Suburban Round Trip – Part One

karte

Der Slowdude ist hin und weg. Und möchte mit einem Zitat des Philosophen, Naturalisten und Schriftstellers Henry David Thoreau beginnen: „Wer Fehler finden will, findet sie auch im Paradies“. Nach Jahren des aufreibenden, kräftezehrenden und fokussierten Forschens, Recherchierens und Probierens im städtischen Terrain wagt der Slowdude einen herrlichen Roundtrip im Umland der wunderbaren Irgendwas-mit-Medien-UNESCO und Kulturhauptstadt dekorierten oberösterreichischen Donaumetropole. Und das hat er sich verdient. Ganz genau dem Titel „Heute Disco, morgen Umsturz, übermorgen Landpartie“ von F. S. K. folgend ist der Slowdude im Übermorgen angekommen. Endlich. Disco hatte er schon zu Genüge und der Umsturz war ihm viel zu anstrengend. Darum die Landpartie: Beginnend im Linzer Norden wurden kulinarische Perlen gesucht und gefunden – Ottensheim, Lichtenberg und Pelmberg sind die wahren Orte von Genuss, Entspannung und Selbstfindung. Ja, der Slowdude ist esoterisch geworden – was bleibt ihm auch anders über – in Zeiten wie diesen. Egal. Start. Das im gleichnamigen Pelmberg (1) gelegene Stüberl mit angeschlossenem Freilichtmuseum ist das, was man sich unter einem gelungenen Ausflugslokal vorstellt: wunderbare Aussicht, kleine Karte mit lokalen Spezialitäten und Mehlspeisen, die einem – im positiven Sinne – die Tränen in die Augen treiben. Da schlägt der vom Monopolkonditor Jindrak verseuchte Geschmacksinn für Süßes wahre Purzelbäume und macht Luftsprünge. Der Standard „Schweinsbratl“ ist ein Gedicht und selbst die für FleischverächterInnen kredenzten Spinatknödel sind kein bloßes Alibi, sondern ein wahrer Genuss. Das sympathisch von Frau und Herrn Döberl geführte Stüberl ist ein wahrer Schatz im Linzer Umland. Tipp vom Slowdude: Die Herbstsaison. Fährt man die Urfahraner Hügelkette wieder herunter und biegt nach dem malerischen Hohlweg ab zum berühmten „Exenschläger“ (2), sinkt das Niveau keinesfalls. Der 2015 neu übernommene Ausflugsgasthof bietet eine breite lokal-kulinarische Palette. Der faschierte Braten, die Leinölerdäpfel oder die zum Nachtisch servierten Bauernkrapfen sorgen für ein wohliges Gefühl in der Seele und für Zufriedenheit im Bauch. Die nette Crew beschert dem Slowdude jedes Mal einen gemütlichen Aufenthalt in der romantisch gelegenen Talschwelle – nebst Kinderdistraktion mit Spielplatz und Möglichkeit zur Ziegenfütterung. Tipp vom Slowdude: Zu Fuß zum Exenschläger – eine traumhafte Stadtwanderung. Aber auch an der Donau gibt es Balsam für das geschundene Gourmetherz. In Ottensheim – der bio-konservativen Boboenklave im Westen von Urfahr – bietet das Gasthaus zur Post (3) Bodenständiges aus heimischen Gewässern, Gutes von der Weide und aus dem Garten. Hier wird Lokales mit Weltküche kombiniert – so begegnen sich auf der Speisekarte Ingwer und Kohlrabi genauso wie das Wallerfilet seiner guten Freundin, der Polenta. Und die ganze Pracht der guten Küche genießt man in einer wunderbaren Wirtshausstube – so wie man sie leider nicht mehr oft zu Gesicht bekommt. Tipp vom Slowdude: Genug Zeit mitnehmen und den wunderbaren Gastgarten genießen und ordentlich chillen. Paradiesische Zustände in Urfahr-Umgebung. Hier kommt nun das eingangs erwähnte Zitat zu tragen: Der Slowdude wäre nicht der Slowdude, würde er nicht ein Haar in der Suppe finden. Und er gibt es zu: Er musste wirklich suchen! Aber sonst wäre die Kritik ja keine Kritik, sondern platte Promo – und das wäre eines Slowdudes nicht würdig. Deshalb kurz und schmerzlos: Das Salatbüffet im Gasthof zu Post würde besser ohne Dosengemüse dastehen, beim Exenschläger wäre ein richtig regionales Bier auch fein im Angebot (Hofstetten, Neufelden, Aigen oder Freistadt lassen grüßen) und beim Pelmbergstüberl könnte man beim Kaffee etwas „tunen“. Aber: Das ist Jammern auf hohem – ja höchstem – Niveau. Die drei machen das wirklich sehr, sehr gut. Und vor allem sympathisch und unaufgeregt! Keine inszenierte Urtümlichkeit oder gespielte Lederhosenzünftigkeit. Ein wunderbarer und lebensnotwendiger Kontrapunkt zu den marodierenden Eventgastrohütten im Zentrum der Linzer Stadt. Hier wird der Begriff „Landflucht“ umgekehrt und neu gedeutet. Also raus aus den idiotisch benannten, Klebeschrift verseuchten und mit Ekelbier gefüllten Systemgastrostätten und rein ins kulinarische Vergnügen der suburbanen Sphäre.

 

1 Pelmbergstüberl www.pelmbergstueberl.at
2 Exenschläger Waldschänke www.exenschläger.at

3 Gasthof zu Post www.facebook.com/GHzPOST

 

+++ EILT! +++ AUS AKTUELLEM ANLASS +++
Kurz vor Redaktionsschluss entdeckte der Slowdude bei seiner Routineinspektion der Linzer Innenstadt einen neuen Player der innerstädtischen Gastroszene: Der frisch renovierte Kunstuni-Bau am Hauptplatz beherbergt seit Anfang August die Cafeteria Frédéric. Kurzkritik: Sehr, sehr netter Service, gutes frisches Essen, gutes Ambiente drinnen wie draußen, aber Nachholbedarf bei den Getränken: Bier bitte regional und nicht das Industriebrackwasser namens Gösser, und für die sommerlichen Mixgetränke nochmals ins Rezeptbuch gucken. Aber beide Daumen hoch. Ein Lichtblick. Unbedingt hingehen!

Hybris sagt, was Sache ist …

Papageienmensch4

Aus der Arbeitsserie „Chimären“ von Lisa Spalt. Sein oder nicht sein.

EAR meets EYE (AUG um OHR)

Alltag und Musik gehen bei Werner Puntigam Hand in Hand. Gleiches gilt für das Zusammenwirken des Visuellen und des Akustischen. Über den Linzer Posaunisten und multidisziplinären Künstler, sowie die Kunst der Improvisation schreibt Georg Wilbertz.

Werner Puntigam und Rabito Arimoto. Foto Werner Puntigam

Werner Puntigam und Rabito Arimoto. Foto Werner Puntigam

Der Alltag ist Improvisation und auch in wohlgeordneten Gesellschaften wie der unsrigen sind wir tagtäglich aufgefordert oder gezwungen Unvorhergesehenes durch improvisiertes Handeln zu bewältigen. Manche erfüllt der Zwang zur Improvisation mit Unsicherheit und Angst, andere fühlen sich darin erst wohl und nutzen die quasi unbegrenzten Potentiale, die das Improvisieren für das „Erlebnis“ Alltag bereithält. Zu letzteren gehört der in der Steiermark geborene und seit 1983 in Linz lebende Posaunist, Fotograf und multidisziplinärer Künstler Werner Puntigam, der bewusst Risikobereitschaft und Improvisation zu zentralen Faktoren seiner musikalisch-künstlerischen Arbeit macht. Ein Text über ihn ist zwangsläufig ein Text über die Kunst der (musikalischen) Improvisation.

Alltag und Musik gehen bei Puntigam Hand in Hand. Gleiches gilt für das Zusammenwirken des Visuellen und des Akustischen. Darin mag begründet sein, dass er sich seit über zwei Jahrzehnten in entfernte, fremde Kulturen begibt, um vor Ort musikalisch-künstlerische Projekte zu entwickeln. Seit 1997 ist dies vor allem der afrikanische Kontinent, der in unserer klischeehaften Vorstellung ein einziger Hort täglichen, existenziellen Improvisierens ist. Spricht man mit Werner Puntigam über seine Erfahrungen hinsichtlich der Organisation und Durchführung von Projekten in Afrika, scheint sich das Klischee zumindest teilweise zu bestätigen. Beginnend mit einer Japantournee im Jahr 2013 verlagert sich sein Interesse und Fokus aktuell mehr und mehr in den asiatischen Raum.

Die Aufenthalte an neuen Orten verbindet Puntigam mit einem intensiven Kennenlernen des Alltags und der Menschen, die diesen leben. Hierfür lässt er sich nach Möglichkeit Zeit und interpretiert seine Sicht auf das Neue vor allem in fotografischen Arbeiten, die idealerweise alltägliche Situationen wiedergeben. Die Auseinandersetzung mit der jeweiligen sozialen und kulturellen Realität beeinflusst die künstlerische Arbeit an den jeweiligen Orten maßgeblich.

Viele Konzerte und Projekte entstehen hierbei spontan. MusikerInnen und KünstlerInnen tauchen manchmal unmittelbar vor dem Konzert auf, man lernt sich kennen und steht kurz danach gemeinsam auf der Bühne. Dass dies nicht immer zu überzeugenden Ergebnissen führt, versteht sich von selbst. Jedoch gehört es für Puntigam zum grundsätzlichen Wesen seiner Arbeit, das Risiko des Unbekannten und der mit ihm verbundenen ganz eigenen Dynamik einzugehen. Auch der manchmal sich ereignende „freie Fall“ spiegelt letztlich lebensnahe Realitäten wieder und muss in Kauf genommen werden, wenn es gilt durch Offenheit, Neugier und Spieltrieb gänzlich Neues zu entdecken.

Von besonderer Bedeutung sind die konkreten Räume, ihre ästhetischen und akustischen Qualitäten. Vieles von dem, das schließlich zur Aufführung gelangt, wird direkt entwickelt in der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Raum. Dabei reicht die Spanne von spürbarer Konfrontation bis zu dem, was – nicht in einem beschönigenden, besänftigenden Sinn – als Harmonie bezeichnet werden kann.

