Ein paar Liebeserklärungen
Normalerweise rant’ ich ja hier herum, lästere, schimpfe und beklage, wie grausig und schlimm alles ist und ja, da gäbe es auch Ende 2018 genug zu schreiben. Und doch ist mir an diesem grauen Novembervormittag eher danach, zu loben und zu herzen und diese Kolumne all den großartigen Frauen zu widmen, die sich aktuell zu Wort melden, schreiben, sich solidarisieren und – an der Weltrevolution arbeiten. Das wird hier keine Liste mit Namen, weil das ohnehin Unfug wär und sie niemals vollständig sein könnte. Aber eine Liste mit Beispielen, wie es gehen kann und von denen sich jede hier bei Bedarf etwas abschneiden kann, die geht sich aus: Da wären als erstes die vielen Journalistinnen, die täglich oder wöchentlich um Zeichen und Zeilen kämpfen, und darum, Filme, Stücke oder Bücher von Frauen nicht mit Schlagwörtern wie „geballte Frauenpower“ oder ähnlichen Exotismen versehen zu müssen. Sie schaffen Bewusstsein, dass arbeitende, schaffende Frauen nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind – wenngleich sie das allzu oft selbst aus der Position einer Ausnahme tun, wenn es etwa um leitende Positionen innerhalb dieser Medien geht. Wer zählt die Witzchen, anstößigen Scherzchen und schiefen Blicke in all den Redaktionssitzungen vergangener Jahrzehnte, die sie ertragen mussten und müssen, wenn es um „Frauenthemen“ geht oder auch darum, die gleiche Länge und Sendezeit für Rezensionen oder Portraits über Künstlerinnen oder Autorinnen zu erhalten, wie sie männlichen Vertretern der Genres offenbar und unbegründet zustehen?
Da wären als nächste die Intendantinnen, die Regisseurinnen, die Dramaturginnen – die für Sichtbarkeiten und Hörbarkeiten sorgen, wenn es um Stücke von Dramatikerinnen geht. Denn, wie es erst kürzlich eine Journalistin in einer Podiumsdiskussion zum Thema und am Beispiel des niederösterreichischen Landestheaters und der dortigen Intendantin beschrieb: (…) „dann tauchen plötzlich – oh Wunder! – Stücke von Frauen im Spielplan auf, nach denen davor wohl niemand gesucht hat“. 8 von 15 Inszenierende sind dort übrigens weiblich. In Karlsruhe kündigt die dortige – seit Herbst 2018 – Intendantin an, überhaupt nur noch Regisseurinnen zu engagieren und erntet prompt Sexismusvorwürfe. Wie gut, dass wir alle die Jahrzehnte nicht darüber diskutieren mussten, ob es sexistisch ist, ausschließlich männliche Regisseure zu engagieren. Das war nämlich GOTTGEGEBEN. Da sind die vielen Galeristinnen, Veranstalterinnen, Buchhändlerinnen, die dafür sorgen, dass schreibende, performende, künstlerisch tätige Frauen sichtbar werden. Jene sind schließlich die ersten, die wieder nach Hause oder in genrefremde Teilzeitjobs geschickt werden, wenn es in Zeiten der Krise um Arbeitsplatzsicherung (für Männer natürlich, die verdienen schließlich mehr – finde das Paradoxon) geht und „die Frau dann halt ihr Hobby“ aufgeben wird müssen. Zugunsten der Kindererziehung, weil ja eh kein Verlag verlegt, was sie schreibt, weil ja eh keine*r die Performance sehen will, wenn nicht der viel berühmtere Partner auch noch auftritt etc. Das ist alles so dumm, dreist und derb. Und darum braucht es noch viel mehr Frauen, die Infrastrukturen zur Verfügungen stellen (können).
Als nächste herze und küsse ich all die unermüdlichen Bloggerinnen, die – zum allergrößten Teil unbezahlt – sich Tage und Nächte um die Ohren schlagen, um möglichst rasch und präzise all die Ungeheuerlichkeiten auf der Welt und in Österreich mit Texten und Kommentaren zu versehen, zu analysieren und zu erklären. Jene, die dafür sorgen und zeigen, dass unermüdliches Sich-zu-Wort-Melden nichts mit unreflektiertem und unqualifiziertem Rauskotzen zu tun haben muss, jene, die – eben weil sie so gut und genau recherchieren – zur Zielscheibe rechter, sexistischer, rassistischer Trolle werden. Abonniert ihre Blogs, lest ihre Blogs, folgt ihnen auf Twitter oder sonst wo! Und zahlt ein in Fonds, die gebraucht werden, um eben jene mutigen Frauen zu schützen, wenn wieder ein rechter Recke sich bedroht fühlt und sie mit abstrusen Klagen eindeckt!
Fette Umarmungen an all jene Frauen, die erkannt haben, dass solidarisch sein über Grenzen von Geschlechterkonstruktionen, Ideologien, Parteien oder anderen Zugehörigkeiten hinweg tausendmal wichtiger ist (und auch erfolgreicher macht) als kleingeistiges Getue. Dann, wenn Männer sich in ihre engen Grenzen und Räume zurückziehen, unter sich bleiben wollen oder den Drang verspüren, sich in unendlichen basisdemokratischen Bauchkrampfdiskussionen darzustellen, sind sie längst draußen, auf der Straße, demonstrieren, fordern und feiern. Vor allem letzteres und generell der nächtliche öffentliche Raum sind ja eher nichts für männliche Selbstdarsteller, wie wir wissen. Küsse an all jene Frauen, die immer schon gewusst haben, wie wichtig es ist, über Generationen hinweg solidarisch und feministisch zu sein: die Zeiten sind vorbei, in denen zu akzeptieren war, dass wir uns in jeder Generation von neuem Rechte erkämpfen müssen – keep them busy – dieses Spiel spielen sie längst nicht mehr mit. All die Lehrenden, Professorinnen, Chefinnen, die keine Angst vor jungen Mitarbeiterinnen haben, sondern sie ganz im Gegenteil an ihren Errungenschaften und Erfahrungen teilhaben lassen, um sie wachsen zu lassen, all jene, die zeigen, dass hierarchische Strukturen, die nur auf Abhängigkeit, nicht aber auf Eigenständigkeit zielen uns gesamtgesellschaftlich einfach nie weiterbrachten – seid geküsst.
Und schließlich die fettesten Liebeserklärungen an all jene Freundinnen, die dich nicht untergehen lassen, die dich auffangen, die dich füttern und mit Glück versorgen, wenn du es brauchst, die dich aufbauen, dir Komplimente machen, dir Lippenstift schenken und vor allem mit dir „marodierend durch die Straßen ziehen“ (© JP) – bleibt alle, was ihr seid: großartig.