit von Gedenken und Erinnern thematisieren. Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen-Komitees Österreich betonte: „Wir sehen das Wiedererstarken von Gruppierungen, die Identität zum The­ma machen, die Entindividualisierung und Entsolidarisierung vorantreiben und die die Gesellschaft bewusst spalten wollen. Es liegt an uns, sich der Menschenverachtung entgegenzustellen und die Menschenwürde von uns allen zu verteidigen.“ Und Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kulturgemeinde, formulierte: „Was bringen die roten Linien, wenn sie ständig übertreten werden und keine Konsequenzen folgen. Früher sagten sie Umvolkung, heute nennen sie es Bevölkerungsaustausch.“

Im Rahmen dieser Gedenkfeier ist ein Foto entstanden, das Bundeskanzler Sebastian Kurz sitzend und die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, mit einer Plakat-Tafel zeigt. Darauf steht: „Einzelfall #3. FPÖ-Gemeinderat schickt Weihnachtsgrüße mit Nazi-Propaganda“. Die sogenannten „Einzelfälle“ oder „Entgleisungen“ von RegierungsvertreterInnen sind Provokationen gegen die im Mauthausen-Schwur formulierte „Welt des freien Menschen“. Rassistisches Denken rückt dergestalt ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Das Projekt „CouRage – Eine Hör- und Gedenkreise“ versucht jedoch, solche Geschichten ins Zentrum zu rücken, die von einer Welt der Zivilcourage und des Widerstandes gegen Ungerechtigkeit, Rassismus und Verfolgung erzählen. Nach dem Zusammenhang von Courage und Rage gefragt, antwortet Harringer: „Es ist besser, seine Wut, die Rage (die sehr oft entsteht, wenn man sich die aktuelle politische Lage ansieht) zu kanalisieren und zu kultivieren, nämlich in die Courage, die dann eher jemandem zugute­kommt.“

 

Festival der Regionen – „Soziale Wärme“
28. Juni bis 7. Juli in der Region Perg-Strudengau
fdr.at

TIME’S UP

Mit der aktuellen Arbeit „Change was our only Chance“, ab 29. Mai in Wien zu sehen, möchte Time’s up die Angst vor der Zukunft in eine Lust auf die Zukunft verwandeln. Ein anderes wichtiges Projekt wird im Juni und Juli im Rahmen des diesjährigen Festivals der Regionen verwirklicht – die „Wärmegreißlerei 1.0“. Georg Wilbertz reflektiert den größeren Kontext der Linzer Initiative am Hafen.

Als Kunsthistoriker mag man Bücher. Als der Wunsch, über aktuelle Projekte von Time’s Up zu schreiben, an mich herangetragen wurde, erinnerte ich mich, dass es da doch etwas gab. Eine opulente, text- und bildreiche „Festschrift“ zum 20-jährigen Bestehen des Künstlerkollektivs (schon dieser Begriff trifft nur einen Teil der Wahrheit), die ich schon häufiger durchgeblättert hatte, ohne sie wirklich zu lesen (Kunsthistoriker blättern gern). Nun stand das systematische, methodische, zielgerichtete Lesen an und noch vor dem ersten Aufschlagen legte ich mir das inhaltlich-terminologische Rüstzeug zurecht, das mich durch das Buch leiten sollte. Ehrlich gesagt sucht man auch im Neuen meist das, was man schon weiß oder ahnt. Meine Ahnung folgte naheliegenden Bahnen, Spuren und Wegen. Es würde, so hoffte ich, im Buch um Inszenatorisches gehen, um Performatives, Szenisches, um einen offenen Kunstbegriff, um Räume, öffentliche Räume, atmosphärische Räume. Um das Verhandeln des Sozialen, Politischen, Kulturellen. Vielleicht den gesellschaftlichen Diskurs mit Mitteln der Kunst. Im Idealfall wohlgeordnet und effektiv verarbeitbar. Sicher, all dies steckt in der Publikation, die unter dem Titel „L CKENHAFT & KRYPTISCH“ (man hätte gewarnt sein können) 2016 erschienen ist. Allerdings sperrt sich das Buch gegen einen allzu leichten, systematischen Zugang, der einem ein rasches, unkompliziertes Bild der Arbeit von Time’s up vermitteln könnte. Es ist eher ein Such- und Wimmelbuch voller Projekte, Bilder, Szenen und unterschiedlichen Textbeiträgen einer kaum zu überblickenden Zahl von AutorInnen. Und damit ist es auf ideale Weise wohl genau das, was es sein soll: ein repräsentativer Einblick in das Wesen und die Arbeit von Time’s up. Ein hoher Grad an Komplexität wird deutlich. Vieles ist netzwerkartig miteinander verwoben, durchdringt sich thematisch, räumlich, zeitlich und personell. Die Spanne reicht von Diskurs- und Theorieformaten bis zu aufwendigst realisierten räumlichen Installationen und Inszenierungen, die ein immersives Eintauchen der BesucherInnen ermöglichen.

Im Zentrum der Arbeit von Time’s up stehen umfassende räumliche Inszenierungen, für die die üblichen Charakterisierungen wie Installation oder Bühnenbild trotz erheblicher Schnittmengen zu kurz greifen. Mit analogen, handwerklichen und vom Material her handfesten Mitteln werden künstl(er)ische „Wirklichkeiten“ geschaffen, die bis ins Detail hinein funktionieren müssen. Ziel ist die Schaffung von räumlich-inszenatorischer Authentizität, die die Voraussetzung für ein authentisches Wahrnehmen und Erleben durch die BesucherInnen darstellt. Viele BesucherInnen „überprüfen“ gerne auch kleinste Elemente der Inszenierung, um sich der Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Dargebotenen zu versichern. Es entstehen „begehbare Erzählungen“, deren räumlich-materielle Konsistenz eine fast widersprüchliche Wirkung erzielen. Die BesucherInnen wissen, dass sie sich in einem inszenierten Rahmen bewegen, trotzdem ermöglicht dieser eine unmittelbar sinnlich-physische Verbindung von Körper und Raum. Der heikle, kaum greifbare Begriff der Atmosphäre tut sein Übriges.

