Der berührende Stressfaktor Kunst

Bernadette Huber ist bekannt für künstlerische Projekte, die in sehr unterschiedlichen Räumen und Kontexten umgesetzt werden. Über Bernadette Hubers Arbeiten, über Feminismus, Arbeitswelt und über einen humanistisch-ironischen Stressfaktor Kunst schreibt Elisabeth Lacher.

In Ausstellungsräumen wie im öffentlichen Raum thematisiert Bernadette Huber gesellschaftspolitische Fragestellungen und legt dabei besonderen Wert auf einen feministischen Blickwinkel. Mit verschiedenen künstlerischen Mitteln greift sie in die Alltagsrealität der Menschen ein und fordert sie dadurch heraus, sich gesellschaftlichen Problemstellungen und Tabus zu stellen. Hubers vielschichtiges Werk zeichnet sich durch eine unglaublich große Liebe zum Detail, eine sinnliche Verspieltheit und ein humoristisches Augenzwinkern aus. In ihren Arbeiten zu Frauen, Sexualität und Körperlichkeit versteht sie Feminismus nicht als Vorschreibung, sondern als immer wieder neu auszulotendes Phänomen. Bernadette Huber wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, unter anderem 1999 mit dem Staatsstipendium für Bildende Kunst und 2012 mit dem Gabriele-Heidecker-Preis. Ihre Arbeiten sind national wie international in Ausstellungen zu sehen, zuletzt im Belvedere, im Leopold Museum und dem Wien Museum wie auch im Schiele Art Centrum Krumau.

In der Projektreihe Kunst, die berührt realisierte Bernadette Huber bisher drei feministische Interventionen, die auf unterschiedliche Weise mit Frauenbildern einst und jetzt spielen. Als Trägermaterial setzt sie den Frauenkörper ein und entlehnt dabei zwei Gemälde aus dem 16. Jahrhundert – wohlgemerkt, und wohl auch der Zeit geschuldet, von Männern gemalt. Das Bildnis Gabrielle d’Estrées und eine ihrer Schwestern aus der Schule von Fontainebleau hängt im Louvre und zeigt eine sinnliche Darstellung von badenden Frauen. Im Vordergrund sitzen zwei unbekleidete Frauen am Wannenrand und eine Frau berührt die Brustwarze der anderen. Bernadette Huber verwendet dieses Bildnis für eine Neuinterpretation und montiert auf den Frauenkörpern ihr eigenes Gesicht, das von einer kunstvollen Frisur umrahmt ist. Unwillkürlich schleicht sich beim Betrachten der badenden Kunstfigur in gedoppelter Form ein stilles Schmunzeln ins Gesicht. Diese gelungene Übersetzung von klassischer Kunst in die Moderne ist der Künstlerin hier außerordentlich gut gelungen und berührt die BetrachterInnen auf sehr persönliche und humoristische Art und Weise.

Im Jahr 2015 war die Arbeit in der Linzer Galerie Paradigma als digitaler Druck auf Plane und als Installation im Ausstellungsraum zu sehen. Vergangenen Sommer brachte Huber das Bildnis als Teil einer Ausstellung auch in den öffentlichen Raum der Stadt Steyr: so durfte es für knapp zwei Monate mit dem Stadtbus fahren: als Folie an der Rückwand des Fahrzeugs.

Bernadette Huber erläutert: „Für mich war das Interessante dabei, dass man im öffentlichen Raum auf einem Stadtbus anstelle von Werbung auf Kunst trifft: auf Kunst, die berührt. Anders als bei anderen Projekten in Steyr bin ich dieses Mal als Künstlerin nicht anonym geblieben, sondern die Kunstfigur HuberNADETTE schlüpfte in die Rolle der badenden Frauen. Darunter waren mein Logo und eine Telefonnummer aufgedruckt, die ich für das Projekt eingerichtet hatte. So konnten die Steyrerinnen und Steyrer direkt mit mir in Kontakt treten. Ich war sehr gespannt darauf, wie sie darauf reagieren würden. Schließlich kann man nie genau sagen, was durch eine interaktive Kunstinstallation im öffentlichen Raum dann tatsächlich ausgelöst wird.“

Bemerkenswert an Kunst, die berührt ist der Bruch, der auf mehreren Ebenen erzeugt wird. Besonders Gemälde der klassischen Kunst implizieren einen erhebenden, stillen, kontemplativen Kunstgenuss. Sie vermitteln einen Kunstbegriff, der Kunst als Hochkultur mit ihrem festen Platz im Museum definiert. Diese Kunst aus dem ihr zugewiesenen Platz im Museum herauszureißen und in eine profane Umgebung zu setzen, verleiht dem Kunstwerk – und auch der Erotik, mit dem das Kunstwerk spielt – eine neue Dimension.

Bernadette Huber legt Wert darauf, mit ihren Werken nicht nur in Ausstellungsräumen präsent zu sein. Für sie persönlich hat interaktive Medienkunst im öffentlichen Raum einen besonderen Stellenwert, da sie so die Kunst mitten in die Lebensrealität der Menschen bringen kann. Besonders beschäftigt sie diesbezüglich auch der umgangssprachliche „Tratsch“ in einer Stadt. „Menschen glauben gerne das, was sie glauben wollen“. Dies wurde 2010 in einem Projekt verdeutlicht, das mit der Macht des Tratsches spielte und das Bernadette Huber gemeinsam mit Christina Hinterleitner realisierte. Mit Bar NADETTE – Die Macht des Tratsches. Ein Stresstest für Steyrdorf setzte Huber ihren Wohnort einem regelrechten Stresstest aus und kündigte die Eröffnung eines erotischen Etablissements mitten im Stadtviertel Steyrdorf an.

Bernadette Huber verklebte die Fenster eines Altbaugebäudes mit himbeerroter Folie und Logo der Bar NADETTE und montierte ein dazugehörendes Türschild, das kunstvoll gestaltet auf das erotische Etablissement hinwies. Ein Flyer wurde via Postwurf an den Stadtteil geschickt und kündigte die Eröffnung des Bordells mitten im Herzen der Altstadt von Steyr an. Die ausgewiesene Webseite www.barnadette.at versprach erotischen Genuss auf höchstem Niveau mit diversen, lustvollen Damen und Herren.

In unmittelbarer Nähe zum ersten Weihnachtsmuseum Österreichs ein neues Puff? Zahlreiche Nachfragen und auch Beschwerden gingen damals ein. Die Bevölkerung war ratlos, was es mit der Bar NADETTE auf sich hatte. Schließlich kam ein Schreiben von der Stadtverwaltung an die „Damen und Herren der Bar NADETTE“ mit der Aufforderung, die Folien zu entfernen und hier kein Etablissement zu errichten, da es dafür schlichtweg keine Bewilligung gäbe.

