Vom freien Arbeiten und den immer gleichen Strukturen.
WORK B**CH
Eine Arbeitskolumne von Wiltrud Hackl
Die Beschreibung einer Situation aus der Situation heraus ist ein schwieriges Unterfangen. Möchtest du dir die Arbeit machen, über Arbeit zu schreiben? war die Frage. Aber klar doch, die im Nachhinein betrachtet hoffentlich nicht vorschnelle Antwort. Immerhin gehöre ich als eine, die mit immaterieller Arbeit Geld verdient und das in atypischen Verhältnissen, zu einer Gruppe von Arbeiterinnen, die seit Jahren ohnehin ausführlich beschrieben wird. Von innen wie von außen. Ohne allerdings, dass sich deshalb an den Rahmenbedingungen viel geändert hätte.
Fallen wir eigentlich noch auf, machen wir uns noch bemerkbar oder haben wir uns arrangiert mit der Situation und akzeptieren befristete Verträge, unklare Arbeitsbedingungen, schaufeln uns von einem Projekt und einem Versicherungsloch zum anderen – weil wir doch ohnehin so gut im Organisieren sind? Betonen wir weiterhin, dass unsere Arbeitsentwürfe frei gewählt sind, einer notwendigen, kritischen Verweigerungshaltung entspringen, und sich durch Selbstbestimmung und hohe Ansprüche an unser eigenes Arbeitsverhalten im Kontext vorgegebener Strukturen auszeichnen? Oder riecht das mittlerweile nach Selbstbetrug? Fakt ist, und das für viele von uns: Egal wie viel wir arbeiten (und eigentlich tun wir das ständig, weil wir es uns anders gar nicht leisten können), an ein längerfristiges existenzsicherndes Einkommen glaubt wohl keine mehr.
Unsere Arbeitsleben sind geprägt von Entwürfen, deren Prämissen Unabhängigkeit und Flexibilität sind. Als einziges stabiles Element wollten und wollen wir es sein, die sich in diesem Fluss an Herausforderungen bewähren: wachsen, aber doch die gleichen, kompromisslosen Neugierigen bleiben. Wir sind vielleicht und sehr polemisch ausgedrückt jene Luxuswesen, für die der Begriff Prekariat erst erfunden wurde. Refuse to Choose, bloß nicht festlegen, nicht einordnen, nicht langweilen lassen. Wir waren und sind die, die lieber selbst erfinden – sich selbst und am besten gleich noch die dazugehörigen Strukturen. Und dass diese Strukturen sich ändern würden, davon waren wir überzeugt.
Aber wann zur Hölle haben wir deshalb auf jede Form von existentieller Absicherung verzichtet? Überlegungen wie die oben beschriebenen machten irgendwann tatsächlich Sinn und ließen sich ein Stück weit und an guten Tagen leben. Mit Honoraren, die dem Ausmaß der geleisteten Stunden und dem Aufwand an Arbeit gerecht wurden. Die Ausgangssituation war schließlich gar nicht übel: Wir wurden in einer Zeit sozialisiert, in der eine gescheite Bildungs- und Gesellschaftspolitik als notwendig empfunden wurde. Experimentieren und Scheitern hielt man vor knapp vier Jahrzehnten hierzulande nicht nur für etwas Positives, es wurde nachgerade erwartet. In unserer Generation waren Erwartungen, was Modernität, Flexibilität und kreatives Denken betraf, gebündelt. Lifelong Learning hieß eine der Karotten, mit der man uns am Laufen hielt. Und unter Karriere verstanden wir höchstens eine Fixanstellung zu Bedingungen, die den Willen zum kritischen, flexiblen Arbeiten und Denken ausreichend entlohnen würde. Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen, die würden sich schon weiterentwickeln. Wir hatten ja keine Ahnung.
Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht, die sind – so müssen wir erkennen – ebenso dröge und schwerfällig wie die Langeweile, vor der uns stets graute. Anstelle von neuen, intelligenten Arbeitsbedingungen, in denen alle für ihre Arbeit ein gleichwertiges, existenzsicherndes Auskommen finden, treten Termini wie Ich AG und freie Dienstnehmerinnen oder – als aktuellster, wenn auch gar nicht mehr neuer Coup des Kapitalismus – Kreativwirtschaft: Wer verinnerlicht, dass jedes Wissen und Talent ökonomisiert und kommerzialisiert werden könne und Erfolg sich ganz allein auf die Bereitschaft zur Selbstausbeutung begründet, fragt schließlich nicht länger nach arbeitsrechtlichen Bedingungen.
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