Den aktuellen Diskurs zum Begriff der Immersion und ihrer Wirkung dominiert, wie sollte es anders sein, vor allem die Schaffung komplexer digital-virtueller Wel­ten. Die Arbeiten von Time’s up distanzieren sich bewusst, fast nostalgisch und anachronistisch von den schier unendlich scheinenden Potentialen des Digitalen. Begründet ist dies nicht nur durch die Lust am Material, am Handwerk, am Spiel mit Gegenständen und Objekten, am Schweißen, Schrauben und Dengeln. Am Ende langwieriger Prozesse stehen Inszenierungen, die auf das Mittel der technisch-medialen Vermittlung zwischen Bild (Raum) und Rezeption durch die Sinne und Körper der BesucherInnen verzichten können. Jede Form der technisch-medialen Vermittlung stellt, egal wie überzeugend, wie virtuos sie gestaltet ist, eine Wahrnehmungsgrenze dar. Wie „perfekt“ aktuelle und zukünftige digital-immersive Tools auch sein werden: die einfache, schlichte, fast banale aber dennoch in ihrer Komplexität kaum „nachbaubare“ physisch-emotionale Präsenz des Körpers im Raum ist medial nur in engen Grenzen realisierbar.

Trotzdem ließe sich natürlich provokant fragen, wozu der ganze Aufwand. Ohne den Bogen überspannen zu wollen: Inszenierungen im physisch real vorhandenen und erlebbaren Raum stellen in Zeiten von Fakefetischismus und ideologisch transzendentierter Wirklichkeitsverweigerung schon fast ein politisch-gesellschaftliches Statement sui generis dar. Die Wirkungsabsicht und das Wirkungspotential der Time’s up-Inszenierungen schaffen etwas, das aus naheliegenden Gründen des gesellschaftlichen Missbrauchs eines sich verflüchtigenden Wirklichkeitsbegriffs zunehmend negiert wird (Nebenbei bemerkt: Wirklichkeit lässt sich nicht verflüchtigen, sondern „nur“ durch die destruktiven Mythen negativer Ideologien sinnloserweise in Frage stellen). Es handelt sich um den überprüfbaren, existenziell relevanten Raum, der nicht nur ein euklidisches Faktum umreißt, sondern auch reale Hülle für alles Soziale ist. Die früher zwar komplexe, aber selbstverständliche Überprüfbarkeit dieses Raums wird als zunehmend obsolet erachtet. Das Beharren auf die Existenz des sozialen Raums und der in ihm herrschenden Regeln, Vereinbarungen und Diskurse ist inzwischen erstaunlicherweise zu einer Frage von Ethik, Moral, Politik und Gesellschaft geworden.

Wenn also Time’s up die analoge, physisch erlebbare Inszenierung und Gestaltung „begehbarer Erzählungen“ real werden lässt, steckt darin eine deutliche gesellschaftliche Botschaft. Eine Botschaft, die – auch hier bleibt man analog – vom Kollektiv am maßstäblichen Modell verhandelt und durchgespielt wird, bis die Inszenierung steht. Überhaupt das Spielen, aber das ist ein anderes Thema …

Wozu nutzt Time’s up all dies. Mehr und mehr wurde in den letzten Jahren das Thema der Zukunft in den Fokus genommen. Es steht jedoch nicht DIE eine Zukunft im Mittelpunkt, sondern aufgrund der komplexen Gegenwart und Ausgangslage werden in den Arbeiten und Diskursen meist mehrere Zukünfte verhandelt und angeboten. Auf diese Weise gelingt es Time’s up, den Zeitstrahl postmoderner Differenziertheit, bei dem heterogene Vergangenheiten in eine vielfältige (manche behaupten „beliebige“) Gegenwart führen über diese hinaus zu erweitern und in die Zukunft zu spiegeln. Für die Gegenwart werden teils bedrohliche und beängstigende gesellschaftlich-politische Zustände und Symptome konstatiert. Die Zukünfte tragen daher latent das Potential der Gefährdung und Gewalt in sich. Jedoch geht es Time’s up auch immer darum, Ängste abzubauen und den Zustand gesellschaftlicher Paralyse zu vermeiden. Dies zum Glück nicht im Sinne einer umfassenden Utopie, sondern in der spielerisch-forschenden Akzeptanz des Offenen, Unterschiedlichen und Widersprüchlichen.

Die Komplexität und Offenheit ihres Zeitbegriffs und realen Zugangs zu Fragen der Gegenwart und Zukunft manifestiert sich auch im Time’s up-Gebäude am Linzer Hafen. Das Zentrum bildet die große Werkhalle, die mit ihren Maschinen und Regalen voller Gegenstände deutlich eher einer Werkstatt als einem Künstleratelier ähnelt. Im Sammelsurium eigener Ordnung finden sich gebrauchte Dinge (Vergangenheit) und neue Materialien (Gegenwart), aus denen szenographisch-fiktive Realisierungen zukünftiger Verhältnisse gestaltet werden. Der Raum verströmt eine fast schon nostalgische Aura des Tuns und Formens. Ein größerer Kontrast zu den aseptischen Produktionsbedingungen digital-virtueller Kreativer, die gerne einen Monopolanspruch auf die Zukunft reklamieren, lässt sich kaum denken.

Mit der aktuellen, inszenatorisch-räumlichen Arbeit „Change was our only Chance“ (ab 29. 5. in Wien) möchte Time’s up die Angst vor der Zukunft in eine Lust auf die Zukunft verwandeln. Ein anderes wichtiges Projekt wird im Rahmen des Festivals der Regionen 2019, das das Thema „Soziale Wärme“ hat, verwirklicht. Es kehrt die beschriebene räumliche Perspektive der künstlerisch-forschenden Arbeit um, indem sich die BesucherInnen nicht in eine Szenerie begeben, sondern Time’s up sie und ihre Lebenswirklichkeit aufsucht. Mit der „Wärmegreißlerei 1.0“ begibt sich Time’s up während des Festivals in die Region Perg-Strudengau, besucht verschiedene Standorte und widmet sich der Frage, inwieweit und in welchen Formen die soziale Wärme eine Zukunft bzw. Zukünfte hat. Vorausgegangen ist 2018 eine niederschwellige Befragung zum Thema in der Region, die – wenig verwunderlich – das Ergebnis brachte, dass für die meisten eine Gesellschaft oh­ne soziale Wärme weder wünschenswert noch vorstellbar wäre.

Mit der „Wärmegreißlerei“ segelt Time’s up im übertragenen Sinne hinaus aufs Land. Besucht man das Time’s up-Gebäude am Linzer Hafen, so begegnet man nicht nur aufgrund seiner Lage häufig Motiven der Seefahrt. Die Schiffsreise ist eine Metapher, die auf vielfältige Weise das Unwägbare, Unsichere und Forschende der Arbeit von Time’s up repräsentiert. Zwar gibt es geographisch kaum noch wirklich neue, unbekannte Ufer zu entdecken, andererseits gibt es bis heute kaum etwas, das den Optimismus in eine wie auch immer geartete Zukunft besser symbolisiert, als das Schiff, das den Hafen verlässt und sich auf die Reise begibt.

