Pampa

Im Oktober wurde Christina Krämer aka Tina Kult mit dem Marianne.von.Willemer-Preis für digitale Medien ausgezeichnet. Im Mittelpunkt der 30-minütigen Videoinstallation Pampa stehen „private Wohnräume und die hier kulminierenden soziokulturellen Herausforderungen in Zeiten der Pandemie“. Die Referentin bat die Wiener Medienkünstlerin zum Interview.

Videostill Pampa, Christina Krämer

Im Video zu „Pampa“ führt eine vertikale Kamerafahrt durch Mauern und zeigt in privaten Wohnungen mit weißen Laken bedeckte Menschen. Sie sitzen, liegen oder stehen „inmitten ihres eigenen Chaos“, die Bilder ziehen „beinahe geisterhaft“ vorbei, heißt es im Pressetext. Die Szenerien wirken andererseits auch stillstehend, teilweise hell. Das gefühlte Trümmerfeld entwickelt auch Schönheit und Sog. Die Kamerafahrt durchdringt die Mauern, scheint an ihren räumlichen Verbindungen collagenhaft und morphologisch brüchig. Alles etwas mehrdeutig. Und mittendrin Menschen, die wie nicht mehr gebrauchte Möbel abgedeckt wurden, damit sie nicht verstauben. Wie kam es zu dieser Inszenierung, konkret zu diesem Bild der zugedeckten Menschen?
Inspiriert wurde ich von Clarissa Pinkola Estés, die in ihrem Buch Women Who Run with the Wolves die Teiggärung mit dem eigenen Reflektionsprozess vergleicht. Man legt ein Tuch über eine Schüssel mit geknetetem Teig, damit das Brot aufgeht und man legt einen Schleier über sich, um eine Wirkung oder ein bestimmtes Gefühl zu verstärken. Für die Protagonist*innen der Arbeit ist die Verdeckung so ein Moment des In-sich-Kehrens. Das Außen verwandelt sich in eine Traumwelt und der Blick wendet sich nach innen. Die Verdeckung ist für mich aber auch der Versuch einer Formänderung, Sichtbar-und Bewusstmachung. Es schafft einen Möglichkeitsraum, um zu sehen und zu fühlen, was ohne diesen nicht möglich wäre.

Es heißt, „Pampa“ ist eine Videoinstallation zum Thema Isolation: „Mit Pampa thematisiert Christina Krämer die Ausbeutung von Körper und Geist in einer neoliberalen Leistungs-und Produktionsgesellschaft“. Ihr O-Ton: „Im Zentrum meiner Arbeit stehen das Gefühl der Isolation und Überforderung und das starke Bedürfnis nach Ruhe, das ich bei mir selbst und den Menschen um mich herum beobachtete“. Welche Strategien haben Sie entwickelt, mit diesen Gefühlen und Tatsachen umzugehen? Ist ein Ende der Fahnenstange in Sicht oder sind Sie pessimistisch? Wo unterscheidet sich der Kunstbetrieb, ein Umfeld der Medienkunst oder konkret auch Ihr persönliches Umfeld von einer allgemeinen Zeitdiagnose?
Prekäre Arbeitsbedingungen, Überarbeitung, Selbstausbeutung und auch die Fetischisierung von Leistung ziehen sich durch alle möglichen Berufsfelder, ebenso wie neurologische Erkrankungen wie Depressionen oder das Burn-out-Syndrom.
Einerseits beobachte ich, wie ein großes Bewusstsein für Selbstfürsorge wächst. Andererseits stelle ich auch fest, wie verschiedene Branchen mit unterschiedlichen Wellness-Produkten aus genau dieser Selbstfürsorge Kapital schlagen. Unsere Gesundheit ist ein Konsumgut, und unsere Erholung dient allein dem Zweck, am nächsten Tag wieder produktiv sein zu können. Ich gebe zu, dass ich in dieser Hinsicht pessimistisch bin.
Die beste Strategie, mit diesen Gefühlen und Tatsachen umzugehen, besteht für mich darin, so viel Zeit wie möglich mit Familie und Freund*innen zu verbringen. Manchmal ist es aber gerade wegen der Überforderung sehr schwierig für mich, diese Begegnungen zu schaffen.