Werner Puntigam besitzt einen sehr persönlichen Begriff von musikalischer Qualität. Für ihn geht es nicht um das technisch perfekte, rasant exponierte Ineinandergreifen akademisch angeeigneter Phrasen (bitte: nichts gegen die Phrase!), die sich durch ihre spieltechnische Brillanz zu einem musikalischen Ganzen fügen. Für ihn ist stattdessen das Musikalische eng mit seiner Vorstellung von Improvisation verbunden. Qualitätvolles Musizieren entsteht im Moment des Aufeinanderhörens, des bewussten, oft intuitiven Reagierens auf den anderen oder die Situation. Für ein derartiges Verständnis des musikalischen Interagierens stellt der Faktor der Zeit und des sich Zeitlassens ein wesentliches Element dar. Es ist eine Binsenweisheit, dass auch und vor allem die nicht gespielten Töne und die Pausen zwischen den Klängen die Wirkung und Spannung eines musikalischen Geschehens ausmachen. Paraphrasiert man den Ausnahme-Pianisten Keith Jarrett, so entsteht durch das Timing die Komplexität des Einfachen. Werner Puntigam besitzt diesbezüglich einen – durchaus wörtlich zu verstehenden – langen Atem. Musiziert man mit ihm, muss man spannungsvolle Momente des klanglichen Horror vacui aushalten können.

Das Ergebnis ist ein vor allem durch extreme Transparenz geprägtes klanglich-musikalisches Geschehen, das im besten Sinne des Wortes als Kammermusik bezeichnet werden kann. Jedes Detail bekommt Raum, wird wahrnehmbar und trägt bewusst zum Ganzen bei. Kein Wunder also, dass diese Musik sich den technischen Möglichkeiten der Verstärkung weitgehend entzieht und Räume braucht, die ihre Charakteristika für die ZuhörerInnen möglichst unmittelbar hörbar machen. Dichte und Intensität entstehen nicht durch Notenkaskaden, sondern durch die Erfahrbarkeit des einzelnen Tons, des herausgearbeiteten Geräuschs. Puntigams kammermusikalische Improvisationen grenzen sich damit bewusst ab vom landläufig verwendeten Begriff des Freejazz, der sehr häufig intendiert, durch das dichte, oft rasende Zusammenfügen und Überlagern individueller, fast autistisch agierender instrumentaler Stimmen einen expressiven, ja explodierenden Gesamtklang zu schaffen. Natürlich kennt auch Puntigams Musik Momente der tempomäßigen Verdichtung, der gesteigerten Expression und größtmöglichen dynamischen Breite und natürlich ist auch er nicht dagegen gewappnet, die Zuhörenden virtuos zu „überwältigen“. Doch bleiben auch diese Phasen Teil eines interaktiven Geschehens, das im Idealfall einer gesteuerten oder sich ergebenden Dramaturgie folgt.

Erleb- und hörbar ist die Musik Werner Puntigams in einer Vielzahl von musikalischen Projekten, Besetzungen und CDs. Zum Kennenlernen eigenen sich die umfangreichen Konzertdokumentationen auf Dorf-TV, YouTube und seiner Homepage, die er, wie auch alle übrigen grafischen Arbeiten selbst gestaltet. Ab Herbst 2018 wird Werner Puntigam wieder verstärkt in Linz und Oberösterreich in verschiedenen Konstellationen zu hören sein. Verwiesen sei u. a. auf die Konzertreihe des Linzer Vereins Musik im Raum (MIR), die ab Oktober stattfinden wird.

Eine besondere Qualität zeigt Puntigams Zusammenarbeit mit dem japanischen Trompeter und Bassklarinettisten Rabito Arimoto. Sie ist dokumentiert auf der 2017 erschienenen CD „kokyu“ („atmend“; erschienen bei ATS-Records). Zu hören ist auf ihr in Reinform Werner Puntigams Auffassung freier kammermusikalischer Improvisation. Nach ihrem Gastspiel beim hochkarätig besetzten JAZZ ART SENGAWA Festival in Tokio Mitte September wird Arimoto im November mit Unterstützung von LinzIMpORT in Österreich sein und eine Reihe von Konzerten vorwiegend in Linz und Oberösterreich mit Werner Puntigam spielen. Überhaupt ist es dem Posaunisten generell sehr wichtig, zukünftig seine Aktivitäten in Kooperation mit aufgeschlossenen heimischen Veranstaltern und Festivals auch hierzulande wieder zu verstärken.

 

www.ear-x-eye.info (inkl. Videos und aktuelle Live-Termine)
www.musikimraum.at

jazzartsengawa.com/en_2018

15. Sep. 2018: Auftritt beim JAZZ ART SENGAWA Festival in Tokio mit den japanischen Musikern Rabito Arimoto (tp, bcl) und Makigami Koichi (voc, poetry)

17.–30. Sep. 2018: Artist Residency in Singapur inkl. Realisierung einer audiovisuellen Installation und Performances in Kooperation mit der Künstlerin Sharyl Lam (SIN)

14. Nov. 2018: Vierteiliges Hauptkonzert der THE SOUND OF ODEM Duo-Tour mit Rabito Arimoto (J) und Gastkünstler_innen in der Rudigierhalle des Linzer Mariendoms
(9.00 h, 13.00 h, 17.00 h, 21.00 h)

Die aktuelle CD von Werner Puntigam mit Rabito Arimoto heißt „kokyu [breathing]“.

Werner Puntigam betreibt einen Channel auf Dorf TV.

The Metal Underground Resistance

Bands, Party und der Heavy Metal Spirit: Valerie Straßmayr hat Domenik Riedl und Bastian Moser getroffen. Die beiden veranstalten Metalkonzerte in Linz sowie dieses Jahr zum ersten Mal das Festival „Steel City Sorcery“ von 7.–8. September in der Kapu. Die ungekürzte Version über die Linzer Community, die Festivalorganisation und den Underground ist online zu finden.

1,2,3 ... Ranger. Foto Stell City Sorcery

1,2,3 … Ranger. Foto Stell City Sorcery

Meine erste Frage wäre, wer alles Steel City Sorcery macht? Seid das ihr zwei oder sind noch mehr Leute beteiligt?
D: Da ist auf jeden Fall noch Jannis dabei, der die Artworks und Designs macht und ich zähle auch unseren näheren Freundeskreis ein bisschen dazu.
B: Es ist eine Community, ohne die wir das ganze eigentlich nicht gestartet hätten, weil wir gesagt haben, dass ein Team da sein muss.

Warum habt ihr Steel City Sorcery ins Leben gerufen? Oder es als Veranstaltungsreihe gemacht?
B: Weil wir gesagt haben, mit einem Konzert ist es sicher nicht getan. Wenn man einen Fixpunkt schafft, bekommt man mehr Angebote und kann umso bessere Bands holen. Es ist ziemlich schnell ein Selbstläufer geworden. Damit haben wir gar nicht gerechnet.

Also war es schon ein Ziel von euch, dass ihr bekanntere Bands bekommt, nicht nur Underground?
D: Naja, es ist eh noch hübsch Underground, finde ich.
B: Sagen wir einmal Underground’s Finest, doch international, aber wo man sagt, die Bands haben zu Recht schon einen kleinen Ruf, sind aber noch weit weg vom Mainstream.
D: Ich finde ja das Ganze ist etwas an die Live Evil-Schiene aus London angelehnt. Die waren eigentlich die ersten, die sowas begonnen haben. Demnach sind in anderen Städten auch solche Sachen entstanden. Darum glaub ich, dass wir unbewusst auch so ein Ableger sind.
B: Da kannst du über Branding diskutieren. Wir machen ja auch Death und Blackmetal Bands, aber das muss auch immer diesen schönen Gossencharme vom Heavy Metal haben. Es muss halt zusammenpassen. Das ist die Königsdisziplin.

Wie seid ihr eigentlich zu dem Namen Steel City Sorcery gekommen? Steel City lässt sich ja noch recht leicht herleiten …
B: Weil es zauberhaft ist und supergeil klingt!
D: Ich weiß gar nicht, wie lange wir überlegt haben. Das ging, glaub ich, relativ schnell. Irgendwem ist das einfach so mal rausgerutscht.
B: Steel City Sorcery … Das kannst du betrunken auch sagen.

Die Steel City-Konzerte sind eigentlich immer in der Kapu. Seid ihr von der Kapu? Oder wie kam es dazu?
D: Hauptsächlich sind sie aus dem Grund da, weil ich hier sowieso arbeite. Das gehört zu meinen Booking-Tätigkeiten dazu. Es war irgendwie logisch, dass wir das da machen. Wieso soll ich mir eine andere Location suchen, wenn man das hier einbetten kann? Bis jetzt haben wir einmal ein Konzert in einem Linzer Keller veranstaltet. Ich find es auch okay, mal woanders Sachen zu machen. Die Homebase ist aber hier.

Meine nächste Frage hat sich ja schon zum Teil geklärt, da ihr vor Steel City Sorcery schon Veranstaltungen organisiert habt.
D: Ich mache das jetzt schon seit sieben Jahren.
B: Du hast im MuKuKu angefangen. Das total auf DIY basiert war.
D: Da haben wir in der Gemeinde Kremsmünster, einem wenn überhaupt 5.000-Seelendorf, in einem Haus im ersten Stock, einfach die ärgsten Bands eingeladen. Jahrelang. Das war richtig geil.

Tut sich dort heute noch etwas?
D: Da ist jetzt das Tumult drinnen. Die machen auch noch Konzerte, aber nicht so viele.
B: Damals ist die Dorfcommunity einfach noch größer gewesen. Von denen sind viele weggezogen in Richtung Wien.
D: Du machst ja auch schon seit circa zwei Jahren Konzerte. Die Zeit vergeht schnell.
B: Vorher hab ich Adem von Death Over Eferding beim Booking geholfen. Was auch schon in die Schiene geschlagen ist. Da gibt es eine Tradition in diesem Nest!

Wie unterscheidet sich die Organisation von einem Konzert und einem Festival? Ihr macht ja jetzt zum ersten Mal das Steel City Sorcery Festival.
D: Es ist auf jeden Fall die Größenordnung. Ein Hauptproblem ist, dass ich die ganzen Bands nicht im Haus schlafen lassen kann. Das ist Mal das erste, ich muss Hotels suchen. Es kommen Acts, die man vielleicht einfliegen lässt. Sonst kommen immer tourende Bands mit ihrem Bus.
B: Wir haben immer selbst gekocht. Das geht sich nicht mehr aus. Der Anspruch ist auch ein anderer. Wir überlegen uns natürlich, wie unser Festival wirklich herausstechen kann. Wir wollen auch möglichst faire Preise machen. Es ist einfach cool, keinen abzuzocken, vor allem für etwas, das eine Herzensangelegenheit ist.

