Amro nachbetrachten

Die 2018er-Ausgabe des Festivals AMRO – Art Meets Radical Openness mit dem diesjährigen Titel Unmapping Infrastructures beschäftigte sich Ende Mai mit der Idee des „Mappings“ als Prozess des Bewusstwerdens und der kritischen Auseinandersetzung mit der aktuellen Landschaft der technologischen Infrastrukturen. Themenbereiche der digitalen Geopolitik, alternativen Gestaltungsmethoden, aktivistischen Praktiken und autonomen Infrastrukturen wurden vorgestellt, diskutiert und vertieft.

www.radical-openness.org/en

Nachzusehen auf Dorf TV.

Farbe floatet Bild

Tausendmal totgesagt und immer gut für ein Erweckungserlebnis – die Malerei. Adelheid Rumetshofer war mit „Floatings“ in der Galerie Sturm und Drang zu sehen. Tanja Brandmayr hat die Malerin getroffen und mit ihr über Raumwahrnehmung und Entmaterialisierung gesprochen.

Floatings, nach Farben benannt: „o. T. – bright and blue“ Bild Adelheid Rumetshofer

Floatings, nach Farben benannt: „o. T. – bright and blue“ Bild Adelheid Rumetshofer

Foto Olivia Wimmer

Foto Olivia Wimmer

Floatings war der Titel der Ausstellung, die im März und April in der Galerie Sturm und Drang zu sehen war. Floatings bezeichnet aber auch den unabgeschlossenen größeren Werkszyklus von Adelheid Rumetshofer, dem Überthema, dem sie sich schon mehrere Jahre widmet. So tragen die Ausstellungen der letzten Jahre diesen gemeinsamen Titel. Die Bilder selbst bleiben o. T., werden allemal nach Farbigkeit und Helligkeit benannt. Hinsichtlich Farbigkeit bewegt sich Rumetshofer mit ihren Bildern „innerhalb des gesamten Farbspektrums, mit einer Tendenz zu Blau“, so die Malerin. Weswegen wahrscheinlich Assoziationen mit Wasser, Meer und Weite naheliegen – und vielleicht auch zur unmittelbaren Wirkung eines Dahintreibens. Am Beginn dieser Entwicklung stand jedenfalls 2009 auch ein Initialerlebnis der Künstlerin am Wasser: Rumetshofer, man möchte meinen, fast malerisch klassisch an einem Teich sitzend, beschreibt einen Blick, der wie im Narrenkastl verschwimmt und erzählt von einer Wahrnehmungsänderung, die plötzlich mehrere Ebenen der Realität erfasst – Wasseroberfläche, Spiegelungen, Lichtreflexionen, das Grün unter der Wasseroberfläche. Oder, anders gesagt, die angesichtige Natur und der Raum löste sich in flächig-floatende Farbebenen auf, zumindest für einen ersten und eindrücklichen Moment. Nach dieser Initialzündung gab es, so Adelheid Rumetshofer, „keine Geschichten mehr zu erzählen, keine Landschaft mehr, keine Natur mehr zu malen“. Stattdessen das Interesse an Farben und Farbklängen, zu deren Gunsten die Auflösung der Form vorangetrieben wird. Vertiefung, Vernebelung, Düsternis, Helligkeit, Leuchtkraft – Rumetshofer „floatende“ Flächigkeiten sind dementsprechend unterschiedlich, entfalten aber Raumwirkung, scheinen so etwas wie Kontemplation über Farbe und Raum zu ermöglichen. Und in vielerlei Hinsicht werden Intention und Technik, die über mehrere Jahre nach und nach entwickelt wurden, in den ausgestellten Bildern sichtbar: mehrere Farbschichten und Ebenen, das Verwischen der Farben, die beinahe vollständige Aufhebung der Form und der Kontur, manches Mal Andeutungen von Geometrie, wolkenhafte Verdichtungen. Das alles öffnet Wahrnehmung, ermöglicht Erweiterung des Blicks, oder ein Verschwimmen von Innen und Außen, das sich nicht näher definiert. Eine merkwürdig diffuse Wirkung stellt sich ein und fordert beinahe auf, verschiedene Distanzen zu den Bildern einzunehmen. Und möglicherweise korrespondiert diese räumliche Bewegung mit der Hin- und Wegbewegung zum und vom Bild, die die Malerin selbst während des Arbeitsprozesses im Atelier vollzieht. Diesbezüglich gefragt, meint Adelheid Rumetshofer jedenfalls: „Es gibt viel Bewegung im Atelier“.

 

