Robot sucks …
Zwar nicht ganz wirklich Modern Dance, aber dennoch eine großartige, völlig andere Art von Ballett: Die Roboter-Ballett-Projekte von Walter Schalter hat sich Christian Wellmann angesehen.
Walter Schalter ist äußerst umtriebig, der Künstler und Musiker studiert Mediengestaltung, arbeitet im Brotberuf als Systemadministrator und unterrichtet Informatik an der HBLA Lentia, zudem Volkswirt, Gründungsmitglied von Backlab, ehemals Regie-Assistent am Linzer Landestheater. All diese Eckpfeiler laufen schier selbstverständlich in seinen Roboter-Ballett-Projekten zusammen. Verfremdungstechniken – bei Gebrauchsgegenständen – wie bei Duchamp kommen zum Einsatz. Wer das noch nicht leibhaftig gesehen hat – wie zum Beispiel das „Penis Ballett“, „Automatic Worker Ballet“ – den bitte ich, NUN den unten angeführten Link zu den Videos zu klicken, – LESESTOPP HIER –. Die Clickfaulen unter euch mögen ihre Aufmerksamkeit auf das den Text umschmückende Bildmaterial lenken.
Es handelt sich um Staubsauger-Roboter, kurz: Saugroboter, zumeist mit Figuren versehen, die als Ballett in einer Installationssituation dahingleiten, aufgrund der Einfachheit ergibt sich eine gewisse Komik und Poesie. Herumirrende Automatismen, nur scheinbar zufällig getrieben, deren Kalkül in ihren festgelegten Bahnen nicht sofort erkennbar ist. Sind sie gar verselbstständigt? Den Begriff Ballett verwendet Schalter folgendermaßen: „Weil der Humor im Titel drinnen steckt. Logarithmus ist der Inbegriff von Willkür. Etwas Zufallsgesteuertes, dass man das als Ballett bezeichnet, finde ich extrem lustig. Ballett ist ein sehr aufgeladener Begriff, ein Teil der Hochkultur. Mehr kann man einer Kunstform nicht schaden, dass man sie in die Hochkultur aufnimmt. Ballett lebt ja auch jenseits dieses Begriffs. Bei mir ist das sarkastisch beladen.“
Das Reizwort Ballett als muffiger Putzfetzen, um damit Ausscheidungen der Hochkultur wegzufegen? Ich lasse ausnahmsweise den Künstler und Erfinder dieses bestens funktionierenden Spektakels beschreiben, wie es zur Idee kam: „Dass ich etwas mit Staubsaugern machen will, da bin ich zum ersten Mal drauf gekommen, wie sich mein ältester Sohn einen solchen automatischen Staubsauger gekauft und mir stolz gezeigt hat, wie toll der ist. Er hat auf den Boden geäschert, der Staubsauger hat das aber nur verteilt, nicht weggesaugt. Immer wenn etwas so gründlich nicht funktioniert, hat das etwas Komisches. Das nächste Mal ist es mir eingefallen, als wir 2014 den „Mad Circus“ im Central Linz veranstalteten, den wir KünstlerInnen von Backlab organisiert und kuratiert haben. Da war mein Beitrag das Staubsauger-Ballett. Und da hab ich gelernt, mit dieser Entfremdungstechnik von Robotern, die sich autonom in einem Raum bewegen, wie das funktioniert und wirkt. Die Sujets, die ich verwende, müssen alle irgendwie zueinander in Bezug stehen. Was geholfen hat, ist, dass die Figuren nicht fotorealistisch waren, sondern einen gewissen Abstraktionsgrad aufgewiesen haben. Da hab ich gesehen: Das funktioniert, das hat eine unheimliche Poesie – mit diesem relativ primitiven Algorithmus. Es ist von Vorteil, weil diese Roboter ein Massenprodukt sind, und du für verhältnismäßig wenig Geld viel Sensorik und Motorik bekommst, sonst wäre das unerschwinglich.“