Die zwei Tage kosten 40 €. Das ist bei diesem Lineup auf jeden Fall fair.
D: Das Rahmenprogramm ist uns sehr wichtig. Wir wollen draußen etwas Lustiges machen. Schnaps mit Gurkerl etc.
B: Dazu wollen wir aber noch nicht zu viel verraten.
D: Bei einem Fest mit so vielen Bands darf man die Organisation nicht unterschätzen. Der Zeitplan muss viel tighter eingehalten werden. Wenn bei sechs Bands jede eine halbe Stunde Verspätung hat, spielen die letzten um drei in der Früh, und das interessiert auch wirklich keinen mehr. Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass das halbwegs passt. Ich will ja auch genug Zeit für die Afterparty haben!

Wie kam es bei euch dazu, dass ihr überhaupt Metal hört?
D: Da wird es bei mir peinlich. Mit 15/16 Pagan Metal. Das Heidenfest im Posthof war ganz groß. Da warst du doch auch dort!
B: Du hast gar nicht gesagt, dass es für mich auch peinlich wird! Da kannten wir uns aber noch nicht.
D: Das waren so meine Anfänge. Dann ist es recht schnell Black Metal geworden und jetzt immer mehr Heavy Metal.
B: Back to the roots! Bei mir war es auch klassisch. In der Schule nimmt jemand eine Metallica-CD mit. Geil! Dann kommst du drauf, dass der Papa viele Schallplatten hat. Dann ist das aber irgendwie zu fad und man will härter und böser sein … und dann ist man trotzdem irgendwie beim Pagan Metal gelandet.
D: Das ist die eine Abbiegung, die du falsch gegangen bist!
B: Man sieht halt, dass es damals zwei Mal im Jahr im Posthof Konzerte in der Richtung gab. Natürlich geht da jeder hin. Das war uns schon zu wenig, was in Linz passiert ist. Grundsätzlich hat es hier immer Leute gegeben, denen das gefällt. Warum sollte man da Konzerte aussterben lassen, wenn das das Wichtigste ist. Sich treffen, sich unterhalten und den Metal ausleben.

Wie motiviert findet ihr die Linzer Metalszene?
B: Bei den Leuten, die da sind, denk ich mir: Ihr habt euch die Bands angehört, ihr freut euch, dass sie spielen und steht nicht nur im Eck. Das freut mich besonders.

Ihr seid ja auch noch nicht so alt, aber merkt ihr einen Unterschied zur Community von damals und heute. Sind heute noch die gleichen Leute dabei?
D: Ich finde es immer so schön, wenn Leute von „früher“ zu den Shows kommen und es ihnen gefällt.
B: Das ist cool, aber eher die Ausnahmen. Die kommen vermutlich, wenn sie sich denken, jetzt waren wir schon echt lange nicht mehr unterwegs. Ich weiß es aber nicht. Man kennt sie zu wenig.

Habt ihr Wünsche für die Zukunft hier in Linz?
D: Ich würd gerne ein Open-Air-Fest machen.
B: Das wär schon ein kleiner Teenie-Traum.
D: Aber das ist noch weit weg. Nächstes Jahr sicher noch nicht. In zwei Jahren wahrscheinlich auch noch nicht. Aber das wollen wir.
B: Schön wäre es auf jeden Fall, wenn wir jedes Jahr ein Festival in dieser Größenordnung machen können. Da dürfen wir total zufrieden sein.

Die Linzer Punkszene war schon immer größer als die Metalszene. Bei euch spielen ja keine Punkbands. Wollt ihr euch klar vom Punk abgrenzen und eine reine Metalkonzertreihe sein?
D: Eigentlich will ich das gar nicht.
B: Ich auch nicht. Ich bin ein großer Punkfan. Wir fragen auch schon seit Jahren bei Indian Nightmare an, die eine perfekte Mischung zwischen Metal und Punk sind.
D: Bis jetzt hat sich das noch nicht ergeben. Am Festival spielen aber Vole aus Tschechien. Das ist lupenreiner Punk. Spiker sind mit ihrem Straßenrock auch eher punkig.
B: Ja, ziemlich Deutschpunk. Wir wollten das von Anfang an auch mischen.
D: Auf jeden Fall nicht abgrenzen. Das ist das Schlechteste, das man machen kann.

Was war für euch persönlich das beste Konzert, das ihr gemacht habt?
D: Sagen wir es auf drei gleichzeitig? Mich würd es interessieren, ob wir das gleiche sagen. 1 … 2 … 3 …
D, B: Ranger!
B: Für mich war das die offizielle Geburtsstunde. Das war ja ein Experiment. Die haben 500 € gekostet. Es war ein totales Zittern. Und dann war die Hütte voll. Es war die geilste Party!

Hattet ihr schon negative Erfahrungen mit Bands, die hier gespielt haben?
D: Nein, eigentlich gar nicht. Das sind meistens nette Leute.
B: Die sind sehr dankbar.
D: Ja, es hat nie wirklich was gegeben. Wir kümmern uns auch gut um die Leute.

Fragen bei euch Bands aus Eigeninitiative an, oder liegt das mehr an euch?
B: Mittlerweile müssen wir viel mehr ablehnen, als wir wollen, weil das Programm in der Kapu relativ dicht ist oder weil die Anfragen zu knapp sind.

Hat bei euch schon jemand angefragt, den ihr nicht spielen lassen wollt?
B: Ja schon, aber mehr, weil es uns nicht reingepasst hat.

Also habt ihr da schon Kriterien, dass ihr Bands nicht spielen lasst, weil sie zu kontrovers sind oder einfach von der Musik nicht passen.
D: Beides. Bei manchen Bands check ich das schon ab, wenn ich mir denke, die klingen vielleicht ein bisschen edgy. Man muss eine klare Linie ziehen. Das ist ganz wichtig.
B: Auch aus Respekt vor den Werten der Kapu und welche Leute dann kommen würden. In aller Klarheit willst du hier keine Nazis haben und keine Leute, die andere einfach abfucken. Es gibt eben gewisse Bands, die so kontrovers oder auch einfach nur deppert sind.

Welche Bands wollt ihr einmal unbedingt herholen?
B: Aura Noir.
D: Daran arbeiten wir schon seit über einem Jahr. Die Tour wurde immer wieder verschoben. Ich will Aura Noir auf jeden Fall einmal hier haben. Gewaltbereit will ich auch noch machen. Das ist aber noch nicht so weit.
B: Leipziger HC Punk, wie er uns eben richtig gefällt! Old school, ehrlich, Mittelfinger, g’schissen. Geil.
D: Mindestens zwei Mittelfinger!

Gibt es abschließend noch etwas, das ihr sagen wollt? Was vielleicht noch offengeblieben ist?
D: Danke an die Leute, die immer kommen und die das zaht, was wir machen.
B: Das ist das wichtigste. Und auch das Community-Ding, das wir vorher angesprochen haben. Das ist ganz wichtig. Aber auch, dass uns die Leute daran erinnern, wenn etwas deppert laufen sollte. Wir sind auf jeden Fall offen für Feedback.

Weit im Abseits – Frauen*

Ein kurzer Rückblick auf das 1. Fußball-Film-Festival ABSEITS im Juni: Bei der Hälfte der Filme lag der Fokus auf Frauen und Fußball. Und in jedem der Filme, mal mehr und mal weniger, kamen mir Tränen. Tränen der traurigen Verzweiflung, aber auch der Wut. Die porträtierten Frauen wollten einfach nur Fußballspielen und ihnen wurden mit patriarchaler Konsequenz Knüppel zwischen die Beine geworfen. Und nicht nur einer, sondern viele. Ob in Guatemala, Iran oder Senegal. Ob katholisch oder muslimisch. Überall dasselbe. Unglücklicherweise nicht nur beim Fußballspielen, sondern auch in jedem anderen Bereich des Lebens. Selbstbestimmung der Frau – nicht erwünscht. Selbstermächtigung und Selbstvertrauen durch Stärkung des Körpers – nicht erwünscht. Freude und Spaß der Frau (ohne einen Mann) – nicht erwünscht. Feministische Arbeit – nicht erwünscht, aber halt, damit sind wir zurück in Österreich. Im doppelten Rückwärtsschritt in die Vergangenheit.

Dass eine Babypause einen nicht unbeträchtlichen finanziellen Einschnitt im Leben einer Frau ausmacht, musste in diesem Jahr auch Tennis-Ass Serena Williams erkennen. Letztes Jahr noch als einzige Frau auf Platz 51 der Liste der Top100-Bestverdiener(Innen) im Sport, flog sie heuer raus und auch keine andere Frau schaffte es auf die Liste. Zum ersten Mal, seit diese besteht. Traurig, aber ein Abbild der Gesellschaft. Die Lohnschere geht weit auseinander und nach oben dünnt es sich immer mehr aus. Im Jahre 2013 waren immerhin vier Frauen im Ranking. Im Übrigen führt die heurige Liste ein nicht mehr aktiver Boxer an. Ja in die Goschn haun, damit kummst weit!

Eine andere Weltklasse-Tennisspielerin bleibt uns vor allem wegen ihres Einsatzes für die Gleichberechtigung von Frau und Mann in Erinnerung. Billie Jean King. Ihr Statement: Gleiches Preisgeld für Damen und Herren. Da die Männerführungsriege im Verband nichts abgeben wollte, gründete sie 1970 zusammen mit acht Tennisspielerinnen („Original 9“) und der Herausgeberin des World Tennis Magazins die Virginia Slim Series, die 1973 in der Gründung der noch heute bestehenden WTA – Women’s Tennis Association – aufging. Bereits im selben Jahr wurde bei den US Open das Preisgeld in gleicher Höhe an Frauen und Männer ausgezahlt. Dieser sehr frühen Gründung eines eigenen Verbandes und der Vermarktung der eigenen Damentennis-Serie verdanken die heutigen Tennisspielerinnen ihre vereinzelten Durchstöße der gläsernen Decke zur monetären Sportwelt. Im Übrigen dauerte die Gleichstellung der Preisgelder bei den vom ITF (International Tennis Federation) veranstalteten Grand-Slam-Turnieren bis 2007 in Wimbledon.