An anderer Stelle betont Rumetshofer die Wichtigkeit von Gegensätzen in ihrer Arbeit – nicht nur in formalen Fragen wie etwa der nach dem Umgang mit Vertikalen, Horizontalen, sondern durchaus auch in wuchtigeren Gegensätzen von „immer mehr Entmaterialisierung“ zugunsten der Farben und eines Farbsogs, dessen Kraft Räumlichkeit bewirkt. Und der Umstand, dass neben Raumwahrnehmung auch die Farbwahrnehmung je nach Fokussierung des eigenen Blicks variiert, oder auch „je nach Farbnachbarschaft, Tageszeit und Licht“, wie Adelheid Rumetshofer ergänzt, bringt mich an dieser Stelle nun endgültig zu einer kleinen Anmerkung über James Turrell, der als Landschafts- und Lichtkünstler irisierende Farb- und Raumeffekte zaubert – wenn auch, und dies ganz klar angemerkt, mit den noch reduzierteren Medien des Raums und des Lichts, also nicht mit den Mitteln der Malerei, und auch in einer anderen Größenordnung: Wir wissen natürlich, dass James Turrell in internationalen Dimensionen arbeitet. Ich halte diese Anmerkung aber für wichtig, einerseits, weil sich diese Assoziation unmittelbar und auf den ersten Blick eingestellt hat, und wie ich später von der Galeriemitarbeiterin erfahre, nicht nur bei mir. Und andererseits scheint dies gerade auch wegen der „anderen Dimension“ des Lichtes und des Raumes interessant, zumal der „Dimensionenwechsel, ein klassisches Thema der Malerei, nämlich das des Umgangs der zweidimensionalen Fläche mit dem dreidimensionalen Raum“, so die Künstlerin, sich in den Floatings vielleicht anders transformiert hat: Es scheint so, als ob eine Präsenzerfahrung in und mit Natur, den Weg in eine höhere Dimension der Abstraktion, in Stille und Leere, eingeschlagen hat. Und ohne ein Mäntelchen der spirituellen Wellness anziehen zu wollen: Es ist, was es ist. So gesehen trifft hier ein hoher Abstraktionsgrad auf die Fragestellung, „was denn hier eigentlich noch abstrahiert werde, wenn es von vorneherein nicht mehr um die Abstraktion der Gegenständlichkeit geht“ – oder um in den Worten der Künstlerin zu bleiben, „es geht um immer mehr Entmaterialisierung“. Eine Frage, die vieles, um nicht zu sagen alles öffnet – die naturgemäß jedoch nicht für die Betrachter beantwortet werden kann, auf die die Frage in aller Wucht und Zartheit zurückströmt. Entmaterialisierung, Raumerfahrung, Vertiefung: Mich tröstet etwa, dass derartige Erfahrungen nur durch körperliche Anwesenheit möglich ist, durch längeres Sitzen und Stehen vor den Bildern, durch eine Zeit des Betrachtens. Entmaterialisation also körperlich-räumlich präsent – ein weiterer schöner Gegensatz.

 

Derzeit ist ein kleineres Bild von Adelheid Rumetshofer in der Nordico-Ausstellung „Im Garten“ zu sehen: „Auf dem Auberg“ ist ein Landschaftsbild und stammt aus der Zeit vor 2009.

Außerdem aktuell:
„konkret und minimal“, Ausstellungsbeteiligung in der artmark galerie in wien, bis 16. Juni.
www.artmark-galerie.at

Bereits fixiert:
„Über den Tiefen“, Doppelausstellung mit Evelyn Kreinecker, Galerie der Stadt Traun, von 12. September bis 14. Oktober.
www.traun.at

„Vom Erscheinen und Verschwinden“, mit Willibald Katteneder, Galerie Forum Wels, von 3. bis 27. Oktober.
www.galerie-forum.at

Aufsässig waren wir nie.

Diese Welt ist kein guter Ort. Sie ist eher ein Limbus, eine Vorhölle, in der Vertreter*innen der langweiligsten und nutzlosesten Spezies ever Tag und Nacht Smalltalk führen, sich wichtigmachen, in oder aus Kameras glotzen, Wale mit Plastik vollstopfen, sich gegenseitig abschlachten und schadenfroh hetzen, wenn es anderen noch schlechter als einem selbst geht oder jemandes siebenjährige Tochter ermordet aufgefunden wird. Wenige, ganz wenige Menschen gibt es, die die Klugheit, den Respekt und die Stärke besäßen, aus ihr einen guten Ort und ein gutes Miteinander zu machen, aber die sterben früh und sie lassen mich und die anderen Zornigen zurück in Elend und Selbstmitleid.

Diese Welt ist kein guter Ort. Sie ist ein Paradies für Schmeichler und Schleimer, für Mittelmäßige, für Brave und Anständige, für Dauergrinser und Haargelfanatiker, für Eindeutige und Fleißige, für Herzlose und Strebsame, die sich den Herrgott der Nützlichkeit übers Bett hängen. Es gibt kaum einen Science-Fiction-Film, dessen Dystopien nicht längst zur Realität geworden sind. Und wir bauen Häuser, putzen uns die Zähne, stricken Socken, säen Tomaten, tätscheln die Kinder, kaufen Müll und feiern Gartenpartys, als ob nichts wär’.

Diese Welt ist kein guter Ort. Nicht für Schwarze, Rote, Grüne, Gelbe, nicht für Dreibeinige oder Einbeinige, nicht für Geflüchtete, nicht für jene, die keinen Krieg mögen, nicht für jene, die Angst haben, nicht für Radfahrende, nicht für Lernende und Lehrende, nicht für jene, die nicht schlagen wollen, nicht für jene, die nicht geschlagen werden wollen und schon gar nicht für jene, die sich an den Straßenrand setzen und nur schauen wollen. Menschen, die sich an den Straßenrand setzen und nur schauen wollen, sind eine Bedrohung. Sie kaufen nichts und sitzen nur da. Sie sind nicht nützlich. Sie sind in gewissem Sinn aufsässig und nicht einmal das sind sie absichtlich.

Wann waren wir eigentlich das letzte Mal aufsässig? Waren trotzig, rebellisch, aufständisch, subversiv, umstürzlerisch, aufmüpfig, bockig, störrisch, trotzig, trotzköpfig, verbockt, widerborstig, widerspenstig, renitent, dickköpfig, kratzbürstig, unbotmäßig, oder – veraltet – widersässig und faktiös, in der Schweiz übrigens auflüpfig – und haben uns aufgelehnt?

All diese Synonyme für aufsässig kennt der Duden und wir sitzen immer noch am Straßenrand und sind viel, aber nicht aufsässig. Und dennoch öffnen sich die Mainstream-Schubladen der Aufsässigkeit und wir werden hineingestoßen. Die ARD nennt die Schauspielerin Kristen Stewart nicht nur „rebellisch“, weil Sie am Red Carpet in Cannes ihre High Heels auszieht, mehr noch betitelt das Magazin Brisant! den Beitrag mit „Kristen Stewart macht sich nackig!“ Sie macht sich allerdings gar nicht nackig, sie zieht bloß die Schuhe aus. Und der „rebellische Akt“ ist eine grundvernünftige, nachvollziehbare öffentliche Geste, mit der Stewart – wie schon letztes Jahr übrigens, warum also die gespielte Überraschung? – zum Ausdruck bringt, was sie davon hält, dass Frauen* in Cannes auf dem roten Teppich hohe Schuhe tragen müssen, während die anderen einen Scheißdreck müssen.