 

timesup.org

Festival der Regionen – „Soziale Wärme“
28. Juni bis 7. Juli in der Region Perg-Strudengau
fdr.at

im Rahmen von Vienna Biennale for Change 2019
Ausstellung „Change Was Our Only Chance“
29. Mai – 27. September 2019
Angewandte Innovation Lab, Franz-Josefs-Kai 3, 1010 Wien

Here comes the electric machine

Im Mai war das Kollektiv Okabre im Linzer City Kino zu Gast und präsentierte dort die aktuelle Filmkonzert­reihe Tetsuo: The Iron Man. Der Film ist das Werk des japanischen Kultregisseurs Shinja Tsukamoto aus dem Jahr 1989. Alexander Eigner war dort.

Es scheint ruhig. Foto Ronny Sandmayer

Der Regisseur Shinya Tsukamoto widmet sich in seinem experimentellen und kontrastreichen Schwarzweiß-­Horrorfilm Tetsuo: The Iron Man einem Sarariman, also einem männlichen Büroangestellten in einem renommierten Unternehmen. Es wird kaum gesprochen, die Akteurinnen und Akteure, von denen es im ganzen Film nur sechs gibt, haben keine Namen.

Das Linzer Kollektiv Okabre besteht seit 2015 und widmet sich der Vertonung von Filmen, Lesungen und Performances. Das Sextett besteht aus: Andreas Wahl, Florian Graf, Günther Gessert, Manfred Rahofer, Thomas Pichler und Rainer Fehlinger. Im Spektrum der Klangwelt scheint es für die sechs Musiker kaum Grenzen zu geben – dieser Eindruck entsteht, wenn man der Vertonung beiwohnt. Vocal, Gitarre, Theremin, Bass, Drums, Synthesizer, Marxophone, Electronics und verstärkte Objekte kommen dabei zum Einsatz.

Gegen 21.30 Uhr greifen die Musiker zu ihren Instrumenten und beginnen zu spielen. Es wirkt wie ein ruhiges Intro, während am Anfang noch einige japanische Wörter auf der Leinwand erscheinen. Doch als die erste Person auftritt, werden die Sounds der einzelnen Instrumente schneller. Ein Mann bewegt sich auf einem alten Industriegelände, viel Metall ist zu sehen und plötzlich schneidet er sich eine Wunde in den Oberschenkel, in die er ein großes Metallstück implantiert. Kurz darauf wird die Wunde von Maden befallen und der Mann, welcher vom Regisseur Shinya Tsukamoto selbst gespielt wird, verliert die Beherrschung und läuft vor ein fahrendes Auto.
Nun erscheint der Protagonist, der vor einem Spiegel merkt, dass ein Metallstück in seiner Wange steckt. Als er auf dem Weg zur Arbeit ist, wird er von einer Frau in der U-Bahn angegriffen, deren Hand aus Metallteilen und Schläuchen besteht. Es folgen Jagd- und Kampfszenen zwischen den beiden.
Und ab hier zeigen die Musiker des Kollektivs Okabre ihre musikalischen Fähigkeiten. Sie erzeugen ein voodooähnliches Spannungsfeld zwischen Bild und Musik. Es knallt, zischt, dröhnt, donnert, klopft, quietscht, das Theremin fährt höchste Tö­ne auf, das Schlagzeug wird immer schneller und der Sänger verfällt in Schreien. In diesem freien Spiel wird die Dramaturgie für die Zuseher spürbar: Musik und Film verschmelzen. Ob man nun auf die Leinwand blickt oder einem der Musizierenden zusieht, ist nicht mehr entscheidend, sie scheinen eins geworden zu sein.
Als der Kampf vorerst vorüber ist, werden die Sounds ebenfalls ruhiger, was nicht weniger eindrucksvoll ist. Die Gitarre rückt stärker in den Mittelpunkt, der Gesang wird harmonischer und das knallende Klopfen wird zu einem sanften Dröhnen.
Doch nun passiert im Film, was für manche schon vorhersehbar war: Der Büroangestellte beginnt, zu einem Maschinenwesen zu mutieren. Er erkennt, dass sein Arm und sein Bein schon aus Metall bestehen. Mit wachsender Sorge, was nun plötzlich mit ihm passiert, wird nun auch die Musik wieder experimenteller und der Gesang predigt: Here comes the electric machine!

Je länger der Film dauert, umso mehr vereinen sich Traum- und Realszenen. Die Kameraführung ist sehr hektisch, es gibt viel Szenenwechsel und viele Schnitte. Doch die Ausführung der Musik durch das Kollektiv Okabre schlägt gleichsam einen Weg durch die vielen skurrilen Szenen und befeuert aber zudem die Sinne der Zuseher.
In einer der groteskesten Szenen von Tetsuo wächst dem Protagonisten ein riesiger, rotierender Metallpenis. Die Livevertonung trifft diese Szene abermals perfekt und so haben die Zuseher ebenfalls das Gefühl zu rotieren. Abermals hört man: Here comes the electric machine. Ereignisse und Klänge überschlagen sich. Wie es nun mit dem Iron Man weitergeht, bleibt hier besser unerwähnt.
Soweit noch: Gegen Ende des Films singt sich Sänger Rainer Fehlinger in einen Wahn und wiederholt immer wieder things are ahead, things are behind.

Das Kollektiv Okabre bringt mit seiner experimentellen Art, Musik und Film zu vermischen den Kinobesuch auf ein neues, spannendes Level. Eine Livevertonung á la Okabre beschert nicht nur Musik auf hohem Niveau, sondern zudem eine Kombination, die Sinnes- und Klangwelten neu erscheinen lässt. Die Atmosphäre im Kinosaal war atemberaubend. Schon bevor der Saal geöffnet wurde merkte man unter den wartenden Gästen Neugier und Vorfreude. Wie wird ein japanischer Experimentalfilm mit Musik aus Österreich verknüpft und was kann man davon erwarten? Es wurde über vorhergegangene Auftritte des Kollektivs in Linz und Wien gesprochen. Manche sprachen auch über den Auftritt beim letzten Klangfestival in Gallneukirchen. Es war zu fühlen, dass es ein besonderer Abend werden würde und es ist schön, dass es mit dem City Kino einen Raum in Linz gibt, in dem Veranstaltungen dieser Art möglich sind.