Zur Erinnerung: Im Jahre 1970 gründete sich auch der FIEFF, ein internationaler Verband für Frauenfußball, der allerdings innerhalb von drei Jahren von der patriarchalen Übermacht der UEFA in die Knie gezwungen wurde. Dieser wiederum brauchte zwölf Jahre, um die ersten internationalen Frauenfußballbewerbe auszurichten.*

Die FIFA wiederum hat diesen Sommer ihren Ethikcode überarbeitet und just die Korruption herausgestrichen und eine Verjährungsklausel zu Bestechung und Wettbetrug neu aufgenommen. Kritik ist jetzt a ned so leiwand, und deswegen wird eine Diffamierung der FIFA für jene, die an den Codex gebunden sind, unter Strafe gestellt! Sport, ein Mikrokosmos der Gesellschaft!

 

Tipps: newsmavens.com – Europäische Online-News von Frauen (women choose news)

siehe: Mit Eierstock und Herz gegen Kommerz, eine frühere Spiele!-Kolumne

Das Professionelle Publikum

Auf den folgenden Seiten die obligaten Kunst-und Kulturtipps für die kommende Zeit. Diesmal von: Claudia Dworschak, Erich Klinger, Remo Rauscher, Marie Ruprecht, Leo Schatzl, Valerie Straßmayr und Ursula Witzany. Die Redaktion dankt!

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Foto: Reinhard Winkler

Foto: Reinhard Winkler

Claudia Dworschak
ist Künstlerin und Kulturarbeiterin und Gründungsmitglied des Künstlerinnenkollektivs „freundinnen der kunst“.

freundinnen der kunst | performative Intervention
Johann Kresnik | Kurt Schwertsik MACBETH – (Rekonstruktion)

 

 

Foto: Renate Hofman

Foto: Renate Hofman

Erich Klinger
schreibt, wünscht sich autofreie Plätze und wirkt derzeit bei Radio FRO.

Rundgang durchs Bahnhofsviertel
Lesungsabend zu „Political Correctness“
Lesungsabend zu „Political Correctness“

 

 

Portrait_RemoRemo Rauscher
ist freischaffend in den Bereichen Animationsfilm und Theater.

Hölle Hölle Hölle
Sam Bunn: Through the Far-See-Er: Imagining an Institute for eUtopia

 

MarieRuprechtMarie Ruprecht
arbeitet seit 1994 in den Bereichen Fotografie, Video, Mixed Media, computerbasierte Techniken sowie Zeichnung, Malerei und raumbezogene Videoinstallation. Ein wesentliches Merkmal ihrer Arbeiten ist die unmittelbare Auseinandersetzung mit den vorgefundenen räumlichen und inhaltlichen Gegebenheiten und die themenbezogene Aneignung immer wieder neuer Kulturtechniken zur Umsetzung ihrer Werke.
Infos: www.marieruprecht.at

Vernissage der Ausstellung ÜBER DIE NATUR DER DINGE III
Wechselspiel – Keramische Skulpturen Constance Ferdiny Hoedemakers

Foto: LS

Foto: LS

Leo Schatzl
ist bildender Künstler und Lehrbeauftragter an der Linzer Kunstuniversität. Seine Arbeitsbereiche beinhalten Kunstprojekte im öffentlichen Raum, interdisziplinäre Rauminstallationen, Objektgestaltung sowie bildgebende Medien.

Loose Harbour #2
EBBE (Objektinstallation)

WhatsApp Image 2018-01-22 at 19.24.12Valerie Straßmayr
ist Musikerin und Musikenthusiastin. Im Juli war sie Stadtwerkstatt Praktikantin.

Steel City Sorcery Festival
Linz Deathfest

ursulawitzany 2018Ursula Witzany
ist Geschäftsführende des Alumnivereins forum – Kunstuniversität Linz.

Busshuttle zum steirischen herbst 2018
Ars Electronica Festival 2018

 

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Tipps von Die Referentin
Holyhydra
20 Jahre FIFTITU%
Sonatas of Sleep/LESS Soundartist-Reihe
WER WAR 1968?
SNOOZE (Dösen)

The Metal Underground Resistance

Bands, Party und der Heavy Metal Spirit: Valerie Straßmayr hat Domenik Riedl und Bastian Moser getroffen. Die beiden veranstalten Metalkonzerte in Linz sowie dieses Jahr zum ersten Mal das Festival ‚Steel City Sorcery‘ von 7. – 8. September in der Kapu. Hier, online, die ungekürzte Version über die Linzer Community, die Festivalorganisation und den Underground.

1,2,3 ... Ranger. Foto Stell City Sorcery

1,2,3 … Ranger. Foto Stell City Sorcery

Meine erste Frage wäre, wer alles Steel City Sorcery macht? Seid das ihr zwei oder sind noch mehr Leute beteiligt?

D: Da ist auf jeden Fall noch Jannis dabei, der Artwork und Design macht und ich zähle auch unseren näheren Freundeskreis dazu.

B: Es ist eine Community, ohne die wir das ganze eigentlich nicht gestartet hätten, weil wir gesagt haben, dass von vorneherein ein Kernteam da sein muss, wo man ein Backup hat. Das ist wichtig, alleine für die Aftershow-Parties…

D: Wer da auflegt, die zählen wir schon auch dazu, das sind immer dieselben Leute.

Warum habt ihr das Steel City Sorcery ins Leben gerufen? Oder es als Veranstaltungsreihe gemacht?

B: Weil wir gesagt haben, dass es mit einem Konzert sicher nicht getan ist. Wenn man einen Fixpunkt schafft, bekommt man mehr Angebote und kann umso bessere Bands machen und es ist ziemlich schnell ein Selbstläufer geworden. Mit dem haben wir gar nicht gerechnet, dass das wirklich so aufgeht. Ich hab mir das erst nochmal angeschaut. Ich hätte mir nie gedacht, dass nach Ewig Frost, Deathstorm und Brand gleich einmal Ranger kommt, was für mich genau in die Richtung geht, wo ich von Anfang an hinwollte. Das war ein ziemlicher Startschuss, auch wenn es ein halbes Jahr später war.

D: Für mich war es schon von Anfang an als Reihe ausgelegt…

B: Das schon, aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass wir gleich Chancen bekommen unsere persönlichen Präferenzen so stark zu vertreten. Ich hätte schon gedacht, dass wir zuerst in österreichischer und nähere Umgebung herumgrundeln. Aber gleich einmal cooler Speedmetal aus Finnland, da sag ich nicht nein.

Also war es schon ein Ziel von euch, dass ihr bekannter werdet oder bekanntere Bands herbekommt, nicht nur Underground?

D: Naja, es ist eigentlich eh noch hübsch Underground, finde ich. Da könnte man aber lange diskutieren, was überhaupt Underground ist.

B: Da kommt man vom Hundertsten ins Tausendste! Sagen wir einmal Underground‘s Finest, doch international, wo man sagt ok, die Bands haben zu Recht schon einen kleinen Ruf, sind aber doch weit weg vom Mainstream.

D: Ich finde ja das Ganze ist etwas an die Live Evil-Schiene aus London angelehnt.

B: Die haben einfache eine super Mixtur beisammen.

D: Die waren eigentlich die ersten, die sowas begonnen haben. Demnach sind in anderen Städten auch solche Sachen entstanden. Darum glaub ich, dass wir unbewusst auch so ein Ableger sind.

B: Da kannst du über Branding diskutieren. Wir machen ja auch Death und Blackmetal-Bands, aber das muss auch immer diesen schönen Gossencharme vom Heavy Metal haben. Es muss halt zusammenpassen. Das ist die Königsdisziplin.

Wie seid ihr eigentlich zu dem Namen Steel City Sorcery gekommen? Steel City lässt sich ja noch recht leicht herleiten…

D: Ganz viel blöd sein…

B: Weil es zauberhaft ist und weil es supergeil klingt!

D: Ich weiß gar nicht, wie lange wir überlegt haben. Das ging glaub ich relativ schnell. Irgendwem ist das einfach so mal rausgerutscht.

B: Steel City Sorcery… Das kannst du besoffen auch sagen.

Die Steel City Konzerte sind eigentlich immer in der Kapu. Seid ihr von der Kapu? Oder wie kam es dazu?

D: Hauptsächlich sind sie aus dem Grund da, weil ich hier sowieso arbeite und Booking mache. Das gehört zu meinen Booking-Tätigkeiten dazu. Es war irgendwie logisch, dass wir das hier machen. Wieso soll ich mir eine andere Location suchen, wenn man das hier einbetten kann. Bis jetzt haben wir einmal ein Konzert in einem Linzer Keller veranstaltet.

Das waren Eisenhand und Hellbringer, oder?

D: Ja genau. Ich find es auch okay mal wo anders Sachen zu machen. Die Homebase ist aber hier.

Das ist eh eine der besten Locations.

B: Ja, der Flair ist perfekt.

D: Ich würde es auch nicht in der Stadtwerkstatt machen wollen, ich denk, die würden unten keine Freude mit den Afterparties haben. Da schmeißt du einen Sessel und bist schnell draußen. Hier ist das einfach egal.

Ich hab auch das Gefühl, dass in der Kapu die Stimmung am leiwandsten ist. Wie ich angefangen habe auf Konzerte zu gehen, war ich in Linz mehr im Keller und im Ann & Pat.

B: Das kann man schon sagen, hier geht das ja auch schon über Jahrzehnte.

D: Das Ann & Pat hat, leider finde ich, etwas nachgelassen mit den Bands, die spielen. Früher haben da bessere Bands gespielt.

B: Man muss auch dazu sagen, dass die dort einen Rahmen haben und einfach abspecken müssen.

D: Ja, die haben immer nur Freitage.

B: Das ist halt ein Jugendzentrum, die sind anders strukturiert. Hier können wir unsere Narrenfreiheit mehr ausleben.

D: Wir können uns schon gescheit auslassen. Das ist cool.

Meine nächste Frage hat sich ja praktisch schon zum Teil geklärt, dass ihr vor Steel City Sorcery schon Veranstaltungen organisiert habt.

D: Ich mache das jetzt schon seit sieben Jahren.

B: Du hast im MuKuKu angefangen. Das total auf DIY basiert war.

D: Da haben wir in der Gemeinde in Kremsmünster, einem, wenn überhaupt, 5000-Seelendorf, in ein Haus in den ersten Stock, einfach die ärgsten Bands eingeladen. Jahrelang, das war jedem im Ort total egal. Das war richtig geil.

Tut sich dort heute noch etwas?