Liebe Welt, liebe Medien: Ihr müsst aufhören, Menschen, die sich klar, sachlich und absolut vernünftig verhalten, als rebellisch oder aufsässig zu bezeichnen. Frauen* brechen keine Regeln oder verhalten sich „unnormal“, wenn sie etwa öffentlich sagen, dass ihnen Gewalt angetan wurde oder sie öffentlich dagegen protestieren, dass sie zwangsverheiratet werden, sich Männern unterwerfen sollen, keine Jobs aufgrund ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung bekommen. Es ist daran nichts Aufrührerisches, nichts Rebellisches, nichts Aufsässiges, wenn jemand die Rechte, die ihm qua Menschenrechtskonvention zustehen, einfordert.

Denn es ist wohl kaum etwas normal daran, dass Männer, die sich nicht im Griff haben, ganz offensichtlich verwirrt sind, Dinge sagen, die andere herabwürdigen, Menschen von sicheren Häfen, Ländern und Systemen aussperren und sich auch noch stolz dafür rühmen, die mächtigsten Ämter bekleiden.

Männer sollten deshalb vielleicht eine Pause einlegen, ähnlich dem einmaligen türkischen Männerverbot im Jahr 2011, als es dem Verein Fenerbahce wegen massiver Ausschreitungen seiner Fans für ein Spiel untersagt wurde, erwachsene Männer ins Stadion zu lassen. 41.000 Frauen und Kinder hatten Spaß, jubelten, feuerten ihr Team an. Ein Spiel lang kein Gegröhle, kein Machogehabe, keine aggressiven Brunftgeräusche.

Männern sollte nicht nur im Sport und nicht nur für ein Spiel, sondern auch im echten Leben die Möglichkeit gegeben werden, sich der Last ihrer Kraft, ihres Einflusses, ihrer Machtpositionen zu entledigen. Es sollte ihnen leichter als bisher gemacht werden, sich einzugestehen, dass die meisten von ihnen über die Jahrhunderte hinweg keine einzige besonnene, nachhaltige und weiterführende Idee hatten, um die wirklichen Herausforderungen dieser Welt anzugehen. Schaut euch um, Männer, und schaut, wo die Welt steht. Wie sehr sie im Arsch ist. Und nennt mir einen einzigen triftigen Grund, warum Frauen*, Kinder und die klugen Männer euch eine einzige weitere Sekunde am Ruder lassen sollten?

Klingt das aufsässig? Klingt das aufrührerisch? Klingt das rebellisch?

Was aber, wenn der Begriff aufsässig bloß erfunden wurde, um alle Geschlechter, die nicht dem typisch männlichen entsprechen, in eine Schublade zu stecken? Um eine Entschuldigung für Ohrfeigen und Schläge parat zu haben? Um über eine Ausrede zu verfügen, andere in die Schranken zu weisen, die nicht der eigenen Wertvorstellung entsprechen? Wirklich hinterfragt wurde das nie. Ein System aber, das sich unreflektiert bloß seiner Aufrechterhaltung wegen perpetuiert, schlingert irgendwann nur noch ohne Ziel und ohne Motiv dahin. In diesem Irgendwann sind wir gerade angekommen – das letzte Aufbegehren eines wirklich schlechten, unkreativen und inhumanen Systems, das die ganze Welt mittlerweile an den Rand der Existenz gebracht hat, ist unüberhörbar und wir haben alle ein bisschen Mitleid. Jede* allerdings, die nun versucht, den irren oder betrunkenen oder einfach nur machtbesessenen Lokführer vom schlingernden Zug zu holen, ist vielleicht sehr mutig. Niemals aber ist das aufsässig.

2 x dunkle Kunst im Netz

Zwei Empfehlungen der Redaktion:

Moor Mother, oder Moor Mother Goddess is ein experimentelles Musikprojekt von Camae Ayewa, eine Musikerin und Poetin aus Philadelphia. Ihre Arbeiten werden beschlagwortet mit „hardcore poetry“, „power electronics“, „slaveship punk“ und „protest music“. Ayewa bezeichnet sich als Afrofuturistin und ist Teil des Kollektivs Black Quantum Futurism.
www.youtube.com/watch?v=asYtTRfkbn8

 

Woyzek. Das Theater Basel beim Berliner Theatertreffen 2018. Verzweifelt, sinnsezierend, gnadenlos getrieben agieren die Darsteller im schwarzen Bühnenraum. Die Scheibe, auf der sie sich bewegen, dreht sich unaufhörlich. Die Welt als Maschine. Büchners Text in der Inszenierung von Ulrich Rasche, beindruckend die Komposition von Monika Roscher. In der 3Sat-Mediathek.
www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=73156

Attentat Theater

Singen, Tanzen und das Spiel mit dem reißerischen Ernst. „Assassins“, das Attentäter-Musical, ist derzeit im Landestheater Linz zu sehen. Theresa Gindlstrasser hat am Ende viele Trumps gesehen, fragt sich, ob das eigentlich alles geht und stellt vergleichende Überlegungen zu „The Producers“ an.

Foto Reinhard Winkler

Foto Reinhard Winkler

Ein Musical, oder ist das dann ein Grusical?, über neun Attentate beziehungsweise Attentatsversuche auf acht US-amerikanische Präsidenten – ja, sowas gibt’s.
„Assassins“ von John Weidman (Buch) und Stephen Sondheim (Musik und Gesangstexte) heißt in der deutschen Fassung von Michael Kunze „Attentäter“ und läuft seit Anfang April am Landestheater Linz. Uraufführung war 1990 an einem Off-Broadway-Theater, später London, Berlin, nochmal New York, Kapstadt, Toronto. Jetzt also Linz.

