Russische Kaltmamsell oder ein Einmaleins für die kalte Küche.

Der Dude ist ja dafür bekannt, dass er jeder Sau, die durchs Dorf getrieben wird, geifernd nachläuft – so auch dem omnipräsenten Thema Winter und Kälte. Um uns bestens auf die drohende Temperatursenkung und den Sparhaushalt vorzubereiten, hier ein kleines Einmaleins zum kulinarischen Widerstand. Die erwähnte Kaltmamsell feiert in Form ihres mannigfaltigen Rezepterbes ein fulminantes Comeback und wird dadurch teure Ratgeberin bei der Zubereitung von wohligen Salaten, sauren Sülzen und bitterkalten Platten. Viel wichtiger als Speisenarchitektur, fancy Cookingskills und exakte Zu­­bereitungsplanung ist aber das Basiswissen über die Wärmekraft der unterschiedlichsten Lebensmittel. Hier wird uns der Chinese ein wohlgelittener Freund und Experte: TCM (Traditionell chinesische Medizin) erzählt uns alles über Zutaten und ordnet die geeignetsten KandidatInnen, sodass wir auf einen Blick die wichtigsten Fakten erfassen und verstehen können. Der Slowdude, seit Jahren ein Verfechter der These „Essen und Trinken muss nähren, aber auch stärken und heilen“, findet sich hier in bester Gesellschaft wieder. Und in dieser fühlt er sich pudelwohl, verstanden und gut aufgehoben.

Der aufziehende Herbst bringt die unterschiedlichsten Kohlarten, Rotkraut, rote Rüben oder Kürbis und damit auch viele saisonale, natürliche, gesunde und außerdem schmackhafte WarmmacherInnen. Aber auch Küchenstandards wie Zwiebel, Porree und Lauchzwiebel sind Heizkraftwerke aus der Gemüselade – Süßkartoffeln und Fenchel runden diesen Reigen an Möglichkeiten ab. Bringt man diese Lieben zum Beispiel mit einer erquicklichen Menge Ingwer, Knoblauch und Chili zusammen, kommt die Hitzewallung so sicher wie das nächste Frühjahr. Additiv zu nennen sind hier Walnüsse, Pinienkerne und Maroni. Auf der Gewürzseite wird von Fenchel, Anis und Kümmel viel Wärme gespendet. Wahre Nachbrenner sind auch Granatäpfel, Zwetschgen (auch in gedörrter Form) und Rosinen. Geräucherter Fisch und Wildbret sind Optionen für Karnivoren. Also ein breites Spektrum an Basismaterial, das die geneigte Köchin oder den geneigten Koch schön gewärmt über die kalten Tage bringt.

Meiden sollten wir hingegen die Gurke, den Sellerie – ja es ist bitter – und auch alle Formen von Kokos. Kokoswasser, Kokosflocken, Kokosmehl, Kokosmilch und auch Kokosspalten. Und auch Spargel, Erdbeeren und Wassermelone sollten tunlichst in der Winternahrung nicht vorkommen – die haben aber in der kalten Jahreszeit soundso nichts im Einkaufskörbchen zu suchen. Die Gewürze, die sich eher der kühlen Seite zuneigen, sind Dill, Kamille, Koriander, Pfefferminze und Salbei – ja auch hier ein paar schmerzliche Verluste. Aber die sehnlichst herbeigewünschte Verwendung im Frühling und Sommer trösten den Dude darüber hinweg.

Neutral hingegen ist der Reis. Im Sommer unterstützt er kühlende Nahrungsmittel, im Winter die wärmenden. Ebenso die gute Kartoffel – neutral bis in die innerste Stärkeschicht. Sympathisch.

Um dem titelgebenden und anachronistischen Begriff Kaltmamsell Rechnung zu tragen: Die Herbst- und Winterzeit zu nutzen, um alte Rezepte zu suchen, zu adaptieren und gar zu modernisieren, schafft Abwechslung vom öden Küchenalltag. Kombiniert mit den weisen Ratschlägen und Zutatentipps aus der TCM eine absolute Win-Win-Situation, meint der Slowdude. Aber auch zur nötigen Distraktion von der aktuellen Weltenlage – Experimente und Neues in der Küche schaffen wertvolle Ablenkung. Der Dude ist und bleibt ein emotionaler Fatalist und rät: Das Beste draus machen – auch wenn die Küche kalt bleibt.

Der Anarchosyndikalismus

Die Referentin bringt seit mehreren Heften eine Serie über frühe soziale Bewegungen und emanzipatorische Entwicklungen. Über die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung des Anarchosyndikalismus, von seiner Entstehung vor etwa 100 Jahren bis zu seiner Renaissance in den letzten Jahren schreibt Hans Huber.

Vor einhundert Jahren existierte international eine revolutionäre Gewerkschaftsbewegung, die heute kaum mehr bekannt ist. Die Rede ist vom Anarchosyndikalismus. Seine Hochblüte erlebte dieser in der Zwischenkriegszeit, doch Faschismus und Zweiter Weltkrieg ließen von der einstigen Massenbewegung nur mehr kümmerliche Reste über. Was zeichnete diese Gewerkschaften aus und weshalb erlebt die Idee des Anarchosyndikalismus in den letzten Jahren eine Renaissance?

Von der Geburt des Syndikalismus …
Wenn heute von der Gewerkschaft die Rede ist, so sind damit im deutschsprachigen Raum die großen Einheitsgewerkschaften gemeint. Der ÖGB vereint verschiedene politische Fraktionen und verhandelt als eine Gewerkschaft sozialpartnerschaftlich mit den Verbänden der Arbeitgeber. Solche Gewerkschaften bilden in Europa jedoch die Ausnahme – in anderen Ländern wie Frankreich und Spanien existieren Richtungsgewerkschaften mit unterschiedlichen weltanschaulichen oder parteipolitischen Ausrichtungen.

In Frankreich entstand Ende des 19. Jahrhunderts auch der Syndikalismus. Dieser verwarf die Grundidee der damaligen zersplitterten sozialistischen Parteien, mittels Wahlen die Lebenssituation der Arbeiter*innen zu verbessern und zum Sozialismus zu gelangen. Stattdessen sollte der Klassenkampf unmittelbar im ökonomischen Bereich durch die Gewerkschaften geführt werden – mittels „direkter Aktion“, also z. B. Streik, Boykott oder Sabotage. Neben dem „Kampf ums tägliche Brot“ mit dem Ziel von sofortigen Verbesserungen – also z. B. Verkürzung der Arbeitszeit oder Lohnerhöhungen – verfolgte der Syndikalismus darüber hinaus das Ziel einer sozialen Revolution.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts formte sich schließlich als eigene Strömung der Anarchosyndikalismus aus. Seine Theorien basieren auf den Vorstellungen des anarchistischen Sozialismus, während sich die Organisationsform an den revolutionären Syndikalismus anlehnt. Im Unterschied zu Parteisozialist*innen jeglicher Couleur verwerfen Anarchosyndi­kalis­t*in­nen die Idee, den Sozialismus „staatlich von oben herab“ einzuführen. Denn Verstaatlichung der Wirtschaft kann „nur zur schlimmsten Form der Ausbeutung, zum Staatskapitalismus, nie aber zum Sozialismus führen“ (Prinzipienerklärung des Syndikalismus, 1919). Statt zentralistischer Lenkung von Wirtschaft und Gesellschaft durch den sozialistischen (Einparteien-)Staat erstreben Anarchosyndikalist*innen einen libertären Sozialismus, der föderalistisch von unten nach oben organisiert sein soll. Die Gewerkschaft bildet dabei das Kampfinstrument zur Verbesserung der aktuellen Lebenssituation sowie zur Übernahme der Produktionsmittel in der sozialen Revolution und gleichzeitig auch die Basis der Organisation der neuen sozialistischen Wirtschaft.