Zur Herstellung des Videos: Die verschiedenen Räume und Orte wurden aus unterschiedlichen Perspektiven fotografiert und die zahlreichen einzelnen Bilder zu 3D-Scans transformiert. Die Jury spricht in ihrem Statement auch von einer visuell und auditiv abtastenden Montage von Ton- und Bild-Materialien. Können Sie einige Anmerkungen mehr zu den technischen und methodischen Tools und Prozessen umreißen?
Für Pampa besuchte ich Menschen in ihren eigenen Wohnräumen, deckte sie mit einem weißen Laken zu und digitalisierte diese Szenerie durch Photogrammetrie. Das bedeutet, ich erstellte mit meiner Kamera 80–150 Einzelbilder aus verschiedenen Perspektiven, um dann mit diesen Bildern und der Hilfe einer Software ein dreidimensionales Objekt dieses aufgenommenen Moments zu rekonstruieren. Die Raumobjekte inszenierte ich dann in einem virtuellen Raum und animierte eine langsame Kamerafahrt, die über diesen Räumen entlang schwebt.

Zur Medienkunst bzw. ihrem Selbstverständnis als Medienkünstlerin: Wo und wie verorten Sie sich in diesem recht differenziert gewordenen Feld? Ist das eine Frage, die relevant ist oder haben Sie einen eher pragmatischen Zugang? Oder auch anders gefragt – wo machen Sie ihre Referenzen, wenn Sie daran denken, was Sie als Medienkünstlerin beeinflusst? Ich meine, alleine diese verwendeten Materialien der Laken und des Zudeckens oder des Baumwolltuches, auf das Sie das Video projizieren, könnte man sehr viele Querverweise machen, die nicht aus der Medienkunst kommen.
Das ist richtig, und das sollte man auch tun. Während der Arbeit an Pampa habe ich auch viel recherchiert und die verschiedenen Bilder und Symbole sorgfältig geprüft und ausgewählt. Jede künstlerische Arbeit findet immer in einem Kontext statt, und es ist mir wichtig, mir dieses Kontextes bewusst zu sein. Ich arbeite medienkritisch. Der Inhalt meiner Arbeit steht immer an erster Stelle und das gewählte Medium ist das Rohmaterial, das den Inhalt trägt.
Ich werde stark vom Diskurs in meinem künstlerischen Umfeld beeinflusst, aber manchmal ist es auch ein Konzert, das ich sehe, oder ein Text, den ich lese, der mich dann auf eine andere Spur bringt.

Woran arbeiten Sie derzeit, was sind Ihre nächsten Vorhaben? Wie wichtig ist Ihnen das Arbeiten mit anderen?
Kollaboratives bzw. kollektives Arbeiten ist mir sehr wichtig. Für die Soundgestaltung von Pampa kollaborierte ich mit der Künstlerin Lale Rodgarkia-Dara. Ein großer Teil meiner künstlerischen Arbeit passiert auch in dem Kollektiv T(n)C, das ich vor einigen Jahren zusammen mit der Künstlerin und Designerin Agnes Varnai gründete. Im Moment arbeiten wir zusammen an einer Kurzfilmreihe, die sich mit dem Thema Arbeit und Faulheit auseinandersetzt.

Welche Art der Kommunikation bevorzugen Sie derzeit? Das Leben ist ja nach Corona nicht mehr so ganz vollständig und komplett zurückgekommen, nicht? Manche Menschen bleiben auch zurückgezogen bis gefühlt verschwunden. Können wir annehmen, dass Sie das auch so sehen, dass Menschen immer noch in einer Pampa von Post-Covid herumgeistern?
Ich würde sagen, dass sich mein soziales Leben in den letzten zwei Jahren saisonal verändert hat und damit auch meine bevorzugte Art der Kommunikation. Im Moment spielt Covid in meinem unmittelbaren Umfeld keine so große Rolle mehr wie noch vor einigen Monaten. Ich bin mir jedoch bewusst, dass andere Menschen eine ganz andere Lebenswirklichkeit erleben. Die Pandemie hat einen großen Einschnitt in unser Leben gemacht, der immer noch aktuell ist. Es gibt jedoch immer weniger Räume, um darüber zu sprechen oder das Erlebte zu teilen.

Christina Krämer aka Tina Kult, geboren 1991 in Kasachstan, lebt und arbeitet in Wien als Medienkünstlerin. Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Gastjahr in der Klasse für Experimentalfilm an der UdK Berlin. Mitbegründerin des Kollektivs T(n)C zusammen mit Agnes Varnai. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit soziokulturellen Morphologien und sozialen Strukturen und wurden unter anderem im Q21/Museumsquartier (2022), Kunstraum Niederösterreich (2018), bei Krinzinger Projekte (2017) in Wien oder Art+Text (2017) in Budapest gezeigt.
tinakult.com

Die Fragen für die Referentin hat Tanja Brandmayr gestellt, Künstlerin, Autorin und Mitherausgeberin der Referentin.

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