Das Programmheft zitiert aus einem New York Times-Artikel des US-amerikanischen Psychiaters Robert Jay Lifton: „Jeder Mörder hat etwas Faszinierendes an sich. Er oder sie besitzt die spezielle Aura desjenigen, der das ultimative Verbrechen begangen hat und zum Gebieter über Leben und Tod geworden ist, wie ein böser Schamane oder ein wiedergeborener Mengele. Der Präsidentenattentäter ist sogar noch weitergegangen, indem er sich ein besonderes Opfer gesucht hat, einen symbolischen König und Anführer der Nation.“ Das klingt alles ganz nach Schau-Lust und Regelbruch-Gier, nach Sensations-Geilheit und ergötzlichem Spektakel für sittsames Publikum. Das sattsam im Dunklen sitzt, während Zeitgeschichte und Historisches für billige Pointen im trivialen Musical-Format verbraten werden. Shocking! Das „ultimative Verbrechen“! Wir zeigen mehr als einen Mord, wir zeigen einen „symbolischen“ Mord. Kann denn so ein Genre an so ein Thema heran? Ja, ich will nicht sagen „sowas gibt’s“, es gibt jedenfalls eine Assoziation: „The Producers“, die Filmkomödie von Mel Brooks aus dem Jahr 1968, wurde 2001 am Broadway aufgeführt und 2005 in der Regie von Susan Stroman neuverfilmt. In „The Producers“ planen zwei Produzenten einen bombastischen Musical-Flop, auf dass sich daraufhin bombastisch viel Geld hinterziehen ließe. Aber, gegen alle Wahrscheinlichkeit, gerät das Musical „Springtime for Hitler“ zum Erfolg und die beiden ins Häfn. Es gibt also ein Spiel im Spiel und dieses Spiel im Spiel, aka „Springtime for Hitler“ in „The Producers“, verunernstet den Nationalsozialismus zu einem ästhetisch überbordenden Arrangement aus Pirouetten drehenden SS-Männern, übermensch-großen Brezeln und einem wie bekifft winkenden Hitler.

Eingangs, Max Bialystock wird als ewig scheiternder Broadway-Produzent etabliert, findet sich übrigens einen Verweis auf „Hamlet“. Die Tragödie von Shakespeare (wahrscheinlich 1602 fertig gestellt) gilt als prominentes Beispiel des Mise-en-abyme-Motivs. Im Kontext der Theaterhandlung „Hamlet“ lässt Hamlet ein Theaterstück aufführen um den Mörder seines Vaters zu überführen. Auch die Linzer Inszenierung von „Attentäter“ greift auf das Spiel-im-Spiel-Verfahren zurück. Die sieben Attentäter und zwei Attentäterinnen werden nacheinander von einer Conférencier-Figur auf einer Bühne auf der Bühne einem Publikum aus lauter Trumps vorgestellt. Einer nach der anderen versingen sie ihre Attentate und performen für die Trumps.

„Make America great again“, blinkt es über der schummrigen Guckkastenbühne, die Eva Musil ins Schauspielhaus gebaut hat. Nach jedem Song, nach jeder Attentats-Performance jubelt die unter voluminösen Trump-Masken versteckte Statisterie. An Tischen verteilt, trinken sie Sekt, wenden dem Theater-Publikum den Rücken zu. Der Caspar-David-Friedrich-Moment holt die Betrachtenden spiegelbildlich ins Betrachtete hinein. Das Publikum im Landestheater Linz schaut einem anderen Publikum beim Schauen zu. Und staunt, dass diese Trumps offenbar so gar nicht das potentiell auch gegen sie gerichtete Spektakel als ein solches ernst nehmen. Die Trumps missverstehen die Attentats-Performance als Parodie, das Publikum im Schauspielhaus darf diesen Zusammenhang erkennen.

Darf sich selbst in diesem Zusammenhang erkennen. Womit wir wieder bei „The Producers“ wären. Dort missversteht das Publikum den Versuch mittels schlechtestem Drehbuch ever, in Kombination mit einem Tony-Award-fixiertem Regisseur und einem Altnazi in der Rolle von Hitler, einen Flop zu produzieren. Und missversteht dies als gut und klug gemachte Parodie, als gelungenen komödiantischen Umgang mit dem Nationalsozialismus. Für das Publikum vor dem Bildschirm wiederum wird stellvertretend das Showbusiness als Tanz ums goldene Kalb entlarvt. Das Spiel im Spiel generiert Selbstreflexivität: Gehe ich, sowie das Publikum, dem ich zusehe, hier etwas oder jemandem auf den Leim? Bin ich Teil dieser Gesellschaft des Spektakels?

„Jeder hat das Recht, sich frei zu entfalten“, singen die Attentäter und Attentäterinnen. Präsentieren ihre Morde und Mordversuche aus der Gedankenwelt des American Dreams heraus. „Heute Bettler, morgen Millionär!“. Die Figuren beharren auf ihrem Recht, ihre eigene Geschichte auch entgegen der historischen Forschung zu erzählen, beharren auf ihren Ideen von einer „großen Tat“. Das klingt dann manchmal recht revolutionär-romantisch: „Protestier, revoltier, bis sie alle hinhör’n!“. Manchmal auch schlicht sozialkritisch: „In einer Waffe steckt viel Arbeit drin. Viele schuften für sie ohne Sinn“. Aber wie sagte John Hinckley, der 1981 versuchte Ronald Reagan zu ermorden? „Waffen sind was Hübsches, stimmt’s? Sie können außergewöhnliche Leute töten, und das mit irrsinnig wenig Aufwand“.
Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist vor allem das Land der Schusswaffen, die von der Waffen-Lobby gerne als „Gleichmacher“ verstanden werden. „Was für eine Lust: Man krümmt nur einen Finger und verändert mühelos den Lauf dieser Welt“. Der Liberalismus des weißen Mannes mit der Handfeuerwaffe gebiert die Attentäter und Attentäterinnen, die weiterhin fröhlich behaupten: „Jeder hat das Recht, sich frei zu entfalten“. Sich also auch gegen andere frei zu entfalten.

