You better work, bitch! (aber better not in Kunst, Kultur, Handel, Pflege oder Gastronomie)
Ob ich eh wisse, dass der Titel dieser Kolumne an einen Titel eines Songs der verehrenswerten Britney Spears erinnert, wurde ich kürzlich gefragt. Ein Song aus 2018, in dem die Sängerin fragt, ob wir auch gern einen Maserati haben, ein Fancy Life leben oder eine Party in France machen wollen und wenn so – ruft sie uns aus der Wüste Kaliforniens zu – na, dann: You better work, bitch!
Natürlich hat der Titel dieser Kolumne überhaupt nichts mit dem Songtitel zu tun und zwischen 2018 und 2021 liegt mittlerweile ein gefühltes Jahrhundert, und, ach – sooo dringend ist das jetzt gar nicht mit der Villa – Durchversicherung, fixe Aufträge, Fair Pay, Jobgarantie womöglich oder wenn ihr uns nach Boni fragt: Wertschätzung und eventuell kein Sexismus am Arbeitsplatz – dafür lässt frau jeden Maserati stehen, Bitch!
Zurzeit sieht es damit eher schlecht aus: um 27,7 % ist der Anteil der Arbeitslosigkeit unter oberösterreichischen Frauen im Jänner 2021 zum Vergleichsmonat im Vorjahr gestiegen (Männer: + 19 %, Quelle: www.ams.at). Und da liegt Oberösterreich noch ganz gut, denn österreichweit waren im Jänner 2021 um 42, 4 % mehr Frauen arbeitslos als im Jänner 2020 (Männer: + 25,2 %). Frauen sind, auch wenn ihre schlecht bezahlten Jobs als noch so „systemrelevant“ eingestuft werden, diejenigen, deren Jobs offenbar als erste gefährdet sind. 30,4 % (Beherbergung und Gastronomie) bzw. 27 % (Kunst, Unterhaltung und Erholung) der Arbeitnehmer*innen (alle Geschlechter) waren zwischen März und November 2020 österreichweit in Kurzarbeit, das heißt, ihre Jobs konnten nur durch staatliche Beihilfen gesichert bzw. gerettet werden. Und hier sind natürlich nur jene erfasst, die bezugsberechtigt sind. Es fehlen also Selbstständige, EPU, geringfügig Beschäftigte und freie Dienstnehmer*innen – und genau die sind ja in der Sparte Kunst und Unterhaltung durchaus häufig vertreten.
Ein Claim wie „Nichts geht ohne uns!“, den sich das superne, neugegründete Bündnis 8. März für die diesjährige Kundgebung gegeben hat, erscheint angesichts dieser Zahlen auf den ersten Blick also widersprüchlich, denn kurzfristig zeigt sich: Da „geht“ doch sehr viel ohne „uns“. Auch ohne Kunst und Kultur läuft doch alles irgendwie und die Regierenden sprechen gar schon davon, wie man sich „aus der Krise herausinvestieren“ könne. Geld gibt es dafür offenbar. Man/n muss doch nur wollen! In die Krise investieren, aus der Krise profitieren! You better work, bitch!
Die einen arbeiten sich also bei schlechten Löhnen krumme Rücken und hamstern Applaus, die anderen verlieren Aufträge, und die kleinen, aber notwendigen und unterschiedlichen Anstellungsverträge, durch die sie wenigstens krankenversichert waren. Langfristig geht da gar nichts mehr, das muss jedem und jeder klar sein. Denn: Geht’s den Männern schlecht, gehen unsere Jobs als erste verloren, völlig egal, in welcher Branche. Da winkt sie schon, die Altersarmut – ob nun der Verkäuferin oder der Künstlerin. Formale Bildungsabschlüsse schützen übrigens nicht mehr zwingend vor Jobverlust, auch das zeigen die Zahlen, Menschen mit Lehrabschluss haben aktuell bessere Chancen, einen Job zu bekommen als Menschen mit Matura, Uni- oder Akademieabschluss (Quelle: www.ams.at). Das ist alles sehr trostlos, öffnet auf der anderen Seite die Sicht auf und die Notwendigkeit für Klassismus überwindende Kooperationen und Bündnisse. Es wird nicht anders gehen, als künftig genoss*innenschaftlich zu denken und Kompliz*innenschaften einzugehen – ob in der Kunst, der Kultur, im Pflegebereich oder im Handel. Viele gesundheitliche Krisen in Europa zogen sozialrechtliche Verbesserungen – vor allem für arbeitende Frauen – nach sich, weil sie sich ihrer Stärke bewusst wurden und Forderungen stellten. Mitte des 14. Jahrhunderts ging nach den verheerenden pestverseuchten Jahren in Europa tatsächlich nichts mehr ohne Frauen, die Folge waren wenigstens kurzfristige Verbesserungen, die sie selbst herbeiführten. „Wir“ sollten auch endlich damit beginnen, verstärkt für „uns“ selbst zu sorgen, Forderungen zu stellen und vor allem diesen „Wir“-Rahmen endlich erweitern. Der 8. März ist ein internationaler Tag und er ist und bleibt ein stolzer Kampftag. Mehrsprachigkeit und Solidarität mit mutig kämpfenden Frauen etwa in Belarus oder Polen sind somit obligat. Und dass er immer noch kein internationaler Feiertag ist, halte ich im Übrigen für eine Schande. Aber wer weiß, vielleicht wird er ja zum Streiktag? Auch daran kann frau ja arbeiten, Bitch!
Bez nas nic nie dziala! biz olmadan hiçbir sey yürümez! Senza noi, non si puo! Ingenting virker uten oss! Sin nosotros, nada va! لا شيء يعمل بدوننا Nimic nu merge fara noi! Nichts geht ohne uns!
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