ROBOT1490075
Im Rahmen der Magazinredaktion des YOUKI International Youth Media Festivals hat sich eine jugendliche Autorin Gedanken über eine grenzenlose Welt gemacht. Eine Welt, in der nur ein einziger Herrscher an der Macht ist. Der Herrscher aller unser, der Präsident der Erde.
Ich bete zu dem allmächtigen Herrscher aller unser,
dessen Leibe geschaffen aus uns allen,
die Perfektion im wahrlichen Sinne,
seine Worte die einzige Wahrheit des Staates.
Nur er.
Ich danke ihm für die Auflösung der Grenzen,
für die Wiedervereinigung des Staates,
für die Bestrafung und Robotertransformierung der Bösen,
für das Erschaffen und Einsetzen der Gedankenleser.
Führe uns für immer.
Nur du, O unser einziger Herrscher und Führer,
nur du schenkst uns Hoffnung in dunkler Stunde,
nur du, der uns alle gleich gemacht hat,
Nur dir wollen wir dienen bis an unser Lebensende,
Friede.
Sogar hier muss er seine verdammten Gebetstafeln aufstellen! Nicht einmal diesen sonst so unberührten Fleck Gestein hat er in Frieden gelassen.
Ich stehe an der Klippe. Gleich werde ich springen. Jetzt. Oder jetzt. Gleich werde ich wie ein Stein ins Wasser sinken. Nie mehr auftauchen. Für immer weg von hier, von diesem Staat voller Betrug und Drohnenüberwachung, weg von dieser betrogenen Gesellschaft, diesen teuflischen Gedankenlesern, dem schrecklichen Herrscher aller unser!
Hätte ich damals gewusst, wie viel schlimmer seine Herrschaft sein würde, hätte ich niemals Zellen für seine Erschaffung gespendet! Kein einziges Blutkörperchen hätte ich verschwendet an diesen Lügner. Aber damals was ich ja selbst noch fest überzeugt davon gewesen, dass er die Lösung für alles sein würde! Ein Herrscher, der alle Völker der Welt vereint, geschaffen aus den Zellen, dem Blut der Bevölkerung. Ein Herrscher, der Kriege verweigert, Kriegsflüchtlinge anderer Planeten bei sich aufnimmt, Programmierarbeitsplätze schafft für alle, unter dem jeder gleich viel verdient, und dessen Erscheinungsbild so perfekt ist, so wunderschön, so charismatisch, so sympathisch und so vertrauensvoll.
Meine Frau ist direkt verliebt in ihn, manchmal habe ich sie dabei erwischt, wie sie unanständige Dinge zu seinem gerahmten Videobild in der Maschinenkammer gesagt hat. Zum Glück wird sie bald nicht mehr meine Frau sein, zum Glück muss ich bald nicht mehr unter ihm leiden, denken.
Genau das ist es nämlich, ich denke.
Meine Frau hat das Denken schon vollkommen verlernt. Beinahe wie ein Roboter eilt sie durch die Gegend, ihr einziges Ziel, dem Herrscher aller unser möglichst gut zu dienen. Nicht einmal, als mein Onkel zur Strafe für das Brechen von Regel Nr. 5 527 895 (ihr Hausroboter muss jeden vierten Sonntag des Monats April zur Wartung geschickt werden) und Regel Nr. 8 965 662 356 (das Berühren von Menschen des anderen Geschlechts ist aus anti-sexistischen Gründen weder in der Öffentlichkeit noch im privaten Rahmen gestattet) zum Roboter transformiert wurde, zweifelte sie an ihm. Nicht einmal, dass mein Onkel jetzt in der Gemüseplantagenabteilung im Süden versklavt wird, gibt ihr zu denken. Der Herrscher aller unser hat ihr Hirn mit seinen Drohnen schon so weit fanatisiert, dass …
Ich muss springen. Weg von allem. Jetzt, jetzt, jetzt…
Als ich aufwache, lese ich auf dem in meinen eisernen Brustkorb gestanzten Schriftzug „ROBOT1490075—MÜLLVERWERTUNGSABTEILUNG00“. Ein Programm in meinem Hirn gratuliert mir zur gelungenen Transformation. Es teilt mir mithilfe des Lageplans (der sich in der Speicherkarte oberhalb meines dritten Greifarms befindet) mit, wie der Weg zur Müllverwertungsabteilung geht. Das Programm wünscht mir einen schönen Arbeitstag.
Ich danke dem wunderbaren Herrscher aller unser, der mich zu dem gemacht hat, was ich bin.
Ich bete zu dem allmächtigen Herrscher aller unser,
dessen Lei…
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