… über die anarchosyndika­listischen Gewerkschafts­internationale …
In den 1920er-Jahren schlossen sich Gewerkschaften mehrerer Kontinente von Argentinien über die USA und Europa bis Japan in einer diesen Zielsetzungen verpflichteten Gewerkschaftsinternationalen zusammen. Die „Internationale Arbeiter Assoziation“ (IAA) vereinte in ihrer Blütezeit vier Millionen Mitglieder.

Auch in Deutschland erlebte der Anarchosyndikalismus nach dem ersten Weltkrieg einen Aufschwung: die aus der „Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ hervorgegangene anarchosyndikalistische „Freie Arbeiter Union Deutschlands (FAUD)“ zählte Anfang der 1920er-Jahre über 125.000 Mitglieder mit Hochburgen in den Bergbauregionen des Ruhrgebiets und einzelnen Industriestädten. In ihrer 1919 angenommen Prinzipienerklärung heißt es: „Die Syndikalisten (…) sind prinzipielle Gegner jeder Monopolwirtschaft. Sie erstreben die Vergesellschaftung (…) aller sozialen Reichtümer.“.

Die FAUD beteiligte sich an zahlreichen Streiks und stellte im Ruhraufstand 1920 (Märzrevolution) einen Teil der „Roten Ruhrarmee“. Von 1923 bis 1932 schrumpfte sie schließlich auf einige tausend Mitglieder – die Reste der unter dem Nationalsozialismus illegal weiteragierenden Organisation wurden 1936/37 von der Gestapo zerschlagen und in mehreren Prozessen vor dem Volksgerichtshof abgeurteilt.

In Österreich standen Anarchismus und Anarchosyndikalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Schatten der starken Sozialdemokratie. Zwar gab es kleine anarchosyndikalistische Gewerkschaften und Propagandagruppierungen, über eine Gesamtmitgliederzahl von 2.000 kamen diese jedoch nicht hinaus.

… zur sozialen Revolution in Spanien 1936
Das Land mit der stärksten anarchosyndikalistischen Massenbewegung stellte Spanien in der Mitte der 1930er-Jahre dar. Die Confederation National de Trabajo (CNT) verfügte zu diesem Zeitpunkt über eine Million Mitglieder. Als 1936 rechte Generäle gegen die Linksregierung putschten, folgte bereits in den ersten Tagen des Spanischen Bürgerkriegs eine soziale Revolution in weiten Teilen Kataloniens und Andalusiens: die CNT übernahm die Kontrolle über zahlreiche Betriebe, richtete Agrarkollektive ein und versuchte ihre Vorstellung eines libertären Sozialismus umzusetzen. Die gesellschaftlichen Umwälzungen beschränkten sich dabei nicht auf den wirtschaftlichen Bereich, sondern erfassten auch die Schulen, das Gesundheitswesen oder die „Geschlechterfrage“. So organisierten sich etwa 20.000 Frauen bei den anarchistisch-feministischen „Mujeres Libres“.

Gemäß den föderalistischen Vorstellungen im Anarchismus wiesen vor allem die Agrarkollektive unterschiedlichste kollektivistische und kommunistische Formen auf: manche Dörfer und Kleinstädte schafften das Geld ab, andere entlohnten nach Familie, wieder andere individuell. Und in vielen Dörfern existierten neben dem Kollektiv individuelle Bewirtschaftungsformen für jene weiter, die sich dem Kollektiv nicht anschließen wollten. Ein komplexes System lokaler und überregionaler Vernetzung sorgte für die Rohstoff- und Materialbeschaffung und die Verteilung der produzierten Produkte – ein libertärer Sozialismus von unten nach oben konträr zur zentralistischen Staatsverwaltung in der Sowjetunion.

George Orwell, der in Spanien in der marxistisch-antistalinistischen P.O.U.M. bewaffnet gegen den Faschismus gekämpft hatte, beschrieb diesen libertären Sozialismus in „Spanische Erfahrungen“ so: „Die normale Klasseneinteilung der Gesellschaft war in einem Umfang verschwunden, wie man es sich in der geldgeschwängerten Luft Englands fast nicht vorstellen kann. Niemand lebte dort (Aragon, Anm.) außer den Bauern und uns selbst, und niemand hatte einen Herrn über sich. (…) Ich weiß sehr genau, wie es heute zum guten Ton gehört zu verleugnen, daß der Sozialismus etwas mit Gleichheit zu tun hat. In jedem Land der Welt ist ein ungeheurer Schwärm Parteibonzen und schlauer, kleiner Professoren beschäftigt zu „beweisen“, daß Sozialismus nichts anderes bedeutet als planwirtschaftlicher Staatskapitalismus (…). Aber zum Glück gibt es daneben auch eine Version des Sozialismus, die sich hiervon gewaltig unterscheidet.“

Doch innerhalb der republikanischen Gebiete erwuchs dieser Revolution ein erstarkender Gegner:
Die an Stalin orientierte Kommunistische Partei PCE entwickelte sich „zur Verfechterin des Privateigentums und der Interessen des Mittelstandes.“ (Walther L. Bernecker) Sie nutzte ihren stark wachsenden Einfluss in der Volksfrontregierung, unterdrückte ab Mai 1937 P.O.U.M und CNT und zerschlug zahlreiche Landkollektive. Auf die Niederlage der Revolution folgte 1939 die Niederlage der Linken im spanischen Bürgerkrieg.

Vom Niedergang bis zum Neuaufleben des Anarchosyndikalismus heute
War der Höhepunkt der meisten (anarcho)syndikalistischen Gewerkschaften in den 1920er-Jahren erreicht, so befanden sich die übriggebliebenen Reste nach dem Zweiten Weltkrieg im Niedergang. Der Historiker Marcel van der Linden beschreibt drei Wege ihrer weiteren Entwicklung:
a) das Festhalten an den ihren Prinzipien und darauffolgende Marginalisierung
b) Änderung ihres Kurses und Anpassung an neue Bedingungen – und somit die Aufgabe syndikalistischer Prinzipien
c) Auflösung oder Aufgehen in einer nicht-syndikalistischen Gewerkschaft

Von einzelnen lokalen Ausnahmen wie der SAC in Schweden oder dem Wiederaufleben der CNT in Spanien Anfang der 1970er-Jahre abgesehen, existierte der (Anarcho)Syndikalismus hauptsächlich noch als Ideengemeinschaft, aber nicht mehr als wahrnehmbare gewerkschaftliche Kraft.

Seit den 1990er-Jahren ist eine Trendwende und ein internationales Wiederaufleben anarchosyndikalistischer Ideen bemerkbar. Neu gegründete oder erstarkte Gewerkschaften mit (anarcho)syndikalistischer Prägung finden sich vor allem in jenen prekarisierten Bereichen, die von herkömmlichen Gewerkschaften vernachlässigt werden. So konnte etwa die 1977 wiedergegründete Freie Arbeiter*innen Union (FAU) in Deutschland in den vergangenen Jahren verstärkt an gewerkschaftlichem Profil gewinnen und damit auch ihre Mitgliederzahl deutlich steigern – heute sind wieder über 1.300 Menschen in Deutschland Mitglied in einer anarchosyndikalistischen Gewerkschaft. Neben zahlreichen kleineren Auseinandersetzungen z. B. um Lohnzahlungen machte sie mit ihrem Einsatz für rumänische Bauarbeiter in Berlin („Mall of Shame“), mit der Unterstützung eines wilden Streiks von 150 Erntehelfer*innen bei Bonn 2020 oder mit der Organisierung von Arbeitskämpfen von Fahrradkurier*innen von sich reden. Die spanische CNT-Abspaltung CGT verfügt heute über 80.000 Mitglieder und ist z. B. auch in feministischen Kämpfen (Frauenstreik) aktiv.