Doch die Schaufensterverklebung blieb bis zur angekündigten Eröffnung als erotische Versprechung bestehen. Erst am Tag der Eröffnung entfernten rot gekleidete Personen – organisiert als Flashmob – die Schaufensterverklebung und enttarnten die Bar NADETTE als Fake-Bordell. In den Schaufenstern montierte die Künstlerin den Hinweis, dass Menschen alles glauben, was sie glauben wollen. Als Trost für diejenigen, deren Vorfreude enttäuscht wurde, gab es einen Wegweiser zu den anderen Bordellen in Steyr, inklusive Angabe der Gehminuten.

Bernadette Huber wurde für dieses Projekt mit dem Gabriele-Heidecker-Preis ausgezeichnet. Vor allem gelang ihr mit dieser Arbeit, auf künstlerisch-interaktive Weise das Thema käufliche Liebe, Prostitution, Tabu und Doppelmoral mit dem Tratsch einer Kleinstadt zu verknüpfen.

Die Künstlerin beschäftigt der Tratsch als interaktives Mittel auch weiterhin in ihren Kunstprojekten: „Für mich hat sich der Tratsch als Möglichkeit der Interaktion mit dem Publikum aufgetan. Mich interessiert daran die Vielschichtigkeit, die mögliche Interaktion, die Überschreitung beziehungsweise Provokation: Was kann der Katalysator des Tratsches sein, was ist Gesprächsstoff? Der Tratsch kann durch meine Projekte initiiert werden, aber dann nicht vorausgesagt oder beeinflusst werden. Für mich selbst ist das dann auch immer ein Stresstest, da ich in den Vorbereitungen zu einem Projekt nie weiß, wie sie ausgehen werden. Das ist immer eine Herausforderung, aber mein Interesse daran ist ungebrochen.“

Anlässlich des Festivals der Regionen 2015 in Ebensee realisierte Bernadette Huber eine sehr poetische Arbeit, mit der sie auf eine immer härtere und menschenfeindlichere Arbeitsrealität hinweist. Sie thematisiert mit In die Luft schauen die Fragilität von Erwerbsarbeit und die Austauschbarkeit von ArbeitnehmerInnen. „Wer nichts tut, fliegt“. Dieses Damoklesschwert, das über vielen ArbeitnehmerInnen hängt, dieser Imperativ, permanent tätig zu sein und genug tun zu müssen, wurde per Flugbanner als doppeldeutige Textbotschaft über Ebensee geflogen. Wer nichts tut, fliegt: Im wahrsten Sinne des Wortes oder übertragen als Grausamkeit des Arbeitsmarktes? Auch hier fehlt das humoristische Element nicht und brachte die EbenseerInnen dazu, in die Luft zu schauen, zu staunen und nachzudenken.

Mit einer zweiten Botschaft verweist Huber auch auf eine gewisse Härte der eigenen Arbeitsrealität als Künstlerin. Das zweite Banner, das per Flugzeug über Ebensee gezogen wurde, war mit SUCHE ARBEIT und Handynummer versehen: Teilweise skurrile, kreative oder auch überlegte Arbeitsangebote wurden auf die Mailbox gesprochen und per Soundinstallation in eine Ebenseer Gasse in den öffentlichen Raum zurückgespielt. Auf der Projekthomepage www.indieluftschauen.at sind die Arbeitsangebote weiterhin nachzulesen.

Der baldige 1. Mai würde sich übrigens gut für einen Besuch der Webseite und ein Nachdenken über Arbeitsrealitäten anbieten. Und angesichts der aktuellen politischen Situation bleibt wohl zu hoffen, dass Arbeitssuchende in Zukunft nicht zu solch drastischen Mitteln der Arbeitssuche greifen müssen, um künftig ihr tägliches Auskommen zu sichern …

 

www.bernadettehuber.at

Tipp für den 1. Mai: www.indieluftschauen.at

Die kleine Referentin

Illustration Terri Frühling, Text Elke Punkt Fleisch

Illustration Terri Frühling, Text Elke Punkt Fleisch

Alternativen zum Medienmarkt

Im Mai findet die mediana18 in Linz statt. Zu Medien, Kultur und Demokratie, sowie zum konkreten Konferenzthema „public open spaces“ hat Christian Diabl mit Alexander Barasits ein Interview geführt.

Am 19. Mai findet die mediana18 an der Linzer Kunstuni unter dem Titel „public open spaces“ statt. Was ist darunter zu verstehen?

Mit Public-Service-Medien sind Medien gemeint, die einen Auftrag im öffentlichen Interesse erfüllen, nämlich u. a. Information für den demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu vermitteln. Der Titel ist einem Thesenpapier1 entlehnt, das im Herbst 2017 in Deutschland als Offener Brief an die Politik verschickt und von Leuten wie Volker Grassmuck, Julia Reda oder Leonhard Dobusch unterstützt wurde. Die Initiative ist u. a. aufgrund von Angriffen gegen öffentlich-rechtliche Sender entstanden und tritt für eine Weiterentwicklung von Public Service Medien ein. Eine der Thesen ist, alle öffentlich-rechtlichen Anbieter zu einer starken gemeinsamen Plattform, „Public Open Space“, zusammenzuschließen. Dabei geht es nicht nur um ARD oder ZDF, sondern auch z. B. Wikipedia, Museen etc. Die Initiative ist durchaus auch als Alternative zu den marktbeherrschenden Intermediären wie Google, Facebook & Co gedacht, die aus einer reinen Verwertungslogik operieren. Wir greifen die Initiative auf, weil auch wir Reformbedarf beim ORF, aber auch der Frage des „Public Value“ in der österreichischen Medienlandschaft sehen und der ORF im Moment sehr stark in Frage gestellt wird.

Die mediana ist Teil eines größeren Symposiums, am Vortag findet der Open Commons Kongress im Wissensturm statt, der sich mit historischen und zeitgenössischen Wissensarchiven beschäftigt. Wo schließt die eine Konferenz inhaltlich an die andere an?