Handlungsballett mit Choreografie, Bühnenbild, Kostüme, Bewegungen im Raum – es ist alles vorhanden, was ein „klassisches“ Ballett definiert. Wenn auch die Gestik und Mimik der „Pappkameraden“ stets gleich bleiben, formt die Betrachtung dieser Figuren ein Bild im Kopf, das durch seine scheinbar schwebenden Bewegungen den Ballett-Begriff elegant neu definiert und an seine Grenzen führt. Modern Dance, im wahrsten Sinne, wenn man so will. Mich erinnert das auch an Uhrwerke oder Glockenspiele, Figuren drehen sich, werfen Schatten. Androide, die sich Gebrauchsgegenständen bemächtigen, um Eindruck in der von technischen Apparaten überschwemmten Menschenseele zu erheischen. Es entstehen humanoide Roboter, die die Abbildung der Natur (des Menschen) mit technischen Mitteln spielerisch ermöglichen. Wie beim „Passion-Ballett“ (2015, STWST): „Ich verwende Roboter für unterschiedliche Projekte. Dieses zweite, „Passions of Christ“, mit religiösen Sujets, und der Doppelung mit zwei Jesussen, einer größer, einer kleiner, ist besonders fies. Die Figuren sind fast wie im Boxring gegeneinander angetreten. Symbole sollen die Bedeutung nehmen, sobald man menschliche Figuren auf die Staubsauger draufgibt, obwohl sie sehr roboterhaft durch den Raum fahren, und sie sich bewegen, bekommt das etwas Menschliches, von dem ich nicht erwartet habe, dass das so stark wirkt.“
Ein weiteres Projekt ist Kritik an der OÖ. Landesregierung: Am „Wurst vom Hund-Ball“ (2016) kurvten sechs unterschiedlich geformte Penisse, ausgekleidet mit Leuchtdioden, mit den bewährten Staubboliden durch einen Raum der STWST. Das Publikum konnte die Lichter mit einer Fernbedienung steuern. Das grafischste Projekt Schalters ist ein Stinkefinger Richtung Pfründe-absichernder Regierung, die sich im Luxus schaumbadet, keine Frau dabeizuhaben. Oder bei der Ausstellung „Remix“ in der Tabakfabrik („Automatic Worker Ballet“), wo eine Arbeiterfamilie durch sozialistische, propagandistische Darstellung gezeigt wurde. „Die sozialistische Utopie, die ich dargestellt habe, das Bild hat sich sozusagen permanent remixt, indem die Figuren neue Postionen im Raum zueinander eingenommen haben. In Kombination mit Schatten bräuchte man nur einen Text dazu geben und fertig wäre die Filmszene“, so Schalter. Wichtig ist, dass diese Projekte alle neue Situationen schaffen, nichts ist wiederholbar, es muss zur Location passen.
Lieblingsprojekt mit Staubsauger, der „Nihilator“: „Das ist ein Staubsauger, der so modifiziert ist, dass er einsaugt und auch gleich wieder rausbläst. In Anlehnung an eine Kurzgeschichte von Kurt Kusenberg („Nihilit“): Ein Erfinder erfindet einen Klebstoff, der sinnlos ist, für nichts zu gebrauchen – damit er einen Sinn ergibt, schafft er einen Stoff, auf dem dieser Klebstoff klebt. Diese selbstreferentiellen Systeme sind so Dinge, die selbstverstärkend funktionieren. Ich bin Volkswirt, darum finde ich dieses Konzept interessant, das schlüssigste, das ich gemacht habe. Es wäre schön, wenn man den mit einer Atombatterie nützen könnte… Meine Installationen mit Robotern sind alle bis auf den „Nihilator“ eigentlich nur sehr schwer wiederholbar, da raumgebunden.“
Das nächste Projekt wird mit Tanzrobotern, erstmals mit Open-Source-Staubsaugern, die frei programmierbar sind, bestritten. Sie können u.a. auf Musik reagieren, und werden eventuell eine Modenschau zeigen. Aktuelle Robotermode. Auch wird bald, Projekte können sich bei Walter Schalter über Jahre ziehen, ein Video zu einer alten Nummer („Katze du bist schön“) fertiggestellt. Als Musiker tritt er unter Schalter auf, und eher ungern alleine auf der Bühne („Notebook-Auftritte sind so unmusikalisch… ich möchte auf der Bühne schwitzen“), zu mehrt unter „Nagelstudio“. Auch in Projekte von Backlab ist er noch verwickelt, das Kreativlabor will keine Vereinsmeierei, und sieht sich als freundschaftliches Gebilde, in dem Leute gut miteinander arbeiten können, sich kreativ austauschen können. Und hier schließt sich irgendwie der Kreis: sein eigenes Umfeld kreieren, wo sonst nur Roboter-Wesen das Sagen hätten…
„Man muss die Natur des Menschen lernen um sich zur Technik abzugrenzen. Künstliche Intelligenz steht seit Jahrzehnten still. Wichtig ist, was kann eine Maschine leisten, was nicht. Man ist viel zu sehr auf Faszination von High Tech, Rechenleistung, usw. fokussiert.“
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