In Österreich existieren derzeit mit dem Wiener Arbeiter*innen Syndikat (WAS) und den Wobblies (IWW) zwei kleine Gewerkschaftsgruppen, die sich auf anarchosyndikalistische bzw. syndikalistische Traditionslinien beziehen. In den vergangenen Jahren konnte dabei das WAS in (Lohn)Auseinandersetzungen mehrere Erfolge erzielen. Ihre modernen Kämpfe „ums tägliche Brot“ reihen sich ein in das Wiederaufleben einer sozialrevolutionären Gewerkschaftsbewegung, die nach dem Zweiten Weltkrieg fast in Vergessenheit geriet.

Die Serie in der Referentin ist auf Anregung von Andreas Gautsch bzw. der Gruppe Anarchismusforschung entstanden, siehe auch: anarchismusforschung.org

Stadtblick

Foto Die Referentin

Niemals vergessen!

Die Erinnerungszeichen von Andreas Strauss sind permanente, in Kooperation mit der Lehrwerkstätte der voestalpine gefertigte Stelen, die ein personalisiertes Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus ermöglichen – insbesondere als Erinnerung an verfolgte, vertriebene und ermordete Linzer Jüdinnen und Juden.
www.linzerinnert.at

Das Professionelle Publikum

Tipps, Tipps, Tipps von Amanda Augustin, Sabine Jelinek, Evelyn Kreinecker, Ayan Razaei und Irene Wögerer. Die Redaktion bedankt sich für die persönlichen Veranstaltungsempfehlungen! Werte Leser*innenschaft: Gustieren Sie und schauen Sie hin!

© Amanda Augustin

Amanda Augustin
ist ein Kopf der Hydra, dem vielköpfigen Geschöpf der Linzer Unterwelt, welches Tag und Nacht für die Subkultur kämpft. Angesiedelt zwischen Kunst, Kultur und bumbum ist sie stets auf der Suche nach dem Plus X, dem gewissen Etwas, das es noch zu entdecken gibt.

Holy Hydra Festival
Wer weiß schon wo morgen ist/Jelka Soliparty

© Lukas Schaller

Sabine Jelinek
ist Künstlerin und seit 2018 Kuratorin des öffentlichen Kunstraumes Sternenpassage im MuseumsQuartier Wien und lehrt als Assistenzprofessorin im Bereich Bildende Kunst an der Kunstuniversität Linz, jeweils mit dem Schwerpunkt Fotografie.

DIMITRIOS MAVROUDIS: Ausstellungseröffnung und Katalogpräsentation
DAS WIR IM ICH. Bauernkrieg und Bilderkosmos

© Andrea Groisböck

Evelyn Kreinecker
lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Prambachkirchen. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist Malerei, Zeichnung und Animationsfilm. Der Mensch steht im Zentrum ihrer künstlerischen Auseinandersetzung, die sie als „Untersuchung der Wirklichkeit“ und den Versuch etwas Wahrhaftiges dabei herauszufinden beschreibt.

Ausstellungseröffnung SIE
Grand Opening Birgit Schweiger „Ästhetik des Plastiks“

Ayan Rezaei
ist Architektin und freischaffende Künstlerin. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich konzeptuell mit der Phänomenologie von Körper und Raum, realisiert künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum der Stadt und bezieht sich mit Performances auf aktuelle politische Themen. Derzeit arbeitet sie mit FIFTITU% – Vernetzungsstelle für Frauen* in Kunst und Kultur in OÖ.

Re-Accct
KDW: Kongress der Wissenden

© Rita Krenn

Irene Wögerer ist freie Kunsthistorikerin am Lentos Kunstmuseum Linz und Klimaschützerin beim Klimabündnis Oberösterreich

Ausstellung: Herbert & Joella Bayer.
Herbert Bayer Symposium
SAATs so GUT

Tipps von Die Referentin

 

 

Am Hollaberer-Anwesen entsteht ein Kimaschutzgarten
„Wir betreten ursprünglichen Auboden“
Schwemmland Klima-Radtour
Linz ISFF 2022
Buchpräsentation Mieze Medusa „Was über Frauen geredet wird“
Buchpräsentation Norbert Gstrein „Vier Tage, drei Nächte. Roman“
Christine Abdelnour & Christof Kurzmann

Editorial

Im Schlepptau der globalen Pandemie und mitten im Krieg muss wohl nichts gesagt werden, um den Leser davon zu überzeugen, dass wir in einer Ära leben, in der die Auswirkungen der vernetzten Technologien mehr und mehr in die öffentlichen und privaten Räume unserer Gesellschaften vordringen.

Der Schriftsteller und Künstler James Bridle vertritt die Ansicht, dass die viel gepriesenen vernetzten Infrastrukturen – in Kombination mit den grassierenden destabilisierenden Auswirkungen des Klimawandels und der nur scheinbar unlogischen Dynamik der globalisierten geopolitischen Spannungen – vor allem die Erosion unserer Fähigkeit, die Welt um uns herum zu verstehen, verursachen, anstatt zu ihrer Verbesserung beizutragen.

Bridle zufolge sind die Folgen der weit verbreiteten Übernahme von Technologien de facto mitverantwortlich für die Entstehung von Merkmalen, die denen eines neuen dunklen Zeitalters ähneln, in dem die Komplexität und die Gleichzeitigkeit der unmittelbaren, weltumspannenden Rechenmaschinen uns in Verschwörungen oder kollektive, kognitive Fehleinschätzungen treiben. Im Kern handelt es sich dabei um eine sich selbst verstärkende Schleife: Wir sind verloren in der Art und Weise, wie jeder von uns mit der uns umgebenden Welt in Beziehung steht, und versuchen dennoch, uns an dieselben Quellen des Unverständnisses zu wenden, um Ordnung zu schaffen, was eine Rückkopplungsschleife von unangepassten Lesarten erzeugt.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind Warnzeichen für ein umweltschädigendes Verhalten; psychologische und soziale Störungen, wirtschaftliche Ungleichgewichte, der Verlust eines Realitätssystems oder die kraftvolle Wiederkehr der Geschichte in einem zu lange ignorierten Kriegsbildungsprozess: all dies kann als Zeichen des Endes der Epoche gelesen werden, die gemeinhin als westliche Moderne bekannt ist, die vielleicht naiverweise für ewig gehalten wurde und die sich nun definitiv in einem Moment der Krise und des Wertewandels befindet, wenn nicht sogar mehr.

Was ist jetzt zu tun? Auch wenn wir uns nicht unbedingt dem Ende unserer Epoche nähern, wie der Philosoph Federico Campagna in Technik und Magie anklingen lässt, scheint es dennoch dringend geboten, darüber nachzudenken, welche Werte wir für die Zukunft bewahren und welche wir aufgeben sollten.

Angesichts der Tatsache, dass unser Zeitalter so sehr von fehlerhaften technologischen Prozessen geprägt ist, fragen wir uns, ob Problemlösungspraktiken aus demselben technologischen Raum kommen können, der diese Probleme eigentlich verursacht. Jedenfalls sollte es um die Frage gehen, wie Konzepte der Fehlersuche dabei helfen könnten, und welche Strategien im Szenario des ständigen Notstands und der allgemeinen Unsicherheit vorstellbar sind.

Oder anders gefragt: Wenn die Realität von der Technik geformt wird, können wir sie dann DEBUGGEN?

Geschätzte Leser:innenschaft, dieser Text oben stammt ausnahmsweise nicht aus der Originalfeder der beiden Referentin-Herausgeberinnen, sondern stellt einen ins Deutsche übersetzte Passage aus einem der drei englischen Texte im Heft dar. Diese wurden ebenso ausnahmsweise in dieser Referentin in Originalsprache belassen und berichten über AMRO, dem servus.at-Festival Art Meets Radical Openness. Das internationale Open-Source-, Netzkultur- und Kunstfestival steht heuer unter dem Motto debug, und wird im Juni an mehreren Orten in Linz abgehalten. Die Passage oben ist der Anfang von Davide Bevilaquas kuratorischem Statement und betrachtet den weiteren Kontext vom Bug als Fehler, und einem Debug als Fehlervermeidung im Programm.