Das alles ist schon gruselig. Also doch wirklich ein Grusical. Dieses Musical. Ich würde sagen: Eine gut und klug gedachte Parodie auf die unsolidarische Gedankenwelt, in der das Universum in zwei Teile zerfällt. Zuerst ich und dann der ganze Rest. Und der Rest steht unter mir. Übrigens war es Präsident Gerald Ford, dem von den insgesamt neun verhandelten Attentaten gleich zwei galten. Lynette „Squeaky“ Fromme versuchte am 5. September 1975 zwecks Erzwingung der Freilassung von Charles Manson auf ihn zu schießen. 17 Tage später probierte es Sara Jane Moore nochmal: „Ich tat es, um Chaos zu verursachen“.

 

www.landestheater-linz.at

Bild einer Ausstellung

Johannes Fiebich_Reinigung1c

In Grote kuis! SCHONE KUNST EERST verwandelt Johannes Fiebich ein Werbeplakat der rechtspopulistischen, belgischen Partei Vlaams Blok in ein fiktives Werbeplakat einer regierenden Partei in Oberösterreich. Besen und Dreck spielen auf das politische Saubermachen an.

Diese Arbeit ist im Rahmen der Ausstellung Clean Cube. Zur Kritik der reinen Vernunft zu sehen. Ein assoziativer Text zur Ausstellung ist auf Seite 13 zu lesen, die Ausstellungsfacts sind in der dazugehörigen Infobox nachzusehen.

Im Abseits – Fussball und Film.

Wie eine Sportlerin stelle ich mich einem Wettkampf und verinnerliche die sportpsychologischen ExpertInnentipps und lasse erst mal los, um mich ganz der Sache hinzugeben. Eine interessante TV-Diskussionsrunde mit ehemaligen und aktiven österreichischen SpitzensportlerInnen und SportexpertInnen beförderte den Zeitgeist an die Oberfläche. Der harte Kampf und eiserne Wille eines Hermann Meiers hätten wohl kaum mehr die Kraft und Möglichkeit zu jener grandiosen Entfaltung. Neben diesen kräftezehrenden Verschleiß braucht es heutzutage ein gutes Energiemanagement und die Kraft, der medialen Verfügbarkeit Grenzen zu setzen. Auf der anderen Seite veranschaulichen diese SportlerInnen ihre Erfolgsmethoden, die auch im alltäglichen Leben anzuwenden wären. Spüren. Im Moment sein – nicht schon im Ziel. Aber wann spüren wir uns schon im Alltag. Also so richtig guat, und ned nur so nebenbei. Irgendwie in dem Körper, der da a dabei is. Und welchem Ziel rennen wir eigentlich hinterher?

Ziele erreicht haben die teilnehmenden Kicker der Männer-Fußball-WM in Russland. Dieser widmet sich der Ballesterer #132 , ein Fußballmagazin zum Wertschätzen.

Fußball abseits des großen Rampenlichts zeigt das Fußballfilm-Festival ABSEITS von 6. Juni bis 9. Juni in Linz. Die Filme zeigen meist „Fußball als Vehikel für Alternativen und Ungehorsam und somit zur Antriebskraft für Fortschritt und Emanzipation“.

Der Eröffnungsfilm in der Kapu „Han, Dul, Sed“ erzählt von vier jungen Frauen aus Pjöngjang, die die Leidenschaft des Fußballs teilen. Sie spielen im nordkoreanischen Nationalteam, müssen nach einer Nichtqualifikation für die Olympischen Spiele ihr hohes Prestige und Ansehen zurücklassen und in ein normales Leben zurückfinden.
„Football Under Cover – Anstoß in Teheran“ ist die Geschichte des ersten offiziellen Frauenfußballspiels seit der iranischen Revolution vor 27 Jahren. Die Dokumentation zeigt den unerschütterlichen Willen der Beteiligten, und die Erfahrung, dass Veränderung möglich ist. Musikalisch wird DJ DAN ROCKER durch den Abend führen, der mit einer Autogrammstunde von „68 Dreadlocks“ abgerundet wird. Am nächsten Tag sind in der Kapu „Sankt Pauli! Rausgehen – Warmmachen – Weghauen“ und „Zwischen Himmel und Hölle“ zu sehen, letzterer ein Film von Oldenburger Fans über ihren Verein. Die filmemachenden Fans treten auch den Weg nach Linz zum Filmgespräch an.

Am Freitag verlagert sich das Filmfestival in die Stadtwerkstatt und bringt mit „Railroad Allstars“ und „Ladies’ Turn“ die 50%-Quote. Herzlichen Dank an dieser Stelle an alle Beteiligten. So einfach kann es gehen. „Railroad Allstars“ erzählt die Geschichte von Sexarbeiterinnen in Guatemala, die mit der Gründung eines Fußballvereines gegen sexualisierte Gewalt aufmerksam machen wollen.
Der senegalesische Verein „Ladies’ Turn“ organisiert Frauenfußballturniere in einem Land, wo Eltern und Männer es nicht gerne sehen, wenn junge Mädchen kicken. Begleitet werden drei der 19 Turnierteams, die mit Vorurteilen aufräumen und die Frauen an den Ball bringen wollen.
Musikalisch aufräumen und zum Tanzen einladen werden DJ Lotta Gaffa im Spektrum von Local Dub, African Beat und Electro Cumbia und DJane Ronit Rockit, die mit spacigen Mashups noch mehr einfordert.

