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Das Architekturforum widmet sich in seinem Herbstschwerpunkt dem Thema Rand – und meint dazu treffend wie lapidar: Anscheinend sind wir umgeben von Rand. Robert Stähr hat die Ausstellung „RAND“ besucht, die noch bis 29. Jänner im Architekturforum Linz läuft. Er folgt einem Blick, der „dorthin geht, wo sich Felder von Architektur und bildender Kunst überschneiden“.

Foto afo

Foto afo

Rand (…) ist keine klar definierte Zone, vielmehr bildet er einen diffusen Raum, der aus den Überlagerungen benachbarter Bereiche entsteht lautet der erste Satz auf dem Infoblatt zur aktuellen Ausstellung im Architekturforum (afo) am Bayer-Platz in Linz. Der Satz könnte auch als Kürzest-Charakterisierung von „Rand“, der Ausstellung selbst, Verwendung finden. Dass diese keine „reine“ Architekturausstellung ist, erschließt sich unmittelbar beim Betreten der beiden Räume im Unter- und Obergeschoss des afo. Benachbarte Bereiche aus Photographie, Plastik, Graphik, Installation sind mit Arbeiten unterschiedlichen Charakters vertreten. Durchaus „genretypisch“ ist das Neben- und Ineinander benachbarter Kontexte wie Architektur, Kunst und Soziologie, welche sich wiederum in jenem der Urbanistik amalgamieren.
Der diffuse Raum der Ausstellung entfaltet sich in einer locker bis zufällig anmutenden Positionierung architektonischer Modelle, Skizzen und Photos, von Hörstationen, Installationen, Tischen mit Plänen, gerahmten Radierungen und „Mixed Media“-Arbeiten in den zwei Räumen, auf Böden und Wänden im Architekturforum. Das Zusammentreffen unterschiedlicher Bereiche generiert neue Bilder postulieren die KuratorInnen Franz Koppelstätter und Dagmar Schink auf dem Infoblatt. Der Eindruck einer gewissen Diffusität zwischen den unterschiedlichen Kontexten verweist auf Chancen und Gefahren dieser Ausstellung: begriffliche Offenheit, unterschiedliche Abstraktionsniveaus einerseits; ein gewisses Maß an Verschwommenheit andererseits.
Es sind Akteurinnen und Akteure aus Architektur, Kunst, Urbanistik, Musik und Kartografie, die Grenzen überschreiten und sie dadurch zu Rändern machen. Ein weiteres Postulat, eher eine Behauptung, welche (zumindest auf den ersten Blick) nicht für alle gezeigten Arbeiten nachvollziehbar ist. Dass eine Relation zwischen Rand und Grenze besteht, bedarf keiner expliziten Betonung. Wie diese aussieht, wodurch die Überschreitung von Grenzen des eigenen Wirkungsbereichs diese zu Rändern – wovon? – werden lässt, auf diese Frage sollen die BesucherInnen der Ausstellung wohl „selbst“ Antworten an den einzelnen Stationen finden.
Einige der gezeigten Arbeiten nehmen direkt auf den Großraum Linz Bezug, einige auf außerurbane Räume und Landschaften; andere wiederum sind – im buchstäblichen Sinne – nicht verortbar. Mehrere Arbeiten thematisieren zudem die aktuelle Migrationsbewegung.
Clemens Bauder und Gregor Graf haben ihre Eindrücke von Begehungen entlang der Peripherie von Linz mittels Skizzen, Fotografien und Texten aufbereitet. Der Titel Von überall quert ein Weg den Rand schafft gemeinsam mit kurzen Texten und Bildern einen interessanten Assoziationsraum. Dem völlig entgegengesetzt hat Michael Heindl Straßen- und Hinweisschilder zu monochromen Farbtafeln verwandelt, indem er abgetragene Signalfarben in die Hintergrundfarbe einmischte.
Rein akustisch arbeitet Melanie Leitner: In drei mittels Kopfhörern abrufbaren Hörstücken schildert sie ihre Beobachtungen während „Spaziergängen“ auf bewusst gewählten Routen durch Pasching/Leonding (Plus City), Sattledt und Kronstorf. Es gelingt ihr, mit präzise gewählten Worten architektonische und räumliche Gegebenheiten zu skizzieren und so der HörerIn/dem Hörer zu vermitteln.
Das von Nina Valerie Kolowratnik und Johannes Pointl an der TU Wien initiierte Projekt Fluchtraum Österreich wird in einer Auswahl von vier Einzelprojekten gezeigt; drei von ihnen thematisieren wiederum Räume (Amtsgebäude, Wohnsituatio­nen, Begegnungsräume) und ihre Bedeutung für MigrantInnen. Sie bedienen sich der Veranschaulichung durch Kartographien und (Bau-)Pläne, welche zum Teil wie für Tischspiele gedacht anmuten, während die Autorinnen von TraunMetropole (eine städteplanerische Untersuchung des Gebietes zwischen Linz und Wels) durch eigens definierte Nutzungskategorien für Räume einen sogenannten Metropole-Bausatz zu entwickeln versuchen. Ränder scheinen hier als Niemandsland zwischen zwei Städten und ihren unmittelbaren Einzugsbereichen interpretiert zu werden.
Weitere Positionen arbeiten mit dem Medium auf den ersten Blick dokumentierender Photographien und Skizzen (A. Seeger, L. Klement, gaupenraub+/-), mit Karton und Beton als symbolisch aufgeladenen Baustoffen (C. Brown) oder mit Bildproportionen operierenden Videoinstallationen (Kluckner/ Müller, Fohler).