Soll an dieser Stelle heißen: Unbedingte Leseempfehlung der Redaktion, Übersetzungsprogramm-Hinweis auf deepl.com (geht mit dem Text in der Online-Ausgabe der Referentin) – und finally: zu AMRO debug hingehen um zu sehen und hören, was Sache ist.

Wir empfehlen selbstverständlich die fehlerfreien anderen Texte unserer großartigen Autor:innen in der Referentin 28.

Bitte selbst durch die Ausgabe krabbeln.

Bugged and debugged,

die Referentinnen Tanja Brandmayr und Olivia Schütz

Given enough eyeballs, all bugs are shallow

Art Meets Radical Openness as debugging together: The 2022 edition of the festival AMRO in June is dedicated to the rituals and the philosophies of debugging. This will be taken as starting point for a conversation between artists, groups and communities moving together between the fields of culture, politics and technologies. Davide Bevilaqua and the AMRO community about the wider context.

In this text we’ll unpack the festival motto debug from the technological connotation to a wider understanding in terms of knowledge sharing and community practices. Those are at the core of the Art Meets Radical Openness spirit and we are looking forward to see them happening again in Linz at AMRO22, 15th – 18th June 2022.
The various thoughts that built the skeleton of AMRO22 emerged over multiple conversation with the AMRO community and participants. Other two texts published in the current edition of the Referentin will deepen the conceptual core of debug, one connecting it to the idea of pancomputationalism, another dealing with shared, feminist server infrastructure.

When reality is shaped by tech, can we debug it?
In the long tail of the global pandemic and in the middle of a war, probably nothing needs to be said to convince the reader that we live in an era in which the effect of the networked technologies permeate more and more in the public and private spaces within our societies. Writer and artist James Bridle suggests that the much advertised networked infrastructures – in combination with the rampant destabilizing effects of climate change and the only apparently non-logical dynamics of the globalized geopolitical tensions – are mostly causing the erosion of our capacity of understanding the world around us, rather than contributing to its improvement. According to Bridle, the consequences of the widespread adoption of technologies is de facto co-responsible for the emergence of characteristics similar to the ones of a New Dark Age1, in which the complexity and concurrencies of immediate, world-scaled computation machineries push us into conspiracies or collective, cognitive misestimation. At the core of this there is a self-enforcing loop: we are lost in the ways each one of us relates to the surrounding world, and yet tent to turn to the same sources of incomprehension to make order, generating a feedback loop of mismatched readings.
The effects of climate change are warning signs of an environmentally harmful behavior; psychological and social disorders, economic imbalances, the loss of a reality system, or the potent return of history in a too-long ignored war building process. All of these can be read as signs of the end of the epoch commonly known as Western modernity, that was maybe naively thought as everlasting and that now is defenitely in a moment of crisis and shifting of values, if not more. What to do now? Even if we are not necessarily approaching the end of our epoch as the philosopher Federico Campagna echoes in Technic and Magic,2 it seems nevertheless urgent to reflect on which values to retain for the future and which ones we should abandon.
Seeing our era so influenced by faulty technological processes, we wonder if a hint for a solution might come from problem-solving practices that emerge from the same technological space. Within the festival program, we reflect how some concepts relating to debugging might help imagine strategies to deal with this scenario of constant emergency and overall uncertainty.
This is grounded on the idea that the any own instrument – from the technical till the conceptual ones – is potentially fallible, and that one can then choose to challenge that imprecision and try to overcome bugs and limits. A whole different image of technology is needed here, seeing machines as situated and needing constant care, with the practice of tool maintainance as a knowledge generation one happening in communities. Those aspects will be deepened in the various program points of AMRO22 debug.

Bugs scratch the surface of the digital
Bugs might be the causes of a program crashing or the browser window gets stuck; or when the developers’ biases come to surface or where the limits of the current infrastructure are reached. In the last months we also got accustomed to the idea that bugs emerge also due to geopolitical or company-strategic decisions, proving once more the ephemeral irresistibility of the globalized and industrialized world. Not all of these errors, unavailabilities or bad functioning are due to the presence of an engineering bug in its strict sense, yet they appear of interest and shall be included in a wider discussion dealing with debugging.
Under the eyes of radical openness, software bugs are therefore much more than simple engineering mistakes. They are the moments in which this surface-tension of perfection and infallibility of the ubiquituous machinery is broken and its inner logic gets briefly exposed – like the glitch in the matrix.
Where technology fails, computer systems appear as what they are: funky, unstable conglomerates of functions, thrown together from different people in different times, at the point that they are barely working, needing constant care and fixes. This is one of the big conceptual shifts from the most known image of the abstract and perfect technology to the one of a situated technology that is in perpetuous exchange with its surroundings, susceptible to temporal and modal changes of it. Like the famous Mark II of the University of Harvard, whose malfunctioning was due to an actual bug hidden in a relay discovered by Admiral and computer scientist Grace Hopper3; something conceptually very unexpected, but in reality quite likely to happen considering how large these machines and their electromechanical component were.
With this in mind, bugs, mistakes and crashes start looking like some of the fundamental features of the current era of ubiquitous technologies, features that contribute demistify tech and call for action and personal and communitarian engagement. Acknowledgeing the faultiness of the infrastructure is fundamental, but one should go further than superficially making glitch into an art form; rather metabolizing its fault and using that to learn and build something new.

Debugging is the line where the unknown starts and ends
In software development, debugging comprises a set of more or less formalized practices to go through computer failure and try solving it. Seeing it in a wider context, it is not such an elitary activity, but rather an everyday action taken whenever a devices does not work as expected.
Most of the times malfunctionings are in fact solved with a simple restart of the affected device, the classic turning it off and on again. Some other times, fixing it means opening the black box and checking its inner functions, and step by step excluding the working parts to isolate what needs to be fixed or removed to insure the smooth functioning of the machine – such as Hopper’s moth. And finally, some debugging strategies might imply the adoption of a completely different tool. It is not only about isolating the problem, but also recognizing what works well and finding a new workable equilibrium, maybe with a smart hack or with some freshly gathered knowledge coming from the community.
The intention of AMRO22 is to envision debugging as a larger spectrum of practices that start from the technical realm and are then applied in the form of observational strategies also in other fields4. When performed within a non-working system, debugging helps the debugger to formulate and verify hypothesis about the inner processes of the system. It does not require complicated actions, but an open spirit of observation and a system of trial and error to solve or circumvent the narrowpasses. This helps understanding debugging as a process of knowledge creation rather than one of a mere problem finding and fixing, in which information and experiences on a specific problem is tested and accumulated.
Under this light, we could also find in debugging the quality that Deleuze found in the practice of writing, that is happening on the border between ignorance and knowledge5, and specifically progressively transforming the first in the latter.

Debugging as practice of knowledge sharing
Lastly, we are interested in the ways this knowledge is shared and circulates amongst different communities.
One of the many mottos from the communities of Free and Libre Open Source Softwares is “given enough eyeballs, all bugs are shallow”, also known as Linus’s law6 – meaning that the more reviewers see a specific software problem, the quicker a possible solution will emerge. The presence of many eyes – or a community – offers the ground for a wider generation of information and the sharing of experiences. This knowledge is transmitted and can be stored for a later use of the same communities or made available for other groups; documentation of debugging practices becomes here a process of recurrent adoption, verification and validation or extension of the pre-existent notes.
The strategies through which this happens are specific and independently found for any community of interests or practice and might vary a lot in style and formats – also due to the specific case in which the notes are taken and how they should be accessed in a second moment. They can be a technical documentation on a wiki, or a cooperative text resumè in an etherpad; also a picture of a post-it wall or an artwork might help in bringing knowledge further in the future.
Here is where debugging might cease to be a mere technological problem-solving solution and becomes an attitude of radical openness; creating a social environment prone to self critique and therefore, at least in theory, a bit more protected from the dangers of the current technological-driven individualization.
Embracing the bugs appears to be therefore more important than avoiding them in the first place.