D: Da ist jetzt das Tumult drinnen. Die machen auch noch Konzerte, aber nicht so viele.

B: Ja, das sind schon weniger.

D: Wir waren auch vollkommen wahnsinnig. Wir haben zweimal im Monat eine Show dort organisiert. Das ist eigentlich viel zu viel, für das, dass es irgendwo am Land ist.

B: Da ist die Dorfcommunity einfach noch größer gewesen. Von denen sind viele Richtung Wien weggezogen. Wenn du dort den Kern hast… Da müssen einfach Leute mitziehen, sonst können wir da gar nichts machen. Underground ist Underground und da merkst du einfach, vor allem im Dorf, liegt es einfach an zwei Personen oder an einem, der einfach motiviert ist. Wenn der wegfällt, dann ist alles weg, wenn der die ganze Partie zusammenhält.

D: Du dürftest ja auch schon seit zwei Jahren Konzerte machen. Die Zeit vergeht schnell.

B: Vorher hab ich Adem, von Death Over Eferding, beim Booking geholfen. Das ist schon in die Schiene geschlagen. Wir wollen geile Bands, es geht um die Party und das Ausleben vom Heavy Metal Spirit.

Bist du ein Eferdinger?

B: Ja ich bin ein Eferdinger.

D: Es ist ganz wichtig, dass man im Team mindestens einen Eferdinger hat. Sonst geht da gar nichts.

B: Das ist der Deal! Wenn du die Schiene fährst, schadet es zumindest nicht. Da gibt es eine Tradition in diesem Nest!

Wie unterscheidet sich die Organisation von einem Konzert und einem Festival? Ihr macht ja jetzt zum ersten Mal das Steel City Sorcery Festival.

B: Die Größenordnung.

D: Es ist auf jeden Fall die Größenordnung. Ein Hauptproblem ist, dass ich die ganzen Bands nicht im Haus schlafen lassen kann. Ich hab halt für 10-15 Leute mit Matratzen Platz. Das ist mal das Erste, ich muss Hotels suchen, was ich sonst nicht mache. Es kommen Acts, die man vielleicht einfliegen lässt. Da kommt Flüge checken dazu, das hab ich sonst noch nie gemacht. Normalerweise kommen immer tourende Bands mit ihrem Bus. Die brauchen nur einen Parkplatz und passt. Für mich persönlich war Flug buchen etwas, was mich gar nicht zaht.

B: So haben wir auch immer selbst gekocht. Bis jetzt waren das maximal vier Bands.

D: Das macht einen Unterschied, ob ich für 15 Leute Catering mache, oder für 35.

B: Das geht sich alleine nicht mehr aus. Der Anspruch ist auch ein anderer. Man will schon, bei einem Festival, wo man hofft, dass auch Leute von weiter wegkommen, Bands von weiter weg holen. Dann überlegen wir uns natürlich auch, wie man unser Festival wirklich herausstechen lassen kann, aus der Fülle an geilen Festivals, die es mittlerweile schon überall gibt. Die Qualität nimmt nicht ab. Man könnte sich jetzt schon zerreißen.

D: Man könnte ohne Problem jedes Wochenende wo hinfahren.

B: Ja genau, und wir haben trotzdem den Anspruch, die Tickets günstig zu halten, möglichst faire Preise zu machen. Es ist einfach cool, keinen abzuzocken, vor allem für etwas, das eine Herzensangelegenheit ist.

Die zwei Tage kosten 40€. Das ist für dieses Lineup auf jeden Fall fair.

B: Ja, wir überlegen uns gerade eh, wie es sich ausgeht.

D: Da bin ich mittlerweile schon positiver gestimmt. Ich hab am Wochenende schon von Leuten aus Bayern und Leipzig gehört, dass sie sich schon freuen zu kommen. Ich glaub, wir haben schon ein gutes Einzugsgebiet.

B: Ok, wenn du gut drauf bist, bin ich es auch.

D: Dazu kommt auch, dass wir draußen auch etwas Lustiges machen wollen. Schnaps mit Gurkerl etc. Das Rahmenprogramm ist total wichtig.

B: Dazu wollen wir auch noch nicht zu viel verraten.

D: Was auch noch dazukommt, bei einem Fest mit so vielen Bands an einem Tag, darf man die Organisation nicht unterschätzen. Bei normalen Konzerten mit drei Bands, da sind alle am Nachmittag da. Soundcheck, Essen, Konzert. So müssen sie viel früher da sein, wenn sie checken wollen. Den Zeitplan muss man viel tighter einhalten. Wenn bei sechs Bands, jede eine halbe Stunde Verspätung hat… Dann spielt die letzte Band um drei in der Früh und das interessiert dann auch keinen mehr. Da bin ich gespannt wie das funktioniert. Normal ist es hier recht leger. Sehr freundlich ausgedrückt. Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass das an dem Wochenende halbwegs passt. Ich will ja auch genug Zeit für die Afterparty haben!

Macht ihr selbst Musik oder spielt in Bands?

B: Ich spiele in zwei Blackmetal Bands. Kringa gibt es schon relativ lang. Bei Hagzissa gibt es die Idee schon relativ lang, ist aber erst jetzt umgesetzt worden. Das nutzt mir schon sehr viel, wenn ich die Hintergrundgeschichten kenne. Hätte ich einfach nur als Fan angefangen, mich in die Organisation hineinzuhauen, wäre es mir um einiges schwerer gefallen. Das erleichtert das ganze schon.

D: Ich spiele in Eisenhand, einer Heavy Metal Band. Dann hab ich noch mit Jannis ein Black Metal Impro-Projekt. Es wird vermutlich weiterhin Impro bleiben, vielleicht kommt etwas mehr Struktur.

B: Wir zwei haben auch noch etwas mit einem Gitarristen geplant.

D: Ja, genau. Das ist aber noch am werden. Das kommt erst.

B: Ja, da muss man noch schauen. Es wird auf jeden Fall eher etwas Richtung Speed Metal werden.

D: Ich glaub auch, dass draus etwas wird. Ich bin motiviert.

Wie kam es bei euch dazu, dass ihr überhaupt Metal gehört habt?

D: Da wird es bei mir peinlich. Mit 15/16 Pagan Metal. Das Heidenfest im Posthof war ganz groß. Da warst du doch auch dort!

B: Ja, da kannten wir uns aber noch nicht.

D: Eluveite und Equilibrium haben da gespielt. Das waren so meine Anfänge.

B: Du hast gar nicht gesagt, dass es für mich auch peinlich wird!

D: Dann ist es recht schnell Black Metal geworden und jetzt immer mehr Heavy Metal.

B: Back to the roots! Bei mir war es auch klassisch. In der Schule nimmt jemand eine Metallica-CD mit. Geil! Dann kommst du drauf, dass der Papa viele Schallplatten hat. Da ist dann AC/DC, Motörhead und Deep Purple dabei. Dann ist das aber irgendwie zu fad und man will härter und böser sein… und dann ist man trotzdem irgendwie beim Pagan Metal gelandet.

D: Das ist die eine Abbiegung, die du falsch gegangen bist.

B: Da waren dazwischen auch Dimmu Borgir, Marduk und Cannibal Corpse. Und wenn man es nicht besser weiß… Man muss sich halt hintasten. Es gibt ja richtig viele geile Bands und es wird schwierig, dass du gut filterst. Man kann im Underground so viel graben. Es ist ein Wahnsinn!

D: Es ist dann mehr die Angst, dass da so viel Musik ist, die man hören will und man hat nicht genug Zeit im Leben.

Über so was darf man gar nicht zu viel nachdenken. Da wird man verrückt.

D: Total.

B: Die Aufmerksamkeitsspanne ist auch so gering geworden. Man hört nur mehr schnell auf Bandcamp hinein. Eigentlich furchtbar.

D: Das Heidenfest war ja wirklich einer meiner Konzert-Anfänge. Wir sind da fast schulklassenmäßig hingefahren.

B: So populär war das damals. Da haben wir ja eine gute Entschuldigung, dass man sich kaum entziehen konnte.

D: Das war schon cool.

Das Heidenfest habe ich ja noch nie vorher gehört.

B: Das war 2008, glaub ich. Eluveite, Equilibrium, Ensiferum, Korpiklaani

D: Equilibrium haben da ihr zweites Album oder so herausgebracht.

B: Finntroll war sicher Headliner!

D: Nein, die waren im Jahr darauf.

Dafür habe ich da eine gute Entschuldigung, dass ich noch nie davon gehört habe. 2008 bin ich sechs Jahre alt gewesen.

D: Ich glaub aber, da du und ich und die Leute, über die wir uns kennengelernt haben, dort waren, das ist schon ein bisschen … wenn du es darauf auslegen möchtest … die Geburtsstunde.

B: Naja, wenn man es darauf auslegt…

D: Nein, es war die Empfängnis. Geburtsstunde war später!

B: Man sieht halt, dass es damals zwei Mal im Jahr im Posthof Konzerte in der Richtung gab. Natürlich geht da jeder hin, der irgendwie affin für die Musik ist. Das war uns schon zu wenig, was in Linz passiert ist. Das ist schon, wo wir sagen: das kann’s nicht geben. Es gibt ein Aps und nach wie vor ein Thüsen Tak. Es ist dahingestellt, wieviel Spaß man in diesen Beiseln haben kann, aber grundsätzlich hat es da immer Leute gegeben, denen das gefällt. Warum sollte man da Konzerte aussterben lassen, wenn das das Wichtigste ist. Sich treffen, das ausleben…

D: Bis auf die zwei Mal im Jahr, wo im Posthof eine fette Metalpartie hereinprallt.

B: Ja, das kannst du aber auch aufschreiben, wenn Kreator da mit ihren Luftballons herkommen, dann ist das keine Metal-Show für mich… so gut die Alben Extreme Aggression und Endless Pain auch sind.

Das haben sie letztes Jahr im Gasometer auch gebracht… mit Konfetti und Luftballons.

D: Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern…

B: Ich hab ja gewusst, dass so was in die Richtung kommt. Ich hab mir aber gedacht, schau ich mir das an. Pungent Stench spielen auch. Insanity Allert sind live auch immer witzig. Aber ich bin dort gestanden und nach dem halben Set hab ich mir gedacht: Ich will nicht mehr. Wie lang ist das wieder aus, dass im Posthof so eine Metalshow war?

D: April, oder? Ja.

B: Aber davor. Jahre… um wieder den Bogen zum Thema zurückzuspannen.

D: Ich weiß die Frage gar nicht mehr.