Im November 2018 hatte das Kollektiv Okabre schon einmal einen Auftritt im Linzer City Kino. Damals mit der Echtzeitfilmvertonung des Horrorklassikers Night of the Living Dead von George A. Romero aus dem Jahr 1968. Romero gilt nicht umsonst als Mitbegründer des modernen Horrorfilms, schließlich hatte er in Night of the Living Dead Zombies erstmals aus eigener Kraft aus den Gräbern aufsteigen lassen. Die Vertonung dazu war damals ganz anders als bei Tetsuo und dennoch unverkennbar das Kollektiv Okabre. Obwohl die Filme so unterschiedlich sind, war die Atmosphäre im Kinosaal trotzdem sehr ähnlich. Das Sextett schaffte es in beiden Fällen, das Publikum mit seiner musikalischen Vielfalt zu beeindrucken.
Außerdem ist noch zu erwähnen, dass es 2019, abseits der Vertonung von Tetsuo noch eine weitere Filmkonzertreihe gibt: Sayat Nova von dem armenischen Regisseur Sergei Paradschanow, aus dem Jahr 1968.
Es zeigt sich, dass sich das Kollektiv Okabre im Wandel befindet und genau das macht ihre Live-Performances so beson­ders.

 

Weitere Auftritte des Kollektivs Okabre:
07. September: Röda / Steyr (Konzerttermin ohne Film)
18. Oktober: Club Noir / Waidhofen/Ybbs
19. Oktober: Programmkino Wels

okabre.com

Stadtblick

Villa Kunterbunt. Foto Die Referentin

Die kleine Referentin

Grafik Terri Frühling / Elke Punkt Fleisch

Pulp Fiction aus der Stahlstadt

In der Hitze der Stadt stottern plötzlich die Leben von fünf Menschen. Wann ist man plötzlich nicht mehr jung gewesen? Andreas Kump hat mit „Über Vierzig“ seinen ersten Roman veröffentlicht. Klemens Pilsl bespricht ihn.

Viele Subgeschichten und Lokalkolorit – auch das Familienbecken im Parkbad kommt als erinnerter Ort vor. Foto Die Referentin

Andreas Kump hat schon viel getextet (keinesfalls nur Werbung), gesungen (meist bei Shy) und erlebt (nicht zuletzt am Fußballplatz). Vor einigen Jahren hat er ein stark rezipiertes Buch zur Geschichte des Linzer Untergrunds der 1980er und 90er Jahre niedergeschrieben: ProtagonistInnen und ZeitzeugInnen erinnern sich in „Es muss was geben – Die Anfänge der alternativen Musikszene in Linz“ der aufdräuenden Rebellion in der „Stahlstadt“ und berichten vom Cafe Landgraf, von Willi Warma, von der Stadtwerkstatt und der KAPU.

Mit „Über Vierzig“ verlässt Kump den Boden des Dokumentarischen – aber nicht die Hintergrundfolie des subkulturell bewegten Linz (und Wiens). In seiner nunmehr fiktionalen Erzählung widmet er sich der Gegenwart jener Menschen, die vor 25 oder mehr Jahren die „Szene“ bildeten. Der Leser trifft im Buch auf fünf Romanfiguren, die an einem sauheißen Sommertag ihre Existenzen verhandeln – auf banale, brutale oder auch tragische Weise. Ein einziger Tag gibt Einblick in fünf Biografien, in fünf Werdegänge, in fünf Lebensmodelle und natürlich fünf Midlife-Krisen.

Angst und Würde
Die fünf HauptdarstellerInnen sind sorgfältige Verdichtungen potentiell realer Vorbilder – und lebensecht. Dem hiesigen Leser drängen sich unweigerlich Assoziationen auf: ist das nicht der Dings, die Dings? Roland, System-Administrator bei einem semi-alternativen Internetprovider, erholt sich nur schlecht von psychischem Zusammenbruch und Panikattacken; Mona ist „eigentlich“ eine bildende Künstlerin, deren Leben aber von Lohnarbeit im Copy-Shop und Kleinfamilie geprägt ist; Tommi vercheckt immer noch Speed am Bindermichl und verdingt sich als Geldeintreiber; Pia ist Werbegrafikerin, gefangen zwischen Leistungsethos und Distinktionsarbeit; Lesbos ist gealterter Rock’n’Roller, der irgendwie immer noch vom Ruhm seiner längst vergangenen Rockband zehrt.

Nunmehr über vierzig sind Kumps Figuren nicht nur erwachsen, sondern vor allem am Zweifeln. Prekäre Leben (so anders als die der Eltern!), die unübersehbare Risse bekommen haben. Die äußeren Klammern des Buches mögen die Hitze, die subkulturellen Vergangenheiten, oder manche die Lokalbezüge bilden. Das Motiv des Romans liegt aber im Ringen um Würde: Verängstigt, wütend oder auch ratlos feilschen die Charaktere um ihre Rollen und Identitäten. Dabei reiben sie sich an den großen Fragen: Gibt es nun das Richtige im Falschen? Welche faulen Kompromisse ist man eingegangen, welche hätte man besser (nicht) verweigert? Wie lange kann das überhaupt noch so weitergehen? Und was zum Teufel ist mit all den jungen Menschen los?

Liebevolle Distanzen
Im Laufe der Handlung verringert sich die anfänglich noble Distanz des Autors seinen Figuren gegenüber (die er ohnehin niemals belächelt und immer respektvoll zeichnet). In der zweiten Hälfte des Werkes vermag Kump seine Sympathien für einzelne Figuren nicht mehr zu verhehlen, insbesondere für den tapfer-tragischen Rockveteranen Lesbos. Der wird unerwartet aus seiner Stasis gerissen: Zum einen macht eine attraktive, aber auch unverschämt junge Kellnerin dem Mitfünfziger das Coolbleiben schwer, zum anderen lockt ein letztes Mal der Kommerz – ein Stadtrat wünscht sich gegen gutes Geld eine Reunion von Lesbos’ ehemaliger Com­bo. Ebenso wie Schläger Tommi darf die Figur Lesbos zum Ende körperliche Genugtuung erfahren: Tommi festigt mit brutalen Schlägen seinen Ruf als Hooligan, Lesbos wird wider Erwarten ins Bett der Angebeteten geladen.
Die weiblichen Figuren hingegen haben weniger Glück bei ihrem Autor, sie scheinen zum Ende hin zunehmend zu verblassen. Die Zeichnung der karriereorientierten Pia, die zwar keinen Mann, aber Trost bei ihrer Katze findet, schrammt dabei mehrmals an der hauchdünnen Grenze zwischen idealtypischem Charakter oder eben doch stereotypem Klischee entlang. Das ist besonders schade, denn gerade ihr Psychogramm und kreativindustrielles Milieu sind im ersten Drittel gelungen beschrieben.