1 James Bridle, New Dark Age: Technology and the End of the Future, Verso, 2018.

2 Federico Campagna, Technic and Magic. The Reconstruction of Reality, Bloomsbury Publishing, 2018

3 www.howtogeek.com/726020/what-is-a-computer-bug-and-where-did-the-term-come-from (retrieved 12 May 2022)

4 Check The Techno-Galactic Guide to Software Observation. Methods from the Techno-Galactic Software Observatory, Constant, Brussels, 2018. www.books.constantvzw.org/home/tgso

5 Gilles Deleuze, Difference and Repetition, 1968, preface.

6 en.wikipedia.org/wiki/Linus’s_law

* commons.wikimedia.org/wiki/File:First_Computer_Bug,_1945.jpg This file is a work of a sailor or employee of the U.S. Navy, taken or made as part of that person’s official duties. As a work of the U.S. federal government, it is in the public domain in the United States.

** AMRO22 design by Juan Pablo Linares. Sujet concept was developed in a group workshop with Christoph Haag.

AMRO22 – Art Meets Radical Openness DEBUG
15th–18th June 2022
afo – architekturforum oberösterreich, Stadtwerkstatt, Kunstuniversität Linz, and more.
art-meets.radical-openness.org

Notes on universal computationalism

What can encoded matter do? The text contributes to the AMRO22 DEBUG context. In this essay, GIA – the General Intelligence Agency (of Ljubljana) – tries to combine debugging as a theoretical concept with the pancomputationalist point of view. Within this new computational ontology, physics and philosophy become subsumed by a computer, and it’s this subsumption that produces the surplus for a new kind of statements about the world to emerge.

François Morellet, 2 doubles trames / 1° – 2°. Bild François Morellet

Let’s start by a provocative assertion that philosophy and (computer) programming are converging on the same plane. Even if we take into account the critiques of pancomputationalism and its uncanny similarity to the previous dominant model of the universe (of Descartes), where everything turns into a mechanism, we still believe this path produces a novel approach to doing philosophy (and philosophical problems) and outlines a new metaphysics for enhancing the capacity of the world at large. Proposing a new framework is easy. However, like Kuhn’s scientific revolutions, master theories should not only show the emergence of a new solution framework but also the problems thus solved. Problems with previously unreachable solutions, once available, legitimised the revolution. As we will see, in a computational universe it’s the encoding and embedding of logos in matter that is fundamental and it’s this procedure that is fully aligned with coding, debugging, deciphering, and so on.

So seeing bugs in society puts us squarely into this contemporary computational paradigm. Bugs are faults within existing solutions, but they can appear at different levels of abstraction. A key tenet of the open source bazaar is that with enough eyes all bugs are shallow. But generalising the notion of bugs allows for bugs within bug detection, even on the scale of many eyes. Surely you’ve noticed people claiming something is a bug while it was obvious to you that the phenomenon in question was a welcoming feature of modernity. On the flip side there might be occasions where it’s pragmatic to concede to a traditionalist that a particular potential bug is not reason enough to revolutionise an entire framework. Consider Maxwell, working within the mechanistic paradigm and annoyed at the “bug” of Newtonian action at a distance, insisted on conceiving of the electromagnetic field as a vast network of mechanical springs. Was he constrained by this buggy framework or was it the necessary condition for expressing his genius? In this sense it might be wise to embrace the computational hypothesis.

There’re many starting points to outline this approach, but perhaps the clearest and easily digestible one is found in constructor theory by David Deutsch and Chiara Marletto. One of the things that this approach does, is to show that in “constructor theory, physical laws are formulated only in terms of which tasks are possible (with arbitrarily high accuracy, reliability, and repeatability), and which are impossible, and why – as opposed to what happens, and what does not happen, given dynamical laws and initial conditions” (Marletto, 2015). By making this shift in understanding the possible, constructor theory advances the idea of natural laws as algebra of possibility, where possibility and realizability collapse into one another. Similarly, to the metamathematical problems of incomputability and/or “algorithmic information theory, which poses the complexity of an expression in terms of the shortest program able to produce it, identifying the information content of said expression as the length of the programme” (Cavia, 2022, p. 138), truth becomes “that […] which can be computed” (Bauer in Cavia, p. 96).

Thus, physics has been inserted into a computer, and it’s the programmers that are now running the show. What is true is what can be computed, i.e. by writing a program and finding a proof for a verification of a given proposition – a diverse account of computation which follows from the constructive view. Programming is thus a machine that cumulatively expands the field of possibility limited by its own incomputability and physical laws. Only what can be constructed, can be thought of as real, and everything else should be dismissed and discarded. Programming is thus not a static enterprise, a simple extension of already present axiomatics, but a dynamic enterprise of abductive reason(ing). Every program is an intelligent creation, and every proposition and proof thereof is a mining of something new into existence. To (re)formulate this within a slightly different language, programming is nothing more or less than encoding and embedding of logos into matter, and it’s this mechanisation of logos and logification of matter that should concern us. Actually, “It’s worth noting that Scott Aaronson thinks cryptography and learning are dual problems. From this perspective, trying to learn something is like trying to decrypt the world” (Wolfendale, 2017).

Decrypting is a kind of debugging. Detecting buggy effects in general is not the same as detecting bugs and both are obviously distinct from solving them. The first pair is an impetus for reflexivity and critique, the third has a problem-solution distance of its own. If bugs are like violations of rules we find similar asymmetries in other rule-governed situations. “It’s immeasurably harder to discover a novel mathematical proof than it is to check one. It’s far harder to write a great novel than it is to read one, and far harder to compose a brilliant song than to enjoy one. […] The lesson is that in asymmetric interactions the sender and receiver can play different roles. Consider the fact that it’s often (though not always) harder to learn something than it is to teach it” (ibid.). However, these tasks are all susceptible to second order bugs (another home for philosophical attention) that would misidentify bugs creating unnecessary but completable tasks or scheinprobleme (Carnap) with infinite problem-solution distances. An unsolvable problem either has infinite problem-solution distance or requires an impossibile composition – A missing step or a faulty attempt at composing the incomposable.

Philosophers from Plato to critical theories have undertaken plenty of tasks that we could understand as a kind of debugging, correcting faulty thought patterns and erecting systems of knowledge that would perpetuate enlightenment. Dominant cognitive frameworks were particularly attractive for them. Meanwhile, some cognitive archeologists speak of the problem-solution distance as a measure of technological complexity and thus of the appropriate cognitive apparatus needed to manage this complexity. This abstract approach allows us to think about bugs as well. Composition is the fundamental operation of constructing solutions. It is worth noting that a potential science of composition in general finds its approximation in category theory, which is currently inspiring many philosophers to take it seriously as a framework and just as Frege’s revolution inspired logical positivist to pursue the ideal of unifying all science we might await similar results from this new framework.

The interplay of the economic necessities and speculative freedoms of engineering have long taken their hold of the freedom of humanity. Its latest outburst is found within “crypto”. A freedom-affect is spreading throughout the so called web3 and regardless of what we may feel about its current state of politics or engineering, we should take it seriously. If philosophy is speculation in the realm of pure reason, speculation in the realm of machines is engineering. This kinship is why we welcome speculative engineering practices.