B: Warum wir Metal hören… weils im Posthof war.

Wie motiviert findet ihr die Linzer Metalszene?

D: Die da sind, sind schon motiviert, aber ich hab das Gefühl, dass ich nicht mal alle kenne.

B: Das ist ja auch schon schön, für so eine kleine Stadt wie Linz. Bei den Leuten, die da sind, denk ich mir: Ihr habt euch die Bands angehört, ihr freut euch, dass sie spielen und ihr steht nicht nur im Eck. Das freut mich besonders.

D: Der Spirit im Saal, der passt.

War es leicht euch zu etablieren?

D: Ja. Die Leute haben eigentlich darauf gewartet, dass es etwas gibt. Das hat man auch gemerkt. Das spricht auch dafür, da es im Herbst auch noch viel gibt. Das ist gerade echt ein Ding, das noch ein bisschen anhalten wird. Bis sie wieder alle gesättigt sind.

B: Das wird in der Zukunft vielleicht ein Thema.

D: Das heißt halt, dass es vielleicht nur mehr ein Konzert pro Monat, oder alle zwei Monate ein Konzert gibt. Nicht, dass es ganz aufhört.

Ihr seid ja auch noch nicht so alt, aber merkt ihr einen Unterschied zur Community von damals und heute. Sind heute noch die gleichen Leute dabei?

D: Ich finde es immer so schön, wenn Leute von ‚früher‘ zu den Shows kommen und es ihnen gefällt. Ich hab schon ein paar im Saal mit einem zufriedenen Grinsen gesehen. Da denkt man sich: Passt, ich hab die Alten auch damit abgeholt. Das ist schon cool.

B: Da rennt die Nostalgiekamera. Das ist cool, aber eher die Ausnahme. Die kommen vermutlich, weil sie sich denken, jetzt waren wir schon echt lange nicht mehr unterwegs. Ich weiß es aber nicht. Man kennt sie zu wenig. Ich kenn zwar ein paar von den alten Eferdingern, aber die kommen nicht her. Die wissen schon, dass es was gibt, sind aber auch schon ruhiger geworden.

D: Ich denk, es geht mehr um generell die Linzer Urgesteine, die sich das anschauen. Wo auch Leute aus dem Porn To Hula-Umfeld da sind. Die sind vielleicht auch nur wegen dem Phil, der die Technik macht, da. Der Vergleich zu früher fällt mir ja schwer, vermutlich liegt das am Alter.

B: Ich hab bei unserem Publikum schon das Gefühl, dass die meistens sogar jünger als wir sind. Maximal bis in unser Alter. Ab 30 sind das schon Ausreißer.

Kennt ihr noch Veranstalter, die früher Metalkonzerte in Linz gemacht haben?

D: Nein, eigentlich gar nicht. Außer man zählt den Post-Metal in der Kapu dazu, der einmal passiert ist. Aber von der Schiene, die wir fahren, kenn ich eigentlich keinen.

Habt ihr Wünsche für die Zukunft hier in Linz?

D: Ich würd gerne ein Open Air Fest machen.

B: Das wär schon ein kleiner Teenie-Traum.

D: Aber das ist noch weit weg. Nächstes Jahr sicher noch nicht. In zwei Jahren wahrscheinlich auch noch nicht. Aber das wollen wir.

B: Schön wäre es auf jeden Fall, wenn wir jedes Jahr ein Festival in dieser Größenordnung machen können. Da können wir total zufrieden sein.

Welche Location würdet ihr euch für ein Open Air in Linz vorstellen?

D: Ich wär da ganz pragmatisch und würde am Rodelgelände in Ottensheim anfragen. Wo auch das Ottensheim Open Air stattfindet. Das Gelände ist cool, man kann baden gehen… Man setzt sich zwar ins gemachte Nest, aber bei so einer Mammutaufgabe wie ein Open Air organisieren, stört das nicht. Da ist jede Aufgabe, die nicht zu organisieren ist, eine Erleichterung. In Linz gibt es eh nicht so viel Möglichkeiten dafür. Da muss man eben etwas nach außerhalb gehen. Ottensheim erreicht man aber noch gut mit allem. Da spricht nichts dagegen, es dort zu machen. Wann es überhaupt einmal spruchreif wird.

Manche größeren Bands wie Bell Witch oder Church of Misery spielen ja in der Kapu, aber nicht als Steel City Sorcery Konzert? Wie grenzt ihr das ab?

B: Das stimmt, das hätte beides unter der Reihe laufen können.

D: Das hängt damit zusammen, dass ich zum Beispiel Bell Witch einfach selber gebucht habe. Da haben wir gar nicht darüber geredet und das ist ein Kriterium für Steel City. Das war glaub ich wirklich der Grund. Wir reden normal schon darüber, was wir machen.

B: Es ist wirklich schwer, das abzugrenzen. Es ist eine Gefühlssache. Klare Trennlinien gibt es da nicht.

Bei euch spielen ja keine Punkbands. Die Linzer Punkszene war schon immer größer als die Metalszene. Wollt ihr euch klar vom Punk abgrenzen und eine reine Metalkonzertreihe sein?

D: Eigentlich will ich das gar nicht machen.

B: Ich auch nicht. Ich bin ein großer Punkfan. Wir fragen auch schon seit Jahren bei Indian Nightmare an, die eine perfekte Mischung zwischen Metal und Punk sind. Auch von der Ästhetik perfekt für die Kapu. Das kann man mit Metalbands gut zusammenbuchen, wo teilweise ja noch Berührungsängste bestehen. Das wird aber vom Gefühl her auch immer besser.

D: Bis jetzt hat sich das auch noch nicht so ergeben. Wenn wir einen Headliner haben, sind uns bis jetzt keine passenden Punkbands eingefallen. Am Festival spielen auch Vole aus Tschechien. Das ist lupenreiner Punk. Das passt super. Spiker sind mit ihrem Straßenrock auch eher punkig.

B: Ja ziemlich Deutschpunk. Wir wollten das von Anfang an auch mischen.

D: Auf jeden Fall nicht abgrenzen. Das ist das Schlechteste, das man machen kann.

B: Beim Festival haben wir immer schon gesagt: Da spielen mindestens ein bis zwei Punkbands.

Was war für euch persönlich das beste Konzert, das ihr gemacht habt?

D: Sagen wir es auf drei gleichzeitig? Mich würd es interessieren, ob wir das Gleiche sagen. 1…2…3…

D, B: Ranger!

D: Das war einfach rundum geil. Vom Lineup, viele Leute waren da, die Stimmung war gut. Es ist bei Ranger voll abgegangen. Das war fast schon zu gefährlich. Es hat einfach alles gepasst.

B: Für mich war das die offizielle Geburtsstunde. Da hat man gewusst, dass das funktioniert und dass man das machen kann. Es hat eine Rundum-Bestätigung gegeben. Das war ja ein totales Experiment. Die haben 500€ gekostet. Es war ein totales Zittern. Aber wenn Hip-Hop-Shows in der Kapu teilweise mehr kosten und unter der Woche stattfinden, dann müssen wir uns so etwas auch trauen.

D: Das war das erste Mal, dass wir uns wegen den Gagen und den Kosten denken mussten, wenn 50 Leute kommen, dann ist das eine Niederlage.

B: Und die Hütte war voll. Es war die geilste Party. Da hat alles gestimmt.

Wann war das Konzert?

D: Jänner vor einem Jahr.

B: Ja, das war Ende Jänner 2017. Das war das zweite, das wir je gemacht haben nach drei österreichischen Bands. Die anderen zwei Bands waren eh auch Österreicher. Aber Küenring kennen wir seit Jahren. Das ist einfach unwiderstehlicher Charme.

D: Küenring sind auf jeden Fall ein Anhör-Tipp. Die kennen meiner Meinung nach viel zu wenig Leute.

B: Viel zu wenige! Sie schauen ja auch nicht wie die Rockstars aus. Beurteile die Leute nie nach ihrem Aussehen.

Habt ihr Küenring nicht diesen März auch wieder hergeholt?

B: Denen hat es so gefallen, dass sie ihre Album-Releaseparty hier machen wollten, obwohl sie alle Wiener sind.

Hattet ihr schon negative Erfahrungen mit Bands oder Bandmembers, die hier gespielt haben?

D: Nein, eigentlich gar nicht. Das sind meistens nette Leute.

B: Die sind sehr dankbar.

D: Die meisten sind sehr froh, dass sie hier im selben Haus schlafen können. Ja, es hat nie wirklich was gegeben. Wir kümmern uns auch um die Leute. Ich hatte schon lange Nächte mit Bandleuten, wo wir bis acht in der Früh hier zusammengesessen sind. Vor allem gerade mit Leipziger Partien.

B: Ähnliche Musik, ähnliches Alter…

D: Da gibt es eine Connection. Linz – Leipzig, da gibt es unserer Meinung nach schon eine Verbindung. Das ist cool.

Fragen bei euch Bands aus Eigeninitiative an, oder liegt das mehr an euch?

B: Ja, mittlerweile müssen wir viel mehr ablehnen, als wir eigentlich wollen, weil das Programm in der Kapu relativ dicht ist oder weil die Anfragen teilweise zu knapp sind.

D: Man hat schon gemerkt, wie das kontinuierlich mehr geworden ist. Am Anfang ist noch nichts gekommen, dann hab ich mal die ersten Bands angeschrieben. Auf einmal bist du auf irgendwelchen Verteilern von Booking-Agencies.

Hat bei euch schon jemand angefragt, den ihr hier nicht spielen lassen wollt?

B: Ja schon, aber mehr, weil es uns nicht reingepasst hat.

Also habt ihr da schon Kriterien, dass ihr Bands teilweise nicht spielen lasst, weil sie zu kontrovers sind oder einfach von der Musik nicht passen.

D: Beides. Bei manchen Bands check ich das schon ab, wenn ich mir denke, die klingen vielleicht jetzt ein bisschen edgy. Da schaut man halt dann. Das Gute ist, dass die Musik meistens auch scheiße ist. Das macht das dann relativ einfach zum Absagen. Da muss man eine klare Linie ziehen. Das ist ganz wichtig.

B: Ich hab das vorher nicht dazugesagt, aber ich bin auch aus der Kapu-Betriebsgruppe. Auch aus Respekt vor den Werten der Kapu und welche Leute dann halt kommen würden. In aller Klarheit willst du hier keine Nazis haben und keine Leute, die andere einfach abfucken. Es gibt eben gewisse Bands, die so kontrovers oder auch einfach deppert sind.