Dieses Verblassen der weiblichen Figuren zu Ende hin resultiert auch daraus, dass sich die Handlung des Romans im Laufe des Sommertages zunehmend weg von Wien und hin nach Linz verlagert – die Frauen aber in der Bundeshauptstadt zurückbleiben und ins erzählerische Hintertreffen geraten. Während im urbanen Wien für die Figuren Entwicklungsschritte und sogar Karrieren zumindest denkbar sind, scheint das provinzielle Linz für das „Hängenbleiben“ und eine kontinuierliche Verweigerungshaltung zu stehen. Hier arbeiten sich die männlichen Charaktere an ihrer Vergangenheit ab, ihre Erzählstränge streifen sich letztendlich in der als „Kulturfabrik“ fiktionalisierten Stadtwerkstadt. Die Geschichte der Männer überlagert sich dabei deutlich mit stadthistorischem und subkultuellem Lokalkolorit (SKV, STWST, Willi Warma) von Linz. Interessant die methodische Fiktionalisierung der Orte: Während der öffentliche Raum (z. B. die Badeanstalten Kongo-, Hummelhof- und Parkbad) auch namentlich unverändert wiedergegeben wird, sind die Lokalitäten (z. B. Hansibar, Kulturfabrik) analog zu den Menschen des Romans fiktionale Verdichtungen realer Spots, die durchwegs vertraut wirken.

Andreas Kump hat für sein Buch diffizile Beschreibungen von Mikrokosmen, Situationen und Charakteren produziert. Eine Fülle an Beobachtungen erzeugt im Leser ein nachhaltiges Bild der Figuren und ihrer Generation. Die Schreibe ist am Leser orientiert, diese Wirkungsorientierung zeugt von der popkulturellen Verortung von Werk wie Autor. Besondere Bedeutung kommt dem ebenso eigenwilligen wie sorgfältigen Arrangement der einzelnen Subgeschichten zu. Die raffinierte Montage der Biografien und Ereignisse führt das Buch von einer (an sich schon aussagekräftigen) Sammlung an Milieustudien in einen funktionierenden und gelungenen Roman über. Auch wenn es manche enttäuschen mag, ist „Über Vierzig“ keine Fortsetzung von „Es muss was geben“. Andreas Kump hantiert großzügig mit realen Versatzstücken, hat aber darauf geachtet, keinen weiteren Beitrag zur Mythenbildung rund um die „Stahlstadtkinder“ zu schaffen – was wohl auch durchaus geklappt hätte.
So hat der Autor den Sprung vom Chronisten zum Romancier gewagt – und mit „Über Vierzig“ ein Stück eigenständige und lesenswerte Literatur geschaffen. Lesen Sie!

 

Andreas Kump: „Über Vierzig“
Milena Verlag, Wien 2019
Hardcover, 272 Seiten

Zur (Architektur-)Sprache

Anlässlich des Todes des im März verstorbenen Dichters und Architekturtheoretikers Friedrich Achleitner schreibt Florian Huber über die ungebrochene Aktualität von Achleitners Denken.