Within this new (computational) matrix of possibility, humanity has entered a new epoch of agential realisation. Our interaction(s) with matter were previously intransitive or forced upon (from the outside), where matter was subjected to the brute force manipulation, whereas now everything has become transitive. The external relation to material, energetic and informational processes has been internalised, and previous techniques were discarded in favour of a universal turing machine. “In that sense, the term ‘technology’ is not reduced to external academic or engineering ‘knowledge’ (lógos) about technique anymore, but extends to technical ‘thought’ itself, to the originary coupling of cognition and technique as machinery in its own right” (Ernst, 2021, p. 181). Objects have been replaced with processes, and within this new processual (media) ontology, everything, including speech or written information has become encoded and embedded in alphanumeric code and thus not simply inscribed but encrypted. In technologos, every event or a memory is a material reconstruction, and everything is instantiated by matter itself. Humanity has thus shifted from semantic technology of writing that doesn’t have the capacity to encode the real towards a much more dynamic way of inscription as information processing. “While alphabetic writing is still passive literature, alphanumeric coding becomes a speech act (so to say) in actual computing. […] As formal reasoning, lógos does not simply come into the machine, but inextricably is machine as operational matter.” (ibid., p. 3,20)

What are the speculative possibilities of this radically updated materialism? There are many, but let’s stay with the most fascinating example of a truly posthuman theory of deep futurology by Davor Löffler. As we have already established, we live within a computational universe, and we can construct ever better encoding and embedding of operational diagrams in matter, and thus perpetuate this process of cumulative abstraction ad infinitum. “For technical lógos in being, even abstraction of matter does not result in metaphysics, but in its operative re-entries. (ibid., p. 136) First of all, what (in constructor theory) is called a constructor is termed Platonic processual form in Löffler’s account. Through the problem-solution distance lens, everything goes through the process of ingression or world rendering, and everything needs to be produced – even things we now accept as givens like the past continuous tense or colour of blue. Nevertheless, this process is unfolding precisely because its potentials and constraints follow a pattern that can be realised and thus predicted and exploited – within this computational ontology, the ability to go meta becomes increasingly explicit. Thus, it’s no coincidence that Löffler was the first to state the following: “If this is true, that there is a matrix of possible worlds, then it means that we can find the structure of why these worlds are emerging and then we can ask, for example, what comes after the human, you see? And now we don’t have to speculate on the posthuman anymore, now we can scientifically ground it. By logic and science we can derive what could come after the human” (Löffler, 2021).

Sources
Cavia, A.A. (2022). Logicies: Six Seminars on Computational Reason. Berlin: The New Centre for Research & Practice.
Ernst, W. (2021). T
echnológos in Being: Radical Media Archaeology & the Computational Machine. London: Bloomsbury Publishing
Löffler, D. (2021, June 29th).
The Meaning of Life. A Journey to the Origins of Worlds [Video]. Available at www.youtube.com/watch?v=s16ScBXRl1s
Marletto, C. (2015, July 15th). Life without design: Constructor theory is a new vision of physics, but it helps to answer a very old question: why is life possible at all?.
Aeon. Available at aeon.co/essays/how-constructor-theory-solves-the-riddle-of-life
Wolfendale, P. (2017, December 22th). Transcendental Blues [Blog]. Available at deontologistics.co/2017/12/22/transcendental-blues

AMRO22 – Art Meets Radical Openness DEBUG
15th–18th June 2022
afo – architekturforum oberösterreich, Stadtwerkstatt, Kunstuniversität Linz, and more.
AMRO is a Festival dedicated to Art, Hacktivism and Open Culture. The current edition of Art Meets Radical Openness is dedicated to the rituals and the philosophies of debugging, which will be taken in AMRO22 as starting point for a conversation between artists, groups and communities moving together between the fields of culture, politics and technologies.
art-meets.radical-openness.org

A Transversal Network of Feminist Servers

A Transversal Network of Feminist Servers (ATNOFS) ist ein gemeinschaftliches Projekt, das einen intersektionalen, feministischen und ökologischen Impuls verfolgt und darauf abzielt, einen alternativen Umgang mit digitalen Werkzeugen und Plattformen zu erkunden. Vertreterinnen des Projekts werden wir bei der aktuellen Ausgabe von AMRO im Juni treffen.

Bild Varia/ANTOFS

ATNOFS will ein europaweites Netzwerk der Solidarität schaffen und vernetzt bereits ähnlich inspirierte Initiativen in den Niederlanden, Belgien, Österreich, Rumänien und Griechenland. Die in Rotterdam ansässige Initiative Varia entwickelt außerdem den reisenden, feministischen Server „Rosa“ und koordiniert das Projekt ANTOFS mit Hilfe der Partnerorganisation Constant. Hier beantwortet die Fragen von Selin Genc für ATNOFS: die Intitiativen Constant, HYPHA, Feminist Hack Meetings, esc, LURK, ooooo, Marloes de Valk und Varia. Das folgende Interview wurde in englischer Sprache beibehalten.

What has inspired you to create ATNOFS, and what urgencies are you responding to?
In the past couple of years, many organisations in our network and beyond have been forced to transition their activity entirely online, all the while receiving no external support in this process. This has led to a growing reliance on centralised, proprietary, commercial infrastructure providers which brings to the forefront several issues such as lack of privacy and agency, monopoly, misinformation. A Transversal Network of Feminist Servers (ATNOFS) is a project that aims to bring visibility of counter-efforts and provide them with a framework to consolidate their projects, help structure their cooperation, and inspire others to create similar or join such initiatives.
Our priority is to create a public debate around the following questions: how to engage with digital tools that we may not have tried before (file sharing, forums, web hosting, federated social media and collaborative note taking); how to potentially develop new tools that could emerge from the series of exchanges, including community related resources for self-organising, decision making, trust building, knowledge exchange; how to strengthen existing bonds and create new ones. All while keeping in mind the different local urgencies and needs of each partner: the lack of self-hosted and self-organised infrastructures in certain regions; the lack of physical spaces and the lack of long-term support for administering feminist servers; the need for safe online spaces; the need to configure and maintain a mutually supportive network, from sharing hosted services such as cloud and encrypted file-sharing, online surveys, code distribution and version control systems, to server mirroring as backup mechanisms between the mentioned organisations and beyond.

What is a feminist server? What does a community around such a server look like?
By server we mean a computer that can be connected to the Internet, run a website and provide file storage. It will be passed from one partner to another, as both a tool and collective storage to document the traces of our activities. Our feminist travelling server will therefore capture what emerges from a series of events related to the urgencies we described. We believe that such an approach to documentation will enable reflections, as well as making public the diversity of generated material.
The work is especially inspired by the tenets of the Feminist Server Manifesto. A feminist server “is a situated technology” and “is autonomous in the sense that she decides for her own dependencies”. It “treats network technology as part of a social reality” and “radically questions the conditions for serving and service”. Such a server is a safe social space of learning, speculating and exchanging knowledge that questions technology and its dependencies within the systems it is embedded in. The community around it weaves together different practices of system administration, care and maintenance which are shaped in relation to feminist principles.

Can you tell us more about the events? Who will be attending them, and what is the nature of activities that will take place?
Each partner will create a series of two days of live events that will be documented in a chapter of the publication.
Feminist Hack Meetings (FHM) (GR) will focus on free/open-source software development and online privacy. In the first day, they will discuss about alternative social media as a response to the use of Facebook by feminist collectives in the Greek context. In the second day, they will be working on a feminist server, by providing a hands-on system administration essentials workshop based on a manual by the Systerserver, and a discussion on governance and feminist collectives.
HYPHA (RO) aims to coagulate the local community of activists around self-managed technologies and open-source alternatives to corporate surveilance. The first day will consist of theoretical discussions regarding the needs and issues of the local community and the second day will focus on a series of technical hands-on workshops.
Constant (BE) will research and question how technological tools and initiatives developed as a counter response to the authoritative and capitalist logic widely present in the computer tech sector can align with colonial and patriarchal frameworks. They will be looking at two main threads of research. The first one is etherbox, a local server, tweaked to specific needs of being able to document locally. For the second, they want to look at the way Yunohost works, an operating system aimed to facilitate administration, and how this structures a system.
LURK (FR/NL/PT) currently provides online services and access to alternative social media. During the event, LURK will offer a two days workshop/sprint about the fediverse (Mastodon particularly). While on the first day the workshop will focus on the installation process, it will be followed by a discussion on customisation and member onboarding on the second day. The workshop will go in depth into this subject, while bootstrapping respective communities to use these instances.
Varia‘s (NL) contribution to the traveling server will be focused around feminist federated publishing. In the first session hosted in Varia, a new intersectional feminist server will be installed that will provide the publishing infrastructure for the rest of the partners. The server will document its own process of installation as well as the session itself. It will then travel to other locations, where it can inform the development of other servers.
Esc (AU) will use their expertise as a media art laboratory which facilitates encounters between artists, scientists, theoreticians and programmers from the most varied disciplines. In a core team of 5 people, they will develop a travelling feminist server swarm, that shall consist of a mixture of real functioning hardware based on raspberry pi and imaginative and speculative parts and ingredients that suggest a fiction of interrelated channels of exchange.