Der Open Commons Kongress beschäftigt sich unter dem Titel „Unwissenheit frisst Demokratie“ mit der historischen wie auch zukünftigen Entwicklung von Archiven, mit Gedächtniskultur, falschen Fakten und wie Wikipedia es schafft, trotz weitgehend ehrenamtlicher Produktion von Inhalten und nicht-kommerzieller Orientierung einen so hohen „Wahrheitsgehalt“ zu liefern. Die gemeinsame Klammer beider Konferenzteile ist die Diskursfähigkeit in unserer demokratisch organisierten Gesellschaft und wie diese angesichts des Strukturwandels der Öffentlichkeit erhalten und ausgebaut werden kann. Als Überleitung wird eine Podiumsdiskussion stattfinden mit VertreterInnen von Mediatheken des ORF, des Bayrischen Rundfunks (angefragt), des online-Audioarchivs der österreichischen Freien Radios sowie Wikipedia; dabei sein wird auch eine Medienkolumnistin des Falters. Ziel ist es den Aspekt von Public-Service-Archiven von Seite der Betreibenden, aber auch durchaus mit Blickrichtung auf die am Samstag folgende Plattformdiskussion zu erörtern.

In einer Demokratie haben Medien nicht nur die Aufgabe zu informieren, sondern auch Diskursräume zu schaffen, wo öffentliche Anliegen diskutiert und Meinungen gebildet werden. Wo siehst du dazu die unterschiedlichen Rollen öffentlich-rechtlicher, privat-kommerzieller und privat-nichtkommerzieller Medien?

Traditionell ist der Auftrag öffentlich-rechtlich organisierter Medien an ein strengeres Objektivitätsgebot gebunden mit einem Informations- und Unterhaltungsauftrag einschließlich „Special-Interest“-Bereichen wie Wissenschaft, Kultur etc. Privat-kommerzielle, wie z. B. ATV oder Puls4 haben zwar mehr Freiraum in der Information, unterliegen aber auch einem Objektivitätsgebot. Im privat-nichtkommerziellen Bereich haben zum Beispiel die Freien Radios den Auftrag, mit dem offenen Zugang eine Partizipationsfunktion zu erfüllen und medial unterrepräsentierten Gruppen eine Teilhabe am System zu bieten. Mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit infolge der Digitalisierung verschwimmen die Rollen aber zusehends. So bieten Freie Medien besonders in Oö nicht nur eine Plattform für Dritte, sondern beispielsweise mit dem Politikprogamm auf dorftv und dem Infomagazin FROzine auf Radio FRO zivilgesellschaftlich organisierte journalistische Eigenformate. Gerade im letzten Nationalratswahlkampf ist es auch privat-kommerziellen Anbietern gelungen, journalistisch anspruchsvolle, dynamische und kritische Diskussionsformate umzusetzen. Hervorzuheben ist sicherlich Corinna Milborn auf Puls4 – die übrigens auch bei der #mediana18 eine Keynote halten wird.

Die Digitalisierung hat die Medienlandschaft dramatisch und nachhaltig verändert. Wie wirkt sich das auf den Public-Service-Auftrag von Medien aus?

Leider wirkt sich das zunächst noch gar nicht aus, weil die Politik auf den Strukturwandel der Öffentlichkeit regulatorisch bisher nicht reagiert hat. Die Digitalisierung an sich ist ja nichts Neues, das findet in Österreich ja schon seit den späten 90ern statt. Relativ neu ist die Rolle und die Relevanz von Sozialen Medien wie Facebook und Co (sog Intermediären). In Deutschland informierten sich 2017 bereits mehr als 57% regelmäßig über solche Plattformen. Von ähnlichen Werten ist wohl in Österreich auszugehen. Meinungsbildungsprozesse sind ohne diese Intermediären also nicht mehr denkbar, sie haben in der Verbreitung die Leitfunktion übernommen, auch wenn dort natürlich viele Medieninhalte klassischer journalistischer Produkte verbreitet werden. Aber eben in einem anderen Kontext und anders aufbereitet. Wesentlich ist, dass die Präsentation nicht mehr redaktionell, sondern algorithmisch erfolgt. Umgekehrt nimmt die Mediennutzung im Sinne einer linearen Konsumation ab, ich schaue mir nicht mehr Abends die ZIB von vorne bis hinten an, sondern bekomme nur mehr einzelne Beiträge „zufällig“ in meine Timeline gespült.

Was könnte man dieser Dominanz entgegenhalten?

Eine Antwort könnte sein, eben solche Public Open Spaces zu schaffen, die zwar vielleicht auch Algorithmen verwenden, aber nach transparenten Kriterien, wo nicht jede menschliche Niedertracht durch besonders viel Response und damit Relevanz und Öffentlichkeit belohnt wird. Social Media könnten ja effektvolle partizipative Werkzeuge sein, die in einem vorher nicht dagewesenen Ausmaß ermöglichen, dass einzelne mit ihrer Meinung viele erreichen können. Leider müssen wir feststellen, dass dieses System v. a. jene fördert, die bereits über hohe Aufmerksamkeit verfügen und nicht die medialen „Underdogs“. Hier müssten Public Open Spaces ansetzen. Durch ein Zusammenfließen unterschiedlicher Zielgruppen in einer gemeinsamen Plattform könnte die gesellschaftliche Diskursfunktion stärker über die eigene Filterblase hinaus stattfinden. Die Freien Medien könnten hier ihr Spezial-Know-how und ihre Zugänge zu medial unterrepräsentierten Gruppen einbringen – auch wenn hier neue technische wie auch Format-Lösungen Platz greifen müssten.

Es gibt einen Vorschlag von Medienminister Blümel, eine gemeinsame österreichische Plattform von öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Medien zu schaffen. Was ist die Idee dahinter und was hältst du davon?

Der Vorschlag ist kein neuer und wird auch in Deutschland oder in Schweden diskutiert und ist etwa von der BBC mit einigen Beispielen unter Einbeziehung z. B. von Museen teilweise umgesetzt, auch gibt es dort bereits Kollaborationen mit kommerziellen Anbietern. Der Vorschlag ist sicherlich innovativ, aber man wird sich ein paar Aspekte genauer ansehen müssen. Von Seiten des Wettbewerbsrechts tun sich schon Probleme auf, wenn die marktbeherrschenden Medien sich zusammentun um gemeinsame Sache zu machen, es wäre hier auch insofern eine typisch österreichische Lösung, dass bei jedem neuen elektronischen Medium die bestehenden Platzhirschen bedient und die in Österreich in Hinblick auf Meinungsvielfalt sicherlich nicht ideale Medienlandschaft weiter einzementiert wird. Hier braucht es sicherlich Qualitätskriterien wie Unterwerfung unter einen Medienrat, Redaktionsstatut für die redaktionelle Freiheit oder Zahlung nach Kollektivvertrag. Grundsätzlich ist es aber m. E. richtig und wichtig, die Weiterentwicklung des ORF von einer Sendeanstalt zu einer öffentlich-rechtlichen Plattform zu diskutieren und zu vollziehen.

Die Freien Radios haben sich durchaus auch als Alternative zum damals noch dominanten ORF gesehen und auch wesentlich zum Fall des Rundfunkmonopols beigetragen. Ist es nicht eine Ironie der Geschichte, dass sie jetzt zur Verteidigung desselben ausrücken?