Bild Wikimedia Commons: Anton-kurt

Seiner letzten literarischen Buchpublikation wortgesindel aus dem Jahr 2015 hat der am 23. Mai 1930 im ober­österreichischen Schal­chen geborene und am 27. März 2019 in Wien verstorbene Dichter und Architekturtheoretiker Friedrich Achleitner eine Sentenz des Philosophen Fritz Mauthner (1849–1923) vorangestellt: „Sprache ist ein Werkzeug, mit dem sich die Wirklichkeit nicht fassen läßt.“ Bereits seine literarischen Anfänge im Wien der 1950er-Jahre im Umfeld des Art Club und als späterer Protagonist der Wiener Grup­pe scheinen dieser Einsicht verpflichtet, wie etwa eine Lektüre des gemeinsam mit H. C. Artmann und Gerhard Rühm verfassten hosn rosn baa zeigt. Im wienerisch gefärbten Titel der 1959 publizierten Dialektdichtungen wird jene ironische Distanz gegenüber dem poetischen Sprechen und seinen Grundmotiven erkennbar, die auch für Achleitners Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Architektur zu einem stilbildenden Prinzip wurde, an deren Beginn ein Architekturstudium und das Diplom an der Meisterschule Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste Wien stand. Als Architekturkritiker in der Abendzeitung und in Die Presse sowie in zahlreichen Aufsatzbänden widmete er sich ab den 1960er-Jahren „Problemen der Architektur […], Fragen der Architektur an Hand von Objekten“, wie es in der Vorrede zu seinem fünfbändigen, zwischen 1980 und 2010 im Residenz Verlag verlegten Haupt­werk Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert heißt. In der Ver­bin­dung von Fotografien, Konstruktionsplänen, Selbstaussagen der beteiligten Architektinnen und ihrer kritischen Be­schrei­bung durch den Autor entstand über die Jahre eine Typologie moderner Bau­kultur, die trotz ihrem Fokus auf die öster­reichischen Bundesländer weit über nationale Kontexte hinauszuweisen vermag, wie etwa die Beschreibung der von 1955 bis 1957 errichteten Pfarrkirche am Bindermichl im ersten, 1980 publizierten Band des Architekturführers verrät: „Der parabelförmige Grundriß, die Art und Lage des Fensterbandes und nicht zuletzt die ‚zarte‘ Konstruktion zeigen eine Verarbeitung sowohl deutscher […] als auch schweizerischer Einflüsse. Ihre ‚Synthese‘ wird wohl einmal als typisch für die fünf­ziger Jahre angesehen werden.“ Vor al­lem der im letzten Satz beschworene Blick zurück verdeutlicht die besonderen Qualitäten und Herausforderungen von Ach­leitners theoretischer Herangehens­weise an die Architektur. Die möglichst umfassende Kenntnis ihrer Geschichtlich­keit war für den Kritiker unabdingbar, zumal sich die spezifische Bedeutung vieler Bauvorhaben nur retrospektiv und in Be­zug zu anderen Objekten beurteilen lässt. Sein Interesse galt daher nicht nur so ge­nannten Landmarks, sondern vor allem auch der Alltagsarchitektur in Gestalt von Mehrzweckhallen, Industriebauten, Schwimm­­bädern, Kindergärten und Schu­len oder Bauernhöfen sowie ihrer histo­ri­schen Entwicklung, deren Spuren Achleitner unermüdlich dokumentierte, wie sein architekturtheoretischer Nachlass im Architekturzentrum Wien beweist, der zehntausende Fotografien sowie 22.340 objekt­bezogene und 2.690 Karteikarten zu Architektinnen umfasst. Die gleichermaßen dem Gang in die Archive und Vor-Ort-Begehungen abgerungene Materialfülle war wohl auch dem Umstand geschuldet, dass bereits zum Zeitpunkt der Entstehung des Architekturführers zahlreiche Bauwerke bis zur Unkenntlichkeit ent­stellt, abgetragen oder vom Abriss bedroht waren. Dem mangelnden historischen Bewusstsein gegenüber den Errungenschaften architektonischer Modernen korrespondierte die jahrzehntelange Abwe­sen­heit einer deutschsprachigen Architekturtheorie, an die Achleitner mit seinem Vorhaben hätte anschließen können, wie er noch 1992 in einer autobiografischen Notiz mit Blick auf seinen Kollegen Gerhard Rühm bemerkt: „Ich habe ihn jedenfalls immer um das musiktheoretische Instrumentarium beneidet, dem etwa die Architektur (auf deutschsprachigem Boden) nichts Adäquates entgegenzusetzen hat.“ Die Klage über fehlende Vorbilder wurde freilich von der Einsicht begleitet, dass architektonische Denk- und Arbeitsweisen nur ungenügend im Vokabular der Alltagssprache gefasst werden können, zumal Bauwerke und ihre diversen Vorstufen nicht allein aus Worten geformt sind. Viel­mehr folgt der architektonische Sprach­gebrauch bis in die Bausubstanz hin­ein einem eigenem, aber nur selten explizit formulierten Regelwerk, wie an einem Text Achleitners „Zur Topographie und (Architektur-)Sprache Wiens“ aus dem Jahr 1994 abzulesen ist: „Auffallend ist […], daß Wien im 19. Jahrhundert, ausgerechnet in den nonverbalen Künsten, ein merkwürdiges Sprachbewußtsein, eine Sensibilität gegenüber sprachlichen Phänomenen entwickelt. Schon vor Psychoanalyse und kritischer Sprachphilosophie demonstrieren die pro­mi­nenten Ringstraßenarchitekten […] nicht nur den Gebrauch unterschiedlicher Architektursprachen durch einen Künstler, sondern auch den Gebrauch ,sprachlicher Regeln‘ innerhalb der Architektur.“ So besehen vermittelt Architektur eine spe­zifische Weltsicht, deren Rekonstruktion und kritische Analyse nicht nur im Zentrum von Achleitners Forschungen stand, sondern auch sein literarisches Schreiben informierte, wie eine Prosa­mi­ni­atur aus den 2003 erschienenen einschlafgeschichten illustriert: „heute fällt niemandem mehr auf, dass die häuser von gastein erst durch ihre aufschriften das werden, was sie vielleicht scheinen. wer könnte sonst ein hotel von einem grandhotel unterscheiden, eine villa von einem landhaus oder ein landhaus von einem haus.“ Die Rede vom Sprachgebrauch und die Thematisierung der Aufschriften an den Häusern erinnern dabei daran, dass Architektur und Literatur für Ach­leitner soziale Praktiken und Kommuni­ka­tionsformen verkörperten, die nicht unabhängig von den an ihnen beteiligten Individuen und Räumen gedacht werden können. Auch die von ihm initiierten Debatten zum Denkmalschutz und städtebaulicher Erneuerung sowie die 2015 unter dem Titel Wie entwirft man einen Architekten? gesammelt erschienenen Essays über ArchitektInnen, vor allem aber die Überlegungen zum richtigen Standort zeugen von dieser Haltung, wie seine Darstellung der Linzer Donaulände um 1980 bestätigt: „Der Baukörper des Parkbades mit seiner signifikanten Eingangsfront ist nicht nur ein charakteristischer Bau der frühen dreißiger Jahre, sondern auch vorbildlich in seinen Dimensionen als freistehendes Objekt in der Aulandschaft. Lediglich das Brucknerhaus hat in der späteren Verbauung auf diesen Maßstab Rücksicht genommen. Die Bebauung an der unteren Donaulände hat schon längst ihren ‚eigenen Maßstab‘ geschaffen, der weder auf die Altstadt noch auf die Uferlandschaft Rücksicht nimmt.“ Im minutiösen Verzeichnen historischer Versehrungen und Versäumnisse zeigt sich die ungebrochene Aktualität von Achleitners Denken. Wer erfahren möchte, wie die Stadt und ihre Bewohnerinnen wurden, was sie heute sind, kommt an einer Lektüre seiner Schriften nicht vorbei.

Das Professionelle Publikum

Auf den folgenden Seiten Kunst- und Kulturempfehlungen von Andrea Bina, Fina Esslinger, Stefan Haslinger, Gregor Graf, CRYSTN HUNT AKRON, Jörg Parnreiter, Kristiane Kaufmann, Moritz Pisk, Matthias Schloßgangl und Dominik Thaller. DIE REFERENTIN dankt!

Foto Norbert Artner

Andrea Bina
ist Kulturhistorikerin und Leiterin des NORDICO Stadtmuseums Linz.

Prost, Mahlzeit!: Wirtshausziaga
IM KRAUT

 

 

Foto Teresa Novotny

Fina Esslinger
ist Kunsthistorikerin und arbeitet u.a. für das Nordico Stadtmuseum und dorf tv. Sie produziert und kuratiert Ausstellungen für das MUSA, Elmgreen & Dragset u. a. und ist Vorstandsmitglied beim Festival der Regionen.

FESTIVAL DER REGIONEN – Soziale Wärme
Hot Spot – Wimhölzl Hinterland

 

Stefan Haslinger
ist seit bald 30 Jahren aktiv in der Kulturarbeit, auf beiden Seiten der Medaille daheim.

Rad & Roll
Schauspielcollage Abel steh auf

 

Foto G. Moser

Gregor Graf,
bildender Künstler. Studium an der Kunstuniversität Linz, Metall und Raum & Designstrategien. Bevorzugte Medien sind Fotografie und Zeichnung, oftmals im Zusammenspiel mit Rauminstallationen und Objekten.
www.gregorgraf.net

Ausstellung IM KRAUT
PEW PEW PEW Festival 2019 Groundless Offspace. Sein im dekonstruierten Raum

Foto Robert Maybach

CRYSTN HUNT AKRON
music and performing arts
Christine Hin­terkörner BA
singer . composer . performance artist

EBRIPHON
5K HD

 

Jörg Parnreiter
ist seit 15 Jahren ehrenamtlich beim Open Air Ottensheim engagiert und arbeitet in der Stadtwerkstatt Linz in den Bereichen Veranstaltungen und Gastro.

Open Air Ottensheim 2019
Konfrontationen Nickelsdorf

 

Kristiane Petersmann
ist Leiterin der Galerie KULTURFORMEN.

Kunstsammlung Schloss Hartheim
Der Einfall der Dinge

 

Foto Jan Dreer für IFK

Moritz Pisk
ist Kulturwissenschafter und forscht im Dickicht von Pop und Technik. Aktuell ist er Junior Fellow am IFK, Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaft der Kunstuniversität Linz in Wien.