What might such a network of solidarity look like in the long-term?
The collaboration of a set of existing cultural, feminist and self-hosted servers located in Europe and ran by the partners will try to extend their allies and participants towards places and countries where open source and decentralised media platforms and services are not yet supported nor accessible. Such platforms and tools are absolutely necessary to establish cultural agency outside of the current media oligopolies. They are needed to enable and democratise cultural and political expression outside of obscure ranking algorithms, incoherent content filters, and advertising monetisation.
Our goal is to achieve a long-term collaboration framework within a growing network of federated self-hosters which follow feminist, intersectional principles. The network can subsequently grow after the completion of the project, supported by the shared resources and infrastructure that will be established throughout it. Through the Culture of Solidarity fund we also met many initiatives, which show a similar attention to infrastructural politics and with whom we would like to find ways to collaborate.

What is the outreach of the project? Who is the audience you wish to engage?
The results of the project will be documented in real time on the server itself and in a publication. Each node will promote the events and the publication using different channels to their desired audience within a local and international reach. The audience from our partners are highly specialised and therefore hold the position of multipliers which will be useful for the circulation of these ideas to a broader audience.
The different partners aim to reach local LGBTQ+ activists and artists (FHM), local and international audiences interested in the intersection of artistic research, media and technology (Constant), self-organised artist/activist collectives (Varia), artists, scientists, theoreticians and programmers who intersect disciplines (esc), EU cultural institutions, artists, scholars, and art and design educators and their students (LURK), local organisations, among which groups of independent artists, housing activists, intersectional feminists, students, queer and Roma people (HYPHA).
The organisations partnering in this project already have practices addressed at increasing inclusivity in technological processes and work to support marginalised and underrepresented groups in their respective contexts. For example the Feminist Hack Meetings, which respond to the traditional underrepresentation of people who identify as women/queer/nonbinary in male-dominated hacker spheres.

What is the interplay between the local and the pan-European in your project?
Due to limited access to funding, and no formal structure or organisational network, the question of autonomy and sovereignty in relation to network services, data storage, and digital infrastructures is difficult to engage with at a European level. In practice, it rarely goes beyond the scope of local hacker and maker spaces, DIY and self-hosted websites, isolated media and cultural associations, and online communities. However, it is not for a lack of knowledge and willingness. There is an urgent need to develop interrelational connections across Europe, making use of existing small scale infrastructures, knowledge and skills.
ATNOFS is responding to the need for continuity, interrelation and support for existing efforts in The Netherlands, Belgium, Austria and to the lack of self-hosted and self-organised infrastructures in Romania and Greece, from lack of physical spaces to the lack of long-term support for administering their existing structures. ATNOFS will connect several partners from these countries around collective practices of developing, hosting and implementing tools and methods that reflect their needs, interests and cultural environment. By collectivising these, the different partners in the network wish to give and receive support within it and subsequently share it further within each partner’s respective community and local cultural network.

Die Fragen in diesem Interview hat Selin Genc im Namen der European Cultural Foundation gestellt. Quelle: culturalfoundation.eu/stories/cosround4_atnofs

AMRO22 – Art Meets Radical Openness DEBUG
15th–18th June 2022
afo – architekturforum oberösterreich, Stadtwerkstatt, Kunstuniversität Linz, and more.
art-meets.radical-openness.org

Digitale Tools für die freie Szene

Auch in Graz gibt es einen freien Netzkulturverein: Seit Jahrzehnten bemüht sich mur.at um den freien, fairen Zugang zu digitalen Werkzeugen für die Kunst- und Kulturschaffenden der freien Szene. Diese Arbeit beschränkt sich nicht nur auf den technischen Aspekt – mit einem vielschichtigen und interdisziplinären Jahresprogramm zur Netzkunst werden auch regelmäßig neue Wege der Performance für alle gemeinsam erkundet. Lydia Bißmann berichtet.

Digital Science und Labor
Der Verein wurde 1999 von Reni und Jogi Hofmüller, Winfried Ritsch und Wolfgang Reinisch in Graz gegründet. In den ersten Jahren standen die Vernetzung der steirischen Netzkunstszene, die Schaffung von Internetzugängen und die Organisation von NCCs – Network Communication Congress Veranstaltungen – im Vordergrund. Inzwischen geht es um infrastrukturelle Notwendigkeiten und darum, die Arbeit der freien Kunst- und Kulturszene mit technischen Mitteln zu erleichtern. Von dem Bemühen in den 1990er-Jahren, wo der Bund in jeder Landeshauptstadt eine Art Digital Science Labor zum Thema Internet errichtete, sind mit mur.at in Graz und servus.at in Linz nur noch zwei Vereine übrig geblieben. Der aktuelle Geschäftsführer von mur.at, Andreas Zingerle, war um die zehn Jahre bei servus.at aktiv. Er studierte in Linz an der Kunstuniversität und unterrichtete dort später selbst. Ein Zufall wollte es, dass sein Posten bei mur.at in Graz genau zu dem Zeitpunkt vakant wurde, als er aus privaten Gründen seine Zelte in der Steiermark aufschlug.
Über 1.000 User nutzen seit der Gründung von mur.at bereits das unkommerzielle und lokal in Graz betriebene Alternativangebot zu Alphabet (Google), Apple und Co. Für 400 Mitglieder der freien Grazer Kunst- und Kulturszene, wie Forum Stadtpark, Mezzanin Theater, Theater im Bahnhof, Camera Austria uvm. werden hier Internetadressen und Webseiten gehostet. Neben E-Mail-Lösungen, Webspace und Mailinglisten gibt es Tools für Videokonferenzen, Datenwolken und Open-Source-Werkzeuge für digitales künstlerisches Arbeiten. In puncto Videokonferenzen gibt es eine noch ganz frische Infrastruktur und eine Kooperation mit servus.at, wo Techniker von mur.at und servus.at gemeinsam einen Big Blue Button Server betreuen. All diese Angebote von mur.at gibt es zu fairen Bedingungen, made in Styria, ohne Ausbeutung der Nutzerdaten. Die Serverräume werden mit Ökostrom gekühlt, regionale Dienstleister bevorzugt und es herrschen strenge Regeln zu Fair Pay oder der Genderfrage. In der Leitnergasse, unweit vom Augartenpark und dem namensgebenden Stadtfluss Mur, stehen die Server, gibt es eine Künstler*innenwohnung für Artists in Residences, werden Podcasts aufgezeichnet, Work­shops angeboten und auch Publikationen auf echtem Papier produziert.