Der Abschlußtag steht im Zeichen des österreichischen Fußballs und dessen Fankultur. Zuerst „Es geht sich immer nicht aus“, ein Film über den Traditionsverein „First Vienna Football Club 1894“, bekannt als Vienna von der Hohen Warte, und danach die dokumentarische Sichtweise von Dominik Thaller auf FC Blau Weiß Linz und seinem ehrwürdigen Ahnen, dem SK VÖEST , mit „Immer wieder geht die Sonne auf“. Das BlauCrowd DJ Team begleitet die fußballbegeisterte Meute ins Wochenende und bleibt hoffentlich fit genug für den Ute Bock Cup am Sonntag. Die Freund*innen der Friedhofstribüne und der Wiener Sportclub laden zum 10jährigen Jubiläum. Bei Fußball und Party, zugunsten von Projekten für Geflüchtete, lohnt es sich dabei zu sein. Herzlichen Dank für den Einsatz aller Beteiligten!

 

Tipps:
Fußball Film Festival ABSEITS 6. Juni – 9. Juni in Kapu & Stadtwerkstatt

10. UTE BOCK CUP am Sonntag 10. Juni beim Wiener Sportclub Platz, 1170 Wien, Alszeile 19

Zwei Männer in Griechenland

Von Silvana Steinbacher ist vor einiger Zeit ein Buch erschienen, das den erlebnissüchtigen Schauspieler Harald und den dicken Komplexitätsforscher Boris gemeinsam auf Urlaub schickt. Oder auch: Burnout trifft Halluzinationen. Passend zum Sommer: Lektüre und Leseprobe.

Schirminger funktioniert anfangs noch nach Haralds Vorstellungen. Bereitwillig schildert er seinen Zustand an der Grenze zum Tod, wie es auch seine Ärzte später bezeichnet haben. Er hat das Gefühl gehabt, den eigenen Körper abzulegen wie einen Anzug, auch die Fragen, ob bei der Operation etwas misslingen könnte, ob er sterben müsse, haben ihn nicht beschäftigt. Harald hört an dieser Stelle des Berichts noch etwas teilnahmslos zu, dann aber folgt das Stichwort, das die Mühen des Nachmittags, so hofft er, lohnen wird. Schirminger beugt sich vor, nur wenige Tische sind besetzt, doch er flüstert beinah konspirativ: „Dieser Zustand hat mein Leben verändert; ich empfand ein Gefühl der unbeschreiblichen Ruhe“, Harald unterbricht ihn: „Ruhe, sonst nichts?“
„Einfach Ruhe, wunderbar, sonst nichts.“ „Kein Glücksgefühl, keine Euphorie?“ Schirminger lockert seinen Gürtel, kratzt sich am Kopf und legt seine Beine auf den freigewordenen Stuhl seines Cousins. Es ist ihm anzumerken, dass er nicht nachvollziehen kann, worauf Harald abzielt.
„Ich weiß nicht, was Sie meinen, welches Glücksgefühl? Darüber, dass ich womöglich in der nächsten Sekunde sterben muss?“
„Aber man hört doch immer…?“
„Ach darauf wollen Sie hinaus, da muss ich Sie auf allen Linien enttäuschen. Ich habe kein Glücksgefühl erlebt, keine Euphorie empfunden, und das vielzitierte weiße Licht hat mich übrigens auch nicht besucht, wohltuende Ruhe, sonst nichts“, fügt er scherzhaft hinzu. Doch Harald überkreuzt ernst die Arme vor seiner Brust, seine Fußspitzen kreisen nervös, wie Boris bemerkt. Nach einer Pause sagt Schirminger noch: „Doch an eines kann ich mich noch erinnern.“
„Ja?“ Wirst du diese Stunden doch noch als Erfolg verbuchen, ich vergönn es dir nicht, Boris rührt ungeduldig und ärgerlich in seiner leeren Kaffeetasse.
„Es muss ungefähr vor dem Zeitpunkt gewesen sein, als die Ärzte ahnten, dass sie meinen Blutverlust stoppen, mich möglicherweise retten könnten, als ich mich von einer eigenartigen Traurigkeit umhüllt fühlte, ich kann es gar nicht anders ausdrücken. Ich dachte, „Scheiße, nie mehr einen Rausch, nie mehr Sonne, sich nie mehr am Anblick einer schönen Frau erfreuen.“ Boris lacht schallend, Schirminger stimmt gut gelaunt ein und stößt mit ihm an.
An dieser Stelle des Gesprächs dürfte Harald festgestellt haben, dass von Schirminger nichts mehr zu erwarten sein würde. Ohne Boris zu fragen, verlangt er die Rechnung, die Boris ohne ein Wort des Protests seinen Freund begleichen lässt. Harald reicht Schirminger die Hand, richtet Grüße an den Cousin aus, Boris verabschiedet sich herzlich und geht das kurze Stück zum Auto zügig, ohne auf seinen Freund zu warten. Normalerweise schlendern sie nebeneinander, und Boris, der auch auf der Insel meistens fährt, hält Harald manchmal sogar die Beifahrertür auf, was beide amüsiert.
Diesmal startet Boris, ohne zu beachten, ob Harald bereits im Auto sitzt und jagt den gemieteten Kleinwagen über die Schotterstraße. Eine angenehme Brise hat nach Haralds enttäuschendem Euphorie-Geplänkel die Hitze abgelöst, Harald streckt seinen Kopf durchs heruntergelassene Fenster und erfreut sich an dem kühlenden Wind. Er sieht Boris einige Male prüfend an und bedauert kurz vor ihrer Ankunft im Hotel, dass sie unnötigerweise einige Stunden verschwendet hätten, obwohl sie das Auto doch bereits am nächsten Morgen zurückgeben müssten. Wortlos biegt Boris daraufhin in einen Feldweg ein, versucht auszusteigen, kann sich aber in seiner Erregung kaum aus seinem Sitz erheben. Harald, der inzwischen längst ums Auto gelaufen ist, reicht ihm die Hand, Boris winkt ärgerlich ab, wuchtet sich noch zwei Mal hoch, dann steht er endlich in dem violetten Kräuterfeld. Harald starrt ihn an und sorgt sich um Boris’ Gesundheit; er hätte ihn in den vergangenen Tagen nicht so maßlos fressen lassen sollen. Mehrmals fragt er Boris, was ihm fehle und wie er helfen könne. Boris, sprachlos von dieser Wucht an Ignoranz und mangelndem Feingefühl, fuchtelt mit den Händen, stampft sogar auf wie ein kleines Kind. Harald erinnert sich an seinen Erste-Hilfe-Kurs, berührt Boris an den Schultern und fragt ihn: „Ist alles in Ordnung?“ Boris schaut ihn unverwandt an, reißt den Mund auf, bringt aber kein Wort heraus, seine Lippen beben, seine Knie schlottern. Heftige Zuckungen, gefolgt von Schockstarre, überlegt Harald. Er zerrt den Verbandskasten aus dem Handschuhfach. Bevor ihm einfällt, was er mit dessen Inhalt anfangen könnte, schleudert Boris ihm das Kästchen aus der Hand. Pflaster, Schere, Mullbinden landen auf dem Lavendel. Boris holt tief Luft, setzt sich wieder auf den Autositz und brüllt Harald zum ersten Mal in ihrer langen Freundschaft an:
„Es ist widerlich, wie du dich die vergangenen Stunden verhalten hast. Wie du ihm deine Zuwendung vorgetäuscht hast, nur um zu erfahren, wonach du in deiner Sensationslust gierst. Abstoßend! Mich wundert nicht, dass du seit Jahren keine Beziehung mehr zustande bekommst.“ Er steht auf, geht bedrohlich dicht auf Harald zu, nimmt seinen Kopf in beide Hände, lässt ihn mit einer unschlüssigen Geste wieder los und drosselt seine Stimme „Was siehst du eigentlich in anderen Menschen? Stützen, die Hab-Acht zu stehen haben, wenn sich der Herr wieder einmal auf seiner abstrusen Glückssuche befindet? Es muss dir klar sein, dass bei deinem jubelnden Entgrenzungszeug andere immer auch auf der Strecke bleiben.“
„Das versteh ich nicht, ich schade doch keinem.“
„Oh doch, mit deinem Desinteresse, deiner Ignoranz, deiner Blindheit, deiner Rücksichtslosigkeit anderen gegenüber; Eigenschaften, die du früher nicht hattest.“ Beide setzen sich in die geöffnete Wagentür, und eine Weile verharren sie Rücken an Rücken unmittelbar neben dem farbenfrohen Feld.