Das Rundfunkmonopol, das in Österreich fast 20 Jahre länger gedauert hat als in Deutschland oder Frankreich, war ja wirklich unerträglich, damals kam man am ORF nicht vorbei und hier gab es kaum innenplurale Elemente, abgesehen von der Statthalterfunktion der Landesstudios. Als Alternative haben wir uns dabei nicht gesehen, sondern als Ergänzung, aber die Arroganz von ORF-Vertretern, die keine Public-Value-Funktionen neben der selbst wahrgenommenen existent sahen, führten im Freien Mediensektor zum Teil zu einer kritischen Distanz. Letztlich war aber schon damals klar, dass beide Sektoren wohl eher Bündnispartner denn Konkurrenten sind. Dass die ehemals überragende Rolle des ORF jetzt so massiv gefährdet erscheint, hat schon eine gewisse Tragik.

 

Alexander Baratsits ist Mitgründer von Radio FRO und Initiator der #mediana18.

1 zukunft-öffentlich-rechtliche.de

 

mediana18
Gegenstand der Konferenz ist der Publi-Service-Auftrag von Medien im Kontext des Strukturwandels der Öffentlichkeit. Konkret  geht es um den Beitrag öffentlich-rechtlicher/kommerzieller/nicht-kommerzieller Medien zur politischen Willensbildung. Impulsvorträge und Workshops behandeln Fragen von Qualität und Inhalten, netzpolitischen Entwicklungen, Zugänglichkeit und Diversität sowie den Vorschlag einer gemeinsamen Plattform ORF & private Medien. Abschließend diskutieren Vertreter_innen aus Politik und Zivilgesellschaft, wie diese Anforderungen künftig medien- und netzpolitisch erfüllt werden können.
www.mediana.at

Man kommt ja vor lauter Unterschreiben nicht mehr nach

Initiative zur Bewahrung der Unabhängigkeit des ORF –
Eine Unterschriftenaktion der IG Autorinnen, Autoren

Mail mit Namen, Berufsbezeichnung und Herkunftsort an gr@literaturhaus.at

Lob und Tadel.

blp

Die Umbrüche in der heimischen Gastroszene sind epochal. Der Slowdude ist erschüttert und sitzt mit aufgerissen Augen, offenem Mund und feuchten Händen vor der Schreibmaschine. Aber der Reihe nach: Das allseits beliebte Cafe Jentschke samt inkorporiertem Kasperkeller ist Geschichte. Schön bleiben in Erinnerung die netten Nachmittage vor oder im Cafe. Mit Blick auf die Landstraße. Re-presenten oder Leute-schauen waren ein beliebter Zeitvertreib an diesem neuralgischen Punkt der Linzer Landstraße. Im Inneren verwinkelt und auch ein wenig aus der Zeit gefallen wurden Kaffee, rauchgeschwängerte Mehlspeisen oder das eine oder andere Bier genossen. SchülerInnen fanden eine Zuflucht beim Schwänzen, aufgetakelte Matronen legten eine Pause beim Powershoppen ein oder die nette alte Dame aus der Herrenstraße verweilte bei einem Verlängerten, während sie auf ihre Freundinnen wartete. Ein Stück Stadtgeschichte. Der Slowdude hasst Jazz und findet das berühmte Zappa-Zitat* überaus passend. Aber im Kasperkeller gehörte der Studentenjazz gemeinsam mit dem Seiterl und Gulasch einfach dazu. Stammtische, Musik und handfestes Essen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ganz anders verhält es sich mit dem nun masseverwalteten Klosterhof. Konsequent wurde das von einem Champagner-Dieter-Bohlen der Linzer Gastroszene baulich einzigartige Lokal über die Jahre verunmöglicht. Das Essen teuer und grauenhaft. Die Veranstaltungen befremdlich und das gesamte nach außen getragene Stimmungsbild verheerend. Hoffentlich findet sich hier ein tragfähiges Konzept, das die Institution weiterleben lässt. Denn der Platz, die Räume und der Garten würden eine würdevolle Nutzung verdienen. Hoffentlich keine XXL-Tapas Bar.

Ein Lichtblick ist jedenfalls das wiederbelebte „Leopoldi“-Stüberl. Wie es scheint, ist die neue BetreiberInnen-Truppe angetreten, das große Erbe des am Adalbert-Stifter-Platz gelegenen Lokals in verjüngter Form fortzuführen. Die investigativ angelegten Testessen des Slow-Dude verheißen nur Gutes. Der freundliche Empfang ist schon mal Balsam auf der Seele des geschundenen Testessers. Das Menü passt. Die Suppe gut und die Kartoffeln zum Schnitzerl kommen nicht aus der Convenience-Packung. Und das Schnitzerl selbst ist auch sehr fein. Winner ist allerdings der – dem Slowdude sehr wichtige – Salatindikator. Super Dressing, frische Salate und liebevoll arrangiert. Hier war ein Update wirklich nötig. Zwar war der Oma-Salat der alten Küchencrew auch recht fein – Essigessenz rules – aber jetzt ist es schon wesentlich besser. Auch die armen Vegetarier haben es leichter und bekommen gute Küche. Was Veganer betrifft, kann der Slowdude nichts sagen, außer, dass sie ihm leidtun. Auch die schonende Renovierung der Einrichtung soll hier nicht unerwähnt bleiben – das Interieur ist weitgehend erhalten und nur schonend und bewusst adaptiert. Der Slowdude denkt: So geht Gastro und so geht sanfte Modernisierung. Top!

Die befreundete Gastrojournalisten-Posse des Landeshauptblattes ist anderer Meinung. Die sollten ihren Testrayon aber auf die neuen „Promenaden-Galerien“ beschränken. Da sind sie zu Hause. Corporate Media at its best.

In den Galerien war der Slowdude auch schon. Und hat probiert, nicht reflexartig zu schimpfen und objektiv zu bleiben. Aber die ersten Schritte in diesem Mix aus Abflughalle und Peripheriewohnbauanlage haben alles zunichtegemacht. Glorious Bastards (wie kann man nur?!?), My Indigo und Barefoot Cafe halten, was sie versprechen. Nichts. Systemgastro, wie sie im Bilderbuch steht. „Witzige“ Namen, austauschbare Konzepte und lahmes Essen erwarten einen dort. Da isst der Slowdude lieber am Sonntag ein kaltes Thunfisch-Sandwich von Freitag in der Tankstelle. Das hat mehr Stil und ist schneller vorbei.