Fokus: Magdas Hotel
Magdas Hotel ist ein Beherbergungsbetrieb im zweiten Wiener Gemeindebezirk, dessen Konzept vom Architekturbüro AllesWirdGut gemeinsam mit der Caritas entwickelt wurde. Sozialer Anspruch, Multinationalität, Weltoffenheit und Individualität, welche sich in der Auswahl der Mit­arbeiterInnen wie im Design von Zimmern und Gemeinschaftsräumen zeigen, sind für die Betreiber des Hotels von großer Wichtigkeit. Kulturelle Angebote im „Salon“ und Serviceleistungen wie ein Fahrradverleih ergänzen den Hotelbetrieb.
In der Ausstellung „Rand“ ist das Projekt mit einem Film und einigen Photos vertreten, welche an den Außenwänden des „Kinos“ – quasi beiläufig – hängen. Die Pho­toserie von Paul Kranzler fokussiert auf leichte, selbstverständliche Weise Menschen und Situationen in Magdas Hotel, ohne sie aus- oder gar bloßzustellen, ihre Intimität zu verletzen. Dem schon seit längerer Zeit viel beachteten Künstler gelingt es, mit Hilfe weniger visueller Schlaglichter punktuelle Eindrücke vom Haus und den einander dort begegnenden Menschen (sowie von einem Hund) zu vermitteln.
Im Gegensatz zu den Photos von Kranzler entsteht bei der Betrachtung des Films von Juan Munoz nicht der Eindruck eines sehr persönlichen Portraits, wie auf dem Infoblatt zur Ausstellung behauptet wird. Dieser Film zeigt in Interviews mit Mitarbeitern und Gästen sowie Rundgängen interessante Einblicke in das Hotel; dennoch mutet er im Ganzen doch zu sehr wie ein Werbefilm für und nicht wie eine Dokumentation über diese Institution an, welcher zudem in einer musikalischen „Weichspülung“ gebadet wird. Etwas mehr Distanz des filmischen Blicks hätte eine schlüssigere Korrespondenz mit den Arbeiten Paul Kranzlers ermöglicht.