Harald steht ziemlich unschlüssig an einer Kreuzung und geht einige Male auf und ab. Kurz und kühl gestaltete sich der Abschied vor dem Hotel und da Boris keinen Zweifel daran ließ, dass sein Freund den Abend allein zu verbringen hat, weiß Harald in diesem Moment noch nicht recht, wohin mit sich.
Nach einer Weile bleibt ein Bus stehen, der Fahrer hupt, zuckt mit den Schultern, wartet, ob Harald einsteigen möchte. Von den hauptsächlich jungen Mitfahrenden erfährt er das Fahrziel des Busses, ein kleiner Ort, von dem er bisher noch nichts gehört hat. Die Fahrgäste befinden sich offensichtlich auf der Rückfahrt vom Strand zu ihren Hotels. Ihr Ton ist locker, freundschaftlich, einige dürften bereits am Nachmittag getrunken haben, die Gespräche werden lauter und ausgelassener, Harald entgehen die besorgten Blicke des Fahrers nicht.
Er erinnert sich jetzt, dass ihn die infantile Lebensfreude der Strandgäste am ersten Urlaubstag auch beflügelt hat. Wie ein Zaungast versucht er daher, diese rund zwanzig Urlauber zu beobachten. Sie denken nicht an Gipfelerlebnisse, Glücksgefühle oder den Kick. Sie kosten aus, was sich ihnen bietet, unmittelbar bietet: teils selbstverständlich, teils geradezu gierig.
Ein muskulöser Jugendlicher kotzt auf den Mittelgang und zerstört Haralds schönes Bild gerade. Der Bus hält, der Fahrer schnauft ärgerlich, murmelt Unverständliches, reicht dem Jugendlichen einen Fetzen, zwei Mädchen assistieren ihm; dann setzt der Chauffeur die Fahrt fort. Die Stimmung wird gedämpfter, nur noch wenige lassen die Flasche kreisen, einige schlafen ein. Harald wundert sich nach einer Weile, dass der Bus an keiner Haltestelle stehen bleibt. Nach einer dreiviertel Stunde nähern sie sich einer belebten Gegend, die Harald in dieser Geschmacklosigkeit auf der Insel nicht erwartet hätte. Illuminierte mehrstöckige Hotels tauchen wie aus dem Nichts auf, grelle Neonbuchstaben prangen an den zahlreichen Bars und Cafés, künstliche Palmen rahmen einige Häuserfronten ein. Wäre der beleidigte Boris jetzt an meiner Seite, würde er wohl an eine Halluzination glauben, überlegt Harald und zweifelt selbst einen Moment, ob er seiner Wahrnehmung trauen soll. Er fixiert den Hinterkopf des Busfahrers, den er zu manipulieren versucht. Bleib hier ja nicht stehen, fahr weiter. Na funktioniert doch, denkt Harald, danke, mein Guter hinter dem Lenkrad. Es ist sicher bald überstanden und dann eröffnet sich wieder der Blick auf eine malerische Bucht mit Taverne, wo mich bereits eine freundliche Kellnerin erwartet, mir herzlich zulächelt und sofort eine köstliche Vorspeise serviert.
Doch die Flaniermeile, oder worum immer es sich handeln mag, scheint kein Ende zu nehmen. Als sie gerade an einer Tankstelle vorbeifahren, stehen die Jugendlichen auf, packen ihre Sachen in ihre Badetaschen und gehen zu den Ausgängen. Und dann passiert es: Der Bus hält kurz darauf. Harald bleibt noch auf seinem Platz sitzen, doch ein Mädchen erklärt ihm, dies sei bereits die Endstation.

