The city plays itself

Claus Harringer hat sich angehört, wie Architektur klingt.

Als neue universitäre Modedisziplin haben sich in den letzten Jahren „Sound Studies“ etabliert: Während das akademische Nachwuchspersonal dieses frische Feld durch programmatische Positionierungen pflügt und mit disziplinären Desiderata düngt, gehen Andere hin und forschen: Zu letzteren gehören Peter Androsch und Anatol Bogendorfer von „Hörstadt“. Dabei soll nicht der Eindruck entstehen, dass sie ohne genaue Vorstellungen zu Werke gehen – ihre thoughts about sound sind zugleich sound thoughts. Allerdings nehmen Sie ihren Gegenstand in seiner Eigenlogik ernst und dessen akustische Aspekte intensiv unter die Lupe, ohne ihn in ein vorgefertigtes Konzept einzuhegen. Im Falle von „Sonotopia“ handelt es bei dem – über mehrere Wochen beforschten – Gegenstand um den Bischofshof in der Linzer Herrengasse. Was bedeutet aber die Aussage, dass die Stadt sich selbst spielt? Auf den ersten Blick sind Gebäude keine Klanggeneratoren im strengen Sinne: Architektur modifiziert Klänge als Resonanzraum durch die Beschaffenheit ihrer Oberflächen und Strukturen. Dabei braucht es in zweierlei Hinsicht ein menschliches Agens: Menschen setzen Gebäude zusammen – komponieren sie – und die Gebäude wieder komponieren – verdichten – die Schwingungen, die sie aus ihrer Umgebung aufnehmen, welche wiederum ihren Ursprung meist in menschlichen Aktivitäten haben. Den Gedanken weitergetragen, ist das Medium, das Klang erst ermöglicht, letztlich Luft. An diesem Punkt werden die Übergänge zwischen Erzeugung und Formung fließend und hier setzt Sonotopia an: „Nothing was invented; the point was to pay attention to what was already there: the city as tonal space.“
Tonale Basis für die Arbeit waren die zuvor genau ermittelten (Eigen)Schwingungen des Gebäudeklangkörpers, die als dessen akustische Topographie kartiert und anschließend „re-injiziert“ wurden. Dies bedeutet Interaktion mit wechselnden Rollen: Während zuvor das Bauwerk Frequenzen vermittelte, werden bei diesem Schritt die Forschenden selbst zu Filtern, die die Klänge nehmen und perspektivisch gestalten. Inspirieren ließen sie sich dabei von Alfred Hitchcock: „Just as the great British director’s film sets included surrealistically enlarged or scaled-down architecture and objects in order to heighten their on-screen impact, they stylistically accentuated individual components of the urban soundscape in staging a Resounding City event.“
Inszeniert wurden die Ergebnisse der Forschung – unter Beteiligung des VOEST Alpine Chors und der Bruckneruniversität-Blechbläsersektion – am Ort der Klangentstehungen an einigen Abenden im Rahmen der Ars Electronica 2014. Warum aber erscheint dieser Text jetzt ein Jahr danach?
Am 20. August ist eine – exakt 30 Minuten lange – CD mit Ausschnitten aus den Aufführungen erschienen (deren Begleittext auch die bisherigen englischen Zitate entnommen sind). Jetzt stellt sich die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, sich das abgelöst von Entstehungs- und Aufführungsort anzuhören – schließlich könnte das Material ebenso gut auf andere Weise zustande gekommen sein. Auch wenn das „Hier und jetzt“, das Sonotopia zu einer beeindruckenden Erfahrung machte, fehlt, vermittelt die Dokumentation zumindest einen Eindruck davon. Es könnte den Versuch wert sein – im Sinne eines akustischen Re-enactments – die Aufnahme mit Kopfhörern vor Ort anzuhören (schließlich war bei den Aufführungen die Klangquelle ebenso wenig zu sehen). Eher im Sinne der „Hörstadt“ wäre indes, sich das Prinzip zu eigen machen und genauer auf die Geräusche in der Stadt zu achten. Vielleicht müsste die – Berkeley zugeschriebene – erkenntnistheoretische Frage auch in diesem Sinne umformuliert werden: „If a tree falls in a forest and no one is around to hear it, was even anybody listening?“

CD-Präsentation von „Sonotopia“ bei der Ars Electronica Anfang September. Bezogen werden kann „Sonotopia“ über den AEC-Shop.

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