KLUB CLUB
MOCKING THE MACHO TROPES

 

Foto Reinhard Winkler

Matthias Schloßgangl
ist Schauspieler und Sprechtrainer, er leitet die Improvisationstheatergruppe die zebras.

die zebras im Sommer – auf und davon!
Viel Lärm um nix!
Ein Botanischer Sommernachtstraum

 

Foto Alex List

Dominik Thaller
lebt und arbeitet in Linz für div. Sozialeinrichtungsträger. Seit 2015 Student an der Kunstuni Linz. Gründungsmitglied bei Zack Prack Productions, Hang­over Society und der ARGE ToR!

Chicken Sound Festival
Festival des politischen Liedes

 

Tipps von Die Referentin


Gabriele-Heidecker- Preisverleihung
BodySoundSpace
SI(E)SI SILK Fluegge
Buchpräsentation Radka Denemarková
theaternyx* über.morgen
My Talk with Florence
Die Vielen
oktolog/out 2019 Abschlussveranstaltung

Editorial

Die Nummer 15 der Referentin steht im Zeichen von zwei größeren Themenblöcken.

Zuerst geht es mit mehreren Texten um das neue Format LINZ FMR, das als Format für „Kunst in digitalen Kontexten und öffentlichen Räumen“ Ende März zum ersten Mal zu sehen sein wird. Es freut uns, dass wir hier drei Texte zu den diffus herumschwirrenden Begriffen und Zusammenhängen rund um zeitgenössische Kunst und/oder Medienkunst anbieten können. Wir bedanken uns bei den FMR-BetreiberInnen für den inhaltlichen Austausch und wünschen zum Start alles Gute!

Außerdem geht es in dieser Ausgabe in mehreren Texten um den guten alten FMNSMS, der nicht nur mit dem 8. März Frauenrechte und Gleichberechtigung erneut herausschreit, sondern im Namen dessen wir uns durchaus ganzjährig der Aussage anschließen können, dass wir es – ja, durchaus! – politisch meinen. In diesem Zusammenhang ein kleiner Hinweis auf ein Detail, das bei der „Kleinen Referentin“ als bestimmendes Auswahlkriterium auftaucht: die Schwanzlänge. Wichtig zu wissen, auch schon für Kinder, was im Leben Sache ist – nice! Bitte ausmalen und in diesem Fall an Next Comic schicken – die aber eh nichts dafürkönnen. Aber vielleicht möchte Next Comic nächstes Jahr einen Kinderwettbewerb zum Thema starten? Geht eh auch mit Tierschwänzen, damit‘s eventuell dem Land OÖ nicht zu schlimm wird. Sprich, damit sich im Zentrum der Macht nicht wirklich wer aufs Zipferl getreten fühlt.

An einem der letzten Freitagvormittage haben wir eine größere Gruppe Schülerinnen und Schüler vor dem Alten Rathaus demonstrieren sehen. Junge Leute haben die Anliegen für Umwelt- und Klimaschutz auch in Linz vertreten und gegen genau den Shit angesungen, den mächtige Männer über die letzten Jahrzehnte angerichtet haben. Ist uns allen die Zukunft gestohlen? Es wird alles besser – meint Theater Nyx in ihrer aktuellen Produktion, die wir auch vorstellen. Ob mit dem doppeldeutigen Titel „über.morgen“ dabei gleich morgen oder erst übermorgen gemeint ist? Wir trauen es uns nicht zu sagen.

Die Referentin geht einstweilen die von Sarah Held empfohlene Serie schauen.

In diesem Sinn wünschen wir zeitgeisty Lesevergnügen.

Die Redaktion, Tanja Brandmayr und Olivia Schütz

„Wir sind das Genre!“

LINZ FMR ist ein biennales Format für Kunst in digitalen Kontexten und öffentlichen Räumen, das Ende März zum ersten Mal stattfindet. Hybris – Artists in Residence am diesjährigen LINZ FMR – fanden sich zum Skype-Brunch ein und erzählen zum Einstieg von Ladekabelkrisen, Cyberfeminismus und dem Kampf um Aufmerksamkeit Digital-Post- Pubertierender. Ein Interview von Romana Bund.

Hybris – Auch der Kapitalismus hat Komplexe! (2017)

Hybris – Auch der Kapitalismus hat Komplexe! (2017)

Wie schmeckt ein Skype-Brunch?
Nach Mok-Bang mit Kaffee.

Apropos Skype: Skype als eines der Urgesteine unter den Video-Chat- und Instant-Messaging-Plattformen – wie wichtig sind derartige Kanäle für euch?
Wir wohnen alle in verschiedenen Städten und deswegen ist es natürlich schon sehr wichtig. Wir machen ständig Skype-Dates aus, die dann nicht stattfinden, oder bei denen dann nach fünf Minuten eine von uns ganz dringend weg muss. Wir sind aber dann trotzdem froh, dass wir darüber geredet haben.

Plant ihr eure künstlerischen Arbeiten über Skype und ähnliche Kommunikationsplattformen oder macht ihr das dann doch lieber analog, Face to Face und ohne Computer, Handy und Kabelsalat neben dem Frühstücksei?
Es ist eher mehr so eine Mischung aus monatelangem Brainstorming und therapeutischen Sprachnachrichten; oder besser gesagt, dann zwei Tage vorher auf einmal merken, dass wir jetzt wirklich was brauchen.

Und was ist mit Social Media?
Benutzen wir nur um Andere darauf aufmerksam zu machen, wie toll wir sind! Und um Crushes zu stalken.

Facebook oder Instagram?
Instagram und Twitter.
Felizitas ist ohnehin von Facebook ausgetreten und Instagram gleicht in ihrem Fall einem Accountfriedhof, bzw. kreiert sie immer wieder neue Accounts, nur um ein paar Wochen später alles zu deaktivieren. Theresa dagegen ist noch auf Facebook aktiv, lässt auf ihrem Instagram-Account aber immer andere für sich posten.
Natalia ist bei Facebook contemporary not available. Auf Instagram gibt sie sich gerne die volle Dröhnung und landet dann bei 5-Minute Crafts.

Wo spielen diese digitalen Vernetzungskanäle in euren Arbeiten eine Rolle?
Unser Instagram-Account ist eigentlich auch Teil unserer Kunst. Wenn wir was Neues posten, denken wir immer, jetzt gehen wir viral, gleich ruft Jan Böhmermann an. Und wundern uns dann tatsächlich, wenn das nicht passiert.

Eure künstlerischen Arbeiten bewegen sich – auch mit Hinblick auf euren Instagram-Account – zwischen analogen und digitalen Welten hin und her. Seht ihr euch auf beiden Seiten gleich stark verankert?
Wir stehen eher zwischen den Welten und wundern uns, wo die Realität stattfindet.