In Kürze: Café Jentschke und Kasperkeller. Ewig schade drum. Klosterhof. Wie sollte es anders kommen. Leopoldistüberl. Daumen hoch. Glorious Bastards, My Indigo und Barefoot Café. Daumen runter.

 

* „Jazz ist nicht tot, meine Damen und Herren, er riecht nur komisch“

Aufgewackt, hergelockt und abgepoppt

Ein zeitgenössisches Frühlings-Tanz-Fest zwischen Südasien und Europa. Gerlinde Roidinger schreibt über vielfarbige Städte, bunte Kulturen und eine Menschenwelt: Inter-Dance-Project Linz Kalkutta#2, Teil II eines interkontinentalen Tanzprojekts von Elias Choi-Buttinger in Linz, ein verbindendes Städtchen an der türkis-blauen Donau.

Foto Pepe Zalba

Foto Pepe Zalba

Ich bin zu früh, stelle zuerst den Motor und dann das Licht ab, und warte. Es scheint irgendwie mehr los zu sein als letztes Mal, vielleicht weil Freitag ist, kurz nach Mittag. Ein Anruf, keiner hebt ab. Ich beginne ihn zu beobachten, diesen dunkelhäutigen Mann mit Zigarette, oder ist’s eine, wie heißt das noch mal, Tüte? Dann eine Frau mit Turban, weniger ein Kopftuch. Linz, Kalkutta. Ich sollte wahrscheinlich wissen, wie das zu unterscheiden wäre. Egal. Ein junger Mann, vielleicht ein Student, kommt mir entgegen, er hat helle Haare, blond, eigentlich mehr rötlich. Ich schaue auf die Uhr, löse den Gurt, bleibe sitzen. Eine ältere Dame, stark geschminkt, quert die Straße, mit vollen Einkaufstaschen. Von der anderen Seite quert jetzt ein älterer Mann die Straße, er hat ergrautes, leicht schütteres Haar, schaut irgendwie freundlich aus, trägt ein so genanntes Sackerl. Zu Deutsch Tüte. Es ist nicht viel drin, vielleicht ein kleines Geldbörserl. Kalkutta, Linz. Ich immer noch im Auto. Das Gesicht im Rückspiegel kann ich nicht erkennen, vielleicht ein Mann, eine Frau, … Ich kann’s nicht sagen. Beim Dunkelhäutigen weiß ich’s genau, er trägt eine dunkelblaue Haube und eine khakifarbene Jacke, steht noch immer an der Kreuzung. Wider Erwarten bleibt er an der Ecke, quert nicht die Straße, wartet, raucht. Der Rothaar-Student geht jetzt wieder retour, ich schätze ihn 28, vielleicht jünger. Eins nach. Ich öffne die Fahrertür, betrete den sauberen Gehsteig: Linz, Ghegastraße.

In der Wohnung angekommen, erzählt mir Elias von seiner Reise nach Indien, von einer befremdlichen Ankunft am Flughafen, der nicht endend wollenden Taxifahrt quer durch Kalkutta und einer von Angst erfüllten, schlaflosen Nacht: Zu viele Eindrücke, zu viel Neues. Und von einem Tanzstück namens Inter-Dance-Project, das er nach einer mehrtägigen Eingewöhnungsphase im geruchsintensiven Kalkutta mit lokalen Künstler*innen initiiert und zur Aufführung brachte. Es handelt sich um ein Tanzstück, das er 2 Jahre später nach Linz transferiert. Linz? Eine Stadt, in der sich knapp 194 Tsd. Menschen begegnen und aus dem Weg gehen, aus Europa oder Asien, aus aller Herren-, Frauen- und Genderländer. Ebenso wie in Kolkata, Calcutta oder Kalkutta, auch „Stadt der Freunde“ genannt, in der rund 30 Mio. Menschen leben, vorwiegend auf der Straße und in Armut. Elias lernt manche davon kennen und trifft sich regelmäßig mit ihnen. Mehrere Wochen leben und trainieren sie gemeinsam. Während sie probieren und experimentieren erarbeiten sie schließlich ein umfassendes Projekt, das Inter-Dance-Project, in dem sie zwei scheinbar völlig gegensätzliche Tanzstile gegenüberstellen, reflektieren und verbinden: Breakdance und klassischen indischen Tanz. Elias und seine indischen Kolleg*innen sind fasziniert von der Vielfalt der Tanzstile und deren Gemeinsamkeiten. Das Ergebnis dieser intensiven Auseinandersetzung wird später in Ahindra Manch, einer der größten Bühnen Kalkuttas, präsentiert, und Szenen daraus auch im öffentlichen Raum, etwa in U-Bahnen und auf Brücken, öffentlichen Marktplätzen und auf dem Uni-Campus. Elias will auf diese Weise den zeitgenössischen Tanz voranbringen und so einen Austausch für professionelle Tänzer*innen ermöglichen, um die Szene zu bereichern und Menschen aus verschiedenen Kulturen zu verbinden.

Kultur(en)! Oje, schon wieder dieses inflationäre Wort! Sorry, aber ich kann es schlichtweg nicht mehr hören. Ein kleiner gedanklicher Abstecher ins World Wide Web sei mir hier deshalb hoffentlich verziehen: Als erstes Suchergebnis finde ich (welch Überraschung!) einen Wikipedia-Eintrag mit der wörtlichen Bedeutung aus dem Lateinischen „cultura“ (= Bearbeitung, Pflege, Ackerbau), wobei Kultur im weitesten Sinne „alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt“ beschreibt und im engeren Sinne „ein System von Regeln und Gewohnheiten, die das Zusammenleben und Verhalten der Menschen leiten“.

Aber zurück zum Tanzstück: Es gehe um Integration, höre ich Elias später sagen. Shit, denke ich: Wort Nummer 2, das bei mir rein ins Ohr und direkt gegenüber gleich wieder rausfliegt, einfach weil es mein Gehirn wegen Übersättigung nicht mehr aufnehmen kann. Keine Sorge, dieses Mal wird es kein Exkurs, nur so viel: „Integrare“, ebenfalls lateinisch: erneuern, ergänzen und geistig auffrischen.