Mitgliedsbeitrag zum Aussuchen
Finanziert wird dieses enorm wichtige, breit gestreute und gut betreute Angebot fast komplett über Förderungen aus der öffentlichen Hand. Seit 2017 muss der Verein wegen Kürzungen aber auch selbst ein wenig Geld bei seinen Mitgliedern einheben. Aus dieser Not wurde schnell eine Tugend gemacht und mit dem SoMiBe eine unkomplizierte, elegante und nicht zuletzt aufregende Variante der Einhebung eines solidarischen Mitgliedsbeitrages entworfen. Die ungewöhnliche Art, einen Mitgliedsbeitrag einzuheben, verzichtet somit nicht nur auf unbequeme, un­sexy Erinnerungen oder Aufforderungen. Mitglieder können sogar ein wenig mehr bezahlen, wenn sie andere damit unterstützen möchten oder das Gefühl haben, dass es das Angebot einfach wert ist. Wer in finanziellen Schwierigkeiten ist, kann auch völlig diskret ein Nullangebot abgeben. Hier stehen Eigenverantwortung, Fairness, Mitdenken und Solidarität vor Zwang und Zeigefinger. Vorbild war die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi), wo die Verbraucher schon vor der Ernte landwirtschaftliche Produkte erwerben und somit den Bauern einen risikofreien Anbau erleichtern können.

Ökologie, Fairness und Unabhängigkeit im Netz
Das Jahresthema für 2022 ist „(Un)sustainability“. Es trifft den Nerv der Zeit, soll aber auch Lösungen anbieten. Lösungen, die mur.at seit über zwanzig Jahren ohnehin ständig sucht, findet und für alle anbietet. Angetrieben durch die stetige Digitalisierung aller Lebensbereiche, dem Internet der Dinge und immer energie- und datenhungrigere Lebensgewohnheiten steigt der Energieverbrauch des Internets rasant an. Schon 2025 soll die IT-Branche weltweit um die 20 Prozent der Energie benötigen. Unser Planet erlebt einen beispiellosen Klimawandel und das Internet ist sowohl ein Teil des Problems als auch der Lösung. Von Websites bis hin zum Trainieren von künstlicher Intelligenz, der Erstellung von Crypto-Art oder dem Schürfen von Kryptowährungen verbraucht das Internet in Rechenzentren, Telekommunikationsnetzen und auf Nutzergeräten wie Laptops und Smartphones große Mengen an Strom. Genau da bietet mur.at nicht nur Abhilfe, sondern will auch zum Denken und Handeln anregen. Wie vor dem Obstregal im Supermarkt können User auch bei der Wahl ihres Webhosters auf ihren CO2-Fußabdruck achtgeben. Es ist eigentlich ganz einfach – je kürzer das Glasfaserkabel, über das die Information verschickt wird, desto besser für die Umwelt. Neben der Ökologie geht es mur.at aber auch um „digitale Souveränität“ und „digital literacy“. Datenblackouts wie im Winter bei Meta (Facebook) oder die immer aktuelle Diskussion um Datenmonopole zeigen, wie wichtig eine dezentrale, unabhängige, offene und zivilgesellschaftlich verwaltete IT-Infrastruktur ist. Die Initiative und das Rechenzentrum ist mit der Schwesterorganisation servus.at Vorzeigeprojekt mit Richtungscharakter weit über die Grenzen von Österreich hinaus. Mur.at will den Diskurs auch dieses Jahr in seinem Jahresprogramm mitgestalten und nicht zuletzt die Mitglieder der Community ein wenig „erziehen“.

Decluttering, Virtual Gallerys und Archive für alle
Mit Präsentationen, Ausstellungen, Diskussionen, Workshops und Publikationen widmet sich der Verein dieses Jahr dem brennenden Thema Nachhaltigkeit. Alle Aktivitäten finden im regen Austausch mit anderen Vereinen (KIG – Kultur in Graz, esc medien kunst labor, Atelierhaus Schaumbad, Spektral), Galerien, akademischen Institutionen und Medienkunst-Festivals statt. Ein Hackathon (eine Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“) bietet die Möglichkeit, innerhalb der Dauer der Veranstaltung kreative, nützliche oder unterhaltsame Prototypen von Hard- und Software zu programmieren. Der „Netzpolitische Abend“ ist eine legendäre Veranstaltungsreihe aus Wien, die im Sommer in Graz durch eine Kooperation von mur.at, Spektral und Epicenter.works beim Elevate Festival stattfinden wird. Speaker haben dabei 15 Minuten Zeit, ihr Topic zu referieren, bevor es mit dem Publikum gemeinsam diskutiert wird. Weiters arbeitet das Team von mur.at an der Umsetzung eines jährlichen Worklabs. Dazu werden lokale und internationale Kreative vernetzt und zu einer (Un)Konferenz nach Graz eingeladen. Es wird nicht nur diskutiert, sondern es werden auch „hands-on“-Techniken und Methoden erprobt. Gerade für die freie Szene waren die Corona-Lockdowns am laufenden Bande eine sehr große Herausforderung, die die ohnehin prekäre Lage weiter verschlechterte. Formate zur Präsentation von Kunst im Netz sind eine Alternative, müssen aber neu oder überhaupt einmal gedacht werden. Wissen online zu archivieren und vor allem einen barrierefreien Zugang dafür zu ermöglichen, ist seit der Erfindung des Internets Thema. Inzwischen geht es auch hier um Decluttering und einen sorgfältigen Umgang mit Platz und Speicherkapazitäten, was auch in Zukunft einen umweltfreundlichen Umgang mit Daten ermöglicht. Workshops beschäftigen sich mit virtuellen Ausstellungen, nachhaltiger Webprogrammierung oder Archiven im Netz. Um Demokratie, Bubbles, Verschwörungstheorien und allgemein um die Verschiebung von Öffentlichkeit in die oft dunklen Sphären des Internets geht es beim mur.at-Podcast und der Radiosendung „Netzrauschen“, die über das freie Radio Helsinki on air gehen werden.

VR-Straßenverkäufer und Dateninsekten
Nach einem internationalen Open Call ist inzwischen auch César Escudero Andaluz in die Künstler*innenwohnung des Vereins eingezogen. Das zweimonatige Artist- in-Residence-Programm von mur.at ist eines der Herzstücke des künstlerischen Jahresprogramms und unterstützt den Netzwerkgedanken auf mehreren Ebenen. Die eingeladenen Kunstschaffenden vernetzen sich mit der lokalen Szene und können die digitale Infrastruktur für ihre Arbeiten nutzen, aber auch erweitern. Der spanische Netzkünstler César Escudero Andaluz unterrichtet aktuell Post-Media Practices und Journal Club an der Kunstuniversität Linz. In seinen Werken konzentriert er sich auf digitale Kultur und ihre sozialen und kulturellen Auswirkungen. Sie waren bereits in internationalen Galerien, Museen und Festivals wie der Ars Electronica in Linz, der WRO in Polen oder dem Chrouns Art Center in der Schweiz zu sehen. Dafür hat er etwa kleine Tierchen (Inter_fight, 2015) entwickelt, die auf Smartphones herumkrabbeln und völlig zufällige Aktionen auf Social-Media-Kanälen bewirken, um den Algorithmus zu verwirren und das Profil der jeweiligen Besitzer in einen undurchsichtigen Datennebel zu tauchen. Für die Residency in Graz will er den virtuellen Raum mit „illegalen Straßenhändlern” bevölkern, die u. a. Open-Source-Produkte für alle anbieten sollen. So schnell wie sie gekommen sind, werden sie aber auch verschwinden – ganz wie ihre Vorbilder in der echten Welt, die beim geringsten Anzeichen von Polizei ihre Fake-Ware in Leintücher einschlagen und über die Häuser sind. Krönender Abschluss der lebendigen, bunten und über die Grenzen der Worklabs hinaus aktiven Programmpunkte von „(Un)sustainability” ist die Abschlussausstellung samt analoger Party im November 2022.

CONSTANZE

Von der Eröffnungswoche. Foto Magdalena Berger

Noch bis 2. Juli 2022 verwandeln sich zwei Seefrachtcontainer am Herbert-Bayer-Platz in Linz in das interdisziplinäre Kunstprojekt CONSTANZE.
Das Programm wird laufend aktualisiert: constanze.org