Ist das Wechselspiel von analog und digital auch der Grund für eure Namensgebung Hybris?
Der Grund für unsere Namensgebung ist eher die bescheidene Eingebung, dass wir uns einfach mehr feiern sollten.

Wie definiert ihr Hybris und wie manifestiert sich diese in euren Arbeiten?
Hybris kommt aus dem Altgriechischen und steht für eine extreme Form der Selbstüberschätzung oder auch des Hochmuts. Damit wir aber nicht total arrogant rüberkommen, nennen wir uns inzwischen auch mal Hybris0815.

Und wo kommt nach altgriechischer Begriffsdefinition der Übermut und die Selbstüberschätzung ins Spiel?
Wenn uns jemand ein Kompliment macht und es wird creepy, verstehen wir nur Groupie.

In euren Arbeiten spielt auch immer wieder der weibliche Körper und die gesellschaftliche Situierung der Frau eine Rolle. Seht ihr euch – auch als Anwenderinnen digitaler Technologien – als Cyberfeministinnen?
Unsere Ideen wachsen auf einem politischen Nährboden, der mit unseren Alltagsproblemen und Konfliktsituationen gedüngt wird. Da wir alle drei Frauen, #toughtitties sind und uns gerne mit uns selber beschäftigen, spielen Sexismus und digitale Weiblichkeit dabei natürlich ein große Rolle.
Feminismus bedeutet aber für uns auch, das sich jede/r frei bewegen kann, ohne dafür gleich einen Stempel aufgedrückt zu bekommen oder in eine Schublade gesteckt zu werden.

Bedeutet das, ihr könntet euch vorstellen, als geschlechtslose oder übersexualisierte Cyborgs im Sinne Donna Haraways zu agieren, die mithilfe von Technik und Digitalität übliche Denkkategorien in Frage stellen, aushebeln und den emanzipatorischen Charakter eben jener hervorheben?
Das übernehmen wir gerne als Artist Statement für unser Portfolio. #nopressure Unsere Hybris ist auf jeden Fall genderlos und kämpft an der Front der Freiheit.

Aber insbesondere online liegen Safe Space wie Shitstorm, Macht und Unterdrückung, Nähe und Distanz, Candy und Shit sozusagen eng beieinander. Sind diese von digitalen Technologien produzierten Ambivalenzen für eure Arbeiten primär produktiv oder auch restriktiv?
Sowohl als auch, denn zwischen: „Wir haben technische Probleme – auch WIFIs haben ihre Tage“, Keanu-Reeves-Fan-Accounts und einer selbst komponierten Hymne für zwei Chatbots machen wir so alles mit. Außerdem sammeln wir gerne Kommentare zu unserer Kunst, digital und analog. Momentaner Favorit unserer letzten Ausstellung: „Um es wie in der Höhle der Löwen zu formulieren – ich bin raus“.

Und würdet ihr eure Arbeiten lieber online oder im MoMA sehen?
Die Hybris lässt nur beides zu!

Lässt sich eure gemeinsame künstlerische Arbeit in ein Genre einordnen?
Wir sind das Genre!

Was ist mit Post-Internet Art?
The future is email.

Eine von Brian Droitcour gesetzte Definition der Post-Internet Art spielt mit der Figur der Insiderin und behauptet: „You know it when you see it“. Könnt ihr euch damit identifizieren?
You know it when you MEME it.

Versteht ihr euch als sogenannte Digital Natives?
Eher Digital-Post-Pubertierende.

Wisst ihr über eure tägliche Screen Time Bescheid?
Wir waren schon einmal auf Entzug. Felizitas hat eine App, die ihr das sagt, die wurde dann aber wieder zwecks Datenschutzes gelöscht. Theresa wiederum fährt viel U-Bahn und muss für eine Fahrt von 45 Minuten immer entscheiden, welches Lied jetzt auf YouTube geladen wird und was man solange ertragen kann. Natalia hat bei Instagram eine dreißigminütige Sperrklausel, aber jeweils für ihre drei Accounts.

Falls der Strom dann aber wirklich einmal ausgeht, besitzt ihr Powerbanks oder seid ihr dann doch lieber zwischendurch offline?
Wir besitzen sogar Powerbanks für die Powerbanks und trotzdem versagt die Technik immer. Außerdem herrscht eine Android und Apple betreffende Ladekabelkrise zwischen uns. #toobigtoofail

Und abschließend eine Frage, die das Internet seit Jahren beschäftigt: Ist das Kleid nun schwarz-blau oder gold-weiß?
Wir haben immer die Lichtapp namens Flux aktiviert, da wird alles sepia. #notsponsered

 

HYBRIS
Hybris ist ein Kunstkollektiv, das 2016 von Natalia Jobe, Theresa Hoffmann und Felizitas Hoffmann gegründet wurde. Es entstand aus ihrer Leidenschaft gegen die beunruhigend narzisstische Repräsentation von Kunst, die gerade in den sozialen Medien zunehmend verstetigt zu werden scheint. Jobe, Hoffmann und Hoffmann nähern sich dazu aus jeweils unterschiedlichen künstlerischen Hintergründen, aber mit einem gemeinsamen Ziel: die Kunstwelt mit einer einzigartigen satirischen Sichtweise auf ihren Wandel neu zu beleben: „Watch out for Hybris because they are about to defy the norm.“

 

 

Festival LINZ FMR
LINZ FMR ist ein biennales Format für Kunst in digitalen Kontexten und öffentlichen Räumen, kuratiert und organisiert von qujOchÖ, servus.at, dem Atelierhaus Salzamt, der Abteilung Kulturwissenschaft der Kunstuniversität Linz und der STURM UND DRANG GALERIE. Die erste Ausgabe findet Ende März 2019 in Linz statt.

LINZ FMR 19
Kunst in digitalen Kontexten und öffentlichen Räumen
Mittwoch, 27. – Samstag, 30. März 2019, Donaulände, Linz, Österreich
Eröffnung: Mittwoch, 27. März 2019, 17:00 Uhr, LENTOS Freiraum

Kern des Formats ist eine Ausstellung im öffentlichen und offenen Raum mit Arbeiten von internationalen und lokalen Künstlerinnen und Künstlern, die sich mit Kunst in digitalen Kontexten auseinandersetzen. Begleitend wird ein Vermittlungsprogramm mit verschiedenen Führungen und ein Rahmenprogramm mit Vorträgen, Konzerten und Gesprächen angeboten, um sich neuen Ansätzen, Arbeitsweisen und Entwicklungen zum Thema zu widmen.
Mehr: linzfmr.at