 

Am Ende der Leseprobe ist natürlich nicht Endstation.

Der Roman Pinguine in Griechenland im Verlagstext: „Harald hetzt in beinah suchtähnlichem Ausmaß den emotionalen Ausnahmeerfahrungen hinterher. Nichts ist ihm zu gefährlich oder trivial, um einem emotionalen Kick zu gelangen. Als Schauspieler kann er sich die Flow-Erlebnisse auf der Bühne holen und scheint befriedigt zu sein. Plötzlich aber erhält er seine Glückszufuhr nicht mehr. Zur selben Zeit ändert sich auch Boris’ Leben. Unerwartet und scheinbar ohne Auslöser wird er von Halluzinationen, die er gleichmütig als bereichernde Gratis-DVDs in sein Leben integriert, heimgesucht.“ Die beiden Freunde beschließen, gemeinsam Urlaub zu machen..

Silvana Steinbacher,
Pinguine in Griechenland
Verlag Bibliothek der Provinz, 2017

Tour Gino Bartali

Johannes Staudinger im Kurzbeitrag über eine Gedenktour von Linz nach Mauthausen.

Am 6. Mai organisierte der Verein Velodrom Linz eine so genannte freie Ausfahrt mit dem Fahrrad zur Befreiungsfeier nach Mauthausen. In Memoriam Gino Bartali, einem italienischen Radprofi, der während des Zweiten Weltkrieges für den Widerstand und für die vom NS-Regime bedrohten Juden wichtige Dokumente in seinem Fahrradrahmen versteckte und durch die Toskana transportierte. Die Tour wurde im Vorfeld mit dem Mauthausen-Komitee und Lisa Bartali, der Enkelin Gino Bartalis, akkordiert.

Frühmorgens vom Linzer Hauptplatz startend, nahmen bei dieser Tour 25 RadlerInnen aus verschiedenen Fahrradszenen teil. Die 26 km lange Strecke verlief über den Donauradweg bis nach Langenstein, von dort über den Wiener Graben hinauf zum Schloss Marbach und dann weiter über einen geschotterten Güterweg zur Gedenkstätte Mauthausen. Dort angekommen war es jeder und jedem selbst überlassen, die Feierlichkeit vom eigenen Standpunkt aus zu besuchen und zu betrachten. Zu Mittag fuhr der Pulk der „Tour Gino Bartalie“ mit einem kleinen Zwischenstopp die gleiche Strecke nach Linz zurück. Die Tour fand heuer zum ersten Mal statt und wird 2019 wiederholt.

Das Professionelle Publikum

Die Redaktion bedankt sich beim professionellen Publikum, namentlich bei Renée Chvatal, Margit Greinöcker, Andreas Heißl, Sandra Hochholzer, Volkmar Klien, Sandra Krampelhuber, Kurt Mitterndorfer und Wilfried Steiner, die für unsere LeserInnenschaft ihre persönlichen Kunst- und Kultur-Empfehlungen für diesen Sommer gegeben haben.

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Foto Renée Chvatal

Foto Renée Chvatal

Renée Chvatal
arbeitet im Kunst- und Kulturbereich und seit 3 Jahren im Verein Raumschiff.

Raumschiff Shop Eröffnung
Stimm- und Sprechtraining

 

Margit GreinoeckerMargit Greinöcker
ist Künstlerin und arbeitet an orts- und architekturbezogenen Projekten und Objekten.

Architekturtage 2018
Erkundung Urfahr
KATHARINA GRUZEI

PassfotoAndreas Heißl
ist Kulturarbeiter & Fußballfan, arbeitet seit 10 Jahren als Veranstalter in der Stadtwerkstatt.

Abseits Fußball Film Festival
Neue Zeit Fest

20180509_154432Sandra C. Hochholzer
ist selbst auch leidenschaftlich für Radio FRO im Einsatz. Außerdem Entwicklung und Leitung von internationalen Medien- und Bildungsprojekten.

Not to disappear!
Rosen für den Mörder

VolkmarKlien_Portrait02_MG_0499Volkmar Klien
ist Komponist und Professor für Komposition an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Infos: www.volkmarklien.com

Queren – Strömen

 

sandra_goetheinstSandra Krampelhuber
ist Dokumentarfilmemacherin mit Schwerpunkt Afrika, Kulturanthropologin, Kunst- und Kulturarbeiterin, Musikinteressierte und Reisende.

Internationales Festival: Treffpunkt Afrika IV – African Futurisms Symposium.
VIELFALT.in.CONCERT

 

Foto Volker Weihbold

Foto Volker Weihbold

Kurt Mitterndorfer
lebt als Autor, Bildender Künstler und Kulturarbeiter in Linz.

KreativSommerGriechenland
Was wir lesen

 

Foto Andrea Peller

Foto Andrea Peller

Wilfried Steiner
ist künstlerischer Leiter der Bereiche Tanz, Theater, Kleinkunst und Literatur im Linzer Posthof.

Magda Leeb: überLEEBen
Ein Dreieck ist nur in der Mathematik harmlos

 

Tipps von Die Referentin

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Ausstellung: Neu in der MAERZ
OH, DU LIEBER AUGUSTIN!
Knobs&Wires
Zea
praktisch scheiße
KONFRONTATIONEN 2018
A L’ARME Festival Vol. VI
oktolog/out 2018