Die Idee für das integrativ-interkontinentale Tanzprojekt sei also in Kalkutta entstanden, erklärt Elias weiter. Er, selbst zeitgenössischer Tänzer und professioneller BBoy sowie Breakdance-Lehrer, trifft dort auf Darshana Borkotoky, eine der besten Tänzer*innen des klassischen indischen Tanzes und Gewinnerin von zahlreichen Preisen indischer Tanzwettbewerbe, mit einem Masterstudium in Bharatnatyam, der wohl berühmteste der indischen Tänze. Die beiden verstehen sich auf Anhieb, unterrichten sich gegenseitig, lernen voneinander, erforschen ihre Art zu tanzen und versuchen im Austausch Neues entstehen zu lassen. Gemeinsam mit den anderen Tänzer*innen aus der Breakdance- und klassischen Szene experimentieren sie mit den unterschiedlichen Tanzstilen, vermengen Breakdance-Moves mit indischer Hochkultur und tanzen für Kali, die indische Göttin der Erneuerung. Bald haben sie ein Stück entwickelt, mit dem sie dank LinzEXPORT 2016 durch ganz Kalkutta touren und welches nun durch Elias’ unermüdliches Bemühen um Förderungen und die Unterstützung des österreichischen Bundeskanzleramtes als Inter-Dance-Project#2 im Frühling 2018 in Linz fortgeführt wird.

Zusammen:wachsen lautet der Name der Förderung des bka, und so auch das Ziel von Elias, der überzeugt ist, dass „sich bewegen“ wohl der einzige Weg für die Menschen ist, wenn sie auf diesem Planeten überleben wollen: Wer in Zeiten von Erderwärmung und Klimakatastrophen in den Fluten der immer knapper werdenden Wasserressourcen nicht untergehen will, tut gut daran, neue Plätze kennenzulernen und sich aktiv daran zu beteiligen, miteinander auszukommen, um vorwärts zu kommen, ist der junge Choreograf sicher. Neue Kulturen kennenzulernen heißt für Elias, sich und sein Leben zu erfrischen: „Wir sind JETZT da, und wir leben im Moment. Auch wenn es manche nicht mitbekommen.“ Diese lebendige Haltung will er auch für Linz spürbar machen.

Aus Indien werden dafür 5 ausgezeichnete Tänzer*innen eingeflogen, um in einem 6-wöchigen Research-Projekt mit weiteren 4 lokalen Künstler*innen aus Tanz und Musik zusammenzuarbeiten. Insgesamt 9 Tanzstile hält dieses Multi-Kulti-Tanzprojekt bereit: Die klassischen indischen Tänze Bharatanatyam und Odissi, drei Stilrichtungen des urbanen Tanzes -Popping, Wacking und Breaking-, sowie auch syrischen und chinesischen Volkstanz und Einflüsse des zeitgenössischen Tanzes und des klassischen Balletts. Bharatanatyam, ein Tanz mit sehr vielen kleinen Bewegungen und Handgesten, vermittelt beispielsweise im Gegensatz zum klassischen Ballett der europäischen Hochkultur keinesfalls ein luftiges Körperkonzept und strebt demnach auch nicht nach Leichtigkeit. Vielmehr ist er erdig, manchmal auch schnell und dynamisch, und erfordert ebenso jahrelanges Training sowie eine enorme Körperbeherrschung. Nahezu jede Muskelbewegung hat eine Bedeutung, etwa auch ganz kleine Bewegungen der Augen und Augenbrauen. Elias, in der europäischen Hip­Hop- und Breakdance-Szene sozialisiert, verbindet in diesem Inter-Dance-Project jedoch nicht nur europäische und indische Kultur, sondern vor allem auch indische Hochkultur mit der Welt des Urban Dance indischer Ghettos. Extreme, die sich zwischen den emporragenden Himalaya-Gebirgsketten und den Straßen der staubigen Slums Indiens abzeichnen, und sich in den Tälern zwischen Arm und Reich sowie auch im Tanz widerspiegeln.

Um diesen Kultursprung mit all seinen Breaking Moves und tänzerischen Highlights möglichst vielen, vor allem auch jungen Menschen in Linz erfahrbar zu machen, wird neben der Anton Bruckner Privatuniversität und der Redsapata Tanzfabrik auch das Jugendzentrum Ann & Pat Schau- und Aktionsplatz von Unterrichtspraxis und offenen Gesprächen sein. Die kontroversen Tanzstile können im Workshop-Format kennengelernt und diskutiert werden, Einblicke in die künstlerische Arbeit der Tänzer*innen und die Möglichkeit zum persönlichen Austausch gibt es immer wieder auch tagsüber. Als sichtbares „Resultat“ dieses Inter-Dance-Project#2 wird das neunköpfige Ensemble Ende April in Wien (27. 4. Weltmuseum Wien, 28. 4. Volkskundemuseum Wien) und Anfang Mai in Linz (3. 5. Lentos Kunstmuseum) schließlich ein Tanzstück präsentieren, das die zeitgenössische Tanzszene bereichern sowie die Menschen vor Ort und darüber hinaus zum kulturellen Diskurs einladen soll …

Elias muss gleich zum Training, ich verabschiede mich. Auch bei Aruna, sie strampelt gerade ihre nackigen Füßchen in die Luft. Aufgeweckt lächelt sie jetzt ihren Papa an, während ich in ihren Augen die Ähnlichkeit mit ihrer Mama Wendy aus Macau, ebenfalls Tänzerin des Inter-Dance-Project#2, erkennen kann. Die Kleine ist erst ein paar Wochen frisch und hat gerade fleißig in die Windel gepfeffert. Scharfsinnig hält sie still und reagiert auf meine Stimme: So ein schönes Mädchen! Beautiful!

 

Inter-Dance-Project#2
26. März – 6. Mai 2018 in Linz
danceidp.com

Fr 27. 04. im Weltmuseum Wien

Sa 28. 04. im Volkskundemuseum Wien

Do 03. 05. im Lentos Kunstmuseum Linz

Man kommt ja vor lauter Unterschreiben nicht mehr nach

Gegen Rechtsextremismus in Österreich

Offener Brief von Universitätsprofessor_innen und Universitätsangehörige an Bundeskanzler Sebastian Kurz + Bundesminister Prof. Dr. Heinz Faßmann, zur Beendigung jeglicher Zusammenarbeit mit sämtlichen Mitgliedern rechtsextremer Burschenschaften, sowie rechtsextremer Medien.

www.openpetition.eu/at/petition/online/gegen-rechtsextremismus-in-oesterreich

NEXTCOMIC Festival

 

Nadine Redlich lebt und arbeitet als Cartoonistin in Düsseldorf, ist Next-Comic-Artist und Artist in Residence im Salzamt. Laut Rotopol, dem Verlag für grafisches Erzählen, erscheint „nach ihren spannungslösenden Büchern ‚Ambient Comics‘ und ‚Ambient Comics II‘ dieses Jahr ihr Stresswerk ‚Paniktotem‘“.
Mehr unter www.nadineredlich.de

NEXTCOMIC Festival: 16. bis 24. März 2018, www.nextcomic.org

Dimensionen der Paranoia und der Kartografie

Zurück von der Transmediale und jetzt mit dem Streamingprojekt in Kooperation mit Museion Bozen beschäftigt, traf Pamela Neuwirth den Medienkünstler und Kurator Davide Bevilacqua zum Interview über das AMRO Festival in Linz, welches er 2018 organisiert. Sie sprach mit ihm auch über die Grauzone zwischen Kunst und Kuratierung.