Fokus: Katharina Anna Loidl – Landschaftsradierungen
Im „traditionellen“ Setting einer Kunstausstellung hängen an der Rückwand im ebenerdigen Raum des Afo eine Anzahl kleinformatiger Graphiken der Künstlerin Katharina Anna Loidl. Die dichte Hängung der einzelnen Arbeiten erzeugt einen seriellen Charakter, welcher auch der bewusst gewählten Ähnlichkeit der Motive (Schweizer Gebirgslandschaften) der Druckgraphiken von Stahlstichen namentlich nicht genannter Künstler aus dem frühen 19. Jahrhundert geschuldet ist. Die zeitlich im Kontext der Romantik verortbaren Graphiken dienten Loidl als Material, das sie mit einer Radiernadel bearbeitet hat, um auf diese Weise andere, darunter (?) liegende Formen freizulegen. Voluminöse Kubaturen in variierenden Ausmaßen erscheinen in der Funktion eines wiederkehrenden Motivs. Ob sich auf diese Weise Bilder und Diskurse der Gegenwart und Zukunftsvisionen (Infoblatt) in das Bildmaterial einschreiben lassen, ist so etwas wie Glaubenssache.
Von einem von der Künstlerin intendierten Verfremdungseffekt zu sprechen, beschriebe die Ästhetik der Serie nicht zutreffend. Vielmehr scheint durch diese Bilder eine nicht präzise verortbare Grenze (oder ein beiderseitiger „Rand“) zu verlaufen: jene zwischen dem Bildideal der Romantik, der als Summe sich harmonisch aneinander fügender Elemente imaginierten Landschaft auf der einen und den vom idealisierenden Blick ausgeblendeten, von Loidl im durchaus wörtlichen Sinn freigelegten Formen, welche weniger einen Bruch mit der Idealisierung als vielmehr die von ihr nicht zu trennende „Nachtseite“ einer nicht im Lot befindlichen Welt visualisieren, auf der anderen Seite. Genau das dürfte die starke Aura der Radierungen schaffen.

Das jeweils dahinter stehende Verständnis von „Rand“, von Grenze wird in den einzelnen Stationen dieser Ausstellung zum Teil klar umrissen, in manchen nur erahnbar. Der Bezugnahme von Dagmar Schink und Franz Koppelstätter auf die gesellschaftlich hochaktuellen Migrationsbewegungen und der Miteinbeziehung entsprechender Projekte liegt sicher das Bekenntnis zu einem wohlwollend-konstruktiven Umgang mit verfolgten, Schutz suchenden Menschen zugrunde.
Ein letztes Zitat aus dem Informationsblatt zur Ausstellung: Kreatives Potential wird frei, wenn sich Menschen begegnen, die für gewöhnlich nichts miteinander zu tun haben. Auch wenn er auf die Entstehung neuer Formen des Zusammenlebens bezogen ist, ist dieses Statement der KuratorInnen sehr wohl auch auf die Unterschiedlichkeit der gezeigten Projekte und Arbeiten sowie der für sie verantwortlichen Menschen anwendbar.

Fr 15. 01. 2016, 15.00 h
afo architekturforum oberösterreich
Rand
Kuratorischer Rundgang mit Franz Koppelstätter und Dagmar Schink
Ausstellungsdauer bis 29. 02. 2016

Auch die Gesellschaft für Kulturpolitik, die gfk, widmet sich in ihrem thematischen Schwerpunkt Ränder derzeit „dem hochaktuellen Thema: ob sie nun geographischer, politischer, botanischer, literarischer oder historischer Natur sind – Ränder sind Orte, Situationen und Gegebenheiten, in denen unterschiedliche Gruppen aufeinan­dertreffen und interagieren. Womöglich Neues produzieren.“
Die gfk hat dazu auch in ihrem letzten Magazin einen Schwerpunkt gesetzt „Ränder. Eine Frage der Kultur“.

anxietytreatmethods.com/ambien
anxietytreatmethods.com/valium

www.gfk-ooe.at

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