Fragen solche Bands dann auch an, weil sie die Kapu nicht kennen?

B: Ja, eher so.

D: Aber auch selten. Einmal war so eine Partie, bei deren Label Zorn herauskommt, da wird einem schon ein bisschen schwindelig. Damit hab ich mich viel beschäftigt und das ist schnell ein Ausschlusskriterium. Die Musik ist meistens eh scheiße, das ist einfach so.

Spielen bei euch auch Bands, die euch gar nicht gefallen, weil ihr denkt, den Leuten taugt das?

B: Naja, nicht gar nicht, aber es gibt ja Vitamin B.

D: Wie auch überall schleicht sich Korruption durch alle Ebenen.

B: Lassen wir das so stehen. Es gibt Vitamin B. Im Endeffekt haben wir es nie bereut. Das war mehr im Vorhinein.

Welche Bands wollt ihr einmal unbedingt herholen?

B: Aura Noir.

D: Daran arbeiten wir schon seit über einem Jahr. Dort ist die Tour immer wieder verschoben worden. Jetzt spielen sie im Dezember und kommen nur einmal nach Graz. Ich will Aura Noir auf jeden Fall lieber hier als in Wien haben. Ich weiß nicht wieso. Ich glaub, die wären hier einfach geiler. Gewaltbereit will ich ja auch noch immer machen, das ist aber noch nicht so weit.

B: Leipziger Hardcore Punk, wie er uns eben richtig gut gefällt! Old school, ehrlich, Mittelfinger, g‘schissen. Geil.

D: Zwei Mittelfinger mindestens!

B: Ja. Also Aura Noir und Gewaltbereit.

D: Anfangs haben wir ja sogar eine Liste geschrieben. Devision Speed war die erste Band.

D: Die Anfangsliste haben wir ganz gut abgearbeitet.

B: Bei Deathhammer wissen wir noch nicht, ob die uns die Hütte wegreißen.

D: Ich glaub, das ist dann so das letzte, das wir machen. Das müssen wir uns überlegen, aber nachdem ich den Sänger letztes Wochenende wieder gesehen habe, denk ich mir, dass das schon echt geil wäre.

Würdet ihr auch mal gerne so eine große Band wie Pungent Stench herholen?

B: Da haben wir tatsächlich schon überlegt, sind aber noch nicht auf einen grünen Zweig gekommen.

D: Stench wären für mich eher ein Headliner für irgendwas irgendwann mal.

Gibt es abschließend noch etwas, das ihr noch sagen wollt? Was vielleicht noch offengeblieben ist?

D: Danke an die Leute, die immer kommen und die das zaht, was wir machen.

B: Das ist echt das wichtigste. Und auch das Community-Ding, das wir vorher angesprochen haben. Das ist ganz wichtig. Und auch, dass uns die Leute daran erinnern, wenn etwas deppert laufen sollte.

Wir sind auf jeden Fall offen für Feedback.

Editorial

Im 1968 erschienenen Mel-Brooks-Film „The Producers“ gibt es eine Szene, in der der Musicalproduzent und sein Buchhalter nach einem fulminant-komödiantischen Showdown zusammentreffen. Deren betrügerisches Vorhaben mit dem beabsichtigt schlechtesten Musical der Welt war gescheitert, die Nazi-Klamotte samt seiner grottenschlechten Mitwirkenden geriet unerwartet zum parodistischen Erfolg und wegen des Erfolges hätten die Investorinnen – alias zuvor eingewickelte alte Damen – mit einer Prämie ausbezahlt werden müssen. Mit Geld, das wegen des geplanten Misserfolges natürlich nie zur Auszahlung vorhanden war. Mitten im Zusammenbruch des schönen Plans kam es in der Hitze des Gefechts zu folgendem Dialog, in dem der Buchhalter ausruft, dass man wegen des missglückten Vorhabens nun doch nicht einfach die Schauspieler umbringen könne! Worauf der Musicalproduzent, der offensichtlich diese Idee hatte, empört ein Warum? ausruft und die Frage zurückschmettert, ob er denn schon einmal mit einem gegessen habe?! Mit diesem Screwball- wie Breakdown-Dialog soll hier der Textbeitrag von Theresa Gindlstrasser eingeleitet werden. Bezüglich Tabubruch und Groteske hat sie als Vergleich den Film „The Producers“ herangezogen, um sich zu fragen, ob das Attentäter-Musical „Assassins“, wie es im Landestheater gerade läuft, eigentlich Sinn machen kann. Den Text gilt es selbst nachzulesen. Der Film soll – in Form dieser hoffentlich exakt erinnerten Stelle – eine Empfehlung sein.

Amoral, Breakdown und Clash of Aesthetics – allein die vielen Trumps auf der Assassins-Bühne scheinen das reale wie ästhetische Chaos zu spiegeln und auf bizarre Weise etwas abzubilden, was nicht mehr abgebildet werden kann. Ein unglaubliches Echtzeit-Desaster zeigt sich auch in der realen Welt zwischen Heimatwahn und Human Resources Exploitation. Da sollen etwa symbolisch-ideologische Leuchttürme diejenigen „sicher“ nach Hause geleiten, die noch nicht einmal eine Gedankenbreite vor die eigene Haustür gedacht haben. Wir dachten ja, die Leuchttürme seien für jene da, die, um mit Melville zu sprechen, „mit blutunterlaufenen Augen aus der Tiefe kommen“. Also für diejenigen, die sich weit hinausgewagt haben oder – das soll heutzutage auch vorkommen – für die, die auf hoher See in Not geraten sind. Und zur Exploitation kann man nur wiederholt sagen: Kürzungen hin, Förderungen her – Wer zahlt, schafft ab? Gerade in Zeiten wie diesen ist es unglaublich kurzsichtig, die Ressourcen nicht gerecht umzuverteilen.

Damit gehen wir weg vom globalen bis lokalen Real-Life-Bizarro-Musical, wir sind ohnehin täglich damit beschäftigt und man kriegt ja schon kaum mehr Luft deswegen. Und nennen hier beispielhaft die Genres und Texte in der Referentin, die uns Vergnügen bereiten. Zum Beispiel stellt Aloisia Moser ein Medientheorie-Spiel aus dem Hause Qujochö vor, das sie für uns gespielt hat – den „Mythos von Theuth“. Georg Wilbertz wirft einen weitläufigen Blick auf das Thema Arbeit – er hat sich Katharina Gruzeis Ausstellungsprogramm im Lentos vorab angesehen. Und dann wollen wir stellvertretend für alle AutorInnen namentlich Pamela Neuwirth, Lisa Spalt, Wiltrud Hackl, Stephan Roiss und Christian Wellmann erwähnen: Es war uns wie immer ein Vergnügen.

Die Redaktion, Tanja Brandmayr und Olivia Schütz

Harald „Huckey“ Renner (30. 09. 1966–01. 05. 2018)

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Ein Großer ist von uns gegangen.

Wir sind unfassbar traurig. Unser Freund, Bandkollege, Weggefährte und Familienmitglied Huckey ist tot. Vor fast genau einem Jahr sah sich Huckey mit einer Krebsdiagnose konfrontiert. Seither gab es viel Leid, aber auch immer wieder Hoffnung. Gestern Abend ist er im Alter von 51 Jahren in Linz verstorben.

Huckey war einer größeren Öffentlichkeit in erster Linie als Musiker bekannt. Dabei hat er etwas geschafft, was nur den wenigsten in einem einzigen Leben gelingt. Er hat gleich zweimal in Österreich Musikgeschichte geschrieben und Musikkultur wesentlich mitgestaltet.

In den 80ern gehörte er als Schlagzeuger Bands wie Target Of Demand, 7 Sioux und Schwester an, die im Stil von Hardcore Punk eine Ära und Musikszene in Linz (und darüber hinaus) prägten.

In diese Zeit fällt auch die Gründung des Kulturverein Kapu. Huckey war gestaltendes und treibendes Mitglied der KAPU und bis zuletzt im Haus tätig.

Schlagzeug spielte er auch anfangs bei Shy und die letzten Jahre bei der Linzer Elektronikband Merker TV.

Seine tiefsten Spuren in der österreichischen und deutschsprachigen Musiklandschaft hat er aber sicherlich als Mitglied und Rapper bei Texta hinterlassen, gegründet 1993, die 25 Jahre lang die HipHop Kultur in Österreich mitinitiiert und geprägt haben. Seine „komische“ Stimme (Zitat aus „Lebe in den Tag“ 1997), seine Bühnenpräsenz und seine hochlyrischen und philosophischenTexte machten ihn zum nahbaren Rapstar ohne Allüren, aber mit umso mehr Attitude, der auch den nächsten Generationen immer ein offenes Ohr geliehen hat. Huckey hat insgesamt sieben Studioalben mit Texta, mehrere Kollaboalben mit den TTR Allstars und Blumentopf, Musik für zwei Theaterstücke, ein Livealbum und unzählige weitere Releases mehr eingespielt. Sein Motto war „forward ever, backward never“, sein Interesse an Kultur, egal ob Musik, Film, Kunst oder Performance war ungebrochen, das Sammeln von Musik, Magazinen, Filmen, Büchern sein Lebenselixier.

Huckey war ein wichtiger Baustein der Linzer Musik- und Kulturszene, der eine große Lücke in der Stahlstadt hinterlassen wird.

Ebenfalls trauern wird die Fanszene von Blau Weiß Linz, zu der er seit den SK VOEST Tagen zählte.

Huckey war mit ganzem Herzen Antifaschist und Zeit seines Lebens ein politischer Mensch.

Der 1. Mai war ein wichtiger Tag für ihn. Dass dieses Datum nun gleichzeitig sein Sterbetag ist, möge vielen seiner Freunde ein wenig Trost spenden.

Huckey war liebender und geliebter Ehemann von Nicole Renner.

Kapu-Aussendung vom 2. Mai 2018

Bodies of Work

Katharina Gruzei ist in den kommenden Monaten im Lentos mit der Fotoserie „Bodies of Work“ zu sehen. Industrie, Arbeit und Produktion in der Linzer Schiffswerft, Nebel und Wolken als atmosphärische Gegenspieler: Georg Wilbertz hat die Werke im ästhetischen wie kulturhistorischen Kontext betrachtet.