Wanderer above the sea of Data von Davide Bevilacqua

Wanderer above the sea of Data von Davide Bevilacqua

Davide, du kommst eben von der Transmediale in Berlin zurück. Wie wars?

Intensiv. Festivalthema war Face Value. In unterschiedlichen Formen und Formaten auseinandergesetzt, dehnte sich das Thema inhaltlich in ein breites Spektrum aus, das von Bitcoin bis hin zu Fragen digitaler Kartografie reichte, es waren auch ganz schön paranoide Szenarien dabei.

Kartografie wäre ein Stichwort, servus.at hat sich letztes Jahr in einem Projekt damit befasst und ihr habt die Resultate im Kunstraum Goethestrasse präsentiert. Bevor wir davon sprechen, lass uns doch über deine letzte Vergangenheit hier in der Stadt reden, wo du nach deinem Studium in Venedig Interface Cultures studiert hast. Daneben die Zusammenarbeit mit quitch oder deine kuratorischen Aktivitäten. Was hat dich am Studienfach interessiert und wohin hat sich dein Forschungsinteresse und die Kunst bis heute entwickelt?

Ich komme eigentlich aus der bildenden Kunst, vom Theater und der Performance. In Venedig habe ich vom Studienfach Interface Cultures an der Kunstuniversität erfahren und von Linz im Allgemeinen durch die Ars Electronica. Jedenfalls kam es so, dass ich einen mehrmonatigen Crashkurs in Programmierung absolviert habe, bevor es hier losgegangen ist. Das Studium ist vielfältig, das geht von Tiefenprogrammierung bis hin zu klassischen bildschirmbasierten Interfaces oder sehr haptischen Umsetzungen. Es gibt große Diskussionen, wie man Informationen nicht nur visuell, sondern durch Motoren oder Sound vermittelt; dieses physische Feedback hat mich immer interessiert, weg von diesen Tendenzen „Alles schön und oberflächlich“, was gerade in den Interfaces passiert. Eine kleine Nebensache: Ich habe immer gerne Sachen organisiert. Während des Studiums habe ich 2015 die Ausstellung Unmade Displays an der Universität Udine mit Vincenzo Estremo organisiert. Seitdem habe ich das Kuratieren weiterverfolgt und daneben meine eigenen Projekte realisiert. Beim Palinsesti Festival bin ich seit drei Jahren als Kurator engagiert, dort hat es sich ergeben, mit Michele Spanghero, der mit Ad lib. (2017) bei der Ars vertreten war, in interessanter Konstellation zu arbeiten. Das Kuratorische war Nebenschauplatz, wir haben als Künstler miteinander funktioniert. Ich habe damals die Ursuppe entwickelt gehabt, eine Soundperformance mit Obst und Elektronik, wo es starke Parallelen zu Micheles Arbeit gab. Ursuppe war als eine Echtzeit-Umsetzung konzipiert; diese Form haben wir in seine – davor statische – Arbeit übertragen, wo eine fertige Komposition abgespielt worden wäre und sie in eine große Live-Performance transformiert. Es war bei der Masterarbeit klar, diese beiden Ebenen zu verbinden mit dem Ziel, die Grenze zwischen Kunstwerk und Ausstellung zu verwischen oder aufzuheben. In dieser feinen Grauzone, künstlerisch wie kuratorisch, neue Ansätze zu finden, einen echten Perspektivenwechsel. Linz ist dafür eine super Stadt. Ich bin im Künstlerkollektiv quitch aktiv. 2017 haben Ushi Reiter, System Jaquelinde, Veronika Krenn und ich das Kartografieprojekt HIC SVNT DRACONES umgesetzt; es war aufregend, die unterschiedlichen Denkweisen und Ideen miteinander zu erarbeiten.

Mit Veronika Krenn arbeitest du regelmäßig. In Summernights I Looked For Insects habt ihr erst letztes Jahr und zwar in London bei „Emotion + the Tech(no)body“ gezeigt. Wie funktioniert eure Arbeitsweise?

Uns interessieren momentan selbstentwickelnde Prozesse, die wachsen oder reagieren. Evolving Calculators ist ein Beispiel. Wir haben verschiedene Wirtschaftstheorien und ökonomische Konzepte miteinander abgeglichen. In den Konzepten spielen mittlerweile Maschinen eine Rolle. Unsere Idee war eine Maschine, die nicht Ökonomie erzeugt, sondern Theorien. Für das Unterfangen mussten viele Theorieblöcke gebaut werden, damit das eine Maschine lernen kann. Wir haben neben den Theorien Metaphern und Bilder generiert, um den Bruch zwischen Marxismus und Kapitalismus darzustellen. So generell, was das Arbeiten als Duo betrifft: Wir haben keinen Namen, aber einen dichten Austausch an Ideen. Bei den Insekten (Anm.: In Summernights I Looked for Insects) war es so, dass ich zu einer Ausstellung in Italien eingeladen war und es gab da diese Idee. Ich entwickelte Sounds und Stromkreise, Veronika die Realisierung der Objekte, visuelle Repräsentation liegt ihr sehr, sie ist auch eine ausgezeichnete Grafikerin.

Auf deiner Homepage war zu lesen, du beschäftigst dich vor dem Hintergrund der KI und Robotik mit Fragen des „technologischen Positivismus“ und der „Rhetorik der Kybernetik“. Das nimmt beinahe meine Frage vorweg, was die Diskurse sind, an denen du dich orientierst oder die du kritisierst?

Positivismus und Rhetorik der Technologiewelt sind für mich Probleme, um die man nicht herumkommt und ein Grund, warum ich gerne bei servus.at arbeite. Was Technodiskurse betrifft, interessieren mich Zusammenhänge zwischen monopolistischen Strukturen durch Konzerne, open source-Philosophie und ethische Fragen. Hinsichtlich der Verbindung von kapitalistischer Entwicklung und Technologie stören mich manipulative Versprechungen. Die trügerische Darstellung eines Produktes, einer Entwicklung. Die „neuen Ideen“ wurden ebenso von Open-Source-Communities hervorgebracht, wie das auch in der Medienkunst oder durch die Medienkunst vor zwanzig oder dreißig Jahren passiert ist. Die Ars Electronica hat die Themen KI und Machine Learning aufgenommen, weil es in ist. Bitcoin und Blockchain sowie Desinformation im Kontext von Social Media sind weitere Komplexe, um die man sich kümmern muss. Ich habe bei all dem aber das Gefühl, die Rhetorik ist oft fehlgeleitet. Weiß man ungefähr, wie eine KI funktioniert, bleibt man gegenüber Präsentationen, die eine künstliche Intelligenz suggerieren, skeptisch. Der Begriff ist zu großzügig, die Ingenieure meinen meistens etwas anderes. Der Sensor misst, die Maschine schaltet sich ein oder aus. Das ist nicht besonders smart, aber wir nennen es so. Vielleicht, weil es cool klingt, wie auch die Geschichten von Maschinenintelligenz. Intelligenz ist eine Frage des Begriffs. Im aktuellen Trend ist dafür zumindest viel Platz für Interpretationen.

Du hast eingangs die Paranoia erwähnt. Wie sieht deine aktuelle Situationsanalyse in Sachen Internet aus? Ich meine, nachdem die Weltöffentlichkeit von Snowden erfahren hat und während die Netzneutralität von staatlichen und wirtschaftlichen Interessen zerrieben wird, wie lassen sich aus deiner Sicht etwa Überwachungsszenarien im Internet beschreiben?

Das ist sehr schwierig. Überwachung, Datenschutz und Privacy … ich glaube, das Thema hat an Kraft verloren. Vor ein paar Jahren war es virulent, Wikileaks hat gezeigt, was nicht funktioniert, die Überwachung der NSA usw. Der Öffentlichkeit wurde das schon bewusst, aber es gibt mittlerweile andere Themen, die Raum brauchen, wie Extremismus im Netz. Es scheint, als ob sich die Menschen daran gewöhnt hätten, überwacht zu werden; es ist wie eine Post-Konditionierung. Daneben kümmert man sich um die Netzneutralität und geht gegen rassistische Inhalte in Filterbubbles vor; letzteres scheint momentan der stärkere Trend zu sein. Man ist mit einer Rhetorik konfrontiert, die sagt, man braucht Facebook, damit man nicht in Isolation gerät. Also die Konsequenzen tragen: Ich weiß, meine Daten werden gefressen, mache aber trotzdem mit. Kommunikation wäre ein Weg, Probleme nicht nur in kleinen, kritischen Gruppen, sondern in einer breiteren Öffentlichkeit zu lancieren. Um das zu erreichen, muss man die Kanäle dieser Öffentlichkeiten nutzen. Es geht um eine Balance zwischen kritischen Zugängen, wie AMRO oder Transmediale und daneben um populärere Zugänge. Auf der Transmediale sind die Themen leicht zu diskutieren, aber wenn wir uns bemühen, die Welt besser zu machen, dann sollten wir uns bemühen, die Diskussion breiter anzulegen. Es ist problematisch, dass manche der Überwachung durch CCTV-Kameras positiv eingestellt sind. Der tagespolitische Diskurs rund um Terroristen, Kriminalität und Migration hat die Gesellschaften nach rechts gerückt. Sicherheit ist nur ein Schlagwort. Wir wissen von den Problemen, Migration mit Gefahr gleichzusetzen. Solche radikalen Rhetoriken haben mitgeholfen, dass Überwachung heute von einer Mehrheit toleriert wird.

AMRO wird heuer von dir kuratiert. In welche Richtung geht das Festival bzw. gibt es Inhalte, wo du schon sagen kannst, dass diese in Lectures oder Performances umgesetzt werden?

Aus den Linux-Wochen Linz hat sich AMRO in den letzten Jahren biennal konzipiert, d. h. ein Jahr Research Lab, im nächsten werden die Resulate des Labs für das Festival aufbereitet. Für das Festival gibt es ein Kernthema, dem immer noch andere damit zusammenhängende Themen angeschlossen werden, die einen Open Source aufzeigen. Im Research Lab 2017 zu Kartografie oder Digital Mapping haben wir technische oder ästhetische Fehler in Kartografien untersucht und angewandt. Das Thema bei AMRO wird also Kartografie sein, vielleicht als Grundlage noch einmal abstrakter angelegt. Es geht nicht nur darum Karten zu zeichnen. Das Konzept der Critical Cartography finde ich, neben technischen oder ästhetischen Fragen, spannend. Critical Cartography bedeutet, BürgerInnen wenden die Kartografie selbst an. Karten haben mit Macht zu tun. Selbstermächtigung ist eine Taktik, einem Machtverhältnis etwas zu entgegnen. Das ist ein sehr schönes Bild: Zuerst musst du die Situation verstehen, das Netz, die Kommunikation, das Mapping aufbauen, und dann erschließt sich, was Kartografien fehlt, welche Schlüsse noch nicht gezogen wurden. AMRO funktioniert nicht top down, alle Beteiligten diskutieren auf einer Ebene unterschiedliche Perspektiven. Wie können post-demokratische Diskurse umgangen werden? Wie können wir uns in politische Verhältnisse einmischen? Beim Steirischen Herbst ist mir eine Gruppe aufgefallen, die für ihre Arbeit, The Left-to-Die Boat, die Meeresroute eines libyschen Schiffs auf dem Weg nach Italien untersuchte. Das Schiff havarierte, die Menschen, es waren Flüchtlinge, wurden auf dem offenen Meer zurückgelassen. Forensic Architecture sind ein Konglomerat von Leuten unterschiedlicher Sparten, wie Statistik, Informatik, Soziologie, Architektur. Für The Left-to-Die Boat wurden neben Weg-Zeit-Diagrammen, Daten mit ganz anderen räumlichen Informationen verschränkt. Die Adria ist ein hochüberwachtes Gebiet. Durch die unkonventionelle Verschränkung der ohnehin vorhandenen Informationen, haben Forensic Architecture gezeigt, dass nicht hätte passieren müssen, was passiert ist. Das Unglück wurde zugelassen. Forensic Architecture wären interessante Gäste für AMRO.

 

2018 – Art Meets Radical Openness (#AMRO18)

16.–19. Mai 2018

Unmapping infrastructures

AMRO – Art Meets Radical Openness, das Festival für Kunst, Hacktivismus und Open Cultures seit 2008 von servus.at in Kooperation mit der Kunstuniversität Linz organisiert, wird dieses Jahr von 16. bis 19. Mai im afo – architekturforum Oberösterreich, der Kunstuniversität Linz und der Stadtwerkstatt stattfinden.

www.radical-openness.org

Man kommt ja vor lauter Unterschreiben nicht mehr nach

Retten wir die Almtalbahn!
Unterschreibe für den Erhalt der Nahverkehrsanbindung von Wels nach Grünau im Almtal!

(Petition aktiv bis 21.03.2018) www.openpetition.de/petition/online/retten-wir-die-almtalbahn