Eine verschmutzte Arbeiterhand ruht auf Papieren. Locker, entspannt umschließt sie einen ankergeschmückten Schlüsselbund. Beim zweiten Hinsehen wird deutlich, dass diese Hand keine „normalen“ Proportionen besitzt. Belastung und Anstrengung haben sie über die Zeit breit und schwer werden lassen. Das Porträt der verformten Hand symbolisiert unspektakulär die massive körperliche Anstrengung, die auf der letzten, Stahlschiffe produzierenden Donauwerft Österreichs am Linzer Winterhafen geleistet wird. Katharina Gruzei hat 2016 für rund zwei Monate in der Werft ohne größere Beschränkungen für das enzyklopädische Fotoprojekt „ÖsterreichBilder“ (www.oesterreich-bilder.at) fotografieren dürfen. Entstanden ist mit „Bodies of Work“ ein motivisch komplexer Bildzyklus, der unterschiedliche ästhetische Zugänge nutzt, um den industriellen Kosmos der Werft zu erfassen und bildnerisch zu deuten. Der Zyklus stellt ein weiteres Projekt zu einem der künstlerischen Schwerpunkte Katharina Gruzeis dar: der Repräsentation von Arbeitswelten, ihren zeitbedingten Veränderungen und innewohnenden, häufig unsichtbaren Kräften, Mustern und Charakteristika. Rund 40 Bilder von „Bodies of Work“ werden im Lentos gezeigt.

 

Die Notwendigkeit eines zweiten, genauen Hinsehens ist dabei typisch für die künstlerische Methode, mit der sich Gruzei ihrem Bildthema widmet. Die Linzer Werft ist ein Ort schwerer, körperlich belastender, industrieller Arbeit. Verbunden mit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts und ihrer Fortschreibung in der Moderne bis zur Krise der Industrieproduktion im Zuge der Globalisierung war die parallellaufende Entwicklung von Bildmustern und bildästhetischen Positionen, die sich sowohl in der bildenden Kunst wie auch und vor allem in der Fotografie mit den neuen Themen Werk und Industrie auseinandersetzten. Die Energien, Kräfte und Dimensionen, die mit der Industrieproduktion einen neuen Maßstab erhielten, übten auf Künstler und Fotografen aufgrund ihrer Dynamik und Dramatik eine große Faszination aus. Stand der menschliche Körper in der vorindustriellen Zeit in einem nachvollziehbaren, an seiner Physis orientierten Verhältnis zur handwerklichen und manufakturellen Produktion, so verschiebt sich dies mit der Industrialisierung radikal. Werkstück, Energie, Produktion, Maschine und der menschliche Körper treten in neue Größenverhältnisse zueinander. Die eklatante Diminuierung des Körpers im Vergleich zu Maschine und Produktion wird als dramatisch wahrgenommen und in ihrer ganzen Dramatik bildlich repräsentiert. Zustände wie der „Kampf“ mit der Maschine und dem Werk, der körperlichen Anstrengung, der Verschmutzung und letztendlich der aus der Arbeit resultierenden Erschöpfung führen zu neuen Bildmustern (Ikonographien). Nicht selten entstehen Bilder, die diese neuen Realitäten mythisch oder heroisch überhöhen. Selbst in Bildmomenten der Erschöpfung liegt meist ein Pathos, das auf die geleistete Arbeit zurückverweist.

 

Von alldem ist in „Bodies of Work“ bei oberflächlicher Betrachtung nichts zu finden. Katharina Gruzeis Fotografien zeigen eine undramatische, ruhige (beruhigte?), industrielle Arbeitswelt. Die Bildsprache ist neutral und setzt nicht auf Affektwirkung. Besonders deutlich wird dies bei den Aufnahmen einzelner Arbeiter. Sie zeigen Männer in entspannter Haltung, deren Gesichter, soweit erkennbar, fast entrückte, besinnliche Züge aufweisen. Momente der Beunruhigung oder der latenten Gefährdung des Körpers werden eher unterschwellig wirksam. So, wenn sich die Arbeiter in die Werkstücke begeben, von ihnen fast „verschluckt“ werden oder wenn sie mit der schieren Größe und Masse des Metalls konfrontiert sind. Die scheinbare Ruhe, die in den porträtierten wie auch tätigen Körpern liegt, führt zu einer fast abstrakt wirkenden, über den Moment hinaus verweisenden Darstellung. Auch dies ein Kennzeichen von „Bodies of Work“. Dies wird deutlich, betrachtet man den „Schauplatz“ Werft. Auch wenn dies ein starker, prägnanter und von vielen Details geprägter Raum ist, so wird er durch die spezifische Ästhetik der Fotografien Gruzeis auf eine vom konkreten Ort losgelöste Ebene gehoben. Der Zyklus verbindet beides: die Präsenz und Wirkung der Werft wie auch die bildnerische Repräsentanz grundlegender Prinzipien oder Muster, die mit dem Begriff Arbeit verbunden sind. All diese Charakteristika ermöglichen dem Betrachtenden eine unaufgeregte, fast distanzierte Annäherung an die Bilder, deren Bildsprache keine unmittelbaren, eindeutigen Affekte auslöst. Stattdessen laden sie ein zu einer genauen, gewissenhaften Beobachtung, die möglichst viele, nicht determinierte Assoziationsfelder öffnen möchte.

 

Zu den grundlegenden Prinzipien, die in Gruzeis Bildern formuliert werden, gehört die zwitterhafte Position, die die Arbeiter zwischen dem Werk (Schiff) und den Maschinen einnehmen. Sie erscheinen angesichts der Größe und der harten Materialität klein, fragil und verletzlich. Geschützt durch ihre Arbeitskleidung wirken sie wie Cyborgs oder Astronauten, deren Körper ohne Schutz nicht den Anforderungen der zu leistenden Arbeit gewachsen wären. So gerüstet begeben sie sich an und in die Werkstücke, verschwinden in oder verschmelzen mit ihnen. Erst in den wenigen Porträtaufnahmen finden sie ohne Pathos zu ihrer individuellen Identität zurück.

 

Mit „Bodies of Work“ widmet sich Katharina Gruzei ohne nostalgisch-verklärenden Blick der mehr und mehr im Verschwinden begriffenen Welt der Industriearbeit, die in diesem Werkzyklus ausschließlich von Männern repräsentiert wird. Galt es am Beginn der Industrialisierung Energien, Kräfte und Dramatik der Industriearbeit darzustellen, so trägt die ruhige Ästhetik der Fotografien Gruzeis dazu bei, unmittelbar zu realisieren, dass sich diese Form der Arbeit mehr und mehr aus unserem Bewusstsein schleicht. Es ist der kontrollierte Blick auf letzte, teilweise fast exotisch wirkende „Reste“ einer – zumindest dem Diskurs nach – aussterbenden Kultur. Doch auch hinsichtlich dieses Aspekts entzieht sich der Zyklus einer eindeutigen Positionsbestimmung: Werkshalle und Atmosphäre wirken einerseits anachronistisch, andererseits erinnert der kieloben gelegte Schiffsrumpf an ein zukunftsträchtiges Raumschiff, das nach erfolgter Fertigstellung die Weiten ferner Welten „erobert“.

 

Würde zur „Erinnerungsarbeit“ im oben beschriebenen Sinne der bloß dokumentarische Blick durch die Kamera genügen, verdeutlicht Gruzei durch die unterschiedlichen ästhetischen Modi, die in „Bodies of Work“ realisiert wurden, dass ihre Arbeit eben nicht als einfache Dokumentation zu verstehen ist. Die Bildkomposition, die gezeigten Lichtwirkungen und die Inszenierung des Raums gehen über das rein Dokumentarische hinaus. Neben Aufnahmen, die gegebene Situationen sachlich schildern, treten Bilder, die aufgrund der fremdartigen Farbigkeit und der besonderen Lichtwirkung (Schweißer) einer erheblichen, fast schon mystischen Verfremdung unterzogen sind. Weiterhin nicht-dokumentarisch sind abstrahierend aufgenommene Werkstücke, die sich durch die gewählte Perspektive in ornamentale Strukturen zu verwandeln scheinen. Besonders weit vom Dokumentarischen entfernen sich die Nebelbilder. Der Nebel führt zu einer atmosphärischen Verdichtung, die einerseits Details verunklärt, andererseits andere ästhetische Wertigkeiten hervorhebt und ihrer Wirkung steigert. Der Nebel lässt Spezifika des konkreten Ortes verschwinden und spielt an auf ikonographische Muster der Landschaftsmalerei der Romantik. Ein vergleichbarer Rückbezug kann für die „Wolkenbilder“ Gruzeis konstatiert werden. Sie entstehen auf den Wasserflächen des Hafenbeckens, in denen sich Himmel und Wolken spiegeln. Öltropfen und Verunreinigungen erinnern zugleich an die Funktion des Ortes wie an kosmische Wolken. Die „Wolkenbilder“ entrücken den Bildzyklus am weitesten von der durch Arbeit und Produktion bestimmten Atmosphäre der Werft.

 

Ebenso entrückt wirkt der Ort in jenen Aufnahmen, die entstanden, als die Arbeit ruhte. In ihnen verlieren sich die letzten Spuren des Tagwerks. Abends und an den Wochenenden herrschte eine völlig andere Atmosphäre. Die Klänge der Arbeit wichen der Stille und den nun dominierenden Naturlauten, das Licht veränderte sich. Der Bezug zur Donau und zur umgebenden Landschaft erfuhr eine Wandlung: das Werftgelände wurde zum faszinierenden, fast beschaulichen Biotop mit Bibern und Hasen.

 

Die Auseinandersetzung mit Arbeit ist ein leitendes Thema für die Künstlerin Katharina Gruzei. In der Serie Bodies of Work befasst sie sich mit der Linzer Schiffswerft (ÖSWAG). Gruzei begleitete über einen Zeitraum von zwei Monaten mit ihrer Kamera den Bau eines großen Fährschiffs. Die Künstlerin fotografierte auch außerhalb der Betriebszeiten in der Werft. Wenn sich die Dunkelheit über das Firmenareal legte und der Lärm der Maschinen verhallte, zeigten sich die Motive in einem anderen Licht.

Katharina Gruzei, geboren 1983 in Klagenfurt, studierte an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, an der University of California, Santa Barbara und an der Universität der Künste, Berlin.

 

Katharina Gruzei, Bodies of Work
Kunstmuseum Lentos
ERÖFFNUNG: Do, 14. Juni, 19 Uhr, Eintritt frei
Ausstellungsdauer: 15. Juni bis 19. August 2018
lentos.at